Lassiter 2469 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2469 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Um Kopf und Kragen

Der schlichte Sarg aus Kiefernholz stand offen, und als Lassiter sich im Sattel vorbeugte, erkannte er sofort, dass der Tote darin nicht der Mann war, wegen dem er nach Dunster gekommen war. Ein in der Mittagssonne blitzender Stern auf der Brust der Leiche ließ keinen Zweifel aufkommen, obwohl von deren Kopf nicht viel übrig war. Jemand musste dem Sheriff direkt ins Gesicht geschossen haben - mit einer Schrotladung aus kürzester Distanz, wie der grausige Anblick vermuten ließ.
Lassiter nahm den Undertaker in den Blick, der sich mit dem Sargdeckel näherte. "Sheriff Reed, nehme ich an?", knurrte er und nickte zum Sarg hinüber.
Statt einer Antwort zuckte der Schwarzgekleidete nur mit den Achseln und schloss den Sarg über dem Toten.

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Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Um Kopf und Kragen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Boada/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8885-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Um Kopf und Kragen

Der schlichte Sarg aus Kiefernholz war offen, und als Lassiter sich im Sattel vorbeugte, erkannte er sofort, dass der Tote darin nicht der Mann war, wegen dem er nach Dunster gekommen war. Ein in der Mittagssonne blitzender Stern auf der Brust der Leiche ließ keinen Zweifel aufkommen, obwohl von deren Kopf nicht viel übrig war. Jemand musste dem Sheriff direkt ins Gesicht geschossen haben – mit einer Schrotladung aus kürzester Distanz, wie der grausige Anblick vermuten ließ.

Lassiter nahm den Undertaker in den Blick, der sich mit dem Sargdeckel näherte. »Sheriff Reed, nehme ich an?«, knurrte er und nickte zum Sarg hinüber.

Statt einer Antwort zuckte der Schwarzgekleidete nur mit den Achseln und schloss den Sarg über dem Toten.

Der Agent der Brigade Sieben lenkte seinen Wallach am Karren mit dem Sarg vorbei zum Hitchrack vor dem Sheriff’s Office. Er glitt vom Rücken des Pferdes, griff nach den Zügeln und schlang sie nachlässig um den Holm. Ein Knarren der Dielen auf dem Sidewalk ließ ihn den Blick heben.

Der Deputy sah aus, als hätte er erst im letzten Sommer die Kommunion empfangen, doch er bemühte sich, sein Milchgesicht mit einer grimmigen Miene aufzuwerten. Der Blechstern am Hemd wies darauf hin, dass der Bursche derzeit die Person war, die in Dunster das Gesetz vertrat.

»Wer sind Sie, Mister?«, fragte er und entlockte Lassiter ein leises Schmunzeln, als er dabei wachsam seine Hand auf den Kolben des Revolvers legte.

Der Brigadeagent hob beide Hände in Hüfthöhe. »Nur die Ruhe, Bursche. Man hat mich telegrafisch angekündigt, möchte ich meinen. Mein Name ist Lassiter.« Er trat einen Schritt vor die Stufen zum Office und sah dem jungen Ordnungshüter aufmerksam in die Augen.

»Ich wurde geschickt, um Xerxes Tribeca abzuholen.«

Die Hand des Deputies sank herab, und seine Miene entspannte sich ein wenig, bevor er die Stirn in Falten legte und ein bitteres Schnauben von sich gab.

»Lassiter, sicher. Aber dafür kommen Sie zwei Stunden zu spät.« Sein Blick war vorwurfsvoll, wirkte aber auch erleichtert. »Eigentlich hatten wir Sie schon gestern erwartet.«

Lassiters Augen verengten sich, und er schaute kurz zum Karren des Undertakers. Der hatte mittlerweile den Kutschbock bestiegen und setzte mit einem Peitschenhieb das Maultier vor sich in Bewegung. Gemächlich zuckelte das kleine Fuhrwerk über die Mainstreet davon.

Lassiter sah zum Deputy zurück. »Soll das heißen, Tribeca hat den Sheriff umgelegt? Ist er ausgebrochen?«

Der junge Bursche schüttelte langsam den Kopf und sah an Lassiter vorbei. »Nein, Sir«, murmelte er und fuhr sich fahrig durch sein dünnes Haar.

