Lassiter 2434 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2434 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Kein Job für eine Lady

Es brauchte drei Männer, um ihn festzuhalten. Ezekiel Cole wehrte sich nach Kräften. Er kämpfte wie ein Bär, um sich aus der Umklammerung der starken Arme zu befreien.
"Vater!" Cassandras verzweifelte Schreie wurden leiser, als sie sie fortschleppten. Die Vorstellung, sie zu verlieren, brachte ihn beinahe um den Verstand. Die Kerle würden sie umbringen, daran bestand für ihn nicht der geringste Zweifel. Vorher jedoch würden sie ihr unaussprechliche Dinge antun. Eine Erwägung, die seine letzten Kräfte mobilisierte. Mit einem wütenden Röhren riss er sich los und wirbelte herum, bereit, dem Tod ins Auge zu blicken ...

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Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Kein Job für eine Lady

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Boada/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7766-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Kein Job für eine Lady

Es brauchte drei Männer, um ihn festzuhalten. Ezekiel Cole wehrte sich nach Kräften. Er kämpfte wie ein Bär, um sich aus der Umklammerung der starken Arme zu befreien.

»Vater!« Cassandras verzweifelte Schreie wurden leiser, als sie sie fortschleppten. Die Vorstellung, sie zu verlieren, brachte ihn beinahe um den Verstand. Die Kerle würden sie umbringen, daran bestand für ihn nicht der geringste Zweifel. Vorher jedoch würden sie ihr unaussprechliche Dinge antun. Eine Erwägung, die seine letzten Kräfte mobilisierte. Mit einem wütenden Röhren riss er sich los und wirbelte herum, bereit, seinem Tod ins Auge zu blicken …

Der Hieb kam hart und unbarmherzig. Ihm blieb keine Zeit zum Ausweichen. Die Faust seines Kontrahenten traf Ezekiel Cole mitten im Gesicht. Ein wilder Schmerz explodierte in seinem Schädel. Er taumelte rückwärts, wankte wie ein angeschossener Büffel. Dann knickten seine Knie unter ihm ein wie Strohhalme. Bevor er wusste, wie ihm geschah, fand er sich auf dem verschneiten Bretterboden seiner Veranda wieder.

Irgendwo rechts von ihm stieß einer der Kerle ein heiseres Gelächter aus.

Ezekiel Cole schüttelte schwer den Kopf. Er stemmte sich hoch, bis er aufrecht saß, und spuckte Blut und einen abgebrochenen Zahn in den Schnee.

»Vat-« Eine harte Pranke erstickte den Schrei seiner Tochter.

Seine Sicht war verschwommen. Er blinzelte und bemerkte, wie die Banditen auf ihre Pferde stiegen. Zügig, jedoch ohne Hast. Sie waren sich ihrer Sache sicher, wussten, dass ihr Plan aufgegangen war. Einer von ihnen hatte Cassie quer vor sich über den Rücken seines Reittieres geworfen, als wäre sie ein Sack voll getrockneter Bohnen. Sie wehrte sich und strampelte, aber der Maskierte hielt sie fest und machte ein Entkommen unmöglich.

Ezekiel Cole wollte aufstehen, doch seine Beine mochten ihn nicht tragen. Sie rutschten immer wieder unter ihm weg.

Hilflos vor Wut und Verzweiflung reckte der Richter seine Faust in den Himmel. »Warum tut ihr das?«, brüllte er die maskierten Männer an. »Lasst meine Tochter gehen! Sie hat euch nicht das Geringste getan!«

»Du weißt, was wir wollen, Cabrón.« Der Kerl, dessen Faust er zu kosten bekommen hatte, stieg auf sein Pferd. Er war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Ein hagerer Mann, dem man nicht ansah, wie viel Kraft in seiner sehnigen Statur steckte. Seine Stimme rasselte wie Stiefelsporen. Er trug ein Tuch vor dem Gesicht, das nur seine Augen freiließ.

Und diese Augen waren es, die Ezekiel Cole nun einen Schauder über den Rücken jagten. Sie waren kälter als das Eis oben am Mount Helena. Als Richter hatte er schon mehr als genug Galgenvögel gesehen. Manche waren aus Not auf die schiefe Bahn geraten, hatten sich jedoch noch etwas Gutes in ihrem Inneren bewahrt. Dieser Kerl hier nicht. Was auch immer von ihm zu erwarten war, war gewiss nichts Gutes.

