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Rache bis zum letzten Atemzug
Ein scharfes Flüstern weckte sie. "Aufstehen, Kelly!"
Kelly Burkitt schlug die Augen auf und blickte in das angespannte Gesicht von Clark Wesley. "Wir müssen weiter", raunte er. "Sie sind hinter uns her, ich spüre schon ihren Atem im Nacken."
Kelly war, als wühlte eine Faust in ihrem Bauch. Mit einem Schlag kehrte die böse Erinnerung zurück. Banditen hatten die Ranch der Eltern überfallen. Wie die Berserker hatten sie gewütet, als sich die erhoffte Beute als nur geringfügig erwies. Dad wurde sofort erschossen, Mom und ihre beiden Brüder Joe und Alan lebten nur wenige Minuten länger.
Kelly war die Flucht gelungen. Der Mann, dem sie ihr Leben verdankte, hieß Clark Wesley. Dad hatte den alten Mann aus Mitleid aufgenommen und ihm auf der Ranch ein Zuhause geboten.
"Beeil dich, Kelly", drängte ihr Retter. "Gleich geht die Sonne auf ..."
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Seitenzahl: 133
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Rache bis zum letzten Atemzug
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: DelNido/Norma
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7685-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Rache bis zum letzten Atemzug
Ein scharfes Flüstern weckte sie. »Aufstehen, Kelly!«
Kelly Burkitt schlug die Augen auf und blickte in das angespannte Gesicht von Clark Wesley. »Wir müssen weiter«, raunte er. »Sie sind hinter uns her, ich spüre schon ihren Atem im Nacken.«
Kelly war, als wühlte eine Faust in ihrem Bauch. Mit einem Schlag kehrte die böse Erinnerung zurück. Banditen hatten die Ranch der Eltern überfallen. Wie die Berserker hatten sie gewütet, als sich die erhoffte Beute als nur geringfügig erwies. Dad wurde sofort erschossen, Mom und ihre beiden Brüder Joe und Alan lebten nur wenige Minuten länger.
Kelly war die Flucht gelungen. Der Mann, dem sie ihr Leben verdankte, hieß Clark Wesley. Dad hatte den alten Mann aus Mitleid aufgenommen und ihm auf der Ranch ein Zuhause geboten.
»Beeil dich, Kelly«, drängte ihr Retter. »Gleich geht die Sonne auf …«
Jenseits der östlichen Hügel zeigte sich das erste Morgenlicht.
Ein kleiner, fast ausgetrockneter Fluss mit dem hochtrabenden Namen Majestic River schlängelte sich zwischen den bizarr in den Himmel ragenden Felsungetümen hindurch. Ein leiser Wind kräuselte die Oberfläche des Wassers. Irgendwo, hinter einem der Hügel, erklang das schaurige Heulen von Coyoten.
Die junge Frau fühlte, wie ihr eine Gänsehaut über den Rücken lief. Das Gebrüll der Präriewölfe hallte wie die Todesschreie ihrer Brüder in ihren Ohren.
Prompt füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie ließ den Kopf hängen und schluchzte laut.
Clark Wesley packte sie derb an der Schulter. »Du musst jetzt stark sein, Mädel. Raff dich auf und komm!«
Sie stemmte sich auf die Füße, drückte ihr Rückgrat durch und lockerte ihre steif gewordenen Glieder. Nach der Nacht auf dem harten Boden taten Kelly alle Knochen weh. Doch der körperliche Schmerz war nichts gegen die Qual, die sie über das grausige Schicksal ihrer Angehörigen empfand.
Mom, Dad, Joe, Alan – die Desperados hatten keinen verschont. Selbst Porky, den Schäferhund, hatten sie erschossen.
»Wir gehen am Fluss entlang.« Clark zerrte an ihrem Ärmel.
Er war ein dünner, drahtiger Mann von ungefähr sechzig Jahren. Mit seinem hohlwangigen Gesicht, das mit grauen Stoppeln übersät war, und seinen langen, strähnigen Haaren glich er dem Prototyp des herumvagabundierenden Taugenichts, wie man ihn tausendfach westlich des Mississippi antraf.
Doch der Schein trog.