Ärgerlich schob der Brigadeagent das Kinn vor und trat die Stufen zum Sidewalk hinauf. Er packte den Deputy an der Schulter und zwang ihn, den Kopf zu heben.

»Was ist dann passiert?«, brummte er eindringlich. »Jetzt red’ schon, Junge!«

Der Deputy riss die Augen auf und starrte ihn an. Erst jetzt erkannte Lassiter, dass die blasse Hautfarbe des jungen Mannes nicht naturgegeben war, denn auf seiner Stirn glänzten Schweißperlen.

Symptome eines verdrängten Schocks, der sich nun Bahn brach.

Im selben Moment, in dem Lassiter dieser Gedanke durch den Kopf ging, sackte der Bursche bereits zusammen, und es gelang ihm noch gerade eben, mit der zweiten Hand unter die Achsel zu greifen und sein Gegenüber davor zu bewahren, zu Boden zu gehen.

Ohne große Mühe trug er den Hänfling zwei Schritte weit und ließ ihn auf einem Lehnstuhl neben der Tür des Büros nieder. Der Deputy verdrehte die Augen nach oben und hechelte.

»Himmel, Bursche! Wenn du einen Doc brauchst, sag mir, wo ich ihn finden kann«, sagte Lassiter und sah sich in beide Richtungen auf der Straße um. Doch nirgendwo war eine Menschenseele zu entdecken. Dunster briet leblos in der Mittagshitze wie eine Geisterstadt.

Der junge Mann schüttelte den Kopf und winkte ab.

»Nein, schon gut«, brachte er schließlich hervor, und Lassiter registrierte, wie sich sein Blick zu klären schien.

»Es ist nur, ich … mir blieb bisher keine Zeit, überhaupt … zu kapieren, was … passiert ist«, erklärte er mit stockender Stimme.

Fahrig wischte er sich mit dem Handrücken über die verschwitzte Stirn. »Es ging alles so schnell, verstehen Sie?«

Lassiter nickte stumm, obwohl er keine Ahnung hatte, was sich zugetragen hatte.

»Ganz ruhig, Junge. Wie lautet dein Name?«

Der Deputy zögerte, als müsse er über die Frage nachdenken. »Rudy …«, murmelte er schließlich. »Rudy Benton. Ich bin der Deputy. Seit sechs Wochen. Hab die Nachfolge angetreten vom alten Hubert, weil der inzwischen so blind ist, dass er kein Scheunentor mehr trifft, wenn er mit dem Gesicht … mit dem Gesicht …«

»Ist schon gut, Rudy«, brummte Lassiter und drückte die Schulter des jungen Mannes.

Er brannte darauf, zu erfahren, was hier vorgegangen war, wusste aber, dass Ungeduld jetzt fehl am Platze war. Deshalb ging er zum Pferd zurück, nahm die Feldflasche vom Sattelhorn und reichte sie Rudy, der gierig daraus trank. Er ließ dem Jungen eine Minute, um zu Atem zu kommen, bevor er eine Frage stellte.

»Also: Wer hat Sheriff Reed erschossen?«

Rudy Benton sah auf, und in seinen Augen flackerte für einen kurzen Moment wieder Panik auf. »Es waren drei Männer …«, sagte er leise. »Verwegene Burschen, schwer bewaffnet. Sie … sie wollten Tribeca.«

»Sie wollten Tribeca?« Lassiter runzelte die Stirn. »Du meinst, sie wollten zu ihm?«

Benton schüttelte den Kopf, hob die Wasserflasche und trank abermals. »Nein, Sir. Sie verlangten, dass der Sheriff ihn herausgibt.«

Er sah Lassiter an und verzog die Lippen. »Zuerst hat Abraham, ich meine Sheriff Reed, den Anführer der Kerle für Sie gehalten …« Er rang mit den Händen. »Dieser Bastard benahm sich, als hätte er das Recht dazu, Befehle zu erteilen.«

Benton beugte sich vor und riss die Augen auf. Er streckte die Faust aus und verharrte damit kurz vor Lassiters Hals. »So ging er auf Abe zu und sah ihn dabei an mit Augen so kalt wie Eis!«

»Ist nicht ganz meine Art, mich vorzustellen«, knurrte Lassiter lakonisch, was dem Deputy ein Schnauben abrang.

