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Die Sonne stand hoch in den nördlichen Ausläufern der Sangre-de-Cristo-Mountains und verbreitete angenehme Wärme. Aus dem Westen zogen vereinzelt kühle Luftströme heran und fingen sich in den Wipfeln der Kiefern- und Fichtenwälder.
Lassiter verharrte auf einer Anhöhe und glaubte im ersten Moment, die Fährte des berüchtigten Raubmörders Hugh Priest verloren zu haben. Doch der Eindruck täuschte. Und fast schien es dem Brigade-Agenten, als wollte Priest gar nicht verhindern, gestellt zu werden. Immer wieder fanden sich Spuren, die nicht einmal ein Narr zurückgelassen hätte. Genau das aber war es, was Lassiter zu größter Vorsicht mahnte.
In den Bergen konnte man für alle Zeit verschwinden. Sollte er in einen sorgfältig gelegten Hinterhalt geraten, würde er in den Wäldern ein namenloses Grab finden.
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Seitenzahl: 126
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Jagd auf das Feuerross
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8086-6
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Jagd auf das Feuerross
Die Sonne stand hoch in den nördlichen Ausläufern der Sangre-de-Cristo-Mountains und verbreitete angenehme Wärme. Aus dem Westen zogen vereinzelt kühle Luftströme heran und fingen sich in den Wipfeln der Kiefern- und Fichtenwälder.
Lassiter verharrte auf einer Anhöhe und glaubte im ersten Moment, die Fährte des berüchtigten Raubmörders Hugh Priest verloren zu haben. Doch der Eindruck täuschte. Und fast schien es dem Brigade-Agenten, als wollte Priest gar nicht verhindern, gestellt zu werden. Immer wieder fanden sich Spuren, die nicht einmal ein Narr zurückgelassen hätte. Genau das aber war es, was Lassiter zu größter Vorsicht mahnte.
In den Bergen konnte man für alle Zeit verschwinden. Sollte er in einen sorgfältig gelegten Hinterhalt geraten, würde er in den Wäldern ein namenloses Grab finden.
Umso schwieriger schienen Lassiters Vorgaben, die er von der Brigade Sieben erhalten hatte, erfüllbar zu sein. Ausdrücklich hatte man in Washington darauf hingewiesen, Hugh Priest ohne Anwendung übertriebener Gewalt in Gewahrsam zu nehmen. Außerdem war der Einsatz von Waffen, der mit schweren oder gar tödlichen Verletzungen einherging, strikt untersagt.
Ein auf den ersten Blick absurder Verdacht stieg in Lassiter auf. Und er schien sich zu bestätigen, als der große Mann den Fetzen eines Kleidungsstückes fand. Er baumelte etwa anderthalb Yards über dem Erdboden und hing an der Zweigspitze einer Tanne.
Lassiter betrachtete den Stoffrest, der säuberlich abgetrennt und akkurat aufgehängt wirkte. Er war wie ein Wegweiser und durch seine blaue Färbung nicht zu übersehen. Es gab keinen Zweifel daran, dass er vorsätzlich zurückgelassen worden war.
Doch wozu? Welchen Sinn ergab dieses Verhalten?
Diese beiden Fragen waren es, die Lassiter am meisten beschäftigten. Sein Argwohn steigerte sich von Minute zu Minute. Die Befürchtung, dass der hinterhältige Killer ihm eine Falle stellte, wurde zur Gewissheit. Verbunden mit den Auflagen der Brigade Sieben, war es nahezu unmöglich, mit heiler Haut aus der Sache herauszukommen. Ein Revolver konnte nicht mit wohlmeinenden Worten zum Schweigen gebracht werden.
Weiter ging es bergauf. Jedes Geräusch, das in der Wildnis aufklang, konnte ein Gefahrensignal darstellen. Lassiter hatte seine Langjacke hinter den Griff seines Remington gestreift, um ohne Verzögerung ziehen zu können. Einen Verstoß gegen seine auferlegten Gebote stellte es seiner Meinung nach nicht dar, denn eine abgefeuerte Kugel musste nicht zwangsläufig eine lebensgefährliche Verwundung nach sich ziehen oder zum Tod führen. Für den Fall, dass Priest sich ein Stück Blei einfing, hatte Lassiter folglich einen gewissen Erklärungsspielraum.
