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Auf Ehre und Gewissen
Diesmal kamen sie zu fünft. Vom Fenster aus sah Lester Donovan sie in den Hof reiten. Weil er wusste, was die Stunde geschlagen hatte, nahm er das Gewehr von der Wand und trat hinaus auf die Veranda. Paul Jenkins, flankiert von vier Revolvermännern, hielt sein Pferd an. "Du wolltest nicht verkaufen, Donovan!" Um gefährlicher auszusehen, stützte er sein Gewehr auf den Schenkel. "Ein Glück - jetzt gehört diese Ranch mir, ohne dass sie mich auch nur einen Cent kostet." Er zog ein Papier aus der Tasche und hielt es hoch. "Dein Bruder hat gegen mich beim Pokern verloren und konnte nicht zahlen - mit diesem Schuldschein hat er mir die Ranch übereignet."
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Auf Ehre und Gewissen
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8502-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Auf Ehre und Gewissen
Diesmal kamen sie zu fünft. Vom Fenster aus sah Chester Donovan sie in den Hof reiten. Weil er wusste, was die Stunde geschlagen hatte, nahm er das Gewehr von der Wand und trat hinaus auf die Veranda. Paul Jenkins, flankiert von vier Revolvermännern, hielt sein Pferd an. »Du wolltest nicht verkaufen, Donovan!« Um gefährlicher auszusehen, stützte er sein Gewehr auf den Schenkel. »Ein Glück – jetzt gehört diese Ranch mir, ohne dass sie mich auch nur einen Cent kostet.« Er zog ein Papier aus der Tasche und hielt es hoch. »Dein Bruder hat gegen mich beim Pokern verloren und konnte nicht zahlen – mit diesem Schuldschein hat er mir die Ranch übereignet.«
»Lüge!« Chesters Bruder Joe sprang aus der Scheune und feuerte seinen Karabiner ab. Die Kugel pflügte den Staub unter den Pferden der Revolvermänner um. Die rissen sofort ihre Waffen heraus.
»Verfluchte Lügner!« Joes Geschrei wurde noch wütender, doch welche Flüche auch immer er Jenkins und seinen Männern entgegenschleuderte, sie gingen im Lärm ihrer Waffen unter.
Ihre Kugeln schlugen rechts und links von ihm im Staub ein, und eine traf – wohl eher zufällig – Chesters alten Vorarbeiter, der ebenfalls aus der Scheune gerannt war. Nun riss der bedauernswerte Mann die Arme hoch und stürzte rücklings auf den Boden.
Sofort warf Joe sich neben ihn auf die Knie und beugte sich über ihn. »Billy stirbt!«, schrie er. »Die verdammten Mörder haben Billy umgebracht!«
Zwei Cowboys rannten aus dem Stall neben der Scheune, die Hände schon an den Kolben ihrer Revolver. Als sie jedoch sahen, wie viele Waffen auf sie gerichtet waren, blieben sie stehen und streckten die Arme hoch über den Kopf.
Joe aber, von Jugend an ein wilder Hitzkopf vor dem Herrn, hob seinen Karabiner und feuerte einen Schuss nach dem anderen auf die Revolvermänner ab. »Zur Hölle mit euch!«, schrie er nach jedem Schuss. »Fahrt zur Hölle!«
Da lag Chester längst auf den Verandadielen. »Waffe runter!«, brüllte er noch in den Schusslärm hinein, doch es war zu längst spät: Wirbelnd überschlug sein Bruder sich im Staub, so viele Geschosse hatten ihn getroffen.
Einer der Revolvermänner, die auch als Cowboys für Jenkins arbeiteten, krümmte sich im Staub neben seinem Pferd und zwei schwangen sich aus den Sätteln, um dem schwer Getroffenen zu helfen. Der vierte und Paul Jenkins selbst aber zielten auf Chester und das schon, seit der erste Schuss gefallen war.
Der hatte längst seine eigene Anweisung befolgt und sein Gewehr vor sich abgelegt. Hätten seine beiden Cowboys den Kampf angenommen, hätte man sich gegenseitig Feuerschutz geben können. Doch allein mit Joe gegen sechs Mann? Nichts für jemanden, der wie Chester am Leben hing.
Fassungslos starrte er an den Pferden der Jenkinsbande vorbei zu seinem Bruder Joe und zu seinem Vorarbeiter. Beide lagen völlig reglos im Staub. Auch Jenkins’ Revolvermann, den Joe getroffen hatte, zuckte nicht einmal mehr.