In den vergangenen zwanzig Jahren hatte sich Ezekiel Cole den Ruf eines hartgesottenen Mannes erarbeitet. Er galt als unbestechlicher Verfechter von Recht und Gesetz, der sich vor nichts und niemandem fürchtete. Nun jedoch schnürte ihm die Furcht um seine Tochter die Kehle zu wie ein unsichtbares Hanfseil. Nach dem Tod seiner Frau war ihm nur noch sein Kind geblieben. Er hatte sie immer behütet. Vielleicht zu sehr. Mit ihren siebzehn Jahren wusste Cassie kaum etwas von der Welt. Und nun war es zu spät …

Wie konnte ich so unvorsichtig sein?, haderte er mit sich. Warum habe ich das nicht kommen sehen?

Als hätte er alle Zeit der Welt, streifte der Maskierte seine ledernen Handschuhe über. In einer fast schon spöttischen Geste tippte er sich an den Hut, nahm die Zügel und lenkte seinen Rappen herum.

»Nehmt mich an ihrer Stelle!«, machte Ezekiel Cole noch einen Versuch.

Verächtliches Gelächter erklang. Nein, dieser Tausch war nicht nach dem Geschmack der Kerle, das war nicht schwer zu erraten.

Wie auf ein stummes Kommando drückten die Banditen ihren Pferden die Fersen in die Flanken. Schnee stob unter den Hufen auf, als die Tiere lospreschten.

Eines von ihnen trug seine Tochter einem ungewissen Schicksal entgegen!

Der Richter kämpfte sich unter äußerster Willensanstrengung auf die Füße, taumelte zurück in sein Haus und packte das Henry-Gewehr, das stets griffbereit neben der Eingangstür lehnte. Es klickte metallisch, als er repetierte. Er wankte zurück nach draußen und legte an. Vor seinen Augen verschwammen Schnee, Nacht und die Flüchtenden in einem weißen Nebel. Verdammt! So konnte er nicht schießen!

Grimmig wischte er sich mit der flachen Hand über das Gesicht, spürte eine klebrige, warme Flüssigkeit an seinen Fingern und zerbiss einen Fluch auf den Lippen. Trotz der kalten Windböen, die von Nordwesten heranwehten, schwitzte er. All sein Denken konzentrierte sich darauf, auf den Beinen zu bleiben und zu schießen. Ihm blieb nur die Gelegenheit für einen Schuss. Vielleicht zwei. Dann würden die Kerle außer Reichweite sein – und mit ihnen seine Tochter.

Ich muss sie aufhalten. Ich muss!

Ezekiel Cole legte wieder an und zielte. Sein Haus stand ein wenig außerhalb von Helena. Vor seiner Veranda erstreckte sich nichts als einsames, spärlich mit Pinien bewachsenes Bergland. Er hatte freies Sichtfeld, aber was hieß das schon bei dieser Dunkelheit? Er konnte kaum mehr als die Umrisse der Umgebung erahnen. Schnee bedeckte die einsamen Hänge rings um seine Heimatstadt.

Noch vor wenigen Jahren war Montana ein riesiges, aber ödes und unwirtliches Territorium gewesen. Weit abseits der großen Trailwege, die in den Westen führten. Dann hatten Prospektoren die ersten Goldfunde gemacht und damit einen Boom ausgelöst, der das Land von Grund auf verändert hatte. Innerhalb kürzester Zeit waren Siedlungen und Städte entstanden. In der ersten Zeit hatten die Waffen Recht gesprochen. In einigen Regionen war das noch immer so.

Richter Ezekiel Cole war entschlossen, das zu ändern. Er wollte Recht und Gesetz nach Montana bringen. Nicht jedem gefiel sein hartes Durchgreifen. Gewiss nicht den Männern, die in dieser Nacht in sein Haus eingedrungen waren und seine Tochter entführt hatten.

Es grenzte an ein Wunder, dass sie ihn nicht erschossen hatten. Die Gelegenheit dazu hätten sie gehabt. Anscheinend wollten sie ihn jedoch nicht tot sehen. Nein, sie brauchten ihn noch, darüber machte er sich keine Illusionen. Das war der einzige Grund, dass er noch atmete.

Ezekiel Cole sog den Atem ein und sandte ein stummes Gebet zum Himmel, das Geschoss möge nicht seine Tochter treffen. Mit dem Ausatmen zog er den Stecher durch.