Die Zeit verrann, ohne dass sich eine entscheidende Entwicklung anbahnte. Schon fürchtete der Mann der Brigade Sieben, seine Suche in der tiefdunklen Nacht fortsetzen zu müssen, da ereignete sich eine Wende.
Auf einer etwa hundert Yards entfernten Hügelkuppe glaubte Lassiter zwischen dichten Büschen eine Bewegung ausgemacht zu haben. Gleichzeitig war er sicher, das Echo verhalten schlagender Pferdehufe gehört zu haben.
Augenblicklich sprang er aus seinem Sattel, riss den Remington aus seinem Holster und spurtete geduckt voraus. Zweige schlugen ihm ins Gesicht, und Unebenheiten im Boden erschwerten sein Vorankommen, doch wenn er den Berggrat auf schnellstem Wege erreichte, würde sich Priest nicht mehr verstecken können. Der Blick von der Anhöhe hinab ins Tal war umfassend. Und selbst, wenn es dem Flüchtigen gelang, zwischen Büschen und Bäumen Unterschlupf zu finden, würde er sich irgendwann ins Freie begeben müssen. Und darauf wollte Lassiter warten.
Was sich ihm schließlich auf der Kuppe präsentierte, war dazu angetan, ihn in atemloses Staunen zu versetzen. Keinen Steinwurf weit weg schlenderte ein Kerl gemütlich einen ausgetretenen Waldpfad entlang, sein Pferd an der langen Leine hinter sich her führend. Kaum vernahm er die Schrittgeräusche in seinem Rücken, drehte er sich herum und setzte ein breites Grinsen auf.
Hugh Priest!, schoss es Lassiter durch den Kopf. Er hatte nicht nur eine genaue Beschreibung des Banditen, sondern in seinen Unterlagen auch einen Steckbrief mit Bild vorgefunden.
Im Nu riss Lassiter seinen Remington in die Höhe und rief: »Ende der Fahnenstange, Priest! Tot oder lebendig – du kommst mit mir!« Es war lediglich eine Drohung, die Eindruck schinden sollte. Lassiter war weit davon entfernt, die Auflagen der Brigade Sieben zu ignorieren.
Priest allerdings zeigte sich nicht im Mindesten beeindruckt. »Das glaube ich kaum«, sagte er laut, machte jedoch auch keine Anstalten, sich zur Wehr zu setzen. Ganz im Gegenteil sogar hob er seinen rechten Arm, ließ die Zügel seines Pferdes los und führte auch die linke Hand in die Höhe. »Sie wollen doch einen wehrlosen Mann nicht niederschießen, nicht wahr?« Sein Grinsen verstärkte sich, und er zeigte zwei Reihen makelloser Zähne.
Lassiter traute dem Braten nicht. Weshalb hatte sich der Kerl die Mühe gemacht, eine für jedermann sichtbare Fährte zu legen, wenn er keine hinterhältigen Absichten hatte? So sehr sich Lassiter auch bemühte, den Grund für Priests Verhalten zu ergründen, kam er dem ausgebufften Ganoven nicht auf die Schliche. Und daher hielt er sich an die Devise, dem Kerl so lange Misstrauen entgegenzubringen, bis er endgültig hinter Gittern verschwunden war.
»Versuchen Sie bloß keine Tricks, Priest«, raunte Lassiter grimmig. »In der Trommel meines Revolvers sind sechs Freunde, die nur darauf warten, Ihnen nachzujagen.«
»Eine vollmundige Prophezeiung«, antwortete Hugh Priest und gähnte herzhaft. »Davon sollten Sie sich verabschieden, wenn Sie nicht an meiner Stelle im Jail landen wollen.« Gemächlich wanderte er den Hügel hinauf. Sein Pferd folgte ihm.
Der Fall wurde für Lassiter mehr und mehr undurchsichtig. Gab es Details, die ihm unbekannt, Priest aber geläufig waren? Woher bezog der Raubmörder seine Sicherheit? Des Weiteren stand im Raum, welchen Sinn die Verfolgungsjagd erfüllt hatte, wenn Priest seiner Verhaftung ohnehin nicht hatte aus dem Weg gehen wollen.
