Lassiter 2483 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2483 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Der Reiter hielt mit letzter Kraft auf das weiß getünchte Adobehaus zu, dessen Lichter ungefähr eine Meile vor ihm zwischen den Bäumen schimmerten. Sein Hemd klebte ihm feucht vom Blut auf der Haut, und sein pfeifender Atem hörte sich an, als hätte er ein Loch in der Lunge. Irgendwo in der Dunkelheit stießen Wölfe ein langgezogenes Geheul aus. Das Rudel folgte ihm schon seit geraumer Zeit.
Die Verzweiflung mobilisierte seine letzten Reserven. Er presste seinem Pferd die Schenkel in die Flanken und trieb es vorwärts. Er musste sein Versprechen einlösen und Hilfe holen. Koste es, was es wolle!

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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Tausend Rinder für Topeka

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Boada/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9300-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Tausend Rinder für Topeka

Der Reiter hielt mit letzter Kraft auf das weiß getünchte Adobehaus zu, dessen Lichter ungefähr eine Meile vor ihm zwischen den Bäumen schimmerten. Sein Hemd klebte ihm feucht vom Blut auf der Haut, und sein pfeifender Atem hörte sich an, als hätte er ein Loch in der Lunge. Irgendwo in der Dunkelheit stießen Wölfe ein langgezogenes Geheul aus. Das Rudel folgte ihm seit Stunden. Die Verzweiflung mobilisierte seine letzten Reserven. Er presste seinem Pferd die Schenkel in die Flanken und trieb es vorwärts. Er musste sein Versprechen einlösen und Hilfe holen. Koste es, was es wolle!

Die hell erleuchteten Fenster verschwammen vor seinen Augen. Er war so verdammt müde! Die Flucht letzte Nacht hatte ihn viel Energie gekostet. Sein Schädel leerte sich, als würden seine Gedanken davondriften wie Laub auf einem gurgelnden Fluss.

Ich darf nicht ohnmächtig werden!

Verzweifelt bohrte er seinen Daumen tief in die Wunde an seinem rechten Oberschenkel. Warmes Blut rann sein Bein hinab.

»Aaaargh!« Der Schmerz breitete sich wellenartig in seinem Körper aus, raste bis zu seinen Haarwurzeln und ließ ihn rote Sterne sehen.

Das riss ihn aus seiner Lethargie.

Zumindest für eine Weile.

Chris Garett hatte sich nie für einen Helden gehalten. Vermutlich war er nicht einmal besonders mutig. In dieser Nacht jedoch entdeckte er etwas, das er nicht in sich vermutet hatte: einen unbändigen Willen, zu überleben. Er wollte, nein, er musste seinen Auftrag ausführen. Wenn er versagte, würde das Grauen weiterhin wüten, und nicht nur Rose, sondern weitere arglose Menschen würden ihm zum Opfer fallen.

Das darf nicht geschehen!

Er riss das Kinn hoch und stieß einen röhrenden Laut aus. Es klang, als würden sich die Gräuel, die er mit angesehen hatte, einen Weg durch seine Kehle bahnen. Sein Pferd machte sich lang und flog mit donnernden Hufen die Anhöhe hinauf, dass der Schlamm hinter ihnen aufspritzte.

Das Gebrüll des einsamen Reiters alarmierte den Wächter am Tor.

Unmittelbar vor ihm schwang es auf.

Er preschte hindurch und hatte es gerade passiert, als ihn die letzten Kräfte verließen. Haltlos stürzte er aus dem Sattel, prallte auf dem Boden auf und überschlug sich. Oben und unten vermischten sich. Benommen blieb er liegen. Sein Reittier lief noch einige Yards, ehe es stehenblieb und sich nach ihm umschaute.

Jemand packte ihn am Hemdkragen und zog ihn hoch.

»Wo ist meine Tochter?«, wurde er angebrüllt. »Wo ist Rose?«

Er blinzelte, sah ein bärtiges Gesicht über sich. Graue Augen, die ihn halb zornig, halb sorgenvoll anfunkelten. William Laberteaux war eine eindrucksvolle Erscheinung, mit breiten Schultern und narbigen Händen, denen man ansah, dass sie zupacken konnten. Als General der Nordstaaten hatten seine Gegner ihn gefürchtet. Der Krieg hatte ihm ein steifes Bein und mehrere Orden eingebracht. In den vergangenen Jahren hatte er all seine Kräfte und sein Kapital in den Bau der Eisenbahn investiert. William Laberteaux galt als Ehrenmann, der anderen und sich selbst alles abverlangte und nicht leicht zufriedenzustellen war.