Wie in einem Albtraum kam Chester Donovan sich vor. Gleich würde er aufwachen, gleich würde alles vorbei sein und sein Bruder Joe und der alte Billy noch leben. Oder etwa nicht?
Sein ungläubiger Blick wanderte von einem Revolvermann zum anderen: von dem hochgewachsenen und dürren Thomas Hall zu dem gedrungenen und bärtigen Raymond Stoner, die beide kopfschüttelnd neben ihrem toten Komplizen im Staub knieten. Von Stoner und Hall hinauf zu dem kleinen drahtigen Jack Teller mit seinen grauen Locken und seinem riesigen Schnurrbart, der von seinem Pferd aus auf Chester zielte und dem der Hass die Miene verzerrte, denn der Tote war sein Bruder. Und von Teller zu dem blonden und kräftig gebauten Paul Jenkins, der mit einem verächtlichen Feixen um die schmalen Lippen und beinahe gleichmütig zur Veranda und zu Chester Donovan herab schaute.
»Zehn Tage gebe ich dir, um die Ranch zu räumen«, sagte Jenkins, ohne den Lauf seines Gewehres auch nur um eine Daumenbreite zu senken. »In zehn Tagen stehe ich wieder hier, und dann, um sie zu übernehmen.«
Stoner und Hall hievten ihren toten Komplizen aufs Pferd, banden ihn fest und stiegen wieder in die Sättel. Während sie die Leiche von Tellers Bruder samt Gaul aus dem Hof führten, bedrohten Paul Jenkins und Jack Teller Chester und seine beiden Cowboys mit ihren Waffen.
Jenkins erreichte den Torbogen als letzter. Dort erst nahm er die Waffe herunter und rief: »Grüße von Nancy soll ich dir ausrichten, Donovan! Sie mag keine Loser, hat sie gesagt. Deswegen wird sie demnächst mit mir Verlobung feiern. Bist aber eingeladen.«
☆
Gleich am nächsten Morgen trieb Chester Donovan seinen Rotfuchs in gestrecktem Galopp ins zwölf Meilen entfernte Salina. Bevor er zum Office des Sheriffs ritt, band er sein Pferd am Hitchrack des Green-Plains-Hotels fest, wo Nancy, seine Verlobte, in der Küche arbeitete. Mit ihrer Schwester und ihrer alten Mutter wohnte sie in dem kleinen Haus neben dem Saloon.
Chester sprang auf den Sidewalk und stürmte zur Tür dieses Gebäudes. Er trug Lederchaps, eine Lederweste und an jeder Hüfte einen Revolver. Er klopfte an der Haustür und wartete.
Chester Donovan konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor derart aufgewühlt gewesen zu sein. Der Tod seines Bruders steckte ihm tief in den Knochen; und dass nun endgültig Schluss sein sollte mit Nancy, konnte er einfach nicht glauben.
Seit fast einem Jahr war er mit Nancy Curtis verlobt. Seit drei Wochen jedoch hatte sie sich nicht mehr bei ihm gemeldet – kein Brief, kein Besuch, nichts. Einmal, als er im Saloon nach ihr fragte, hatte sie sich verleumden lassen.
Chester klopfte lauter und drängender. Er dachte an die rothaarige Hure, der er vor einem Monat im Suff auf ihr Zimmer gefolgt war. Ja, er hatte zuviel getrunken an jenem Abend! Und ja, er hatte sich bezirzen lassen und sich von der Roten ins Bett ziehen lassen und sie genommen!
Nancy hatte Wind davon bekommen, und seitdem ließ sie nichts mehr von sich hören.
Und jetzt sollte es vorbei sein? Jetzt wollte sie die Verlobung lösen und Paul Jenkins heiraten? Einen Mann, der für seine Brutalität und seine übermäßige Neigung zum Whisky bekannt war? Das konnte einfach nicht wahr sein!
Schnelle Schritte näherten sich hinter der Tür. Endlich! Der Schlüssel wurde umgedreht, die Tür geöffnet. Nancys Schwester Jane stand auf der Schwelle. Mit brennendem Blick schaute sie ihn an. Chester wusste, dass diese Frau ihn liebte und schwer daran trug, dass er sich für ihre Schwester entschieden hatte.
»Nancy ist nicht da«, beschied Jane ihm kühl und wollte die Tür wieder schließen.