Lassiter entwaffnete seinen Gefangenen und befahl ihm, sich auf sein Pferd zu setzen. »Sie reiten voraus«, wies er ihn an. »Ich bin gleich hinter Ihnen. Damit will ich sagen, dass es höchst waghalsig wäre, eine Flucht zu riskieren.«
Schweigend hörte sich Priest an, was Lassiter zu sagen hatte, während ein wissendes Lächeln um seine Mundwinkel huschte. Brav trottete er voran und verhielt sich geradezu mustergültig.
Zwei Stunden bis Denver, überschlug Lassiter im Kopf. Dann war er den eigenwilligen Halunken für alle Zeit los.
☆
Eine Frau, die rotes Haar trug, hatte mit bestimmten Vorurteilen zu kämpfen. Für Rosalie Hastings aber stellte dies kein Problem dar, denn sie war nicht nur selbstbewusst, sondern verstand es ebenso, sich mit Worten zur Wehr zu setzen. An diesem Tag jedoch würde sie ihre Fertigkeiten auf andere Weise unter Beweis stellen. Nicht, weil sie es wollte, sondern weil sie es musste.
In der Kasse der jungen Frau herrschte Ebbe. Dennoch war es für sie dringend erforderlich, eine Zugfahrkarte nach Forest Lake zu kaufen. Die Verpflichtungen, die ihr aufgebürdet worden waren, duldeten keinen Verzug.
Stumm saß sie in einem Restaurant in der Kleinstadt Eaton und trank einen Kaffee. In einem unbeobachteten Moment holte sie einen kleinen Stoffbeutel hervor, streute winzige Glasscherben, die sie für diesen Zweck vorbereitet hatte, in ihre Tasse und stieß plötzlich einen Entsetzensschrei aus. »O mein Gott! Das darf doch wohl nicht wahr sein!«
Auf der Stelle wieselte ein Kellner heran und erkundigte sich nach dem Problem. Als er davon hörte, versteifte er sich wie von selbst. »Das ist völlig unmöglich, Ma’am«, sagte er.
»Wollen Sie mich als Lügnerin darstellen?«, entfuhr es Rosalie entrüstet. »Ich hätte sterben können!« Demonstrativ spuckte sie ein paar Glassplitter aus, die sie überaus vorsichtig in ihrem Mund aufgenommen hatte.
Als der Kellner seine sture Position beibehielt, sprang die Rothaarige auf und wetterte: »Das können Sie vielleicht mit den deutschen Einwanderern abziehen, bei mir kommen Sie damit nicht durch! Ich will auf der Stelle den Geschäftsführer sprechen!«
Der Bedienstete zog ab. Am Nebentisch wurde eine Stimme laut. »Ich kann verstehen, wie Ihnen zumute ist«, sagte ein Mann im mittleren Alter, der passend zu seinem Anzug einen grauen Bowler trug und an einer Zigarre sog. »Für sein Geld möchte man eine einwandfreie Bewirtung.«
Der Fisch hängt am Haken, dachte Rosalie Hastings, verschaffte sich einen knappen Eindruck von ihrem Tischnachbarn und stimmte ihre Strategie darauf ab. »Verzeihen Sie, wenn mein Unmut Sie belästigt hat«, teilte sie kleinlaut mit. »Ich war außer mir und habe jede Sitte vergessen.«
Der Melonenträger zeigte sich verständnisvoll. »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Ma’am. Es ist Ihr gutes Recht, mangelnde Qualität zu monieren.«
Meine Güte, ging es Rosalie durch den Kopf, was für eine geschwollene Ansprache. Stattdessen aber sagte sie: »Mir scheint, Sie sind ein echter Gentleman. Leider bin ich nicht verheiratet. Mein Name ist Hastings. Miss Hastings.«
Ein begehrliches Aufflackern war in den Augen des Mannes erkennbar. »Es tut mir leid«, sagte er ohne Überzeugungskraft. »Wäre es Ihnen recht, wenn ich Sie zu einem Getränk Ihrer Wahl einlade?«
Rosalie wollte nicht auf Anhieb zustimmen, um keinen Verdacht zu erzeugen. Daher entgegnete sie: »Ich hoffe nicht, dass Sie die Situation für sich ausnützen wollen, Sir.«
Der Mann tat entgeistert. »Der Himmel bewahre mich!«, versetzte er, konnte jedoch sein begehrliches Interesse an dem Rotschopf nicht verheimlichen. »Ich bin kein Mann von dieser Sorte!« Pikiert zupfte er an seiner Fliege, setzte aber ein Lächeln auf, um sein vermeintliches Opfer nicht zu vergällen.
