Lassiter 2488 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2488 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Sie brachten die Toten gegen neun Uhr abends in die Stadt.
Die Spitze des Zuges bildete das Gespann von White-River-Agent William Garvin, der Mrs. Samantha Cooper gekannt hatte. Er fuhr die Mainstreet so langsam hinauf, dass jedermann die tote Frau und das einjährige Kind auf ihrer Brust sehen konnte.
Hinter Garvin rollten vier weitere Fuhrwerke mit Toten.
Die verunglückte Kutsche war am Steep Hill gefunden worden, jenem Steilhang, an dem vor einem Jahr bereits die Memphis-Postkutsche zerschellt war. Lediglich vier Männer waren seinerzeit an Bord gewesen. Am heutigen Tag waren acht Seelen gen Himmel gefahren ...

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Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Verbrannte Erde

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Boada/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9305-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Verbrannte Erde

Sie brachten die Toten gegen neun Uhr abends in die Stadt.

Die Spitze des Zuges bildete das Gespann von White-River-Agent William Garvin, der Mrs. Samantha Cooper gekannt hatte. Er fuhr die Mainstreet so langsam hinauf, dass jedermann die tote Frau und das einjährige Kind auf ihrer Brust sehen konnte.

Hinter Garvin rollten vier weitere Fuhrwerke mit Toten. Die verunglückte Kutsche war am Steep Hill gefunden worden, jenem Steilhang, an dem vor einem Jahr bereits die Memphis-Postkutsche zerschellt war. Lediglich vier Männer waren seinerzeit an Bord gewesen. Am heutigen Tag waren acht Seelen gen Himmel gefahren …

Fairfield County, Ohio, fünf Stunden zuvor

Schon in Columbus war Samantha Cooper in allerbester Laune gewesen, als Tante Rosemary sich den Spaß erlaubt hatte, ihren Mann auf das schmachvolle Ende seines letzten Croquet-Spieles anzusprechen. Sie hatten aus voller Kehle darüber gelacht, dass der Croquet-Schläger zerbrochen und deswegen Onkel Robert gestolpert und die Böschung hinuntergerollt war. Das Gelächter hatte Samanthas Einjährigen zum Schreien gebracht.

»Ist ein hübscher Junge!«, sagte der Kutscher jetzt und deutete mit der Hand auf das Kind. »Hab’ mir schon gedacht, dass Sie nicht lange warten, Mrs. Cooper! Wurde auch Zeit für Nachwuchs, wie?«

Aus der Kutschkabine drang die kräftige Stimme von Samanthas Mann Henry herauf, der mit ihrer Mutter Florence schäkerte. Er hatte die Familie mit seinem unwiderstehlichen Charme fest im Griff und machte einen Scherz nach dem anderen.

Der Kleine in Samanthas Armen schlief dagegen tief und fest.

»Sie hätten Joseph in Columbus sehen müssen«, erwiderte Samantha mit leiser Stimme. Sie strich die Rüschen glatt, die das Gesicht ihres Kindes rahmten. »Er ist ein fabelhaftes Kind. Keinen einzigen Ton hat er verlauten lassen.«

Außer Tante Rosemary, Onkel Robert, Henry und ihrer Mutter saßen Samanthas Vater George und ihre Cousine Bessie in der Kutsche. Sie hatten sich allesamt dafür ausgesprochen, dass man einen Tag früher zu den Burnells fuhr, deren Diamanthochzeit am Vormittag beginnen und bis in den späten Abend dauern sollte.

Nur Samanthas Bruder John Tonnar war in Columbus geblieben.

Er hatte einige geschäftliche Angelegenheiten als Grund genannt, doch Samantha wusste, dass er irgendwo spielen ging oder krumme Dinger drehte. Er würde sich am Morgen eine Expresskutsche nehmen und abgehetzt in Circleville eintreffen, wie er es bei jedem größeren Anlass zu tun pflegte.

»Unser James schreit den lieben langen Tag lang«, klagte der Kutscher und schwang die Peitsche. Er sprach so laut, dass Samantha um Josephs Schlaf fürchtete. »Man möchte das Balg unter einen Haufen Kissen stecken. Es ist eine Tortur mit dem Jungen.«

Erneut erklang Henrys Stimme, gefolgt vom heiteren Lachen der Damen, die damit einmal mehr bewiesen, dass sie mit der deutschen Herkunft der Tonnars nichts am Hut hatten. Rosemary war Irin und hatte ihren Humor an Bessie weitervererbt. Sie lachte laut und schallend wie eine Matrone vom Land.