Chester stieß sie noch weiter auf und drängte sich an Jane vorbei. Eine weißhaarige Frau kam ihm entgegen, machte große Augen und schlug sich die Hände gegen die Wangen. »Da bist du ja endlich, Darling!«
Die alte Mrs. Curtis war nicht mehr ganz bei Sinnen. Seit Chester Donovan in ihr Haus kam, hielt sie ihn für ihren im Bürgerkrieg gefallenen Gatten.
»Ich bin nicht dein Mann, Emily!« Er schob sie zur Seite. »Ich bin Chester, der Verlobte deiner Tochter!« An der Alten vorbei stürmte er die Treppe hinauf. Er wusste ja, wo Nancys Schlafkammer lag. »Nancy!«, rief er. »Ich muss mit dir reden!«
Sie stand in der offenen Schlafkammertür – halb angezogen, mit großen traurigen Augen, offenem blondem Haar und schön wie ein Sommerabend. »Nancy, Darling, wir müssen reden.« Ganz weich wurde Chesters Stimme. Nancy verschränkte die Arme vor der Brust und hielt seinem Blick stand.
Er ging auf sie zu, doch Schritte aus der Schlafkammer näherten sich plötzlich, und wie festgewurzelt blieb Chester stehen. Mit nacktem Oberkörper tauchte Paul Jenkins neben Nancy auf und lehnte gegen den Türrahmen.
»Verschwinde, Donovan!«, zischte er. »Du hast hier nichts mehr verloren!«
Weder Jenkins noch Nancy konnten so schnell gucken, wie Chester zuschlug. Sein Haken traf Jenkins in der Leber, seine Gerade die Nasenspitze. Es krachte hässlich, und Jenkins fiel um, wie ein gefällter Baum.
»Scheißkerl!«, brüllte Chester den schon am Boden Liegenden an, denn er machte sich klar, dass der bei seiner Verlobten übernachtet hatte.
»Paul hat recht!«, schrie Nancy. »Ich will dich nicht mehr sehen, Chester!« Neben dem stöhnenden Jenkins ging sie in die Hocke. »O Gott! Er blutet aus der Nase!«
»Ich muss mit dir reden!« Chester zog sie hoch, drängte sie in die Kammer und verriegelte die Tür hinter sich. »Es tut mir so leid, Nancy, so unendlich leid!« Er packte sie bei den nackten Armen und riss sie an sich. »Bitte verzeih mir! Bitte verlass mich nicht!«
»Lass mich los!« Sie wand sich in seinen Armen. »Hilfe!«, schrie sie. »So helft mir doch!«
»Hör mir doch zu, Nancy!« Chester versuchte, die kaum zu bändigende Frau festzuhalten. »Es tut mir so leid! Ich war betrunken, ich habe versagt – nie wieder soll so etwas vorkommen …!«
»Du Schuft!« Nancy rammte ihm das Knie zwischen die Beine und wand sich aus seinen Armen. Chester ließ sie los und krümmte sich stöhnend. Nancy aber riss sich den Verlobungsring vom Finger. »Es ist vorbei!« Sie schmiss ihm den Ring vor die Füße und stürzte zur Tür.
Mit einem einzigen Griff zog sie den Riegel aus dem Bügel, öffnete die Tür und rannte hinaus und die Treppe hinunter. Im Laufen fummelte sie ihr Mieder so weit auf, dass ihre nackten Brüste herausquollen. »Was tust du denn da, Kind?« Ihre Mutter raufte sich die weißen Haare.
Nancy rannte an ihr vorbei, ohne sie zu beachten. »Hilfe!«, schrie sie. »Überfall!« Ruft den Sheriff! Hilfe! So helft mir doch!«
Chester hatte sich gefangen und folgte ihr. Er sprang über den stöhnenden und halb betäubten Jenkins hinweg und schlidderte mehr die Treppe hinab, als dass er sie hinunterlief.
»Da bist du ja wieder, Darling!« Die alte Emily Curtis breitete die Arme aus und erwartete ihn mit sehnsüchtig lächelndem Blick auf der untersten Stufe. Hinter ihr stand Jane und blickte traurig zu ihm herauf.
Inzwischen hatte Nancy die Haustür aufgerissen und sprang nun auf die Mainstreet hinaus. »Überfall! Chester Donovan hat mich vergewaltigt!«
Chester Donovan drängte sich an Jane und der alten Emily vorbei und stürzte hinterher, doch er kam nicht weit – zwei Bewaffnete tauchten rechts und links von ihm auf, und beide trugen den Stern der Männer des Gesetzes an der Brust.