Du widerliches Stück Dreck!, zog es durch Rosalies Gedanken, doch sie gab sich demütig. »Verzeihen Sie! Ich bin so ein dummes Mädchen! Ihr Angebot nehme ich natürlich gerne an.« In ihrem knöchellangen Kleid glitt sie hinüber zum Tisch des Bowler-Manns und setzte sich. Ohne dass es dafür einen Grund gab, richtete sie ihr Dekolleté und knetete auffällig ihre Brüste.
»Sie sind eine unwahrscheinlich attraktive Frau«, bekannte der Mann mit der Melone. »Nennen Sie mich Winston. Alle meine Freunde tun das. Mein vollständiger Name wäre einfach zu lang und geradezu unaussprechlich.« Er gab ein trockenes Lachen von sich.
»Das hört sich schön an«, meinte Rosalie verträumt und fand den Zeitpunkt für geeignet, auch ihren Vornamen preiszugeben. »Bisher habe ich selten Menschen wie Sie getroffen, Winston …« Die rothaarige Frau legte einen Hauch von Wehmut in ihre Stimme, der seine Wirkung nicht verfehlte.
»Ich würde Sie gern näher kennenlernen, Rosalie. Unserer Welt fehlt es an Menschen mit Charakter. Den aber habe ich bei Ihnen gefunden …«
Es war der ungünstigste Zeitpunkt, an dem der Geschäftsführer erscheinen konnte. »Sie haben eine Beanstandung?«, erkundigte sich der Livrierte.
Ehe Rosalie antworten konnte, hatte Winston die Gesprächsführung übernommen. »Es ist eine unglaubliche Unverschämtheit, diese Dame der Lüge zu bezichtigen! Ich war dabei und kann bezeugen, dass Ihr Haus in eklatanter Weise gegen gängige Gepflogenheiten verstoßen hat! Derartiges ist mir bisher noch nicht untergekommen!«
Das Auftreten des Geschäftsführers änderte sich. Wohl im Glauben, einen öffentlichen Aufruhr verhindern zu müssen, gab er klein bei. »Selbstverständlich muss die Dame ihren Kaffee nicht bezahlen und wird umgehend kostenlosen Ersatz erhalten!«, beeilte er sich zu versichern.
»Und?«, schnappte Winston. »Denken Sie im Ernst, die Angelegenheit wäre damit erledigt? Meine Begleiterin hätte gesundheitlichen Schaden davontragen können! Wie gedenken Sie dies zu vergelten?«
An diesem Punkt schien eine Grenze erreicht worden zu sein, die auch der Inhaber des Hauses nicht zu übertreten gedachte. »Außer einer Entschuldigung und einem kostenlosen Ersatzgetränk kann ich leider nichts anbieten.«
Rosalie Hastings winkte ab. Die Diskussion war nicht dazu geeignet, ihre ursprüngliche Strategie umzusetzen. »Lassen wir es dabei bewenden. Ich komme über den Schock weg.«
Der Geschäftsführer winkte einen Kellner heran und flüsterte ihm etwas zu. Winston hingegen witterte seine Chance und setzte zum Angriff an. »Sie haben sich sehr klug verhalten. Ich würde Sie liebend gern in eine Gaststätte einladen, in der mit derlei Vorkommnissen nicht zu rechnen ist.«
Dummschwätzer!, stach es in Rosalies Verstand. Wieso hast du deine traurige Gestalt dann ausgerechnet in dieses Restaurant bewegt?