»Das hat Abe auch schnell begriffen.«

»Wie ging es weiter?«

Der Deputy rieb sich über das Gesicht, und Lassiter entging nicht, wie seine Schultern wieder zu beben begannen.

»Der Anführer hat einen Steckbrief aus der Jacke gezogen … aus Texas. Klar, den kannten wir auch. Tribeca wird schließlich schon seit fast zwei Jahren gesucht. Hat mit seiner Faust draufgehauen und gesagt, er würde uns die Arbeit abnehmen und Tribeca in Texas abliefern. Wir sollten ihn einfach übergeben und wären alle Sorgen los.«

»Sheriff Reed war offenbar anderer Meinung«, brummte Lassiter.

»Allerdings. Abe ist verdammt stolz drauf gewesen, den Hurensohn eingelocht zu haben. Wollte sich das nicht von irgendwelchen Geiern streitig machen lassen. Er hat gesagt, sie sollten sich zum Teufel scheren. Jemand sei bereits unterwegs, um Tribeca … der Justiz zu überantworten.« Am Schluss des Satzes geriet Benton ein wenig ins Stocken, als er vermutlich die Worte seines verstorbenen Chefs zitierte.

»Okay … und wie haben die Kerle darauf reagiert?«, fragte Lassiter widerwillig, obwohl er sich den weiteren Verlauf der Auseinandersetzung lebhaft vorstellen konnte.

»Der Anführer hat gegrinst. Als wenn Abe einfach nur »Nein, danke« gesagt hätte«, murmelte Benton und senkte den Blick. Die Finger seiner beiden Hände schienen in seinem Schoß eine Art Ringkampf aufzuführen. »Er hat gesagt, es tue ihm leid, dass Abe so unhöflich sei, ein gütliches Angebot abzulehnen. Abe hat seinen Revolver gezogen und vor sich auf den Schreibtisch gelegt. Dann hat er die Kerle aufgefordert, sich endlich zu verpissen.« Der Deputy fuhr sich durch die schweißglänzenden Haare und schüttelte den Kopf, weil er offenbar nach wie vor nicht bereit oder imstande war, die Ereignisse zu akzeptieren.

»Ich stand in der Ecke neben dem Schreibtisch und merkte schon, gleich gerät die Sache aus dem Ruder. Man sah, diese Hurensöhne werden nicht so einfach klein beigeben. Ich wollte auch meine Waffe ziehen, doch da kam einer der Kerle auf mich zu und zog mir den Gewehrkolben über den Schädel. Das hat keine Sekunde gedauert, Lassiter, ich schwör’s! Ich ging zu Boden und sah Sterne, dann hörte ich noch, wie Schüsse krachten. Ich wollte aufstehen, aber einer von ihnen hat mir nochmal einen verpasst, und da bin ich abgetreten.«

Bentons Schultern zuckten, und er schüttelte abermals den Kopf, als könne er damit die Erinnerungen wie Puzzleteile in seinem Kopf in eine neue Ordnung zwingen.

»Sie waren bewusstlos … und als Sie wieder zur Besinnung kamen, war Reed tot und diese Männer mit Tribeca verschwunden«, half ihm Lassiter auf die Sprünge.

Benton nickte stumm, seine Lippen bebten. Lassiter klopfte ihm beruhigend auf die Schulter.

»Es ist okay, Rudy. War nicht Ihre Schuld. Hört sich ganz danach an, als hätten Sie es mit professionellen Kopfgeldjägern zu tun gehabt. Und diese Hurensöhne haben ihre Namen nicht genannt?«

»Nein, ich …« Benton schluckte, und sein Adamsapfel hüpfte dabei in seinem langen dünnen Hals auf und ab, bevor er den Kopf hob und Lassiter blinzelnd anschaute. Er zögerte einen Moment, dann fiel es ihm wieder ein: »Doch, einer der anderen beiden hat den Anführer einmal angeredet. Ich glaube, er nannte ihn Kincaide …«

Lassiters Miene erstarrte. Er erhob sich aus der Hocke, wandte sich um und sah hinaus auf die menschenleere Mainstreet.

Joshua Kincaide! Der gottverdammte Hurensohn lebte also noch. Und schien seit ihrem bleigeschwängerten Zusammentreffen vor sechs Monaten in Tennessee die letzten Skrupel abgelegt zu haben, die vorher noch in seiner verkommenen Seele gewohnt haben mochten, wenn er jetzt nicht einmal mehr davor zurückschreckte, Gesetzeshüter umzulegen, um ein lukratives Kopfgeld zu kassieren.

