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Die Red-Line-Connection
Die Concord-Kutsche der Bain Freight Company rutschte mit knarrenden Rädern durch das Geröll und geriet in bedenkliche Schräglage. Das Gespann war das trockene Flussbett hinaufgefahren, von dem Kutscher Larry Barncastle wusste, dass es der kürzeste Weg in die zerklüfteten Vorgebirge der Mescalero Mountains war.
"Schneller, schneller!", schrie Barncastle und hieb mit der Peitsche auf die beiden Fuchsrappen vor der Kutsche ein. "Ihr Biester, lauft! Lauft, wenn euch das Leben lieb ist!"
Die Verfolger waren der Postkutsche dicht auf den Fersen. Sie schossen aus großkalibrigen Gewehren, die Barncastle oft nur um Haaresbreite verfehlten.
"Lauft!", keuchte Barncastle und starrte dem Tod bereits ins Auge. "Lauft!"
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Seitenzahl: 131
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Die Red-Line-Connection
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8209-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Die Red-Line-Connection
Die Concord-Kutsche der Bain Freight Company rutschte mit quietschenden Rädern durch das Geröll und geriet in bedenkliche Schräglage. Das Gespann war das trockene Flussbett hinaufgefahren, von dem Kutscher Larry Barncastle wusste, dass es der kürzeste Weg in die zerklüfteten Vorgebirge der Mescalero Mountains war.
»Schneller, schneller!«, schrie Barncastle und hieb mit der Peitsche auf die beiden Fuchsrappen vor der Kutsche ein. »Ihr Biester, lauft! Lauft, wenn euch das Leben lieb ist!«
Die Verfolger waren der Postkutsche dicht auf den Fersen. Sie schossen aus großkalibrigen Gewehren, die Barncastle oft nur um Haaresbreite verfehlten.
»Lauft!«, keuchte Barncastle und starrte dem Tod bereits ins Auge. »Lauft!«
Weniger als eine Viertelstunde vor dem brutalen Tod von Larry Barncastle, dessen halb zerfetzter Leichnam erst ein gutes Jahr darauf von einem Siedlertreck gefunden werden sollte, zündete sich Jack Dolan am Mesilla-Pass seine Pfeife an. Er hatte sie mit dem guten Tabak gestopft, den seine Auftraggeber ihm bisweilen zum Dank für seine Diskretion mitgaben. Der Tabak roch nach Veilchen, sobald man ihn tief in die Lunge sog.
»Wo steckt der Lumpenkerl?«, knurrte Dolan zu den beiden Mexikanern, die unbeweglich in ihren Sätteln saßen. Sie hatten die Blicke in das bewaldete Tal gerichtet, in dem das Sonnenlicht auf den Baumwipfeln glänzte. »Ich hatte gehofft, dass er es vor dem Mittag hinaufschafft.«
Der ältere Mexikaner hieß Maruano und hatte die ledrige Haut eines Trappers. Er wandte den Kopf halb zu Dolan und sprach mit belegter Stimme. »Paulo und die anderen müssen ihn bereits getroffen haben, Mr. Dolan. Er ist auf dem Weg zu uns.«
Der schwerfällige Akzent seines besten Mannes, der selten genug sprach, regte Dolan zu einem Schmunzeln an. Er hätte sich eine halbe Stunde über den Mexikaner lustig machen können, solch gute Löhne zahlte er den Männern. Sie würden ihn für keine Kränkung belangen, weil jedes Widerwort sie zurück in die Baumwollfelder von Texas schicken würde.
»Wann hast du Paulo losgeschickt?«, fragte Dolan und nahm einen tiefen Zug Veilchentabak. Er lehnte sich im Sattel zurück und blies den Rauch als kerzengerade Säule in die Luft. »Die Bain Freight Company schert sich gerade einen Dreck um ihre Kutscher. Der Alte ist weg vom Direktorensessel.«
Maruano nickte nachdenklich und wischte sich eine Locke seines pechschwarzen Haares aus der Stirn. Er war ein genügsamer Mexikaner, der von irgendeiner barbusigen Señorita in seinem Heimatdorf träumte, das so weit entfernt war, dass sich Dolan nicht einmal den Namen gemerkt hatte.