Der Schuss krachte. In der Ferne brüllte eines der Pferde getroffen auf. Seine Schreie klangen beinahe menschlich. Ezekiel Cole repetierte. Schoss ein zweites Mal. Wieder ein Brüllen. Unmöglich zu sagen, ob es von einem Menschen oder von einem Tier kam. Der Richter schauderte.

Doch seine Hoffnung, die Horde aufgehalten zu haben, erfüllte sich nicht. Die vermummten Gestalten verschmolzen mit den Schatten der Nacht. Und die Hufgeräusche wurden leiser und leiser, bis sie schließlich ganz verklangen.

Ezekiel Cole wankte ihnen nach, stolperte und stürzte in den Schnee. Cassie, bitte verzeih mir, schoss es ihm noch durch den Kopf, bevor er das Bewusstsein verlor.

Zuerst hörte er die Kojoten.

Ihr Heulen wehte von der anderen Seite einer verschneiten Anhöhe herüber. Die Kuppe war gut eine Meile entfernt von der Straße, die von Helena durch die Berge führte.

Der große Mann mit dem sandfarbenen Haar ließ seinen Appaloosa-Hengst neben einer verschneiten Pinie anhalten und lauschte. Es waren mehrere Kojoten, drei oder vier Tiere. Sie schienen sich um eine Beute zu streiten. Anders als Wölfe jagten sie nicht im Rudel, sondern meistens für sich. Ihre lautstarke Auseinandersetzung bedeutete, dass sie eine lohnende Beute gefunden hatten. Da oben musste etwas Sterbendes oder Totes liegen. Ein Büffel vielleicht; das wäre um diese Jahreszeit nicht ungewöhnlich.

Lassiter richtete sich im Sattel auf, schob seinen Hut in den Nacken und blickte sich wachsam um.

Die Umgebung war karg und spärlich mit Pinien bewachsen. Die Hügel waren sanft geschwungen wie die sinnlichen Kurven einer schönen Frau. Der Schnee bedeckte sie wie ein weißes Tuch.

Vor wenigen Wochen waren die Temperaturen noch angenehm mild gewesen, aber dann hatte ein bitterkalter Nordwestwind das Wetter umschlagen lassen und heftige Schneefälle gebracht. Auch jetzt ballten sich über den Bergen Wolken zusammen, die nichts Gutes verhießen. Es war ratsam, sich einen Unterschlupf zu suchen. Vorher musste Lassiter aber herausfinden, was die Aasfresser angelockt hatte, damit es später keine unliebsamen Überraschungen gab.

Die unwirtliche Umgebung wirkte einsam und verlassen. Weit und breit schien sich keine Menschenseele aufzuhalten. Doch Lassiter ließ sich nicht täuschen. Die Männer, denen er auf der Spur war, waren vor weniger als vierundzwanzig Stunden hier durchgekommen. Sie hatten eine junge Frau bei sich, die nicht freiwillig mitkam. Vielleicht waren sie auch verletzt. Das machte sie langsam. Es war durchaus möglich, dass sie irgendwo in der Nähe ihr Lager aufgeschlagen hatten.

Er musste auf der Hut sein. Auf keinen Fall durfte er sich von ihnen entdecken lassen, sonst war seine Mission im Auftrag der Brigade Sieben vorbei, noch ehe sie begonnen hatte. Diese geheime Regierungsorganisation agierte überall dort, wo sich örtliche Gesetzesvertreter an einem Verbrechen die Zähne ausgebissen hatten. Ihre Agenten handelten ohne Rückendeckung und waren es gewohnt, für sich selbst einzustehen. Männer wie Lassiter.

Er kannte beide Seiten des Gesetzes und verfügte über einen ausgeprägten Instinkt, dem vertrauen konnte. Das hatte ihm schon mehr als einmal das Leben gerettet. Ein .38er Remington steckte griffbereit in seinem Holster, im Sattelschuh war eine Winchester verstaut. Alles Weitere, was er unterwegs benötigte, war hinter ihm am Sattel festgezurrt.

Das Pferd hatte er sich in Helena besorgt. Der gefleckte Hengst war ein eigenwilliges Tier, das sich nicht gern unterordnete und beim Satteln mehrfach nach ihm geschnappt hatte, aber der Händler hatte Lassiter versichert, dass es stets ruhig blieb und nicht einmal bei einer Schießerei die Nerven verlor. Das hatte den Ausschlag gegeben.

Mit leichtem Fersendruck lenkte er das Tier die Anhöhe hinauf, hielt dabei wachsam die Ohren gespitzt und die Augen offen. Noch immer veranstalteten die Kojoten hinter dem Hügel einen Heidenlärm. Ihre Beute schien sie in helle Aufregung zu versetzen.

