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Die dichten Rauschopfbüsche am Wegrand boten den Männern eine exzellente Deckung. Sie hatten sich mit ihren Gewehren in den Staub geworfen und spähten zur Kutsche der Shackleford Transportation Co. hinüber. Die schwere Concord rollte holpernd durch das trockene Flussbett des Pinto Creek. Im Morgengrauen hatte sie ihre Fahrt einige Meilen nördlich des Gebirges begonnen.
Fünf Stunden lauerten die Bewaffneten bereits.
Am Abend zuvor war aus Marfa jene Order gekommen, die den Männern vierhundert Dollar Lohn und fünf nagelneue Sharps-Gewehre beschert hatte. Sie hatten die Pokerkarten weggelegt und die Maultiere bepackt. Der Ritt hinauf in die Chinati-Berge hatte sie den halben Vormittag gekostet.
Nun kam alles auf das Schicksal an ...
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Seitenzahl: 126
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Die Ehre des Sheriffs
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Sanjulian/Bassols
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-9301-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Die Ehre des Sheriffs
Die dichten Rauschopfbüsche am Wegrand boten den Männern exzellente Deckung. Sie hatten sich mit ihren Gewehren in den Staub geworfen und spähten zur Kutsche der Shackleford Transportation Co. hinüber. Die schwere Concord rollte holpernd durch das trockene Flussbett des Pinto Creek. Im Morgengrauen hatte sie ihre Fahrt einige Meilen nördlich des Gebirges begonnen.
Fünf Stunden lauerten die Bewaffneten bereits.
Am Abend zuvor war aus Marfa jene Order gekommen, die den Männern vierhundert Dollar Lohn und fünf nagelneue Sharps-Gewehre beschert hatte. Sie hatten die Pokerkarten weggelegt und die Maultiere bepackt. Der Ritt hinauf in die Chinati-Berge hatte sie den halben Vormittag gekostet.
Nun kam alles auf das Schicksal an …
Über den schroffen Höhenzügen der Chinati-Berge lag an diesem Morgen ein bernsteinfarbenes Sonnenglühen, das die Mottenschwärme über den trockenen Sträuchern zum Leuchten brachte. Die Sonnenstrahlen fingen sich in der staubgeschwängerten Luft und entlockten Kutscher Jeff Veal ein neuerliches Seufzen.
»Um diese Jahreszeit«, sagte Veal und machte eine bedeutungsvolle Pause, »gleichen die Berge dem biblischen Paradies, Miss.«
Er hatte die junge Frau, die neben ihm auf dem Kutschbock saß, seit fast fünf Meilen nicht angeschaut, obgleich sie seinen Handgriffen unentwegt mit dem Blick folgte. Sie war zu ihm auf dem Kutschbock gestiegen, nachdem es in der Kabine zu stickig geworden war.
»Sind Sie ein Poet?«, lachte Lucy Burkett und verschränkte die Hände über den Knien. Sie schaute auf die staubige Straße, die sich vor ihnen den Berg hinaufschlängelte. »Oder sind Ihnen die Chinati-Berge mittlerweile ans Herz gewachsen?«
Der Kutscher senkte melancholisch den Kopf und griff die Zügel nach. »Sie fahren die Strecke höchstens ein oder zweimal im Jahr, Miss Burkett. Aber unsereins … Wir wachsen mit den Bergen zusammen.« Er seufzte abermals auf. »Es ist schwierig zu verstehen.«
»Ganz und gar nicht«, entgegnete Miss Burkett nachdenklich und heftete den Blick auf die wippenden Pferdehäupter. Sie hatte die Fahrt im Voraus bezahlt und war der einzige Passagier für Veal. »Ich würde meine halben Ersparnisse geben, um Marfa und Texas endlich einmal zu verlassen.«
»Sie fahren hinüber nach Mexiko«, wandte Veal ein und steuerte die Kutsche durch eine Talsenke voll blühendem Bärengras. »Sie kommen bereits aus Texas heraus.«
Die hübsche Halbwüchsige blies die Wangen auf und schürzte die Lippen. Sie kannte Veal inzwischen seit fünf Jahren und fuhr regelmäßig mit ihm nach Nogal oder Presidio del Norte hinüber. Die meiste Zeit fanden sie etwas, worüber sie schwatzen konnten.
