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Moonshines Rückkehr
Die beiden Frauen in der schmierigen Hafenspelunke standen den spielenden Männern am Nachbartisch in nichts nach. Sie knallten die Kartenblätter auf den Tisch und teilten die Dollarscheine auf, die sich zwischen ihren beiden Whiskeygläsern stapelten.
"Kreuz und Teufel", sagte die eine und beugte sich nach vorn. Sie hatte leuchtend rotes Haar, das in einem geknoteten schwarzen Tuch steckte. "Die Moonshine Ranch ist niedergebrannt."
"Niedergebrannt und vergessen", meinte die andere Frau am Tisch. "Aber es geht weiter, Martha. Es geht nach Washington."
"Gegen den Präsidenten?", fragte die Rothaarige. "Geht es endlich gegen den Präsidenten?"
Die leeren Whiskeygläser standen wie ein Bollwerk zwischen den Frauen.
"Kommt auf den Preis an, Martha..."
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Moonshines Rückkehr
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8737-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Moonshines Rückkehr
Die beiden Frauen in der schmierigen Hafenspelunke standen den spielenden Männern am Nachbartisch in nichts nach. Sie knallten die Kartenblätter auf den Tisch und teilten die Dollarscheine auf, die sich zwischen ihren Whiskeygläsern stapelten.
»Kreuz und Teufel«, sagte die eine und beugte sich nach vorn. Sie hatte leuchtend rotes Haar, das in einem geknoteten schwarzen Tuch steckte. »Die Moonshine Ranch ist niedergebrannt.«
»Niedergebrannt und vergessen«, meinte die andere Frau am Tisch. »Aber es geht weiter, Martha. Es geht nach Washington.«
»Gegen den Präsidenten?«, fragte die Rothaarige. »Geht es endlich gegen den Präsidenten?«
»Kommt auf den Preis an, Martha …«
Nicht weniger als drei Steinbrüche waren an der Errichtung des Obelisken zwischen dem Haus des Präsidenten und dem Potomac River beteiligt gewesen, und in keinem von ihnen hatte auch nur ein Frauenrock das Sagen gehabt. Wäre ein Weib in der Verantwortung gewesen, würden gewiss Dutzende falsche Gesteinsfärbungen das Washington Monument verunzieren.
Stumm blickte Senator William S. Sheafe an der über fünfhundert Fuß hohen Steinsäule hinauf.
Der Obelisk übertrumpfte den Dom von Köln, der bis zur Vollendung der Gedenksäule das höchste Bauwerk auf der Erde gewesen war, und allein die Pyramidenspitze wog dreihundert Tonnen. Sie wurde von einer Aluminiumhaube gekrönt, in die unter anderem Sheafes Name graviert war. Die Ostseite dagegen lobte mit der lateinischen Inschrift Laus deo den Allmächtigen.
»Sie kommen nie zu spät«, sagte eine Stimme neben Sheafe und riss den Senator aus seinen Gedanken. Sie gehörte Walther Robson, dem Verbindungsmann der Brigade Sieben im Kapitol. »Ich mag Staatsmänner, die sich ihre Macht nicht zu Kopf steigen lassen. Es gab Präsidenten, die ständig zu spät erschienen, um die Wartenden zu demütigen.«
Von der Spitze des Obelisken stürzte sich ein Schwarm Schwalben in die Tiefe und umflog den Steinbau einige Male. Er drehte zum Kapitolgebäude hin ab, dessen schneeweiße Kuppel selbst an diesem Novembertag wie Alabaster erstrahlte.
Sheafe wandte sich halb zu Robson um, der ihm vor einer guten Woche telegraphiert hatte. Er hatte den Brigade-Sieben-Mann in voller Absicht warten lassen. »Ich enttäusche nicht gern einen Freund, Walther. Ich sehe keinen Grund, dich zu demütigen.«
Die beiden Männer setzten sich zu einem Spaziergang um das Washington Monument in Bewegung. Sie kannten einander seit Jahren, obgleich Sheafe der Brigade Sieben keinerlei Wertschätzung entgegenbrachte.