»Der Alte ist endlich fort«, setzte Dolan nach und schwenkte die qualmende Pfeife hin und her. »Und der junge Bain, der kann keinen Falben von ’nem Rappen unterscheiden und versteht vom Frachtgeschäft gleich gar nichts.« Er grinste breite. »Es könnte kaum bessere Zeiten für uns geben.«
Dass die Mexikaner seine Einschätzung nicht teilten, wusste Dolan, und trotzdem war es ihm gleichgültig. Er hatte diese Bande zusammengeschmiedet, als diese mexikanischen Höllenhunde gerade in der Patsche gesessen hatten, und mit diesem Pfund konnte er wuchern, so oft er nur wollte. Sie fraßen ihm aus der Hand, an jedem verdammten Tag aufs Neue.
»Dort unten!«, sagte Maruano plötzlich und streckte den Arm aus. Er wies auf eine blasse Rauchfahne, die sich das trockene Bett des Conjero River hinaufschob. »Er hat das Bett genommen, wie wir’s gesagt haben. Er fährt den Fluss hoch, Boss. Er fährt ihn hoch.«
Inzwischen hatten Dolan und der zweite Mexikaner längst nach ihren Whitney-Kennedy-Gewehren gegriffen und die Ladehebel zum Kolben gezogen. Sie ritten an Maruano vorbei und spähten selbst ins Tal hinunter.
»Ganz nach Plan!«, frohlockte Dolan und schlug die Pfeife am Arm auf. Er sah der glimmenden Asche nach, die im Wind davonsegelte. »Schießt ihn vom Bock und passt auf, dass die Kutsche nicht zu viel abkriegt! Los, los! Reiten wir!«
Die drei Berittenen stoben in fliegendem Galopp den Berghang hinunter und hielten mit gesenkten Köpfen auf die heranrasende Kutsche im Tal zu. Als sie sich dem Concord-Gespann auf fünfzig Yards genähert hatten, nahmen sie die Zügel an und eröffneten das Feuer auf den Kutscher.
Die ersten Salven richteten keinerlei Schaden.
Der Bain-Freight-Mann nutzte jede Biegung des einstigen Flusslaufes auf, der die Kutsche immer wieder vor den Blicken Dolans und seiner mexikanischen Schützen verbarg. Er fuhr nach dem Manöverkatalog, den sie von der Frachtgesellschaft kannten, und trotzdem tat er es so trickreich, dass Dolan nach dem fünften Fehlschuss der Zorn packte.
»Holt ihn herunter, verdammt!«, brüllte Dolan und riss das Pferd mit einem groben Zügelruck zur Seite. Er stopfte mit einer Hand eine .45-60er-Patrone in den Ladeschacht seiner Whitney-Kennedy und schlug den Hebel zurück. »Wenn ihr ihn nicht kriegt, streich’ ich jedem von euch zwei Dollar vom Lohn!«
Die beiden Mexikaner waren längst auf und davon.
Sie hatten die Kutsche von beiden Seiten aus in die Zange genommen und feuerten ihre Gewehre fast zur gleichen Zeit ab. Eine Kugel durchschlug die rechte Wade des Kutschers und entlockten ihm einen gellenden Fluch.
Nun war Dolan selbst an der Reihe.
Er trieb das Pferd in einen quälenden Galopp entlang des Flussbettes, das inzwischen nahezu ausschließlich mit Geröll und größeren Felsbrocken gefüllt war. Der Kutscher der Concord sah einige Male zu ihm herüber, ehe er sich wieder das verletzte Bein hielt.
Die beiden Füchse vor der Postkutsche donnerten den steinernen Conjero River hinauf.
Fast noch aus der Hüfte legte Dolan auf den Wagenlenker an und legte den Finger an den Abzug. Er starrte eine Sekunde lang in die Mescalero Mountains hinauf, deren schroffen Felswände allmählich näherkamen. Er musste den Kutscher erwischen, ehe das Gelände zu beschwerlich für eine Verfolgung wurde. Sollte die Kutsche verunglücken, war sie für den Schmuggel hinüber nach San Antonio nutzlos.