»Du greifst nach deinen Revolvern, und du bist ein toter Mann, Donovan«, sagte der Hilfssheriff Cliff Potter und drückte ihm den Lauf seiner Waffe an die Schläfe.
»Und vor allem bist du festgenommen, Chester«, erklärte der Sheriff und klirrte mit den Handschellen. »Wegen Mordes an Pete Teller und wegen Vergewaltigung.«
Pete Teller war der Revolvermann, den Chesters Bruder Joe am Abend zuvor aus dem Sattel geschossen hatte.
»Die Dreckskerle haben Joe und Billy erschossen!« Chester verstand die Welt nicht mehr. »Raymond Stoner, Thomas Hall, Jack Teller – die gehören hinter Gitter! Und vor allem Jenkins, dieser Scheißkerl!«
»Flossen hoch!« Der Hilfssheriff entwaffnete ihn.
»Ihr habt zuerst gezogen.« Der Sheriff legte ihm Handschellen an. »Du und dein Bruder Joe. Stoner, Hall, Teller und Jenkins bezeugen es. Die Aussagen von vier Männern gegen deine, Donovan.« An den Handschellen riss er Chester hinter sich her. »Mal schauen, was der Richter dazu sagt.«
☆
Ein Jahr später in Memphis.
Ohne Eile ritt Lassiter die gepflasterte Straße zum Mississippi hinunter. Ein Strom von Reitern, Fuhrwerken und Fußgängern wälzte sich auf ihr entlang. Auf dem Sidewalk hockten Männer und Frauen beim Würfelspiel. Ein alter Schwarzer sang zur Gitarre ein wehmütiges Lied. Hin und wieder überholte der Agent der Brigade Sieben knarrende Planwagen mit Ochsengespannen.
Auf einem Kutschbock hockte neben einem blonden Jungen eine Frau mit schwarzen Locken, die ihr fast bis zu den Hüften reichten. Ihre Schönheit stach Lassiter augenblicklich ins Auge. Sie erwiderte sein Lächeln, und er zog den Hut und deutete eine Verneigung an. Der blonde Junge, höchstens sieben Jahre alt, winkte ihm zu.
Die Saloons an der Mainstreet hatten noch dieselben Namen. Die Hausfassaden kamen Lassiter vertraut vor, sogar einige Gesichter meinte er wiederzuerkennen. Memphis hatte sich nicht groß verändert, seit er zum letzten Mal hier gewesen war.
Das Mississippi Castle, das teuersteHotel der Stadt, hatte einen neuen Anstrich erhalten – es glänzte jetzt dunkelrot in der Mittagssonne. Schräg gegenüber hatten sie ein paar Häuser abgerissen und bauten jetzt eine Kirche aus Stein auf die frei gewordene Fläche. Und auch die Straße, auf der er ritt, hatte sich verändert – beim letzten Mal war sie noch nicht gepflastert gewesen.
Er drehte sich noch einmal nach der Schönen und ihrem Planwagen um, bevor er zum Hafen hinunter ritt. Doch im Gewimmel auf der Mainstreet konnte er sie nirgends mehr ausmachen. Ob sie hier in Memphis lebte?
Er drehte sich wieder um. Das dunkle Band des Mississippis schob sich in sein Blickfeld, und mit ihm der Hafen. Sofort fielen Lassiter die vielen Planwagen auf, die am Rand des Hafengeländes standen. Dort, wo man im Herbst die Koppeln für die Rinderherden aus dem Westen errichtete.
Mindestens dreißig Wagen schätzte er. Die Zugtiere, massige dunkelbraune Ochsen, weideten in einer kleinen Koppel neben der Wagensiedlung. Hier und da stiegen Rauchsäulen einzelner Lagerfeuer auf, und zwischen den Wagen und den Feuern tummelten sich unzählige Menschen.
Siedler, die über den Strom setzen wollten, vermutete Lassiter und staunte – kaum zu glauben, wie viele Leute es noch immer in den weiten Westen zog.
Er ließ seinen Blick über die Fassaden der Häuser wandern, die das Hafengelände säumten. Fat Goose hieß der Saloon, in dem er den Mittelsmann der Brigade Sieben treffen sollte. Als er den Namen auf dem Vordachschild eines dreistöckigen Hauses entdeckte, lenkte er sein Pferd dorthin.
Er wusste, dass ein gewisser Dr. Bertram ihn in dem Saloon erwartete – was für ein Auftrag ihn erwartete, wusste er nicht. Vor dem Fat Goose band er sein Pferd fest, schulterte Mochilla und Winchester und betrat den Saloon.