»Wäre ich bloß nach Kalifornien gegangen!«, jammerte der Kutscher weiter und steuerte auf den Steep Hill zu. Die Hügelkuppe glänzte blass im Mondschein. »Drüben an der Küste könnte ich Bienen halten und einen verdammten Laden aufmachen. Ich würde zwanzig Dollar die Woche verdienen.« Er ließ die Peitsche in der Luft knallen. »Aber jetzt ist’s zu spät, Mrs. Cooper! Irgendwann ist’s immer zu spät!«

Das Quartett aus Mustangs vor dem Gespann zog an und schleppte sich die steile Hügelflanke hinauf. Zwei der Pferde waren Fuchsfalben, die anderen beiden hatten pechschwarzes Fell und zottige Mähnen. Sie waren die kräftigsten Tiere, die im Mietstall von Jack Conroe zu finden waren.

»Joseph«, flüsterte Samantha und küsste die Stirn des Knaben. Sie blickte auf die im Schlaf zuckenden Lider ihres Sohnes. »Wach nicht auf, mein Lieber. Wach bloß nicht auf.«

Die träge dahinzuckelnde Kutsche erklomm den Hügel, als der Kutscher plötzlich die Zügel annahm und die Stirn in Falten legte. Er lauschte auf die knirschende Vorderachse und stand langsam auf. »Verdammter Conroe-Schrott! Möchte nicht schon wieder ’nen Achsbruch erleben!«

Das Gelächter in der Kutschkabine war verstummt, als hätte ein Windstoß sämtliche Geräusche fortgetragen. Die unvermittelte Stille flößte Samantha Angst ein. »Was ist los? Was ist mit der Achse?«

»Nichts von Beachtung, Ma’am!«, besänftigte sie der Kutscher und beugte sich zur Seite herunter. Ein metallisches Ächzen strafte seine Worte Lügen. »Muss ein Klemmer in der Achsaufhängung sein! Ist ein Kreuz mit den vierfedrigen Kutschen! Es ist ein Kreuz da-«

Weiter kam der Mann auf dem Kutschbock nicht.

Die Achse riss mit einem heftigen Stoß die Aufhängung auseinander, worauf sich der ganze Aufbau des Gespanns zur linken Seite hin neigte. Aus den Kutscherlampen auf dem Dach floss zischend Petroleum und fing Feuer. Die Pferde wieherten und rissen die Häupter herum.

Zur selben Zeit schrie Joseph in Samanthas Armen.

Das Kind mochte die Tragödie ahnen, die sich unter dem Vierspänner in Gang setzte und von der Samantha nicht das Mindeste wissen konnte. Die Mutter aus dem Fairfield County drückte ihr Kind fest an sich, barg dessen Kopf an ihrer Brust und wurde als Erste von einem berstenden Ledergurt getroffen.

Die schiere Wucht des Hiebs riss Samantha von der Kutsche.

Sie stürzte über den rechten Handlauf vom Bock, hielt dabei Joseph umklammert und prallte mit einer Wange auf das stahlbeschlagene Vorderrad. Eines der Pferde trat mit dem Huf nach ihr und brach aus dem Verband aus.

Die übrigen Zugtiere gingen mit der Kutsche durch.

Verzweifelt schrie der Kutscher etwas, einen wirren Fluch oder ein Stoßgebet; es war nicht weiter zu verstehen, denn die Wagenräder scharrten seitwärts durch den Dreck.

Dann überschlug sich die Kutsche.

Sie krachte mit dem splitternden Dach vor Samantha nieder, brach wie eine splitternde Walnuss entzwei und erschlug die junge Mutter mitsamt ihrem Kind.

Es war ein Tod unter Schreien.

Fast ein Dutzend Heimstättensiedler, bei dem Lassiter unterkommen konnte, hatte das Hauptquartier in seinen beiden Telegrammen benannt. Die Namen der Siedlerfamilien reichten von Franzosen über Engländer bis zu Deutschen und Dänen, von denen jeder für sich sein Glück im Jackson Hole zu machen gedachte.

