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Das Grasland war übersät mit toten Leibern. Die Mustangs lagen in einem Umkreis von einer halben Meile verstreut. Manche hatten es noch geschafft, über einen ausgetrockneten Bachlauf zu fliehen, ehe das Blei sie erwischt hatte. Aber keines der Tiere war entkommen. Nicht einmal die Fohlen waren verschont worden.
In der Einsamkeit regte sich kein Leben mehr. Nur der Wind strich flüsternd durch die Halme. Wie eine Warnung, dass dies erst der Anfang war ...
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Sie kamen, um zu sterben
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Ertugrul Edirne / Becker-Illustrators
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9691-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Sie kamen,um zusterben
Das Grasland war übersät mit toten Leibern. Die Mustangs lagen in einem Umkreis von einer halben Meile verstreut. Manche hatten es noch geschafft, über einen ausgetrockneten Bachlauf zu fliehen, ehe das Blei sie erwischt hatte. Aber keines der Tiere war entkommen. Nicht einmal die Fohlen waren verschont worden.
In der Einsamkeit regte sich kein Leben mehr. Nur der Wind strich flüsternd durch die Halme. Wie eine Warnung, dass dies erst der Anfang war ...
»Diese verdammte Hitze!« Fluchend zerrte Ned den Hut von seinem Schädel und wischte sich mit einem fleckigen Tuch über die Stirn. »Die Sonne sengt einem noch die letzten Haare vom Kopf!«
»Die Mücken scheint sie nicht zu stören.« Vince klatschte mit der flachen Hand nach einem Blutsauger auf seinem Arm. »Diese Viecher fressen mich fast auf.«
Sein Begleiter äugte herüber, als er die Überreste des Insekts von seiner Haut klaubte. »Du hättest dich vor unserem Aufbruch auch mit Zwiebelsaft einreiben sollen. Der hilft. Die Biester mögen den Geruch nicht und bleiben einem fern.«
»Nicht nur die Mücken, schätze ich, sondern auch die Girls. No, Sir. Da lasse ich mich lieber stechen. Ich habe einiges vor, wenn wir nachher die Stadt erreichen. Du auch, oder nicht?«
»Ich möchte Gina im Badehaus besuchen.«
»Ist das die niedliche Rothaarige mit den drallen... Du weißt schon?« Vince hielt seine Hände ein gutes Stück von seinem Oberkörper entfernt in die Luft und ließ seine Augenbrauen ein Stück in Richtung Haaransatz wandern.
»Sie ist 'n Klassemädchen«, bejahte Ned.
»Vergiss aber nicht: Baden ist nicht gesund. Über das Wasser kann man sich alle möglichen Krankheiten holen.«
»Wer redet denn vom Baden?« Das Grinsen des Cowboys reichte mittlerweile von einem Ohr zum anderen.
Träge trotteten ihre Pferde nebeneinander her. Die Schweife der beiden Tiere spielten, um die Insekten zu vertreiben. In der Hitze waren sie kaum zu einer schnellen Gangart anzutreiben.
Ned und Vince gehörten zu einem Viehtrieb, der eine Herde Longhorns zur Eisenbahn in den Norden schaffen sollte. Sie waren stolz, bisher kaum Tiere verloren zu haben. In der vergangenen Nacht war allerdings ein Gewitter durchgezogen, und einige Dutzend Rinder waren panisch davongestürmt. Diese Ausreißer wollten sie nun suchen.
»Was hast du vor, sobald wir die Tiere abgeliefert haben?« Ned zog die Augenbrauen hoch.
»Weiß ich noch nicht. Ich kann dir nur sagen, was ich nicht tun werde: Auf keinen Fall betrinke ich mich wieder und lasse mir dann von irgendwelchen dahergelaufenen Halunken das Geld stehlen. Das passiert mir nicht wieder.«
»Komm doch mit ins Badehaus. Gina hat nette Kolleginnen.«
»Hab erst letzten Winter gebadet«, brummte Vince.
Ned verdrehte die Augen. »Hast du Angst, dass deine Haut zu dünn wird, wenn die Schmutzschicht runterkommt?«
»Stimmt das etwa nicht?«
»Nicht, wenn man es richtig macht. Die Girls wissen, was sie tun, glaub mir.«
»Die Girls schon, aber was ist mit dir?« Grinsend wich Vince nach links aus, als sein Begleiter nach ihm schlug. Dabei fiel sein Blick auf schwarze Schwaden, die vor ihnen über der Ebene waberten. »Ned? Sieh mal! Da vorn!«
»Was zum Geier ist das?« Ned kniff die Augen zusammen. Dann stieß er einen Fluch aus, bei dem sich die Ohrspitzen seines Begleiters rot färbten. Er zog seinen Sechsschüsser und malte damit vor seinem Oberkörper einen Halbkreis in die Luft.