Vor Lassiter lichteten sich die wenigen Pinien. Deckung gab es von hier an so gut wie keine mehr. Kurzentschlossen ließ er seinen Hengst anhalten und band ihn am Stamm eines krummen Nadelbaumes fest. Dann zog er das Gewehr aus dem Scabbard und rannte geduckt den Hang hinauf.

Das Bellen der Aasfresser wurde immer lauter.

Als Lassiter die Kuppe überwunden hatte, bot sich ein verschneiter Felsen als Deckung an. Lassiter kauerte sich dahinter, kniff die Augen zusammen und schaute sich um. Nun endlich konnte er sehen, was die Kojoten angelockt hatte.

Der Kadaver lag im Schnee. Die nackten Rippen spreizten sich auf wie bleiche Finger. Es waren die Überreste eines Pferdes. Vier Kojoten stritten sich darum. Die Tiere waren abgemagert. Der lange Winter hatte ihnen wenig Futter beschert. Der Hunger machte sie gefährlich. Selbst den Sattel, der im Schnee lag, hatten sie in ihrer Gefräßigkeit angenagt.

Lassiter runzelte die Stirn. Kein Mann ließ etwas so Kostbares wie seinen Sattel freiwillig zurück. Höchstwahrscheinlich war der Reiter verletzt oder gar tot. Doch so sehr Lassiter seine Blicke schweifen ließ, er konnte keinen anderen Menschen entdecken.

Schließlich näherte sich Lassiter dem Kadaver. Knurrend versuchten ihn die Kojoten auf Abstand zu halten. Er hielt inne. Schüsse würden die Tiere zwar vertreiben, aber auch jedem Revolverschwinger im weiten Umkreis verraten, dass er hier war. Keine gute Idee. Sollten sie ihr Werk beenden. Alles, was er noch tun konnte, war, nach Spuren zu suchen, die ihm verrieten, was hier geschehen war.

Der Schnee war zerwühlt, nicht nur von den Aasfressern, sondern von weiteren Pferden, die hier langgekommen waren, und zwei unterschiedlichen Stiefelabdrücken. Eine der Hufspuren, die vom Ort des Schreckens wegführten, war tiefer in den Schnee gegraben als zuvor. Von hier an hatte das Pferd zwei Reiter getragen. Einer war verletzt, denn Blutstropfen zeichneten eine Spur in den Schnee, der nicht schwer zu folgen war. Allerdings endete sie einige Yards später abrupt. Der Verwundete hatte sich wohl irgendwie zu helfen gewusst.

So oder so – der große Mann kannte nun die Richtung, welche die Fliehenden genommen hatten: weiter nach Nordwesten. Tiefer in die Berge hinein.

Eine eisige Windböe fauchte über den großen Mann hinweg und erinnerte ihn daran, dass die Nacht nicht mehr fern war. Er saß seit dem frühen Morgen im Sattel. Das war er gewohnt, trotzdem schmerzten seine Muskeln allmählich. Sein Körper forderte eine Pause und etwas zu essen, ehe er seine Suche fortsetzte.

Viel Zeit blieb ihm nicht, denn die Bande hatte einen Vorsprung, und er wusste nicht, ob sie sich eine Rast gönnten oder durchritten. Ersteres war wahrscheinlich, aber darauf verlassen konnte er sich nicht. Auf keinen Fall durfte er ihre Spur verlieren!

Eine Stunde, entschied er. Ich werde eine Stunde lagern, ehe ich weiterreite.

Ungefähr eine halbe Meile vor ihm zeichnete sich der dunkle Eingang einer Höhle zwischen den Felsen ab. Dort würde er sicher sein vor dem beißenden Wind, der wie die Krallen einer wütenden Raubkatze in die Haut schnitt. Lassiter kehrte zu seinem Pferd zurück, schwang sich in den Sattel und packte die Zügel fester.

Im selben Augenblick peitschten in der Ferne Schüsse!

»Mein Muli frisst von früh bis spät. Hey ho. Von früh bis spät.« Sam Whitfield sang ein Cowboylied, während er seinen Apfelschimmel neben dem Frachtwagen herlaufen ließ. Sein Gewehr lag quer über seinem Sattel. Teile des Textes schienen ihm entfallen zu sein, denn er summte hier und da, ehe er wieder in den Refrain verfiel. »Hey ho. Von früh bis spät.«

Eve zuckte es bei der schwungvollen Melodie in den Füßen. Ob ihr Begleiter über ein Muli sang, das einmal ihm gehört hatte? Bevor sie ihn danach fragen konnte, krachte es rechts von ihnen. Etwas fauchte haarscharf an Eves linkem Ohr vorbei und zackte in das Holz ihres Frachtwagens. Splitter flogen und verfehlten sie nur um wenige Inches.