»Mexiko und Texas sind ein und dasselbe«, klagte Lucy und zog ein gelangweiltes Gesicht. »Ich möchte an die Küsten oder in die großen Städte. Ich möchte die Lichter der Schiffe blinken sehen und das Getöse zwischen den Häusern hören.« Sie schlug betrübt den Blick nieder. »Ich kenne jeden Winkel von Marfa.«
Der Kutscher verstand seine junge Passagierin nur allzu gut. Er hatte sich einmal bei der Butterfield Overland beworben, bloß um Texas den Rücken kehren zu können. Sie hatten ihm keine Stellung geboten. »Du bist die Tochter des Sheriffs, Lucy. Du könntest überallhin gehen. Mr. Burkett würde es dir erlauben.«
»Gewiss der Vater«, stimmte Lucy ihm bei. »Aber keinesfalls die Mutter. Sie will mich in ihre Kittel stecken und Maismehl sieben lassen.« Sie legte die Stirn in Falten. »Nichts davon …«
Die Tochter von County Sheriff Burkett stockte mitten im Satz und riss die Augen auf. Sie deutete auf die Erhebungen im Norden und hielt sich instinktiv am rostigen Handlauf des Kutschbocks fest. Ehe Lucy indes einen Ton hervorbrachte, krachten die ersten Schüsse.
»Verdammt!«, zischte Veal und fasste nach der Peitsche. Er hieb den beiden Wallachen auf die Kruppe und trieb sie vorwärts. »Lauf endlich, ihr Biester! Lauft schon!«
Die massige Concord querte das trockene Bett des Pinto Creek und geriet ins Wanken. Sie versank eine halbe Speichenlänge tief im lockeren Geröll und bekam schwere Schlagseite. Als Veal wieder mit der Peitsche ausholte, traf ihn eine Gewehrkugel in die Seite.
Der Schmerz war dumpf und lähmend.
Er ging von der gleichen Stelle aus, an dem Veal sonst stets ein Geschwür drückte; das lästige Überbleibsel einer Amazonasfahrt, auf der es faulige Schlammverbände gegen die Moskitos gegeben hatte. Das Geschwür war ein Abszess, wie es der Doc in Marfa genannt hatte, und jetzt war es von einem Schuss zerrissen worden.
»Sie bluten!«, kreischte Lucy neben Veal und riss ein Stück Stoff von ihrem Kleid. Sie stopfte es Veal unter die Weste, wo sich der Stofffetzen rasch mit Blut tränkte. »Allmächtiger, Sie bluten, Mr. Veal! Sie sind getroffen worden!«
Erneut peitschten Schüsse über die hüfthohen Sträucher hinweg, die jenseits des Weges wuchsen. Die Feuerstöße folgten dicht hintereinander.
»Runter mit dir!«, schrie Veal und drängte Lucy vom Kutschbock. »Versteck dich hinter dem Wagen! Schnell! Bring dich aus der Schusslinie!«
Noch gaben sich die Angreifer nicht zu erkennen, doch die kühle Präzision der Schüsse brachte Veal zu dem Schluss, dass sie es weder mit bleiwütigen Mexikanern noch bewaffneten Rothäuten zu tun hatten.
»Was ist mit Ihnen?«, schrie Lucy und stahl sich unter dem Kutschwagen hindurch. Sie taumelte gegen das hintere Wagenrad, das im Geröll feststeckte. »Sie müssen Ihre Wunde –«
Im selben Augenblick traf Veal eine Kugel an der Schläfe.
Die schiere Wucht des Streifschusses nahm ihm für einige Zeit das Gehör, bevor selbiges auf einen Schlag zurückkehrte. Veal schien plötzlich doppelt, ja dreifach so gut zu hören wie sonst. Er vernahm das Scharren der Hufe im Sand und begriff, dass er dem Tod bereits ins Angesicht starrte.