»Hey, Dreckskerl!«, schrie Dolan und drückte im selben Augenblick ab. Aus dem Hals des Kutschers stob eine Blutfontäne, bevor der Mann mit einem gellenden Schrei vom Bock stürzte und vom Hinterrad seiner eigenen Kutsche überrollt wurde.
Die Füchse ließen sich davon nicht beirren.
Der Kutscher blieb verkrümmt im Flussbett zurück und wimmerte vor Schmerzen. Er flehte die Mexikaner um Hilfe an, die nach einem kurzen Ritt bei ihm waren und ihre Gewehre gesenkt hielten.
Dolan wusste aus Erfahrung, dass sie dem Sterbenden keine Gnade schenken würden.
Sie ließen ihn wie ein Schwein ausbluten und würden ihm erst den erlösenden Schuss verpassen, sobald sie den Befehl dazu erhielten. Sie ließen ihn leiden, damit diejenigen, die den Toten fanden, die Handschrift der Red-Line-Connection erkannten.
Dolan stieg langsam aus dem Sattel.
☆
Der Ritt hinunter nach Mesilla hatte solcherart an Lassiters Kräften gezehrt, dass der Mann der Brigade Sieben an der Bar des McCall-Saloons um den stärksten Brandy bat, den der Barkeeper zu bieten hatte. Er schob ganze zwei Dollar über den Tresen, um die Ernsthaftigkeit seiner Anfrage zu unterstreichen.
»Maryland Peach?«, hakte der Barkeeper nach und schob dem breitschultrigen Mann mit den sandblonden Haaren ein Glas hin. Er wirbelte mit der anderen Hand eine Cognacflasche durch die Luft und lächelte. »Geb’ ich jedem, der so ein Gesicht zieht wie Sie!«
Die Frühjahrsstürme in den San Andres Mountains hatten den schmalen Pfad, den Lassiter südwestlich von Gallinas genommen hatte, in einen reißenden Strom aus Schlamm und entwurzelten Bäumen verwandelt. Er hatte vier Nächte ohne Proviant unter einem Felsvorsprung ausgeharrt, bevor er auf ein Kavallerieregiment getroffen war, das unterwegs nach Fort Selden gewesen war.
»Geben Sie mir besser gleich zwei!«, murmelte Lassiter und wischte sich durch das bärtige Gesicht. Er wartete noch immer auf ein Telegramm aus Washington. »Wie zuverlässig ist euer Post Office?«
Der Barkeeper goss ein zweites Glas ein und winkte nach einem der Mädchen auf der anderen Seite des Saloons. »Äußerst zuverlässig, Sir, sofern es nicht stürmt und wütet in den Bergen. – Suchen Sie nach Zerstreuung?«
Die rothaarige Schönheit, die der Barkeeper herangerufen hatte, ließ sich auf dem Hocker neben Lassiter nieder und strahlte ihn an. Sie trug kaum Schminke im Gesicht und verzog die vollen Lippen zu einem verführerischen Schmollmund.
»Nach fünf Tagen in der Wildnis nicht der schlechteste Vorschlag«, erwiderte Lassiter und prostete der Rothaarigen mit dem Brandyglas zu. »Wie heißt du, Kleine?«
Das Mädchen stellte sich als Charlotte vor und legte Lassiter die Hand sanft auf den Unterarm. »Du scheinst dich mit einem Brandy nicht zufriedenzugeben. Ich könnte dir einen guten Preis machen.«
Ohne zu zögern nahm Lassiter einige Dollars aus der Tasche und drückte sie dem Saloongirl in die Hand. Er nickte dem Barkeeper zu, der die Szene mit wohlwollendem Nicken beobachtet hatte. »Du könntest mich von ein paar düsteren Gedanken abbringen. Die Nächte in den Bergen sind düster und kalt.«
Mitfühlend legte Charlotte die Stirn in Falten und rutschte auf dem Hocker näher zu ihm. »Woher kommst du? Aus den San Andres Mountains? Kein Mensch treibt sich um diese Jahreszeit dort oben herum.«
Das Hauptquartier in Washington hatte Lassiter auf die Fährte eines flüchtigen Kopfgeldjägers angesetzt, der sieben Senatoren auf dem Gewissen hatte. Der Mann hatte sich nach New Mexico abgesetzt, doch es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Lassiter ihn aufgespürt und einem Marshal in Gallinas übergeben hatte.