Clark Wesley war ein guter Mann. Binnen kürzester Zeit hatte er sich auf dem Anwesen der Burkitts unentbehrlich gemacht. Sein Tatendrang war einfach enorm. Ohne ein Wort der Klage schuftete er von früh bis spät. Er versorgte die Rinder, das Kleinvieh, die Pferde und Mulis und fand obendrein noch Zeit, auf den Äckern im Norden der Ranch zu arbeiten. Manchmal musste Dad ihn ausbremsen, damit Clark sich nicht übernahm. Es dauerte nicht lange, und der nimmermüde Ranchhelfer avancierte zum vollwertigen Mitglied der Familie.
Jetzt waren er und sie die Letzten, die von dem Burkitt-Clan übrig waren.
Kelly stapfte gedankenverloren hinter dem alten Mann her. Immer wieder hielt Clark inne, blickte sich um und spähte prüfend den Weg zurück, den sie eben gekommen waren.
»Clark, warum, glaubst du, sollten die Halunken uns verfolgen?«, fragte sie. »Bei uns ist doch nichts zu holen. Nicht mal ein Pferd haben wir unter dem Hintern.«
»Bei ihrem Überfall haben die Teufel nicht viel erbeutet«, antwortete er. »Aber sie wissen, dass wir entkommen sind. Bestimmt glauben sie, wir haben uns mit dem Tafelsilber aus dem Staub gemacht.«
Das ergab Sinn. Kelly drückte ihren Hut fester auf den Kopf. Banditen verübten Verbrechen, um ihre Opfer zu berauben. Doch Mom und Dad hatten so gut wie keine Rücklagen. Keine Dollars im Tresor, kein Schmuck in Schatullen und keine teuren Waffen und Kleidungsstücke. All ihr Geld steckte in der Ranch, in den Tieren, in den Ställen, den Futterkammern und in dem Land, auf dem sie ihren Lebensunterhalt erwirtschafteten.
Der Wind wechselte seine Richtung. Auf einmal hörte Kelly das verzerrte Wiehern eines Pferdes.
Sie bekam einen Schreck, und sogleich schlug ihr Herz ein paar Takte schneller.
Clark sah sie an. »Ich hab’s dir ja gesagt«, raunte er. »Sie jagen uns. Die Kerle glauben, wir wollen sie um ihre Beute betrügen.«
»Das Wiehern könnte auch von Indianerponys stammen«, warf Kelly ein.
»Nein, Mustangs wiehern anders.« Clark fing an zu laufen.
Kelly blieb ihm dicht auf den Fersen.
Der Pfad neben dem Flusslauf war extrem schmal und holprig. Man musste höllisch aufpassen, um nicht zu straucheln. Zudem hatte Kelly Mühe, dem Tempo zu folgen, das der flinkfüßige, alte Mann vorgab.
Nach einiger Zeit bekam sie Stiche in den Seiten. Ihre Lungen brannten wie Feuer. Sie keuchte schwer. Mit aller Macht versuchte sie, den Schmerz zu ignorieren.
Dennoch wurde sie immer langsamer. Ihr Körper musste den Strapazen Tribut zollen. Bald kam sie über ein mäßiges Schritttempo nicht mehr hinaus.
Yard um Yard blieb sie zurück. »Clark«, japste sie, »Clark …«
Neben einer steil aufragenden Felssäule blieb der Mann stehen.
Kelly schleppte sich mühsam vorwärts. Gerade eben war wieder das Wiehern eines Pferdes an ihre Ohren gedrungen. Es klang lauter als vorhin.
Die Desperados – sie kamen näher!
Sie wagte keinen Blick zurück.
Oh, wie sie sich schämte! Mit ihren knapp zwanzig Jahren stand sie in der Blüte ihrer Jahre, und jetzt musste sie erkennen, wie ihr Verbündeter, der mehr als doppelt so alt war wie sie, die Anstrengungen viel besser in den Griff bekam.
Clark nahm sie an die Hand. »Siehst du drüben den Berg, der wie ein gestürzter Pudding aussieht?«
Sie nickte schnaufend.
»Der Pernell Rock«, sagte er. »Zwei Meilen von hier gibt es eine Felslücke, die in einen Canyon führt. In der Schlucht gibt es etliche Verstecke. Ich kenne sie aus meinen Tagen als Trapper.«
»Ich brauch eine Pause«, keuchte sie am Rande der Erschöpfung.
»Nicht jetzt.« Clark blieb unnachgiebig. »Wir müssen den Canyon erreichen, bevor es richtig hell wird.« Mit diesen Worten packte er nach ihrer Hand und zog sie hinter sich her.