Vor den mächtigen Teton Mountains wirkte jedes der Häuser winzig.

Der Mann der Brigade Sieben hatte soeben den Föhrenwald hinter sich gelassen, der die Südwestflanke des Gravel Mountain bedeckte, und ritt einen ausgespülten Karrenweg hinunter. Er starrte blinzelnd zu den sonnenüberstrahlten Gipfeln hinüber, von denen er instinktiv spürte, dass sie ihm für einige Wochen zur Heimat werden würden.

Nach einer Stunde beschwerlichem Ritt langte Lassiter beim Elk Post Office an.

Das bescheidene Postbüro befand sich auf der Ranch von Pierce Cunningham, in einem massigen Blockbohlenhaus, vor dem ein breiter Regenschau die mit Brettern ausgelegte Veranda schützte. Unter dem Vordach standen Cunningham und der Postinspektor Daniel Howes, der im Geheimen ein Mittelsmann für die Brigade Sieben war.

»Sie kommen spät über die Berge!«, rief Cunningham mit dröhnender Stimme und hielt sich beim Lachen die Seite. Er war korpulent und trug ein schmutziges Baumwollhemd mit zerschlissenen Hosenträgern darüber. »Ich hatte Sie schon im Morgengrauen erwartet.«

Am Morgen hatte Lassiter noch in den Armen von Carry Babbitt gelegen, die im Handelsposten am Buffalo Fork auf ihn gewartet hatte. Sie kannten sich aus Red Lodge und hatten eine jener atemberaubenden Nächte zusammen verbracht, für die Candy-Carry in ganz Wyoming bekannt war.

»Schnee«, behauptete Lassiter und glitt aus dem Sattel. »Oben am Gipfel. Der Höhenweg ist zugeweht.«

»Verdammtes Puderzeug!«, knurrte Cunningham und lächelte grimmig. Er trat unter dem Dach hervor und schüttelte Lassiter die Hand. »Sie hatten Glück mit dem Pferd. Zwei Kerle aus Belham sind letzten Sommer die Biester erfroren.« Er blickte in den Himmel. »Unten im Tal scheint uns die Sonne auf den Bauch, oben herrscht grimmiger Frost.«

Der Rancher marschierte zu seinem Wohnhaus zurück und überließ es Howes allein, sich mit dem Ankömmling bekannt zu machen. Nach einem anfänglichen Zögern bat der Postinspektor Lassiter in die Hütte. »Gleich zwei Telegramme? Offenbar hält das Hauptquartier seine Versprechen.«

»Wie meinen Sie das?« Lassiter sah sich in dem sparsam dekorierten Büro um. »Man hat Ihnen zwei Telegramme an mich versprochen?«

An den beiden hinteren Wänden des Postbüros hingen Fahrtentafeln verschiedener Eisenbahngesellschaften und ein Aquarell der Teton-Berge, die in einen Schneesturm gehüllt waren. Der Schreibtisch des Postinspektors war aufgeräumt und wurde von einer schmalen Petroleumlaterne erhellt.

»Das Hauptquartier versprach mir den besten Mann«, meinte Howes und bot Lassiter stumm einen Stuhl an. Er setzte sich erst, als sein Gast Platz genommen hatte. »Zwanzig Seiten an Dokumenten sind mit dem Kurier gekommen. Sie müssen einen Mann für uns finden, von dem es heißt, dass er gern verbrannte Erde hinterlässt.«

Die Flamme im gläsernen Kelch der Petroleumlampe flackerte, und Howes drehte den Docht niedriger. Er sah zu Lassiter hinüber, der eine Weile nachdachte und sich dann nach vorn beugte.