Das galt auch und besonders für den Mann an der Seite seiner Tochter.

Ein mittelloser Pianospieler kam als Schwiegersohn für ihn nicht in Frage.

Und so waren sie durchgebrannt. Rose und er.

Heiraten wollten sie. Oben im Norden.

Ein Fehler. Vermutlich der schlimmste seines Lebens.

Womöglich auch der letzte.

»Wo ist Rose? Was hast du mit ihr gemacht?«

Er wollte etwas erwidern, aber sein Körper schien vergessen zu haben, wie man das machte. Kein Wort brachte er heraus.

Unter ihm breitete sich eine warme, klebrige Flüssigkeit aus. Irgendwo an seinem Schädel klopfte die Gewissheit an, dass das kein gutes Zeichen war. Dass er etwas unternehmen musste. Er brachte jedoch nicht mehr die Kraft dafür auf.

Schwarze Schwaden waberten vor seinen Augen.

Er registrierte kaum noch, dass binnen weniger Minuten der gesamte Haushalt auf den Beinen war und in den Hof strömte.

Eine Frau schickte einen Diener nach dem Arzt.

Das Tor wurde verschlossen und sperrte die Wölfe aus.

Wenigstens das.

Dunkelheit griff nach ihm. Nur noch wie aus weiter Ferne hörte er, was gesprochen wurde.

»Dieser Mann hat unsere Tochter ins Verderben gestürzt!«

»Du warst zu streng mit ihr, William. Wenn wir ihn mit offenen Armen empfangen hätten, wäre sie nie mit ihm durchgebrannt.«

»Mit offenen Armen? Dieser Halunke ist nicht gut für sie. Das habe ich gleich gewusst. Und ich habe Recht behalten.«

»Wir müssen ihn ins Haus schaffen. Sieh dir nur seine Wunden an. Ich … nein, so etwas habe ich noch nicht gesehen. Sein ganzer Körper scheint übersät zu sein von Schnitten. Als wollte ihn jemand langsam ausbluten lassen. Wer würde so etwas Schreckliches tun?«

»Ich weiß es nicht, aber wen auch immer er sich zum Feind gemacht hat, derjenige hat vermutlich auch unsere Tochter in seiner Gewalt.«

»O Gott! William!«

Chris krallte die Finger in den schlammigen Untergrund, als könnte er sich damit an das Leben klammern, das langsam aus ihm heraussickerte.

Unvermittelt wurde etwas Übelriechendes unter seine Nase gehalten und riss ihn noch einmal zurück ins Hier und Jetzt.

»Wir wollten heiraten«, stöhnte er. »Im Norden. Unterwegs … das Grauen! Rose … ihr müsst … sie retten!«

»Retten? Warum? Wo ist unsere Tochter? Rede endlich!«

Ein Zittern lief durch seinen Körper. Und ihm war kalt. Als hätte sich ein ewiger Winter über das hügelige Land gelegt. Er wollte erklären, was ihnen zugestoßen war, wollte den Weg beschreiben, den er geflohen war, aber er konnte es nicht. Sein Körper versagte ihm den Dienst. Nur ein undeutliches Nuscheln brachte er noch zustande.

»Was hast du gesagt? Ich habe dich nicht verstanden. Wenn dir unsere Tochter etwas bedeutet, dann verrate uns, wo wir sie finden können! Bitte!« Wieder wurde er am Kragen gepackt und hochgerissen. Der Schmerz, der durch seinen malträtierten Körper raste, war unbeschreiblich.

»Sag es mir! Wo ist Rose?«

Die Worte rauschten an ihm vorbei wie der Wind. Chris blinzelte und sah plötzlich einen hellen Schimmer vor sich. Mit einem Mal breitete sich ein tiefer Frieden in ihm aus. Ein letzter, pfeifender Atemzug. Dann sank sein Kopf zur Seite

»Was ist meiner Tochter zugestoßen? So rede doch!«

Chris Garett konnte nicht mehr antworten.

Er war tot.

»Diese verdammten Heuschrecken!« Ned Talbott hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Das Blöken seiner hungrigen Rinder ging dem Rancher durch und durch.