Kelly taumelte, als hätte sie Gummi in den Beinen. Das Tempo ihres Begleiters war mörderisch. Ein ums andere Mal sank sie zu Boden, wurde wieder hochgerissen und zum Weiterlaufen animiert.
Endlich erreichten sie die Öffnung in der steil aufragenden Felswand.
Bevor sie im Inneren des Canyons verschwanden, kletterte Clark auf eine kleine Anhöhe und hielt Ausschau nach den Verfolgern.
Kelly rang ihre Ängste nieder. Zum ersten Mal blickte auch sie zurück.
Im trüben Licht der aufsteigenden Sonne sichtete sie eine Staubwolke, die wie ein Rauchpilz in den heller werdenden Colorado-Himmel stieg. Von den Reitern war nichts zu erkennen. Die Staubschleier, die die Pferdehufe aufwirbelten, verhüllten sie.
Aber die Banditen waren nicht mehr allzu weit weg. Das Klappern der Hufeisen wurde mit jedem Atemzug lauter. Bald würden die Desperados in Schussweite sein.
Clark sprang von der Anhöhe, rief nach ihr und verschwand dann aus ihrem Blickfeld.
Kelly zögerte keine Sekunde und folgte ihm durch die Öffnung in die düstere Schlucht.
☆
Der Bandit Jess Montego brachte seinen Falben zum Stehen und wartete, bis seine Kumpane zu ihm aufgeschlossen hatten.
Die zwei Flüchtlinge von der Burkitt-Ranch waren gerade in den Canyon geschlüpft.
Montego kannte das Labyrinth jenseits der Pernell-Berge, und er hasste das unübersichtliche Gelände wie den Kater nach einem Saufgelage. Der Canyon mit seinen zahlreichen Höhlen, Erdspalten, Felswänden und versteckten Pfaden bot das ideale Hideout für Leute, die sich unsichtbar machen wollten.
Seth Garrick kam längsseits. Der Texaner mit den Bärenkräften galt als Stellvertreter des Anführers. »Well, reiten wir ihnen nach, Jess?«, fragte er.
Montego reckte seine Gestalt im Sattel, um mit dem texanischen Hünen auf Augenhöhe zu sein. Am liebsten hätte er den Befehl zum Abbruch der Verfolgungsjagd gegeben. Doch er befürchtete eine Meuterei unter seinen Gefährten. Es war seine Idee gewesen, die Bauernfarm am Rand der Halbwüste zu überfallen. Dass die Burkitts arm wie Kirchenmäuse waren, hätte er nicht für möglich gehalten. Um den Misserfolg zu kaschieren, hatte er seinen Leuten eingeredet, dass die beiden Geflohenen die angeblichen Reichtümer der Rancher in Sicherheit gebracht hätten.
Die Männer glaubten ihm. Auf sein Geheiß hatten sie sich sofort auf die Jagd begeben.
Doch was würden sie sagen, wenn sie die Flüchtigen stellten und dabei herausfanden, dass diese über keinerlei Wertsachen verfügten?
Montego sah seinen Vertreter an. Mit hochgezogenen Brauen wartete Garrick auf Antwort.
»Natürlich reiten wir ihnen nach«, knurrte Montego. »Wir dürfen die Zwei nicht mit dem Gold entkommen lassen.« Insgeheim hoffte er jedoch darauf, dass ihnen die Flüchtigen durch die Lappen gingen.
»Well.« Der Texaner legte seine Hände auf das Sattelhorn. »Und was werden wir mit den beiden tun, wenn wir sie erleichtert haben?«
Montego machte die Geste des Halsabschneidens.
»Umbringen?« Garrick schüttelte den Kopf. »Wie ich sah, ist das Mädchen, das uns entwischt ist, hübsch und gut gewachsen. Warum lassen wir das Girl nicht am Leben und verkaufen es an Fat Frank Hammett?«
Fat George Hammett war der größte Menschenhändler in Colorado. Er hatte ständig Bedarf an ansehnlichen jungen Mädchen, die er als Huren für die Bordelle im Grenzland verkaufte.
»Nein, sie und der Alte müssen sterben«, sagte Montego. »Beide haben mit angesehen, wie wir ihre Familie ausgelöscht haben. Willst du, dass sie uns an den Galgen bringen?«
Das Argument zog. Der Texaner schwieg und wandte sich den Bergen zu.