Lukrativ war es in der Tat, wenn man Xerxes Tribeca der Justiz zuführte, denn auf den Killer waren zwanzigtausend Dollar ausgesetzt.

Lebendig, wohlgemerkt. Tot war er nur die Hälfte wert, und das hatte Gründe, die der Öffentlichkeit vorenthalten wurden.

Dieselben Gründe hatten auch die Brigade Sieben dazu bewogen, Lassiter nach Dunster zu senden, damit der für eine sichere Passage Tribecas nach Austin sorgte. Denn der Profikiller konnte brisante Informationen preisgeben über die Männer, die ihn seit Jahren mit Aufträgen für seine Morde versorgt hatten.

In Washington hatte man dankbar zum Himmel geblickt und es als Gottesgeschenk angesehen, dass ausgerechnet ein Dorfsheriff in New Mexico den lang gesuchten Auftragsmörder Xerxes Tribeca erkannt und dingfest gemacht hatte. Und dann auch noch so umsichtig gewesen war, seine Heldentat nicht öffentlich zu machen, sondern stattdessen einen State Marshal per Telegramm zu informieren und zu fragen, wie mit dem berüchtigten Gefangenen in seiner Zelle zu verfahren sei.

Lassiter hätte Reed gern zu seinem vorbildlichen Vorgehen beglückwünscht, doch ein lahmendes Pferd und eine Auseinandersetzung mit ein paar Wegelagerern hatten dafür gesorgt, dass er auf der Reise wertvolle Stunden verloren hatte.

Nun war ein heldenhafter Sheriff auf dem Weg zum Boothill und einer der gefährlichsten Profikiller der Vereinigten Staaten in den Händen eines Kopfgeldjägers, der es mit seinem Gefangenen an Skrupellosigkeit und Bösartigkeit mühelos aufnehmen konnte.

Lassiter war überzeugt, dass die Lage sich kaum schlimmer hätte entwickeln können.

Doch noch bevor die Sonne unterging, wurde er eines Besseren belehrt.

Amy Stubbins wandte den Kopf und schaute zu den Hügeln hinauf, auf denen sich das hüfthohe Gras sanft im warmen Wind bewegte wie ein dunkelgrünes Meer.

Aus den Augenwinkeln hatte sie geglaubt, dort oben eine Bewegung wahrgenommen zu haben, doch jetzt, als sie angestrengt den Blick schweifen ließ über die Hügelkuppe, die die Grenze ihres kleinen Reiches bildete, war dort nichts zu entdecken außer …

»Ricky«, murmelte sie, und ihre vollen Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln, als sich das hohe Gras in Schatten teilte, die rasch auf sie zukamen.

Es brauchte nur eine halbe Minute, dann hatte der Hütehund sie erreicht und sprang an ihr hoch. Das Gewicht des anstürmenden Tieres warf sie um, und sie hatte Mühe, seine schlabbernde Zunge von ihrem Gesicht fernzuhalten.

Lachend drückte sie seinen Kopf beiseite und schalt ihn: »Nicht so stürmisch, Ricky! Vergiss ja nicht, wer hier das Sagen hat!«

Sie kam auf die Beine und hob die linke Hand. Der Hund bemerkte die Geste und gehorchte sofort; mit nach vorn gespreizten Läufen drückte er in einer Geste der Unterwerfung den Rücken durch, senkte seinen Kopf und jaulte leise.

»Recht so«, sagte Amy und wartete, bevor Ricky den Kopf hob. Dann streckte sie den Arm aus und deutete in Richtung des Farmhauses. »Und jetzt ab mit dir!«

Er war so flink verschwunden, wie er gekommen war, und nur das sich teilende Gras zeigte der jungen Frau, wie sich der Hund pfeilschnell auf den Vorhof der Farm zubewegte.

»Amy! Kommst du?«

Sie sah, wie ihr Ehemann auf die Veranda trat und ihr zuwinkte.

»Sofort, mein Lieber!«

Sie winkte zurück, zögerte aber noch einen Moment.

Ihre Hände glitten durch die saftigen grünen Halme, und sie atmete tief ein. Der Geruch, den die Erde und die Pflanzen ausströmten, die um sie herum blühten und gedeihten, zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht.