»Kein Mensch außer mir«, sagte Lassiter und folgte den zarten Fingern des Saloonmädchens mit dem Blick. »Ich war geschäftlich in den Bergen.«
»Wer auch immer dir um diese Jahreszeit einen solchen Auftrag gibt«, flüsterte das Mädchen und lehnte sich nach vorn. Sie zog die Schultern nach hinten und gestattete Lassiter einen langen Blick in ihr üppiges Dekolleté. »Er dürfte dich weniger mögen als ich.«
»Tatsächlich?«, fragte Lassiter und neigte den Kopf für einen Kuss.
☆
Die kleinste Kammer von McCalls Saloon war dennoch groß genug, dass Lassiter Charlotte mit gerafftem Kleid gegen die Wand zu drücken vermochte. Er hatte beide Hände unter ihren prallen Hinterbacken, während er die Atemstöße der schönen Rothaarigen im Nacken spürte.
»O Lassiter!«, stöhnte Charlotte und krallte die Nägel in den nackten Rücken ihres Liebhabers. »Wie gut du darin bist! Wie gut du dich darauf verstehst!«
Schon auf der Treppe hatten sie mit ihrem leidenschaftlichen Spiel begonnen, in dessen Verlauf sie einem betrunkenen Rancher begegnet waren, der ihnen torkelnd Platz gemacht hatte. Er hatte Charlotte etwas zugerufen, das weder Lassiter noch das Saloongirl verstanden hatten.
Nun hatten sie Charlottes Kammer für sich.
Die kärgliche Einrichtung des Mädchens bestand aus einem Schminktisch mit einem Schrankkoffer daneben, dessen Ecken abgenutzt und nach häufigen Umzügen ausgesehen hatten. Nach ihrer ersten Runde auf der quietschenden Pritsche hatte Charlotte erzählt, dass sie vor zwei Monaten noch im Hafen von San Francisco gewesen war.
»Was hast du erwartet?«, keuchte Lassiter und stieß mit aller Kraft zu. Er hielt die Schenkel des hübschen Rotschopfs gespreizt. »Dass ich ein Mädchen wie dich enttäusche?«
»Nein!« Charlotte schrie spitz auf. »Aber du kennst du Männer von Mesilla nicht! All die Dummköpfe von den Minen! Und Kutscher und Handelsreisende! Sie alle …« Sie schrie abermals vor Lust auf. »Sie alle verstehen nichts von Frauen.«
Vom Wandbord waren einige Bücher zu Boden gefallen, die jetzt aufgeschlagen neben Lassiters Stiefeln lagen. Es waren Homers Odyssee und einen Auswandererführer für Texas, wohin Charlotte kommende Woche aufbrechen wollte.
»Von Frauen verstehe ich genauso wenig«, murmelte Lassiter und drehte Charlotte mit einer geschickten Bewegung um. Sie drängte ihm ihre Kehrseite entgegen. »Aber ich verstehe mich auf das, was nötig ist. Du verstehst hoffentlich, was ich meine.«
»Ganz und gar«, flüsterte Charlotte und wandte sich kokett zu ihm um. Sie griff nach seinem steifen Riemen und dirigierte ihn an die Stelle, wo er hingehörte. »Ich hatte keinen besseren Freier in dieser Woche. Mit dir habe ich genug beisammen für die Fahrt nach Texas.«
Sie trieben es eine Viertelstunde mit aller Kraft, bevor Charlotte um eine Verschnaufpause bat. Sie drehte sich zu Lassiter um und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen.
Aus dem Saloon unter ihnen waren die Rufe der Kartenspieler zu vernehmen.
»Ich kenne jemanden vom Post Office«, sagte Charlotte und trank einen Schluck Brandy. Sie richtete sich das verworrene Haar und sah dabei so hinreißend aus, dass Lassiter sie gleich wieder in den Arm nahm. »Du wartest auf ein Telegramm, oder nicht? Der Barkeeper hat’s mir verraten, ehe wir hinauf ins Zimmer gegangen sind.«
»Ein dringendes Telegramm«, bejahte Lassiter mit einem knappen Kopfnicken. »Allerdings nicht so dringend, dass wir die Nacht nicht genießen könnten.«
☆
Die Herde Longhorn-Rinder aus Pecos hatte Richard S. Mason auf die östlich gelegene Weide treiben lassen, die er zuletzt mit einem Zaun aus gutem Zedernholz umfriedet hatte. Die gemächlich schaukelnden Häupter der Tiere, deren armlange Hörner sich gegen das helle Präriegras abhoben, boten einen beruhigenden Anblick.