Warmes Blut lief über seine rechte Wange.
Er wandte sich nach Lucy um, die mit weit aufgerissenen Augen hinter dem Kutschenrad kauerte und ohne einen Laut die Lippen bewegte. Sie hielt sich an den Speichen des Rades fest und wollte auf Veal zustürzen.
Bleib!, bedeutete Veal der jungen Frau mit der ausgestreckten Hand. Er vermochte nicht mehr zu sprechen. Bleib, wo du bist!
Gleich darauf durchlöcherten Gewehrkugeln Veals Brust.
Sie zuckten durch sein Fleisch wie die Forellen oben im County Creek, die er zu Kindertagen mit seinem Vater gejagt hatte. Sie zerschmetterten ihm das Herz und rissen ihn vom Kutschbock.
Veal stürzte in den Tod.
☆
Rostfarben hatte sich die Morgenröte über den Chinati Peak gebreitet, dessen Gipfelkuppe knapp achttausend Fuß in den Himmel ragte. Der karmesinrote Lichtschein mit seinen scharfen Schatten betonte die Flanken und Grate, von denen das Bergmassiv durchzogen war.
»Steig ab!«, sagte Katey Luddens und warf ihr Haar zurück. Sie trug das gleiche zerlumpte Tüllkleid, das Lassiter schon vor Jahren an ihr gesehen hatte. »Noch höher müssen wir nicht reiten.«
Die Vagabundin mit dem kupferfarbenen Zopf sprang aus dem Sattel und nahm ihr Pferd bei den Zügeln. Sie rückte den Revolvergurt zurecht, der ein wenig zu weit geschnürt um ihre Hüften lag. Für eine Weile betrachtete sie andächtig das morgendliche Rot der Berge.
»Keine Meile weiter?«, fragte der Mann der Brigade Sieben und stützte sich aufs Sattelhorn. Er blieb auf dem Pferd sitzen, als wollte er sogleich wieder den Rückweg antreten. »Du erinnerst dich verdammt gut an den Kerl und dessen Hütte.«
»Traust du mir nicht?«, versetzte Katey und zog vorwurfsvoll die Stirn kraus. »Ich hab’s nicht nötig, einen Bastard wie dich durch die Berge zu schleppen. Ich verdiene gutes Geld unten bei den Minen.«
Das letzte Mal waren Lassiter und Katey einander vor fünf Jahren begegnet, irgendwo in der Nähe von Marfa, mitten am Tage, als Lassiter gerade einem falschen Totengräber auf der Spur gewesen war. Er und die hübsche Streunerin hatten ein paar Nächte miteinander verbracht und sich dabei so leidenschaftlich verabscheut, dass beide auf ihre Kosten gekommen waren.
»Hör zu«, sagte Lassiter und stieg ab. »Ich muss Stephen O. Greer finden. Er treibt sich in den Chinati-Bergen herum. Ich will nichts weiter von dir als ihn.«
Katey raffte das Kleid und rauschte zu Lassiter hinüber. Sie setzte ihm den Finger auf die Rippen. »Wie redest du eigentlich mit mir? Meinst du in der Tat, ich hätte unsere Nächte vergessen? Ich hätte vergessen, dass du mir das Blaue vom Himmel versprochen hast?«
Nicht das Mindeste hatte Lassiter damals versprochen.
Er hatte sich mit Katey vergnügt, wie er sich zuvor mit einem Mädchen aus dem Barlow Saloon in Haskell die Zeit vertrieben hatte. Er hatte keine Versprechungen gemacht, obwohl Katey ebendies steif und fest behauptete.
»Ringe und Juwelen wolltest du mir kaufen!«, schäumte die Vagabundin vor Zorn. »Von Dollars hast du geschwärmt! Von fetten Bündeln an Dollars!«
Der Mann der Brigade Sieben ahnte aus Instinkt, dass Katey ihn mit all den leeren Beteuerungen verband, die ihr im Presidio County sonst entgegenschlugen. Er musste für die Dutzende Kerle einstehen, die sich eine Nacht erkauften, indem sie törichtes Zeug plapperten.