»Sag mal: Worauf zielst du da eigentlich?«
»Auf alles«, knurrte Net. »Irgendetwas stimmt hier nämlich nicht. Riechst du das nicht?«
»Aber sicher. Kommt aus deinen Stiefeln, würde ich sagen.«
»Von wegen. Das ist Aas. Und nicht zu wenig.«
»Aas?« Vince richtete sich im Sattel auf und kniff die Augen zusammen. »Warte! Sind das da vorn etwa...«
»Fliegenschwärme!« Sein Begleiter senkte das Kinn.
»Aber das müssen Tausende und Abertausende sein. Was zieht die Biester denn bloß an?«
»Werden wir gleich sehen.« Ned drückte seinem Reittier die Schenkel in die Flanken. Der Pinto setzte sich höchst widerwillig in Bewegung. Vince folgte auf seiner Fuchsstute.
Wachsam behielt Vince die Umgebung im Auge. Dabei fielen ihm die Erhebungen auf, die aus dem Gras ragten wie Inseln.
Mit Fell bewachsene Inseln.
Mustangs!
Dutzende und Aberdutzende von ihnen!
Sie waren so tot, wie man nur sein konnte.
Wohin er auch sah, die Kadaver waren beinahe überall. Sie verströmten einen süßlichen Geruch, der sich in seine Atemwege fraß und dort festsetzte, als hätte er Widerhaken. Er wollte nach seiner Waffe greifen, aber sein Begleiter winkte ab.
»Die wirst du nicht brauchen«, murmelte er. »Hier ist nichts und niemand mehr, auf den du schießen könntest.«
»Bei allen Heiligen!« Vince würgte, weil es sauer in seiner Kehle hochstieg. »Was ist hier passiert?« Dieser Geruch! Sein Magen krampfte sich plötzlich zusammen und gab seinen Inhalt schwallartig frei. Er beugte sich hastig vor und würgte alles aus. Schließlich war es vorbei. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und sank matt auf seinem Sattel zusammen.
»Geht's besser?«, fragte Ned mit einem prüfenden Blick.
»Sehe ich etwa so aus?«, schnaufte er gereizt.
»Könnte ich nicht behaupten. Du siehst aus wie verspeist und wieder ausgespuckt. Zweimal.«
Vince brummte etwas Undeutliches. Ihm war hundeelend zumute. Er zog seine Bandana vor Mund und Nase und erschauerte. Irgendjemand hatte diese Herde erschossen. Mit Kugeln, nicht mit Pfeilen. Daran ließen die Wunden der Tiere keinen Zweifel. So verstreut, wie sie lagen, hatten die Mustangs noch versucht, zu fliehen. Genutzt hatte es ihnen jedoch nichts.
Der Trail führte mitten durch die tote Herde. Schweigend ritten die beiden Cowboys weiter. Ihre Pferde tänzelten und schnaubten nervös. Ihre Ohren spielten. Mit kräftigem Schenkeldruck hielten die Männer ihre Tiere unter Kontrolle.
Inmitten der toten Pferde lagen drei Indianer.
Mit verkrümmten Gliedern und gebrochenem Blick.
»Noch keinen ganzen Tag tot«, stellte Ned fest. »Cheyenne, würde ich sagen.«
»Ich dachte, es gäbe Frieden mit den Cheyenne.«
»Das dachten diese Männer hier wohl auch. Anscheinend lagen wir alle falsch.« Ned rieb sich das Kinn. Es gab ein schabendes Geräusch. »Das gefällt mir nicht, Vince.«
Vince schnaufte zustimmend.
Die Eisenbahn wurde immer weiter in das Land der Cheyenne hineingetrieben. Die Indianer bekämpften den Bau seit Jahren und metzelten weiße Siedler nieder. Lediglich mit den Cowboys hatten sie sich arrangiert. Sie durften ihr Gebiet mit den Herden passieren, solange sie ihnen hin und wieder Rinder abgaben. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, das Vince nachts besser schlafen ließ. Aber angesichts dieses Gemetzels musste er sich fragen: Wie lange würde es noch gelten? Die Cheyenne würden den Tod ihrer Brüder und den Verlust ihrer Pferde gewiss nicht kampflos hinnehmen. Und was war mit den Verträgen, die der Gouverneur mit ihnen ausgehandelt hatte? Waren die nun das Papier nicht mehr wert, auf dem sie unterzeichnet worden waren?