Erschrocken zog die junge Frau den Kopf ein.

Da! Wieder ein Krachen! Diesmal wusste Eve Bescheid. Jemand schoss auf sie!

Unwillkürlich packte sie das Geschirr der Zug-Ochsen fester, aber an Flucht war mit den schwerfälligen Tieren nicht zu denken. Sie verfügten über genügend Kraft, um den voll beladenen Studebaker zu ziehen, allerdings waren sie langsam genug, dass ein Mensch nebenher laufen konnte. Einem Reiter zu entkommen war ihnen so unmöglich wie den Mount Helena zu versetzen. Bisher hatte Eve es nicht sonderlich eilig gehabt.

Das änderte sich gerade!

Sie drehte den Kopf und spähte um ihren Wagen herum. Mehrere Reiter preschten auf sie zu. Vier, nein fünf Männer waren es. Jeder von ihnen hielt eine Schusswaffe in der Hand. Und von der machten sie reichlich Gebrauch. Ihre Kugeln umschwirrten Eve und ihre Begleiter wie aufgebrachte Wildbienen. Noch waren die fremden Reiter ein gutes Stück entfernt, aber sie kamen mit jedem Atemzug näher!

Ein Ruck ging durch den Wagen, als die Ochsen, angespornt von dem Lärm, ihren Schritt beschleunigten, aber die schwere Fracht machte sie langsam.

An Flucht war nicht zu denken.

Was aber dann?

Eve umklammerte die Zügel. »Hey, yo, vorwärts!«, spornte sie ihre Zugtiere an. Ihr Ziel war Twin Rivers, eine Bergarbeitersiedlung im Westen von Montana. Doch ihre Reise stand unter keinem guten Stern. Zuerst hatten späte Schneefälle sie tagelang aufgehalten, und nun wurde sie angegriffen!

Gehetzt schaute sie sich um, suchte nach einem Versteck oder wenigstens einer Deckung, aber die wenigen Nadelbäume in der Nähe boten kaum Schutz. Genauso gut hätte sie sich die Augen zuhalten und hoffen können, der Gefahr dadurch zu entrinnen.

Vier Ochsenpaare waren vor ihren Wagen gespannt, der rumpelnd westwärts rollte. Ihr Reitpferd war daran festgemacht und trottete nebenher. Zwei bis an die Zähne bewaffnete Männer hatte sie als Begleitschutz angeheuert. Pete Shoemaker und Sam Whitfield. Während der grauhaarige Sam unterwegs gern plauderte oder sang, brachte Pete kaum die Zähne auseinander.

»Was sollen wir tun?«, rief Eve. »Kämpfen oder fliehen?«

»Die Kerle sind auf ihren Pferden schneller als wir«, polterte Sam. »Mit dem Frachtwagen können wir ihnen nicht entkommen.«

»Es kann nicht mehr weit sein bis Twin Rivers. Glauben Sie …« Eve stieß einen Schrei aus, als eine Kugel an ihrem Kopf vorbeischrammte. Das war knapp gewesen! Ihre Verfolger schossen sich allmählich ein! »Glauben Sie, wir schaffen es vor den Reitern in die Stadt?«

»Ausgeschlossen. Sie haben uns fast eingeholt. Wir müssen kämpfen! Oder wollen Sie den Frachtwagen zurücklassen, Mrs. Sandler?«

»Auf keinen Fall.«

»Dann haben wir keine Wahl.« Sam gab seinem Begleiter ein Zeichen. Die beiden Männer ritten jeweils links und rechts nach vorn zu den Ochsen und packten die Leittiere am Geschirr. Eve zog an den Zügeln. Zu dritt brachten sie die Tiere zum Stehen und sicherten sie. Dann sprang Eve vom Kutschbock und duckte sich hinter dem Wagen ab.

Sam und Pete folgten nur wenige Herzschläge später. Sie glitten aus dem Sattel und banden in aller Eile ihre Pferde fest, ehe sie Deckung suchten.

»Halten Sie den Kopf unten, Mrs. Sandler!«, rief Sam und brachte seine Winchester in Stellung.