»Du kriegst zweihundert Dollar!«, zischte Lassiter zurück. »Reicht’s dir nicht? Wie viel muss ich drauflegen, damit du mich zu Greer bringst?«
Auf dem schmal geschnittenen Gesicht der schönen Rothaarigen zeigte sich kaum eine Regung. Im gleißend hellen Sonnenlicht konnte Lassiter Staubfäden erkennen, die sich in Kateys Wimpern verfangen hatten.
Dann küssten sie einander stürmisch.
Wie von selbst fanden Lassiters Hände unter die Schnürung von Kateys Kleid, das unter den Schulterblättern mit zwei festen Knoten verschlossen war. Seine Finger lösten den Kordelstrick und glitten über die gebräunte Haut darunter.
»Schnell!«, keuchte Katey und schlüpfte aus ihrem Kleid. Sie trug ein Mieder aus alabasterweißer Seide darunter, dessen Seiten mit verführerischen Rüschen besetzt waren. »Du stehst in der Schuld bei mir!«
Einen Augenblick später fanden sie sich im Schatten eines breiten Zedernastes wieder.
Zärtlich spreizte Lassiter die Schenkel seiner Geliebten, die sich seinen drängenden Berührungen bereitwillig ergab und dem Mann der Brigade Sieben langsam das Hemd von den Schultern streifte. Sie fasste Lassiters sandblonden Haarschopf und zog ihn auf ihren Busen hinunter.
Hart stieß Lassiter danach zu.
Er hatte einige Wochen auf Frauenschöße verzichten müssen, bevor ihn ein Telegramm aus Washington in diesen entlegenen Winkel von Texas geschickt hatte. Für den Ritt hinauf in die Chinati-Berge hatte Lassiter gezahlt, doch er hatte gewusst, dass sich Katey ein Rendezvous nicht entgehen lassen würde.
Nun brachte ihr lustvolles Stöhnen selbst die Pferde in Verlegenheit.
»O Lassiter!«, seufzte Katey und schlang ihm die Beine um die Lenden. Sie umklammerte ihn so fest, dass an ihrem Hals eine pulsierende Ader hervortrat. »So ist’s gut … Du verstehst dich … auf Frauen.«
Unter ihrem herabgerutschten Mieder schaukelten die Brüste; sie waren hell und eben wie Porzellan und brachten Lassiter beinahe um den Verstand. Er heftete den Blick darauf und kämpfte gegen das Bedürfnis an, sich bereits jetzt seinem Höhepunkt zu ergeben.
»Noch nicht!«, stieß Katey hervor, die das Unvermeidliche ahnte. Sie krallte ihm eine Hand in den Rücken und schrie vor Ekstase auf. »Mir kommt’s zuerst, mein Lieber! Diesmal kommt’s mir zuerst!«
Keine Sekunde später bewahrheiteten sich ihre Worte.
Sie wurde von einem Lustkrampf erschüttert, der nacheinander die weit geöffneten Beine, den Oberleib und ihre Schultern erfasste. Der Krampf ging wie ein Sturm durch entlaubtes Geäst und kam erst zur Ruhe, als Katey aus voller Kehle schrie und vor Vergnügen lachte. Die Vagabundin strahlte ihren Liebhaber an und küsste ihn.
Zur gleichen Zeit kam es auch Lassiter.
Er fühlte den feurigen Strom, der durch seinen steifen Pint peitschte, und für jene paradiesische Erleichterung sorgte, die diesen Akt zwischen Mann und Frau nun einmal auszeichnete.