Sie ritten zu sechst, außer Montego und Garrick waren da noch die beiden Sheppard-Brüder, Will Eccles und der Halbindianer Jacobo. Die Sheppards trugen noch immer die Blutspuren ihrer Morde im Gesicht. Sie waren die Ersten, die mit dem Gemetzel begonnen hatten. Im Beisein seiner Familie hatte Ben Sheppard dem Rancher die Kehle durchgeschnitten. Dabei hatte er wohl eine Schlagader getroffen. Das Blut spritzte in kurzen Stößen bis an die Decke empor. Eine mordsmäßige Schweinerei, wie Montego fand. Die Ehefrau des Ranchers bekam einen Schreikrampf, den Jeff Sheppard mit seinem Bowiemesser beendete. Jacobo, der immer wieder behauptete, seine Mutter hätte ihn mit Kit Carson gezeugt, wollte seinen Kameraden nicht nachstehen und hatte den ältesten Sohn des Ranchers mit der stumpfen Seite seines Tomahawks ins kalte Land der Schatten gesandt. Will Eccles, der sechste im Bunde, kümmerte sich derweil um das Nesthäkchen der Burkitts. Der Bengel hatte sich in der Wäschetruhe versteckt und leistete heftig Widerstand, als Eccles ihn an den Haaren ins Freie zerrte. Gegen die Kraft des Banditen hatte der Halbwüchsige jedoch keine Chance. Eccles warf ihn zu Boden und erschlug ihn mit dem Kolben seiner Shotgun.
»Los, Männer!« Montego gab das Zeichen zum Aufbruch. »Holen wir sie uns!«
Garrick war der Erste, der seinem Pferd die Sporen gab. Gefolgt von den Sheppard-Brüdern und Will Eccles verschwand er zwischen den Felsen.
Nur Jacobo rührte sich nicht vom Fleck.
Montego starrte ihn an. »Worauf wartest du, Rothaut? Brauchst du eine Extraeinladung?«
Der Halbindianer zögerte einen Augenblick, dann ritt er den Anderen hinterher.
Montego kam Jacobos Verhalten sonderbar vor. Der Bursche war nicht auf den Kopf gefallen. Vermutlich ahnte er, dass sie einem Phantom hinterher jagten.
Jacobo war ein Sonderling. Er war mit Abstand das sparsamste Mitglied der Bande. Während seine Kumpane die Anteile an der Beute innerhalb kürzester Zeit in Bordellen, Saloons und Spielhöllen verjubelten, stopfte er seine Dollars in einen Lederstrumpf, den er ständig in seiner Umhängetasche bei sich trug. Auf die Anfrage, was er mit seinem Zaster anstellen wolle, sagte er, er wolle eines Tages seine Angehörigen aus der San Carlos Reservation zu sich holen. Zusammen würden sie über die Grenze nach Kanada gehen, um das Leben ihrer Vorfahren zu führen.
Was für ein Narr! Montego konnte über die Naivität des Mischlings nur mit dem Kopf schütteln.
Die Sonne stieg höher. Sie blendete, und Montego zog seinen Hut tiefer ins Gesicht. Er lenkte seinen Rotbraunen auf die Öffnung des Canyons zu.
Kaum hatte er den Durchschlupf passiert, da knallte ein Schuss, kurz darauf ein zweiter.
Montego sah, wie Will Eccles jubelnd seine Flinte schwenkte, von seinem Pferd sprang und zu einem Mesquitebaum rannte. Davor lag der zuckende Körper eines Wapitihirsches. Eccles gab den Fangschuss ab, ließ das rauchende Gewehr sinken und präsentierte seinen Gefährten voller Stolz seine Beute.
Als er das erlegte Stück Wild auf sein Pferd hieven wollte, erhob Montego Einspruch: »Das Tier bleibt hier, wir holen es später.«
»Warum?«
Montego straffte seine Gestalt. »Weil ich es dir sage, Will.«
Eccles zog ein Gesicht, als hätte er einen vereiterten Backenzahn, doch er fügte sich dem Willen des Anführers. Er zerrte den Kadaver in eine Erdmulde, schichtete Steine darauf und warf einige trockene Zweige darüber. Dann klopfte er sich die Hände an seinen Chaps ab.