Seine Tiere standen auf der Weide huftief im Schlamm und fanden kaum mehr als spärliche Halme zum Fressen vor. Was die Heuschrecken vom frischen Grün übriggelassen hatten, hatte der elende Regen ruiniert. Und das Heu, das er vorsorglich eingelagert hatte, würde nicht ewig reichen. Ned musste es einteilen, und das bedeutete Hunger für seine Rinder.

Die meisten Tiere senkten suchend den Kopf über den Boden und zupften an den letzten Halmen, manche lagen matt in der Sonne. Noch sah man den Tieren den Mangel nicht an, aber das würde sich ändern, wenn sie nicht schleunigst Futter besorgten.

Ned Talbott hatte die Ranch nach dem Krieg mit seinen eigenen Händen aus dem staubigen Boden von Texas gestampft. Er hatte der Hitze und den Stürmen getrotzt und sich ein Zuhause aufgebaut. An seinem Haus floss der Little Creek vorüber, ein Bach, der ihnen in guten Zeiten genügend Wasser sicherte.

Seine Tiere waren bisher immer gut versorgt gewesen.

In den vergangenen Wochen hatten jedoch Schwärme von Heuschrecken und lange Schlechtwetterperioden das Futter knapp werden lassen. Ned Talbott fehlte das Geld, um welches zu kaufen. Von wem hätte er es auch erwerben sollen? Die Rancher in der Gegend standen vor demselben Problem wie er. Seine einzige Chance war der Norden. In Kansas waren die Wiesen grün und das Futter reichlich vorhanden. Doch dort ließ man es sich beinahe mit Gold aufwiegen.

Grimmig hieb der Rancher den angespitzten Pfosten in die Erde. Der Hunger trieb seine Rinder um! In der Nacht war einer seiner Zuchtbullen aus dem Corral ausgebrochen und hatte den Zaun niedergewalzt. Ned war dabei, ihn wiederaufzurichten. Nach den Regenfällen der vergangenen Tage war der Boden aufgeweicht. Er musste kräftig auf das Holz schlagen, um es tief genug in die Erde zu treiben, dass es hielt.

»Vater?« Kelly hieb einen weiteren Pfosten in den Boden. Man sah seiner Tochter nicht an, wie viel Kraft in ihr steckte. Mit ihrer schlanken, hoch gewachsenen Figur wirkte sie beinahe zerbrechlich, aber sie konnte zupacken und scheute keine Arbeit. Ihre rotblonden Locken waren zu einem Zopf geflochten, aber einige Strähnen hatten sich daraus gelöst und ringelten sich widerspenstig um ihr hübsches Gesicht. Sie verrieten das Temperament, das sich in ihr verbarg. Kelly hielt inne und deutete mit einer Hand in Richtung Süden. »Sieh mal!«

Mehrere Reiter zeichneten sich in der Ferne ab.

Dort näherten sich Besucher!

»Was meinst du, Vater, stattet uns Mr. Penrose einen Besuch ab?«

»Um mich nochmals zu beschwatzen, den Auftrag mit ihm zu teilen? Schon möglich.« Ned Talbott stieß seinen Hut in den Nacken und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn.

Sein Nachbar bewirtschaftete die RP-Ranch. Robert Penrose hatte sich ebenfalls um den Auftrag der Army beworben, war jedoch leer ausgegangen, weil sein Angebot zu spät eingegangen war. So war Ned Talbott beauftragt worden, für die Army eintausend Rinder nach Topeka zu treiben.

Und zwar bis zum Ende des Monats.

Viel Zeit war das nicht, aber vom Gelingen des Viehtriebs hing die Zukunft der Ranch ab. Mit dem Geld, das er nach dem Verkauf der Rinder haben würde, konnte er auf dem Rückweg Futter kaufen. Es würde sogar noch etwas übrigbleiben.

Damit war seine Ranch gerettet.

Wenn das Vorhaben jedoch misslang, ward alles verloren.

Ihr Zuhause. Ihre Tiere.

Einfach alles.

»Für Mr. Penrose ist es bitter, den Auftrag verpasst zu haben«, sagte Kelly.