»Verbrannte Erde?«, fragte Lassiter. »Was wirft man ihm vor, dass er sich dazu genötigt sieht? Wie ist sein Name?«

»John Tonnar«, gab Howes knapp zur Antwort. Er griff unter den Tisch und brachte ein ledernes Brevier zum Vorschein, in dem ein Stapel Papiere steckte. »Ein Deutscher aus Lancaster in Ohio. Vor einem halben Jahr hat er bei einem Kutschunglück seine ganze Familie verloren.«

Schweigend griff Lassiter nach dem Lederbrevier und sah die Dokumente darin durch. Die meisten Schriftstücke waren Protokolle von Informanten, die der Brigade Sieben Auskunft über John Tonnar und dessen Familie gegeben hatten. »Seine Frau und seine Kinder, meinen Sie? Steht er jetzt allein da?«

»Tonnar hatte keine Frau«, erwiderte Howes und nahm einen tiefen Atemzug. »Er ist ein Spieler und Trinker und genoss kein hohes Ansehen in Ohio. Er verlor bei dem Unglück seine Schwester Samantha, seinen Vater George, seinen Onkel Robert, seine Tante Rosemary und seine Cousine Bessie.« Er atmete erneut tief durch. »Außerdem starben Samanthas einjähriger Sohn und ihr Mann Henry.«

»Was für ein Drama«, bemerkte Lassiter und ging die Protokolle durch. Sie waren mit der üblichen Sorgfalt zusammengestellt worden. »Hält sich Tonnar derzeit in Wyoming auf?«

Der Mittelsmann bejahte mit einem Kopfnicken. »Allerdings. Schon seit einigen Wochen. Das Hauptquartier ist besorgt, dass er es auf Frank Pendleton abgesehen haben könnte.«

»Frank Pendleton?«, fragte Lassiter und schob das Brevier auf den Tisch zurück. »Den Bruder von Senator George H. Pendleton?«

»Sie kennen den Pendleton-Fall?«, zeigte sich Howes erstaunt. »Senator Pendleton steht unter Korruptionsverdacht. Er wird sich in Kürze unangenehme Fragen gefallen lassen müssen.«

»Von Pendleton liest man in allen Zeitungen«, sagte Lassiter zur Begründung. Er hatte zuletzt in Red Lodge von dem Senats-Skandal gelesen. »Aber wie steht Tonnar mit ihm in Verbindung?«

Howes Miene erstarrte zu Eis. »Tonnar hat gegenüber einigen Leuten geäußert, dass er Pendletons Einlassungen zu den Stahlpreisen die Schuld am Tod seiner Familie gibt. Er glaubt, dass die verunglückte Kutsche minderwertige Achsen hatte.« Der Postinspektor hob die Brauen. »Er mag verrückt sein, aber er ist ebenso gefährlich.«

Die nächste Stunde verbrachten die Männer damit, sich über die Lage der Pendleton-Ranch zu verständigen, die weit oben in den Teton-Bergen lag. Der Auftrag aus Washington sah vor, dass Lassiter Tonnar ohne größeres Aufsehen gefangen nahm, ehe es dem Deutschen gelang, dem Bruder des Senators zu schaden.

»Er kam mit einer Frau nach Wyoming«, schloss Howes seine Ausführungen. Er zog eine Zeichnung aus dem Brevier, auf dem eine junge Frau mit Kreolen im Ohr zu sehen war. »Sie ist derzeit Dienstmagd auf der Wolff-Ranch. Vermutlich kann sie Ihnen eine Menge über Tonnar sagen.«

Das elegante Coupé, in dem Charles R. Crowell eintraf, glich den vornehmen Pariser Modellen, die George Pendleton bereits im Katalog der Crowell Stagecoach Manufacturing Co. bewundert hatte. Der Zweispänner verfügte über einen geschwungenen Unterbau, über dem eine bordeauxrote Kabine thronte.

Crowell stieg in bester Laune aus dem Gespann. »George! Was für eine Freude! Es ist fast dreizehn Monate her!« Er lächelte. »Du siehst munterer aus, als ich’s gewohnt war.«

Obgleich Crowell beträchtlich kleiner als Pendleton war, schlossen sich die Männer brüderlich in die Arme. Sie pflegten ihre Freundschaft seit dem gemeinsamen Dienst im vierten Kavallerieregiment und sahen sich fast jedes Jahr.