»Darüber würde ich mich freuen«, sagte sie mit schmachtendem Blick. »Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, jemals einen Mann wie Sie zu treffen.«
Winston wähnte sich als Sieger. Bestimmt, so dachte Rosalie, glaubte er sich nur noch einen winzigen Schritt davon entfernt, sie über die Matratze seines Bettes zu scheuchen. Und diese Gewissheit wollte sie ihm auch nicht nehmen. »Sie verstehen es, das Herz einer Frau zu erobern. Bei Ihnen fühle ich mich geborgen.« Wenn er darauf nicht ansprang, war ohnehin Hopfen und Malz verloren.
»Zahlen!«, rief Winston in den Gastraum hinein. »Zum Teufel noch mal – zahlen!« Dem heraneilenden Kellner drückte er eine großzügige Banknote in die Hand und erhob sich. Rosalie reichte ihm ihre Rechte und ließ sich nach draußen führen. Ihre linke Hand war dabei nicht ganz so untätig, wie Winston hätte annehmen können. Unbemerkt schob sie sich unter sein Jackett und zog seine Brieftasche daraus hervor. Und schlagartig erlosch ihr Interesse an dem Mann.
»Sie haben eine peinliche Situation zum Guten gewendet«, ließ sie ihn wissen. »Dafür bin ich Ihnen unendlich dankbar.« Rasch hauchte sie Winston einen Kuss auf die Wange und stakste davon.
»Aber …«, entfleuchte es dem versetzten Liebhaber. »Wir haben uns doch so gut verstanden.«
Rosalie huschte wortlos von dannen und tauchte in einer Seitenstraße unter. Neugierig öffnete sie die Brieftasche des Bestohlenen und kam nicht umhin, breit zu schmunzeln. Schnell aber unterdrückte sie ihre Freude und suchte die Railway Station auf, um eine Fahrkarte zu lösen. Keinesfalls durfte sie zu spät in Forest Lake auftauchen. Zu viel hing von ihrem pünktlichen Erscheinen ab.
☆
Der Marshal in Denver war ein altes Raubein und wenig erfreut, Priest wiederzusehen. Nachdem er ihn eingelocht hatte, knurrte er Lassiter an: »Manche scheinen mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Es ist noch gar nicht so lange her, da hatte Priest bereits den Strick um den Hals. Aber irgendein hohes Tier hat ihn begnadigt und im letzten Moment seine Hinrichtung verhindert.« Der Grauhaarige schüttelte seinen Kopf. »Lange festhalten kann ich diese Missgeburt sowieso nicht. Er soll nach Kansas City überführt werden. Fragen Sie mich nicht, warum, aber auch da stehen Leute im Hintergrund, mit denen ich mich keinesfalls anlegen möchte.«
»Es wird schon seine Richtigkeit haben«, erwiderte Lassiter. »Für mich ist die Angelegenheit auf jeden Fall erledigt.« Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, da kamen ihm Zweifel, ob er nicht zu voreilig gehandelt hatte. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass die Sache noch nicht ausgestanden war. Und obwohl er sich in der Vergangenheit stets auf seine Intuition hatte verlassen können, schenkte er ihr dieses Mal keine Beachtung. Mit einem Fingertippen an seinen Stetson verließ er das Marshal’s Office und stürzte sich in den Trubel der Stadt.
Viele Tage der Enthaltsamkeit führten ihn schnurstracks ins nächste Bordell. Auch ohne Ortskenntnisse waren die Rotlicht-Etablissements kaum zu verfehlen. Lassiter leinte seinen Grauschimmel beim »Heaven or Hell« an und stapfte entschlossen in das Gebäude.
Das Erste, was er hörte, war Musik. Dumpfe Trommelschläge wurden von einem Basscello untermalt. Das Zusammenspiel der Instrumente erzeugte eine angeheizte Atmosphäre, deren i-Tüpfelchen die leicht bekleideten Damen darstellten, die ihre Dienste solventen Herren zur Verfügung stellten. Unter den Anzugträgern fühlte sich Lassiter fast wie ein Fremdkörper und wurde ebenso skeptisch betrachtet.