»Na also«, brummte Montego. »Geht doch.«
Im Canyon war es noch ziemlich dunkel. Die Sonne würde die Schlucht erst am späten Vormittag erhellen. An vielen Stellen nisteten schwarze Schatten.
Von den Flüchtlingen keine Spur.
»Jacobo!« Montego ritt zu ihm. »Du bist doch früher mal Scout gewesen. Finde heraus, wohin die zwei Vöglein geflattert sind.«
»Yeah. Ich werde es versuchen.« Das Halbblut glitt von seinem Pony. Auf allen Vieren kroch er auf dem felsigen Untergrund herum. Er untersuchte den Boden auf Fußabdrücke, betastete das gelbliche Gras und presste sein Ohr auf den Boden.
Montego beobachtete den Späher mit gemischten Gefühlen. Insgeheim hoffte er, dass der Spurenleser nichts fand.
Nach einer Weile richtete Jacobo sich auf.
»Hast du eine Fährte entdeckt?«, fragte Montego.
Jacobo nickte. »Dort entlang«, sagte er und zeigte auf einen Punkt im Nordosten.
Ohne ein Kommando abzuwarten, galoppierten Will Eccles und die Sheppard-Brüder wild drauflos. Seth Garrick jagte ihnen nach.
Jacobo stellte sich auf die Beine und klopfte sich gemächlich den Sand von seinen erdbraunen Leggings.
Er ließ sich viel Zeit dabei.
Montego hörte, wie in ihm die Alarmglocke anschlug. Ihm gefiel das seltsame Gebaren des Halbbluts nicht. Er spürte, dass der Mann mehr wusste, als er vorgab. Jacobo schien einen sechsten Sinn zu haben. Hatte die Rothaut ihn etwa durchschaut?
Der Gedanke daran wühlte wie eine Faust in Montegos Magen.
»Was ist los, Amigo?«, fragte er lauernd. »Du bist sehr nachdenklich heute. Worauf wartest du? Warum reitest du nicht mit den Anderen?«
Jacobo griff nach den herabbaumelnden Zügeln und schwang sich auf sein Pony. »Ich musste nur an meine Leute in San Carlos denken«, erklärte er. »Meine Mutter, meine Brüder und meine Schwester. Hoffentlich sind sie noch am Leben. Man hört viele unschöne Dinge aus der Reservation. Die korrupten Typen von der Indianer-Agentur sind wahre Teufel.«
»Ja, da ist was dran.« Montego blieb misstrauisch. Das Gefühl, das Jacobo ihm etwas verheimlichte, war noch nicht erloschen. »Ist das alles?«, fragte er.
»Yeah, Boss. Alles.«
Montego nahm es hin. Doch er beschloss, den Mischling genau im Auge zu behalten. »Wie dem auch sei«, sagte er mürrisch. »Schnappen wir uns die Burkitt-Brut.« Nach diesen Worten ritt er los.
Er war kaum zehn Yards weit, als die Stille im Canyon von einem Schuss zerrissen wurde.
Gleich darauf knallte es noch ein paar Mal.
»Tod und Teufel! Wir haben sie!«, hallte Will Eccles’ Stimme durch das Tal.
☆
In der Schlucht hallte das Echo der Gewehrschüsse von den Felswänden wider.
Kelly Burkitt duckte sich hinter einen Salbeistrauch. Die Kugeln pfiffen dicht über ihren Kopf hinweg. Manche schlugen in Felsen ein und schwirrten als Querschläger durch die Luft.
Zum Glück wurde sie von keinem getroffen.
Voller Angst blickte Kelly auf ihren Gefährten.
Clark Wesley kauerte vor einem hüfthohen Erdwall und gab hin und wieder einen Schuss aus seinem alten Colt Dragoon ab.
Es war ein ungleicher Kampf.
Kelly war klar, dass sie ihre Position bald aufgeben mussten. Die Desperados waren in der Überzahl, und Clark hatte höchstens noch zwanzig Kugeln in seinem Patronengurt, der ihm quer über der Brust hing. Er würde die anstürmenden Aasgeier nicht mehr lange aufhalten können.
Ihre Lage war hoffnungslos.
Kelly merkte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Unaussprechliches Grauen erfasste sie. Vielleicht würden die Banditen sie foltern, weil sie erfahren wollten, wo sie die vermeintlichen Schätze versteckt hatten.
Die Schätze, die sie gar nicht besaßen.