»Du hättest genügend Gründe«, sagte Robson bescheiden und starrte zu Boden. »Mir ist zugetragen worden, dass du vor vier Jahren durch den Präsidenten begnadigt worden bist. Die beiden toten Frauen von der Suffragistenbewegung wären justitiabel gewesen.«
Die letzte Runde um den Obelisken hatte Sheafe mit einem Berater von Präsident James W. Garfield unternommen, der im Folgenden die Begnadigung durch das Staatsoberhaupt vermittelt hatte. »Diese Frauen haben mich verleumdet und entehrt. Ich hatte das Recht, mich zur Wehr zu setzen.«
Robsons hohle Wangen spannten sich. »Deine und meine Auffassung von Gerechtigkeit sind verschieden, Bill. Du hast die Begnadigung nur einem faulen Trick zu verdanken.« Er hielt an und sah dem Senator in die Augen. »Ich weiß es, und du weißt es ebenso.«
»Bist du gekommen, um mich zu beschuldigen?« Sheafe setzte den Rundgang fort und spie verächtlich aus. »Die Brigade Sieben wird den Weg alles Zeitlichen gehen. Ich habe nicht den mindesten Zweifel daran.«
»Sprichst du von der Operation Kassandra?«
Die Stimme von Robson klang jetzt kühl und fordernd. Sie hatten die Höflichkeiten hinter sich gelassen, die in Washington selbst dann zum guten Ton gehörte, wenn die Gesprächspartner einander nicht ausstehen konnten.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Sheafe und sah sich nach dem Verbindungsmann um. Robson hatte sich nicht von der Stelle gerührt. »Ich muss dich nicht daran erinnern, dass sich Kassandra nur gegen einen einzigen Brigade-Sieben-Mann gerichtet hat.«
»Gegen unseren härtesten Mann«, sagte Robson und schloss zu Sheafe auf. Er blieb dicht vor dem Senator stehen. »Du wolltest Lassiter zur Hölle schicken, als er gerade die amerikanische Nation verteidigte.«
Sheafe ließ die Maske ebenfalls fallen. »Zum Teufel mit euren Agenten! Ich hätte ihn zu gern ans Messer geliefert. Er hätte das Opferlamm für den Brand auf der Moonshine Ranch gespielt.«
Die Moonshine Ranch lag in South Dakota und war als Versteck einer Bande berühmt geworden, die von der Frauenrechtlerin Martha Vance angeführt worden war. Das Militär hatte die Ranch gebrandschatzt, nachdem die Frauen begonnen hatten, die Frachtzüge der Canadian Pacific zu berauben. Die Fäden bei dieser Operation hatte Sheafe gezogen.
»Niemand macht aus Lassiter ein Opferlamm«, erklärte Robson in düsterem Ton. Er deutete zum Obelisken hinüber, dessen Spitze in dünnen Nebelschwaden verschwand. »Er hat die Frauen gerettet, die für Kassandra sterben sollten. Ich ziehe meinen Hut vor diesem Mann.«
Grimmig wandte sich Sheafe ab und stapfte davon. Er hatte Kassandra mit einer Gruppe Kongressabgeordneter, Diplomaten und den beiden Sprechern des Hauses minutiös geplant und war dennoch gescheitert. »Aus welchem Grund bist du gekommen? Um Genugtuung für die Brigade einzuheimsen?«
Sie machten eine Gruppe Secret-Service-Leute am Obelisken aus, die offenbar auf dem Weg zum Kapitol waren. Robson verbarg sein Gesicht vor den Männern und eilte Sheafe nach. »Nein, nichts dergleichen, Bill. Ich brauche deine Hilfe.«
»Ausgerechnet mich fragst du?«, schäumte Sheafe und schüttelte den Kopf. »Ich wüsste nicht, wie oder bei was ich dir eine Hilfe wäre. Die Brigade Sieben ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Ich sähe sie lieber heute als morgen aufgelöst.«
Die Nordseite des Obelisken kam in Sicht und erstrahlte im blassen Nachmittagslicht. Als Sheafe für einen Moment stehenblieb, um den Anblick des Parks und Weißen Hauses dahinter zu genießen, kam ihm ein Gedanke.