»Wäre er selbst in die Stadt geritten, um das Angebot zu überbringen, hätte sich sein Bote nicht unterwegs betrinken und zu spät kommen können.« Ned Talbott schabte sich das Kinn. »Allerdings habe ich gehört, dass er viel mehr Geld für sein Vieh verlangt hätte als wir. Vermutlich hätte er den Zuschlag also trotzdem nicht bekommen.«

»Meinst du, ihr schafft den Weg in der verabredeten Zeit?«

»Das müssen wir.« Ned wuchtete zwei Pfähle auf die neu errichtete Halterung und prüfte ihre Stabilität, indem er sich mit aller Wucht dagegen warf. Das Holz knackte, bog sich jedoch nicht durch. Ja, das würde halten, wenn sein Bulle wieder wild wurde.

Ned hatte einen Trupp Cowboys für den Viehtrieb zusammengestellt. Einen Koch hatte er auf die Schnelle nicht gefunden, aber das machte nichts. Den abendlichen Eintopf konnte er selbst herstellen. Seine Frau und seine Tochter würden derweil mit zwei Cowboys die Ranch versorgen.

Alles war besprochen und ausgemacht. Seine Männer trafen gerade die letzten Vorbereitungen, bestückten den Küchenwagen und vergewisserten sich, dass die für den Viehtrieb ausgewählten Tiere gesund und kräftig genug waren, um den Weg zu bewältigen.

In weniger als einer Stunde würden sie aufbrechen.

Inzwischen war der Reitertrupp nähergekommen.

Es waren Marshal Plessner und zwei seiner Deputies.

Der Sternträger hielt sein Pferd vor Ned Talbott an und schwang sich behäbig aus dem Sattel. Unter seiner schwarzen Weste wölbte sich ein beachtlicher Bauch, der ihn jedoch nicht daran hinderte, Gesetzesbrechern nachzujagen. Was ihm an Geschwindigkeit fehlte, machte er mit Beharrlichkeit wett.

»Mr. Talbott.« Er fasste den Rancher scharf in den Blick.

»Marshal.« Ned tippte sich grüßend an die Hutkrempe. »Was führt Sie zu uns heraus? Kommen Sie auf einen Kaffee vorbei?«

»Diesmal nicht. Mich führt die Pflicht her. Es tut mir leid, aber ich muss Sie festnehmen.«

»Was sagen Sie?« Der Rancher glaubte, sich verhört zu haben.

»Auf Ihrem Land steht Vieh mit dem Brandzeichen Ihres Nachbarn. Mr. Penrose beschuldigt Sie, ihm zwei Dutzend Rinder gestohlen zu haben.«

»Gestohlen? So ein Unsinn. Ich würde niemals Rinder nehmen, die mir nicht gehören.«

»Ich muss der Sache trotzdem nachgehen.«

»Aber an dieser Anschuldigung ist kein Wort wahr. Ich habe hier schon mehr Tiere, als ich ernähren kann. Warum sollte ich seine Rinder stehlen?«

»Sie sollen tausend Tiere nach Topeka liefern, habe ich gehört. Womöglich haben Sie sich damit zu viel vorgenommen?«

»Habe ich nicht. Sehen Sie sich um, Marshal. An Rindern mangelt es mir nicht.«

»Wir haben wir uns schon umgesehen. Die Rinder mit dem Brandzeichen der RP-Ranch stehen auf Ihrem Grund und Boden.«

»Dann sind Sie zu uns herübergelaufen.«

»Vom umzäunten Grund der RP-Ranch?« Der Marshal schüttelte den Kopf. »Das bezweifle ich. Bis diese Sache geklärt ist, muss ich Sie mitnehmen, Mr. Talbott. Es wäre besser für Sie, wenn Sie uns keine Schwierigkeiten machen würden.«

Ned konnte es nicht fassen.

»Dieser Mistkerl!«, schäumte er. »Das ist doch nur ein Vorwand. Robert Penrose neidet uns den gut bezahlten Auftrag der Army. Er will ihn selber haben. Weil er ihn verpasst hat, versucht er, mich auf andere Art und Weise los zu werden.«

»Dazu kann ich nichts sagen.« Der Marshal gab seinen Deputies ein Zeichen. Wortlos stiegen sie ab und nahmen den Rancher in ihre Mitte.