»Zwei Cent pro Kopf Vieh«, sagte Mason und sah zu dem Rancher, der soeben seinen Geldbeutel gezückt hatte. »Das Vieh bekommt genug Wasser, dass Sie hinüber nach Fort Cummings kommen. Die Ranch ist die letzte Wasserstelle auf der Strecke.«
»Wem erzählen Sie das?«, krähte der alte Rancher und klimperte mit den Geldmünzen im Beutel. »Der alte Slocum wär’ stolz drauf, was Sie aus seiner Ranch machen! Er hatte ein Herz für uns Viehleute, hatte ein wahrhaft gutes Herz für uns!«
Schweigend steckte Mason die acht Dollar ein, die ihm der Rancher für seine gut vierhundert Rinder gab, und rechnete im Stillen nach, das ihn das Geld über die nächste Woche bringen würde. Er hatte auf vier oder fünf Herden gehofft, die aus dem Süden heraufkamen, doch nur zwei von ihnen hatten bei ihm gerastet.
Eine Viertelstunde später waren die Männer auf der Ranch zurück.
Der Herdenbesitzer ging gleich zu Bett, was Mason die Gelegenheit gab, sich seinem anderen Gast zuzuwenden, der am Nachmittag aus Mesilla gekommen war. Er saß vor den Pferdeställen und kaute auf einem trockenen Halm herum, der bei jedem Biss von einem Mundwinkel in den anderen wechselte.
»Mr. Mason!«, grüßte ihn der Fremde und zog ein Stück Papier aus der Westentasche. Er reichte es dem Rancher und spie den Halm in den Dreck. »Sie wollten das Telegramm sehen. Es traf gestern in Mesilla ein.«
Der Streifen Papier, in den die Morsezeichen des Post Office eingestanzt waren, war auf der Rückseite mit einer Abschrift versehen. Die Nachricht enthielt die Codeworte Great und Siege, die Mason mit dem Hauptquartier der Brigade Sieben vereinbart hatte und die für eine neue Operation im Gebiet von Mesilla sprachen.
»Mr. Lassiter?«, fragte Mason und reichte seinem Gast das Telegramm zurück. »Sie kommen wegen des Auftrags?«
»In der Tat«, gab der Fremde mit dem kantigen Gesicht zurück. Er sah sich nach der Ranch um und lächelte. »Sie haben sich ein anständiges Geschäft aufgebaut. Sogar in Santa Fe hat man von Ihnen gehört.«
Stumm bedeutete Mason dem Brigade-Sieben-Agenten, dass er im Haus weitersprechen wollte. Er geleitete Lassiter über den Hof der Ranch, auf dem sie das verblichene Hitchrack passierten, das Masons Vorgänger Slocum aufgestellt hatte. »In dieser Gegend geschieht nicht viel. Die Mason’s Ranch hat früher einem Mann namens Perry Slocum gehört. Er starb vor fünf Jahren.«
Als sie das Hitchrack hinter sich gelassen hatten, blieb Lassiter stehen und reckte sich. »Das Geschäft mit den Reisenden wird Ihnen viel Mühe bereiten. Ich will Sie nicht von Wichtigerem abhalten.«
»Was könnte es Wichtigeres als die Aufträge der Brigade Sieben geben?«, entgegnete Mason und musterte den hochgewachsenen Mann neben sich. Er richtete den Blick auf den .38er Remington in dessen Holster. »Sie scheinen mir gut vorbereitet für diesen Teil des Westens zu sein.«
Der Mittelsmann schloss die Handelsstube auf, die sich im nördlichen Anbau des Ranchhauses befand, und wies auf den Ecktisch mit einem Kuvert darauf. Der Umschlag war mit einem Wachssiegel verschlossen. Es war Mason vor zwei Tagen von einem Kurierreiter überbracht worden.