»Ist es dir ernst mit unserer Freundschaft?«, fragte Sheafe. »Unsere Freundschaft bemisst sich an den Gefälligkeiten, die wir einander erweisen.«
»Todernst«, sagte Robson. »Mir ist es todernst mit unserer Freundschaft.«
☆
Hellbrow City, Nebraska, vier Jahre früher
Die Männer von Sheriff Dunby hatten sich über die ganze Belmont Street verteilt und griffen die Berittenen aus dem Hinterhalt an. Sie eröffneten das Feuer, als im Flowing Well die Lichter gelöscht wurden und die Frauen sich ängstlich hinter die Fenster verkrochen. Durch die Straße zuckten die Lichtblitze der Mündungsfeuer.
Von alledem bekam Lassiter nur den Donner der Gewehrschüsse mit.
Der groß gewachsene Brigade-Sieben-Agent mit den breiten Schultern und dem sandblonden Haar hockte mit Annie Lumsdon unter der Fensterbank und lud seinen Remington. Er war gegen Sheriff Dunbys Willen im Haus geblieben.
Annie war noch immer nackt.
Die Revuetänzerin und er hatten es auf dem breiten Kanapee unter dem Gemälde von George Washington getrieben, der stolz und mit verkniffenen Lippen in das Büro des Tanzhausbesitzers schaute. Als der feige Angriff auf das Flowing Well begonnen hatte und das Haus geräumt worden war, hatte Lassiter gerade zwischen Annies weit gespreizten Schenkeln gelegen.
Ein Stockwerk tiefer hing der tote Tripp Rowland aus dem Fenster.
Der Eigentümer des Flowing Well war von der Horde Bewaffneter erschossen worden, die mit ihren Pferden vor dem Tanzhaus auf und ab geritten war und Rowland eine Frist von einer Stunde gesetzt hatten. Binnen dieser Stunde hatte es Rowland geschafft, einen Botenjungen zu Sheriff Dunby zu schicken.
»Sie schießen uns in Stücke«, flüsterte Annie mit ihrer sanften und zugleich rauchigen Stimme. Sie bebte und drängte sich an Lassiter. »Außer dem Flowing Well hat’s noch drei andere Tanzhäuser in Nebraska erwischt. Sie knallen jeden ab, den sie darin finden können.«
»Vor allem Frauen«, brummte Lassiter und spähte unter dem halb offenen Fensterschieber hindurch. Er konnte vier Gewehrschützen ausmachen, die auf der Belmont Street Wache hielten. »Sie fühlen sich angestachelt vom Brand der Moonshine Ranch.«
Annie sprach den Namen der Ranch, die vor einer Woche im Dakota-Territorium gebrannt hatte, leise vor sich hin. Sie wusste um den geheimnisvollen Beiklang, den die Moonshine Ranch durch die Schlagzeilen der Gazetten und Wochenschriften genoss.
»Zieh dich an!«, befahl Lassiter und schob Annie Mieder und Korsage zu. »Von Sheriff Dunby können wir keine Hilfe erwarten. Ich schalte die vier Kerle auf der Straße aus und lasse dich über die Veranda runter.«
Ohne den geringsten Laut kleidete sich Annie an und kauerte sich neben Lassiter ans Fenster. Sie zitterte unverändert und krampfte die Hände ineinander. »Die Bande ist schon im Haus. Ich … Was ist mit Katlynn? Sie ist noch in ihrer Kammer. Ich muss ihr helfen!«
»Du bleibst bei mir!«, versetzte Lassiter und schob zwei frische Patronen in die Trommel des Remington. »Ich kann dich nur in Sicherheit bringen, wenn du tust, was ich dir sage.«
»Aber Katlynn hat ein Kind!« Annie war den Tränen nahe. »Einen kleinen Jungen von sieben Jahren! Sie wird ihn nicht zurücklassen! Und diese Kerle kennen keine Gnade.«
Die Rotte unten auf der Belmont Street hatte tatsächlich eine Kaltblütigkeit bewiesen, die in Nebraska und im Dakota-Territorium ihresgleichen suchte. Sie hatte Tanzhäuser in Kearney und Rapid City überfallen und unter den dortigen Mädchen ein wahres Blutbad angerichtet.