»Wer hat diese Männer erschossen, Ned? Was meinst du?«
»Weiß ich nicht, aber wer auch immer es war, er hat uns keinen Gefallen getan. Gouverneur Hopkins hat sich für den Frieden eingesetzt, und jetzt wird es weiteres Blutvergießen geben. Das ist mal sicher.«
»Womöglich nicht. Es gibt Verträge mit den Indianern.«
»Die werden nun nicht mehr gelten.«
»Warum glaubst du das?«
»Weil jemand diese Herde abgeschlachtet hat. Es waren Weiße, den Spuren nach. Ohne ihre Mustangs sind die Cheyenne schwächer. Im Kampf und bei der Jagd. Dieser Verlust wird sie erheblich treffen. Ganz zu schweigen vom Tod der drei Krieger. Das bedeutet nichts Gutes, das kannst du mir glauben.«
»Also hat jemand die Tiere erschossen, um die Indianer zu schwächen?«
»Darauf kannst du deine Stiefel verwetten.«
»Aber wer?«
»Kann ich nicht sagen.« Ned kniff die Augen zusammen und schaute sich misstrauisch um.
Weit und breit gab es kein Leben mehr.
»Sollen wir die toten Krieger begraben?«, schlug Vince vor.
»Ich glaube nicht, dass ihren Brüdern das gefallen würde. Sie haben ihre eigenen Rituale, und von denen haben wir nicht die geringste Ahnung. Besser, wir lassen sie hier, sodass sie von ihren Leuten gefunden werden können.«
»Es gefällt mir nicht, sie hier zurückzulassen. Was, wenn sich Kojoten über sie hermachen?«
»Mir gefällt es auch nicht, aber was sollen wir sonst tun?«
»Warte, ich habe eine Idee.« Vince stieg von seinem Pferd und schleifte die Toten an den Armen über den Boden, bis sie nebeneinanderlagen. Dann rollte er seine Decke aus und breitete sie über ihnen aus.
»Das wird das Raubzeug nicht abhalten«, gab Ned zu bedenken. »Das weißt du.«
»Vielleicht doch.«
Ned schüttelte bedächtig den Kopf, sagte aber nichts mehr. Das war auch nicht nötig. Sie sahen sich an und verständigten sich wortlos darauf, weiterzureiten. Hier konnten sie nichts mehr ausrichten. Außerdem mussten sie weiter nach ihren verlorenen Longhorns suchen.
Vince stieg wieder in den Sattel und ritt neben Ned weiter in Richtung Nordosten. Sie folgten der Spur, welche die Ausreißer in das hohe Gras getrampelt hatten.
Nach wenigen Meilen kam ihnen ein einzelner Reiter entgegen. Alarmiert machten sie ihre Waffen schussbereit.
Im Näherkommen zeigte sich jedoch, dass ihnen der Unbekannte nicht gefährlich werden würde. Er schien sich nur mit letzter Kraft im Sattel halten zu können und hing so schief auf seinem Pferd, als würde er jeden Augenblick herunter stürzen. Ein Wunder wäre das freilich nicht gewesen. Der Fremde war lang und dürr und seine Haut so blass wie die ausgebleichten Knochen eines toten Longhorns in der Sonne. Und sein Gesicht... Grundgütiger! Sein Gesicht war eine Fratze des Todes. Seine Haut war mit schwärenden Wunden übersät. Und in seiner rechten Wange klaffte ein Loch. Man konnte seine Zähne erkennen, ohne dass er den Mund öffnen musste!
Vince rieselte ein Schauer über den Rücken.
»Warte«, sagte er, als sein Begleiter weiterreiten wollte. »Geben wir ihm etwas Wasser.«
»Wenn du unbedingt willst. Ich werde mich aber lieber von ihm fernhalten. Wer weiß, was er hat.«
»Eine Seuche ist es«, stöhnte der Unbekannte. »In unserer Siedlung sterben die Menschen, und niemand weiß, wieso.«
»Was für eine Seuche?« Ned hob das Kinn.
»Das weiß niemand von uns.
»Von wo kommst du?«
»Aus Meadow Creek. Wir brauchen Hilfe. Bei uns sterben ganze Familien. Diese Seuche rafft jeden dahin. Alte und Junge, Schwache und Starke. Keiner bleibt verschont.«
Ned stülpte die Lippen vor.