Es hatte fast zwei Jahre gebraucht, aus den zwei Dutzend Acres kargen Bodens etwas zu machen, aber in diesem Frühjahr schien die Mühe endlich belohnt zu werden. Und sie hatte es keinen Tag lang bereut, nach den turbulenten Ereignissen in Deckards Spring Montana ein für alle Mal den Rücken zu kehren, um gemeinsam mit Connor hier in Texas ein neues Leben zu beginnen.

»Amy?«

»Ich komme!«

Sie eilte durch das dichte Gras und genoss das Gefühl, das die Halme an ihren nackten Füßen und Waden erzeugten. Es war wie die sanfte und gleichzeitig raue Berührung eines Liebhabers.

Als sie an den Tisch trat, hatte Connor das Abendessen bereits aufgetragen. Er zwinkerte ihr zu, bevor er sich auf dem Stuhl gegenüber niederließ, und hob dabei mahnend den Finger.

»Irgendwann wirst du noch vom Chukamachoo weggefangen, wenn du in der Dämmerung allein da draußen rumläufst, Honey.«

»Aber sicher doch, Connor. Der Chukamachoo wird extra für mich aus den Rockies nach Texas umziehen«, brummte sie und unterdrückte ein Schmunzeln, weil die alte indianische Legende des mädchenraubenden Fabelwesens ein stetiger Scherz unter den Eheleuten war, den Connor nicht müde wurde zu wiederholen.

Sie griff nach ihrem Besteck und schaute auf den Teller hinab, bevor sie ihre Stirn in Falten legte. »Oh, nein … das … das ist nicht das, was ich glaube, oder?«

Ihr Gatte hob schuldbewusst Achseln und Augenbrauen, bevor er zögernd nickte.

»Es tut mir leid, Schätzchen, aber …«

Amy sog scharf die Luft ein. »Ich habe Hatty geliebt, das weißt du doch wohl …«

»… und ich hatte einfach die Nase voll von Gerstenbrei und Maiskolben.«

»Du hättest irgendeinen fremden Hasen schießen können!«

»Nur theoretisch. Die Viecher sind clever genug, einen Bogen um unsere Farm zu machen. Sie scheinen zu ahnen, wie gefährlich ich bin!«

Connor rollte mit den Augen und ließ seine Zunge heraushängen. Amy musste ihm zugestehen, dass dieses Mienenspiel tatsächlich ein wenig beängstigend aussah und prustete dennoch los. Doch als sie wieder auf ihren Teller schaute, konnte sie das Fleisch dennoch nicht anrühren und griff stattdessen zu der Schale mit dem Salat.

»Okay, und wann kommen die Tiere?«, fragte sie, schob sich eine Gabel voll Grünzeug zwischen die Zähne und langte nach dem Fladenbrot. Kauend wartete sie auf seine Antwort.

Connor wich ihrem Blick aus.

»Was ist los?«, knurrte sie.

»Hartfield will zehn Dollar pro Rindvieh«, antwortete Connor endlich und schob sich einen Hinterlauf von Hatty in den Mund.

»Zehn Dollar?« Amy war kurz davor, aufzuspringen, hielt sich aber im letzten Moment zurück.

»Das ist eine Frechheit! Wir haben die Tiere gesehen, die sind nicht mal die Hälfte wert!«

Connor nickte gleichmütig. »Deshalb habe ich ihm gesagt, dass wir darüber noch einmal nachdenken müssen.«

»Nein, das müssen wir nicht.« Amy schnaubte wütend. »Verdammt nochmal, Connor. Was ist mit dir los? Der Kerl spuckt dir ins Gesicht, und du sagst ihm: »Ohooh, Sir, herzlichen Dank, ich werde darüber nachdenken«?«

Sie blickten sich über den Tisch hinweg an. Amys Augen funkelten unheilvoll wie ein Elmsfeuer – Connor schaute nur kurz hinein, bevor er den Kopf senkte und abwehrend die Hände hob.

»Sorry, Süße … ich bin einfach nicht besonders gut in so was«, murmelte er.

Amy starrte ihren Gatten ein paar Sekunden lang an, bevor sich ihre Züge entspannten und sie langsam nickte.

»Ist okay«, sagte sie und lächelte schief. »Ich werde selbst mit Hartfield reden, in Ordnung? Wenn du nichts dagegen hast …«