»Du musst sie retten!«, flehte Annie und klammerte sich an Lassiters Arm fest. »Du hast gesagt, dass du für unsere Sache einstehst! Dass du den Frauen hilfst!«
Nach dem Brand auf der Moonshine Ranch war Lassiter tagelang wie betäubt gewesen. Er hatte ohnmächtig mit ansehen müssen, dass die Schuldigen in Washington ihrer Strafe entgingen und die Opfer zu Geächteten wurden. Er hatte Martha Vance, seine frühere Geliebte und Reitgefährtin, verlassen müssen, die ihm ebendies schon einmal nicht verziehen hatte.
»Wo ist Katlynns Kammer?«, fragte Lassiter schmallippig und schaute weiter nach den Männern im Sattel. »Sie hätte den Kleinen längst aus dem Flowing Well herausschaffen sollen.«
»Kammer 47«, teilte Annie halblaut mit. Sie wollte Lassiters Arm nicht gehen lassen. »Diese Bastarde sind feige Mörder. Sie töten uns aus purem Hass.«
Der Nebraska Morning hatte den Brand der Moonshine Ranch, auf der sich Martha Vance und ihre Anhängerinnen verschanzt hatten, als »reinigendes Inferno« bezeichnet. Die Bande auf der Belmont Street war eines der marodierenden Grüppchen, die seither Jagd auf Frauen machten, die wie Martha aus halbseidenen Verhältnissen stammten.
»Versteck dich hinter dem Kanapee!«, ordnete Lassiter an und schlich mit dem Remington zur Tür. »In Rowlands Büro vermuten sie keine Frau.«
Keine Minute darauf kauerte Lassiter draußen im Flur.
Er konnte das halbe Dutzend Männer hören, das sich Zugang zum Saal des Flowing Well verschafft hatte und in kurzen Abständen auf die Whiskeyflaschen im Wandregal feuerte. Die Männer waren von schlichtem Gemüt und droschen Witze über den toten Rowland.
»Gewürgt hat’s ihn!«, brüllte einer von ihnen und feixte. Er ahmte Rowlands Todeskampf nach. »Hab’ schon gedacht, dass er nie draufgeht! Die Weiber sind als Nächstes dran! Wär’ doch gelacht, wenn wir diese Huren nicht wieder an die Kandare bekämen!«
»Nieder mit den Suffragetten!«, schrie ein anderer und schoss um sich. »Nieder mit dem Frauenwahlrecht! Nieder mit den Unzüchtigen!«
Nach diesen Worten begriff Lassiter, dass er diese ganze verkommene Bande auf einen Schlag loswerden musste. Er konnte nicht nur die Frauen beschützen. Er musste den Mistkerlen das Fürchten lehren und sie aus der Stadt jagen.
Dunby und seine Deputies würden die Dächer nicht verlassen.
Der Mann der Brigade Sieben war auf sich gestellt.
Geduckt stieg er die Treppe ins zweite Stockwerk hinunter und drückte die Tür zum Rang des Tanzsaales auf. Die Empore oberhalb des Schanksaals erstreckte sich über fast zwei Yards und wurde von einer Brüstung mit goldenem Anstrich begrenzt. Jenseits der Brüstung hingen zwei messingfarbene Halbkugeln von der Decke, die mit Kerzenhalterungen versehen waren.
Unten wurde abermals geschossen.
Die Männer johlten und feuerten auf die bemalten Glasscheiben, die zwischen Bar und Spieltischen angebracht waren und nun klirrend zu Bruch gingen. Einer von ihnen sprang von Tisch zu Tisch und gab Schüsse in die Decke ab. Als eine der Kugeln pfeifend von den massiven Messingkuppeln abprallte, brach darunter schallendes Gelächter aus.
Der Querschläger brachte Lassiter auf einen Einfall.
Noch bevor die Heiterkeit der Männer nachließ, robbte er über die Empore nach vorn und richtete den Remington auf die Messingkugeln. In den Trommelschächten steckten sechs .38er-Patronen, von denen jede wie die Feuerstöße von drei oder vier Revolvern klingen musste.
Gewissenhaft nahm Lassiter die vordere Halbkugel aufs Korn.