»Vater?« Kelly war schneeweiß geworden. »Was geht hier vor?«

»Eine riesengroße Schweinerei.«

»Kommen Sie mit, Mr. Talbott«, mahnte der Marshal. »Wenn Sie Widerstand leisten, wird es für uns alle unangenehm.«

»Ich habe in meinem ganzen Leben noch nichts gestohlen!«

»Das sieht momentan leider anders aus …«

In diesem Augenblick näherte sich ein weiterer Reiter der Ranch: ein untersetzter Mann mit Schnurrbart und stechenden grauen Augen. Sein Anzug war mit Staub bedeckt wie von einer dünnen Eisschicht. Auf seiner rechten Wange zeichnete sich eine gezackte Narbe ab. Robert Penrose!

»Und?«, fragte er, kaum dass sein Pferd stehengeblieben war. »War alles so, wie ich es Ihnen gesagt habe, Marshal?«

»Genauso. Wir haben Ihre Rinder auf dem Talbott-Land gefunden.«

»Sehen Sie? Ich wusste es!« Triumphierend starrte der Nachbar über den Hof. »Ich wurde bestohlen!«

Ned Talbott ballte die Hände zu Fäusten. »Das ist eine Lüge!«

»Das ist es nicht. Die Wahrheit steht auf Ihrer Weide. Meine Rinder! Meine!«

»Weil Sie sie dorthin geschafft haben.«

»Warum sollte ich das tun?«

»Um mich anzuschwärzen. Sie können es nicht verwinden, dass ich den Auftrag der Army bekommen habe und nicht Sie.«

»Bekommen?« Abschätzig zog der Nachbar die Mundwinkel herunter. »Ergaunert haben Sie ihn sich. Sie haben meinen Boten abgefangen und betrunken gemacht. Nur deswegen hat er sich verspätet.«

Ned schüttelte fassungslos den Kopf. »Das ist nicht wahr.«

»Und ob. So wahr wie meine Rinder auf Ihrem Land stehen.«

»Ich habe mich nicht daran vergriffen.«

»Kommen Sie, Mr. Talbott.« Plötzlich wurde Ned von den beiden Deputies gepackt.

»Vater!« Kellys Hand fuhr an ihren Mund.

Das ist das Ende, schoss es ihm durch den Kopf. Wenn sie mich festnehmen, werden wir das Vieh niemals rechtzeitig nach Topeka schaffen. Dann kann Mr. Penrose unseren Auftrag übernehmen und bald auch unser Land und das Vieh.

Ein bitterer Geschmack breitete sich auf seiner Zunge aus.

»Das war’s dann wohl mit dem Viehtrieb, oder?«, murmelte Robert Penrose und versuchte nicht einmal, sein zufriedenes Grinsen zu unterdrücken.

Ned Talbott erstickte beinahe an den Worten, die ihm gern entgegengeschleudert hätte.

Kelly jedoch drückte das Rückgrat durch und erklärte mit fester Stimme: »Mach dir keine Sorgen, Vater. Wir besorgen dir einen Anwalt. Er wird die Wahrheit ans Licht bringen.«

»Selbst wenn das gelingt, wird es zu spät sein, um die Rinder noch in den Norden zu treiben. Wir sind ruiniert!«

»Das werden wir nicht zulassen. Wenn du den Viehtrieb nicht leiten kannst, dann werde ich das übernehmen, Vater.«

»Du?«, fragte er mit rauer Stimme.

»Sie?« Einer der Deputies schnaubte. »Eine Lady auf einem Viehtrieb? Das bringt nichts als Unglück. Glauben Sie mir: Nicht einer Ihrer Cowboys wird Ihnen folgen.«

»Das werden wir sehen.« Kelly reckte kämpferisch das Kinn. »Wir sind Talbotts! So leicht geben wir nicht auf!«

Ein guter Vorsatz war oft leichter gefasst als umgesetzt.

Das sah Kelly wenige Stunden später ein.

Während ihr Vater im Jail festsaß, versuchte sie, genügend Cowboys zusammenzubringen, um ihre tausend Rinder nach Topeka zu bringen. Doch das schien unmöglich zu sein!

Der Marshal und seine Männer hatten ihre Herde durchkämmt und alle Tiere mit dem Brandzeichen der Nachbarranch fortgeholt. Zwei Dutzend Rinder waren es. Ein Hinterhalt ihres Nachbarn?

Anders konnte sich Kelly das nicht erklären.

Die Cowboys, die ihr Vater für den Viehtrieb eingestellt hatte, weigerten sich, mit ihr zu reiten. Sie trauten Kelly den Job nicht zu. Aus diesem Grund war sie in die Stadt geritten, um Helfer für den Viehtrieb zu finden.

Mit wenig Erfolg.