Dafür, dass es Mittagszeit war, herrschte wenig Betrieb im Schankraum. Nur drei Flussschiffer hingen an der Theke und nicht einmal die Hälfte der Tische war besetzt. Dafür roch es so intensiv nach gebratenem Fleisch, dass Lassiter das Wasser im Mund zusammenlief. Lange her, dass er etwas Warmes gegessen hatte, zu lange her.
Er ging zur Theke, von wo aus der Salooner ihm schon neugierig entgegenblickte, und sagte seinen Spruch auf: »Weiter Weg nach Santa Fé. Ich denke, ich mach mal einen Tag Rast bei Ihnen.« So ungefähr hatte es im Telegramm aus Washington gestanden.
»Kein schlechter Gedanke«, antwortete der Salooner. »Dr. Bertram wartet hinter der zweiten Tür rechts.« Er deutete auf einen Gang, der von der Treppe aus ins Hinterhaus führte.
Natürlich wusste er nichts von der Brigade und Bertrams Tätigkeit als Mittelsmann. Wahrscheinlich hatte Bertram ihm gesagt: »Wenn einer auf dem Weg nach Santa Fé für einen Tag hier bleiben will, schicke ihn zu mir«, oder etwas in der Art.
Lassiter bedankte sich, bestellte zwei Steaks mit Bratkartoffeln und einer doppelten Portion Bohnen, nahm den Gang ins Hinterhaus und klopfte an der bezeichneten Tür. Stimmen und Gelächter dahinter brachen ab, eine Männerstimme forderte ihn auf, einzutreten.
Lassiter stutzte erst einmal, als er die Tür geöffnet hatte – von vier jungen Frauen umringt, thronte ein kräftiger gebauter Mann mit silbergrauem Haar und dunkelblauem Frack in einem Lehnstuhl und sah ihm mit hochgezogenen Brauen entgegen. »Mit wem haben wir das Vergnügen?«
»Man hat mir geraten, auf dem Weg nach Santa Fé bei Ihnen vorbeizuschauen.« Lassiter trat ein und schloss die Tür. »Hat sich nach einer guten Idee angehört.« Die vier jungen Frauen musterten ihn mit unverhohlener Neugier.
»Lassiter!«, rief der elegante Grauschopf, als würde er den Agenten schon seit Ewigkeiten kennen. »Endlich. Ich warte bereits seit drei Tagen auf Sie. Haben Sie sich etwas zum Essen und zum Trinken bestellt?«
»Zum Trinken noch nicht, doch mein Steak dürfte bereits in der Pfanne brutzeln.« Lassiter betrachtete die vier Frauen und beneidete Bertram um die drei Tage Wartezeit.
»Los, Mädels!« Bertram schnippte mit den Fingern. »Besorgt dem Gentleman was zu trinken.« Er wies auf einen Stuhl am runden Tisch. »Nehmen Sie Platz, Lassiter.«
Die Frauen sprangen auf und rauschten aus dem Raum. Keine, die sich in der Tür nicht noch einmal lächelnd nach Lassiter umschaute. »Kaffee, bitte!«, rief er ihnen hinterher.
»Kaffee ist ungesund, wissen Sie das nicht, Lassiter?« Bertram stand auf und schob den Lehnstuhl an den Tisch. »Ich bin Arzt und sehe es nicht gern, wenn die Leute ungesund leben.« Er zwinkerte ihm zu. »Haben Sie im Hafen die Planwagen auf der Flusswiese gesehen?«
Lassiter nickte. »Mutige Leute, die im Westen noch einmal neu anfangen wollen, schätze ich.«
Bertram setzte sich. »Mutige oder hungrige Leute, wer weiß das schon so genau? Jedenfalls hat unsere Regierung ihnen Ackerland am Smoky Hill River und in Oregon geschenkt. In den nächsten Tagen setzen sie über den Mississippi.«
»Dann liegt noch ein verdammt langer Weg vor ihnen.«
»Richtig.« Bertram schob ein großes Kuvert, das auf dem Tisch bereitlag, zu Lassiter hin. »Die Leute, die an den Smoky Hill River wollen, werden Sie begleiten.«
Lassiter schätzte Männer, die nicht viele Worte machten, doch Bertram kam ihm fast zu schnell zum Punkt. »Und Sie werden mir sicher gleich erklären, warum.«
»Weil am Smoky Hill River