☆
Durch das halb eingestürzte Schulhaus von Poor Point zog der Geruch der Lavendelhalme, die neben der alten Eingangstreppe gediehen und der Ruine etwas Tröstliches gaben. Der Duft munterte das Häuflein Frauen auf, das Martha Vance gegenübersaß und ihr soeben eröffnete, dass es der Mut verlassen habe.
»Die Sache ist aus und vorbei«, sagte Lucy und rieb verlegen den Silberring in ihrer Nase. Sie hatte die Versammlung einberufen. »Die Männer feiern schon ihren Sieg. Die Moonshine Ranch hat ihnen in die Hände gespielt.«
Sie saßen unter dem offenen Dach des Klassenzimmers, in dem alte Schiefertafeln und ein zerbrochener Zeigestock bezeugten, dass es in Poor Point eine Sonntagsschule gegeben hatte. Das Schicksal des Minenstädtchens war besiegelt gewesen, als vor fünf Jahren die letzte Goldader der Lake Hills versiegt war.
»Seid still und denkt nach!«, drang Martha auf die Frauen ein. »Wollt ihr die Moonshine Ranch schon aufgeben? Wollt ihr aufgeben, wofür wir seit Jahr und Tag kämpfen? Wollt ihr unsere Berufung aufgeben?«
Auf der Moonshine Ranch hatten Dutzende Frauen gelebt, denen das Leben übel mitgespielt hatte. Es waren Witwen und Geschändete darunter gewesen, weit mehr, als Martha zu Anfang geglaubt hatte. Sie waren unter ihrer Führung zu Banditinnen geworden, zu den gefürchteten Moonshine-Amazonen.
Bis zu jenem Tag vor einer Woche …
Einige Kavallerieeinheiten der U.S. Army war auf die Moonshine Ranch vorgerückt und hatte die Scheunen in Brand gesteckt. Der Marschbefehl war aus den höchsten Kreisen Washingtons gekommen. Die Frauen hatten nur durch Lassiters Hilfe überlebt.
Lassiter …
Beklommen sahen Lucy und die anderen Frauen Martha an. Sie schwiegen unschlüssig, bis Lucy erneut für alle das Wort ergriff. »Aber du bist die Moonshine Ranch, Martha. Ohne dich hätten wir längst das Handtuch geworfen. Du bist unser Mondschein … Unsere Moonshine …«
Allmählich stifteten die Moonshine-Namen Verwirrung, hatte Martha doch bereits die Ranch und ihren treuen Schimmel nach dem silbernen Mondschein benannt, der die Frauen in der ersten Nacht in den Grandfields begrüßt hatte. Sie wollte nicht, dass die Frauen sie ebenfalls Moonshine tauften. »Wir alle sind Moonshine, Mädchen. Wir bringen die Hoffnung für die tausend und abertausend geknechteten Frauen da draußen.«
»Ohne die Ranch?«, klagte Lucy und verschränkte die Arme vor dem Körper, als fröstelte ihr. »Sie war unser Hort und unsere Schlafstätte. Sie hat uns beschützt vor dem, was dort draußen auf uns lauert.«
»Sie hat uns ferngehalten«, widersprach Martha und strich sich ihr kupferrotes Haar aus dem Gesicht. Sie sah das gute Dutzend Frauen an, das ihr die Treue gehalten hatte. »Sie war ein Frauenhaus ohne Entkommen. Sie hat Washington vor uns beschützt.« Sie lächelte vielsagend. »Aber damit ist es genug.«
Die Mienen der Frauen herum hellten sich für kurze Zeit auf, ehe die alte Verdrossenheit zurückkehrte. Die Bewohnerinnen der Moonshine Ranch hatten Marthas Durchhalteparolen zu oft gehört.
»Was hast du vor?«, fragte Nettie und hielt dabei die Hand ihrer Schwester Stinny. Sie hatten beim Brand beide ein Büschel Haare verloren und kaschierten den Makel nun mit einem turbanartig gebundenen Tuch um den Kopf. »Du willst nicht mit uns ins Dakota-Territorium zurück?«
Lediglich mit knapper Not waren sie den Flammen auf der Ranch entkommen und hatten sich in ein Versteck am Cheyenne River zurückgezogen. Sie waren von Männern unter Kommando von Lieutenant John McNally versorgen worden, den der Angriff auf die Ranch gereut hatte.