»Geh weg von ihm, Vince.«
»Aber er braucht unsere Hilfe.«
»Bald nicht mehr. Er hat es bald überstanden.«
»Das können wir nicht wissen.«
»Sieh ihn dir doch an«, raunte Ned, nur für ihn hörbar. »Seine Zeit ist abgelaufen, das ist sicher. Sei bloß vorsichtig, sonst erwischt dich die Seuche auch noch.«
»Meadow Creek?« Vince trieb sein Pferd näher an den Kranken heran. »Das ist ein ganzes Stück von hier entfernt.«
»Das ist wahr«, bestätigte der Fremde. »Meine Farm liegt in einem wunderbar grünen Tal. Saftige Wiesen und sprudelndes Wasser, so weit das Auge reicht. Früher war es für uns das Paradies. Jetzt nennen es alle nur noch das Tal der lebenden Toten.«
»Der Name passt, würde ich sagen«, murmelte Ned.
Vince schluckte trocken und fragte sich, ob er den Anblick des schwärenden Lochs in der Wange des Fremden je wieder vergessen würde.
Der Siedler schwankte plötzlich im Sattel und murmelte etwas, das kaum zu verstehen war.
»Molly... die Ketten... entführt... Gouverneur.«
Vince schüttelte ratlos den Kopf.
»Was hat er gesagt?«
»Nichts Sinnvolles, nehme ich mal an. Ich schätze, die Seuche hat seinen Verstand schon verwirrt.«
»Aber er hat etwas über eine Molly gesagt. Und über den Gouverneur. Womöglich hat er die Frau des Gouverneurs gemeint? Sie heißt doch Molly, oder nicht?«
»Und wenn schon. Das geht uns nichts an.« Ned warf ihm einen warnenden Blick zu. »Wir halten uns hier raus, verstanden? Ich suche nämlich keinen Ärger.«
»Ich auch nicht.« Vince schaute hoch und versteifte sich plötzlich. Unbemerkt war in der Ferne ein Trupp Indianer aufgetaucht, der rasch näherkam. »Ich schätze, das müssen wir auch gar nicht. Der Ärger hat uns gefunden.«
☆
Lassiter lag auf dem weichen Lager, die Augen geschlossen, die Ekstase im Leib. Kellys kundige Hände rieben und massierten seine eingeölte Haut. Er griff über sich und schloss die Hände um die prallen Brüste des Girls. Er knetete sie und fuhr mit den Daumen über die harten Spitzen.
Ein wohliges Stöhnen beantwortete seine Liebkosungen.
Kelly knetete seine kräftigen Schenkel, die bretthart waren nach den vergangenen Kämpfen. Ihre langen Locken strichen aufreizend über seinen Phallus. Kelly beugte sich tiefer, schloss die Lippen um seinen Schaft und strich aufreizend langsam mit ihrer Zunge über die Eichel.
Oh, sie wusste genau, wie sie seine Lust höher treiben konnte. Hitze breitete sich in ihm aus. Das sinnliche Spiel gefiel ihm.
Seine Hände glitten an ihrem Prachtkörper hinunter, strichen über ihre schmale Taille, ihre sanft gerundeten Hüften und versanken schließlich in ihrem Schoß.
Das rassige Girl stieß einen kehligen Laut aus. Sie ruckte die Hüften auf und ab, während er sie streichelte. Da packte er sie und zog sie über sich. Ihre Brüste schwangen hin und her, die Nippel hart wie Kirschkerne. Kelly umschloss sie mit ihren Händen und drückte lüstern zu. Ein Anblick, der ihn fast augenblicklich kommen ließ. Sein Pint drückte sich an ihre heiße Pforte und stieß endlich in sie hinein. Sie wand sich hemmungslos vor Lust, warf den Kopf zurück und ließ ihr Becken schwingen.
»Ja, Lassiter«, jubelte sie, »o ja, das ist so gut. Ja. Ja. Jaaaaaa!«
Mit einem Mal fuhr ein Ruck durch ihren Leib. Ihre Muskeln verkrampften sich so, dass auch Lassiter augenblicklich kam.
Es dauerte lange, bis sie wieder ruhiger atmen konnten.
Kelly sank neben ihm auf das weiche Bett und schmiegte sich an ihn. Lassiter legte einen Arm um sie. Die rassige Irin war in derselben Postkutsche gefahren wie er. Wäre das Gefährt nicht voll besetzt gewesen, wären sie wohl schon unterwegs übereinander hergefallen und nicht erst in seinem Hotelzimmer.