»Verdammt!«, knurrte Lassiter und erwiderte Kateys Kuss. »Ich wusste nicht mehr, dass wir es so gut miteinander treiben können.«
»Du wusstest es nicht mehr?«, gab sich Katey spielerisch beleidigt. »Die vielen Frauen außer mir haben dir wohl die Sinne vernebelt. Außer dem Vögeln hatten wir nicht viel gemeinsam, weißt du noch?«
Knurrend kleidete sich Lassiter an und legte den Gurt mit dem Remington darin um. Er sah zu den Bergen hinüber, deren blasse Linien sich inzwischen geschärft hatten. »Wo finde ich Greer? Er ist ein alter Bekannter von mir.«
Vorerst war es dem Mann der Brigade Sieben gleichgültig, ob Katey ihm glaubte oder nicht. Er musste Stephen O. Greer finden, obgleich der vielmehr ein alter Bekannter – ein Old Fellow – der Brigade Sieben statt ein Freund Lassiters war. Das Hauptquartier hatte Greer vierzehn Jahre lang Missionen erteilt.
»Steig auf und reite mir nach!«, sagte Katey und ließ sich von Lassiter das Kleid zuknöpfen. »Der alte Kauz ist der seltsamste Bursche, der sich in den Chinati Mountains versteckt.«
☆
Wie an jedem Abend lauschte John Burkett dem knirschenden Türknauf, ehe er über die Schwelle trat und im Flur seines Hauses die Stiefel auszog. Er mochte das Geräusch des alten Knaufs, der locker in seinem rostigen Lager saß und sich nur mit ein wenig Anstrengung öffnen ließ. Er mochte das Geräusch vor allem, weil es seine Frau Emeline zuverlässig in Rage brachte.
Siebenundzwanzig Wochen waren vergangen.
Jeden Montag schnitzte Burkett eine frische Kerbe in den Balken über dem Ofenrohr, und jeden Montag musste er sich Emelines Strafpredigt dazu anhören. Sie verlachte ihn an manchen Tagen, an anderen weinte sie mit ihm und beteuerte unentwegt, dass Lucy tot war und sie alle Hoffnung fahren lassen müssten. An wieder anderen Tagen schwieg Emeline nur.
»Bist du zurück?«, tönte Emelines Stimme leise aus der Küche. Sie saß gewiss über ihren Näharbeiten und wollte nicht vom Tisch aufstehen. »Wie geht es den Mitchells? Bist du drüben gewesen?«
Einige Augenblicke lang erwog Burkett, seine Frau zu belügen, dann entschloss er sich zur Wahrheit. Emeline bekam ohnehin alles heraus, was ihn anging, und sowie sie ihn beim Flunkern ertappte, wurde alles nur noch schlimmer.
»John?« Das Rücken eines Stuhls war zu vernehmen. »John, warst du bei den Mitchells?«
Aus der Küchentür trat Burketts Frau und verschränkte die Arme vor dem Körper. Sie war von zierlicher Gestalt, hatte pechschwarzes Haar und hielt ein Nähkissen in der Hand. Sie runzelte die Stirn und lehnte sich gegen den Türstock.
Burkett schüttelte den Kopf.
»Du hattest es versprochen«, beharrte Emeline und blieb wie angewurzelt stehen. »Du wolltest mir Ephraim über den alten Wassergraben sprechen. Du weißt so gut wie ich, dass wir ihn im nächsten Sommer brauchen.« Sie drehte das Nähkissen in den Fingern. »Du bist kein Sheriff mehr.«
Nach wie vor brachte Burkett kein Wort über die Lippen.
Er ließ sich auf den Schemel neben dem Stiefelknecht fallen und starrte die Flurwand an. Er spürte den finsteren Zorn in sich, den jedes vorwurfsvolle Wort seiner Frau in ihm auslöste, spürte ihn wie eine giftspeiende Kobra, die tief in seinen Eingeweiden hockten.
»Ich geh’ morgen zu ihm«, sagte Burkett endlich und schälte sich aus seinem staubigen Mantel. Er hängte ihn über den Haken neben der Tür und atmete tief durch. »Du weißt doch, wie schwer es mir fällt.«
Entnervt kehrte Emeline in die Küche zurück und hantierte mit ihren Nähutensilien. Sie trat mit einem geflickten Tischtuch über dem Arm wieder in den Flur hinaus. »Dir fällt alles schwer, John. Dir macht es schon Mühe, am Morgen aus dem Bett zu steigen.«