»Munter ist nur der Teufel!«, konterte Pendleton vergnügt und führte Crowell ins obere Stockwerk des Hauses. Er wies das Dienstmädchen an, ihnen zwei Tassen englischen Tees zu bringen, und musterte seinen Freund vom Scheitel bis zur Sohle. »Du scheinst mir mit jedem Tag wohlhabender, Charles. – Großer Gott, ist das Blue-Union-Kaschmir?«

Stolz zog Crowell den Arm seines Fracks straff. »Gerade aus Boston eingetroffen. Die Herren von der Atlantic Wool Company haben ihn mir überlassen.«

»Atlantic Wool«, brummte Pendleton anerkennend. »Wie ich sehe, schlägt man dir selbst in höchsten Kreisen nichts mehr aus. Du hast unserem Arrangement eine Menge zu verdanken.«

Das Dienstmädchen servierte den Tee und stellte einen Teller mit belgischem Gebäck hinzu. Als die junge Farbige gegangen war, griff Crowell ungeniert zu und stopfte sich zwei Mandelbaisers in den Mund. »Mir sind die Vorzüge unseres Arrangements bewusst, hochverehrter George. Kürzlich lieferten wir zwanzig Belvalette-Landauer nach Connecticut.«

Die Gewinne der Crowell Stagecoach Manufacturing Co. waren exorbitant gewachsen, nachdem Pendleton sich im Senat für einen Deal mit brasilianischen Stahlschmelzern eingesetzt hatte. Der Rohstahl kam mit Dampfern über den Golf und ging zu Spottpreisen an Crowells Einkäufer.

»Ich sandte dir bereits eine Gratulation«, erwiderte Pendleton und griff nach der dampfenden Teetasse. Er trank einen Schluck und beobachtete seinen Gast dabei, wie er weitere fünf Mandelplätzchen verschlang. »Mich besorgen jedoch die Ereignisse, von denen man aus Ohio hört. Die Zeitungen schreiben, dass eine deiner Kutschen buchstäblich entzweigebrochen sei.«

Über denselben Vorfall hatte es bereits einen Telegrammwechsel gegeben, in dem sich Crowell jedoch um nähere Einzelheiten gedrückt hatte. Der Kutschenbauer hatte nur grob wiedergegeben, was Pendleton bereits zuvor im Mirror und im Herald gelesen hatte.

»Hör mir mit den Ammenmärchen auf!«, winkte Crowell auch jetzt ab. Er zeigte keine Spur von Nervosität. »Die Leute von der Abbot-Downing stecken dahinter, glaub’s mir nur! Keiner hat gern Konkurrenz im Stall. Sie wollen mir eins auswischen.« Er grinste. »Du weißt, wie es in der Politik gehen kann.«

In der Tat kannte Pendleton die harten Bandagen, mit denen in der Politik gestritten wurde. Eine Gruppe republikanischer Abgeordneter aus Ohio hatte ihn vor einigen Wochen der Bestechlichkeit beschuldigt, woraufhin demütigende Ermittlungen stattgefunden hatten. Keine der Anschuldigungen hatte sich als stichhaltig erwiesen.

»Der verdammte Kutscher verstand nichts von seinem Handwerk«, legte Crowell nach und seufzte. »Er hat die Pferde einen Abhang hinaufgescheucht, die Biester sind ihm durchgegangen und haben die Kutsche in Stücke gerissen.«

»Eine von deinen Kutschen«, mahnte Pendleton an und entsann sich der zermürbenden Senatssitzungen, die den Stahlgeschäften mit Brasilien vorausgegangen waren. Er hatte für Crowell seine Karriere aufs Spiel gesetzt. »Eines jener Modelle, die mit billigem Stahl gebaut worden sind. Du müsstest darüber Bescheid wissen.«

Irritiert stellte Crowell die Teetasse ab und verzog das Gesicht. Er hatte die kantigen Züge eines Engländers, obgleich er mitten aus Ohio stammte. »Worauf willst du hinaus? Gibst du mir die Schuld? Stehe ich jetzt bei dir am Pranger?«

Die Spannung im Rauchsalon von Pendletons Stadthaus war nun fast mit Händen zu greifen. Der ehemalige Senator starrte auf den geschnitzten Gladiator, der in einer Ecke des Raumes stand. Er hatte ihn von Männern wie Crowell zum Fünfzigsten erhalten. »Eine ganze Familie ist tot. Sie starb in den Trümmern deiner Kutsche.«

Die Geschichte hatte in allen Zeitungen gestanden.

»Tonnar?«, rief Crowell entrüstet aus. »Glaubst du nun auch diesem Schwachkopf? Er hat sich ein hübsches Sümmchen mit seinen Lügen verdient, dieser James Tonnar –«

»John Tonnar«, warf Pendleton ein. »Sein Name ist John Tonnar.«