Nun wurden Kellys Lider allmählich schwer. Bevor sie jedoch einschlafen konnte, hämmerte jemand energisch gegen die Tür!
Sie fuhr zusammen.
»Erwartest du Besuch, Lassiter?«
»Um diese Zeit?« Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
Das Klopfen wiederholte sich. Dazu rief jemand seinen Namen. »Ich muss mit Ihnen sprechen, Lassiter.«
»Ich gehe dann wohl mal besser.« Kelly schlüpfte aus dem Bett, streifte ihr Kleid über und zwinkerte ihm zu. »Wenn dein Besuch fort ist, weißt du ja, wo ich wohne.«
Lassiter stieg in seine Hosen und sein Hemd. Dann griff er nach dem Remington. In seinem Job konnte er nicht vorsichtig genug sein. Er trat vor Kelly an die Tür, öffnete sie einen Spalt weit und spähte hinaus.
Im Gang stand ein schwarz gekleideter Mann. Er hatte seinen Hut tief ins Gesicht gezogen und seinen Staubmantel fest um sich gezogen. Fragend schaute er herüber.
»Sind Sie Lassiter?«
»Der bin ich.«
»Dann haben wir etwas zu besprechen.« Der Besucher hob den Kopf, und Lassiter sog scharf den Atem ein, als er ihn erkannte.
»Gouverneur Hopkins?«
»Still«, raunte sein Gegenüber. »Niemand darf wissen, dass ich hier bin.«
Lassiter ließ seine Waffe sinken und trat von der Tür zurück.
Kelly warf seinem Besucher einen prüfenden Blick zu, sagte jedoch nichts, sondern warf Lassiter nur eine Kusshand zu und huschte hinaus.
Lassiter schloss die Tür und trat vor seinen Besucher hin.
Gouverneur Emmerett Hopkins war seit drei Jahren im Amt und hatte in dieser Zeit schon viel Gutes bewirkt. Er war ein Mann des Friedens, der vermittelte, wo er konnte. Äußerlich war er eher unscheinbar, von mittlerer Statur und mit einem dunklen Kinnbart, aber seine braunen Augen blickten energisch und verrieten einen festen Willen und einen wachen Verstand.
»Sind Sie etwa ohne Wachen hergekommen, Gouverneur?«
»Das musste ich. Ich durfte nicht riskieren, dass jemand meinen Besuch bei Ihnen bemerkt. Was ich zu sagen habe, ist nur für Ihre Ohren bestimmt.«
»Nehmen Sie doch bitte Platz.«
»Ich bleibe lieber stehen, wenn ich ehrlich bin. Aber zu einem Glas Whiskey würde ich nicht nein sagen, wenn Sie welchen haben.«
Kelly hatte tatsächlich eine Flasche mit nach oben genommen. Sie waren noch nicht dazu gekommen, sie zu öffnen, aber jetzt schenkte Lassiter seinem Besucher und sich selbst ein.
Emmerett Hopkins drehte sein Glas zwischen den Fingern, ohne zu trinken.
»Ein Freund in Washington sagte mir, Sie könnten mir helfen.«
Lassiter antwortete nicht, gab seinem Besucher nur mit einer Handbewegung zu verstehen, weiterzusprechen.
»Ich brauche jemanden, der für mich reitet. Und dabei möglichst unsichtbar bleibt. Darauf kommt es wirklich an.« Der Gouverneur stellte sein Glas ab und zog eine flache Schachtel aus seiner Tasche. Kurz strich er über das sauber abgeschliffene Holz, dann lüftete er den Deckel. Darin lag ein Stofffetzen mit bräunlich-roten Flecken. Dazwischen ragte etwas auf, das aussah wie...
»Ein Finger?« Lassiter schaute auf die Überreste nieder, an denen noch ein goldener Ring steckte.
»Ein Finger von meiner Frau.« Emmerett Hopkins knirschte mit den Zähnen.
Lassiter war Molly Hopkins noch nie begegnet, aber er hatte von ihr gehört und Bilder gesehen. Sie war eine bildschöne Frau, die sich für die Bildung von Frauen einsetzte und ihnen die Türen zu Universitäten öffnen wollte. Sie galt als warmherzig und engagiert und auch ein wenig eigensinnig.
Und nun besaß sie offenbar nur noch neun Finger.
»Erzählen Sie mir alles. Was ist passiert?«