Lassiter 2501 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2501 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Die Frauen um Laura C. Mounts trugen pechschwarze Gewänder und weiße Hauben. Sie hatten ihre Gebete gesprochen, die Hände gemäß dem Ritual gereinigt und dem Bösen und Verderblichen mit lauten Worten abgeschworen. Sie waren gegen den Teufel gewappnet.
Feierlich hob Mrs. Mounts die Arme und schwor ihre Anhängerinnen auf die bevorstehenden Stunden ein. Die mormonischen Exorzistinnen kannten die Gefahr, die unter ihnen in der Krypta lauerte.
"Seid bewahrt durch die Gnade Gottes!", rief Mrs. Mounts und segnete ihre Mitstreiterinnen. Sie glich mit ihrem streng gescheitelten Haar einer Gouvernante. "Seid tapfer, Mädchen, und lasst euch nicht beirren!"
Die versammelten Frauen nickten, griffen nach den Foltereisen und schritten zur Tür ...

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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Verrat am Hudson River

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Boada / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9694-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Verrat am Hudson River

Die Frauen um Laura C. Mounts trugen pechschwarze Gewänder und weiße Hauben. Sie hatten ihre Gebete gesprochen, die Hände gemäß dem Ritual gereinigt und dem Bösen und Verderblichen mit lauten Worten abgeschworen. Sie waren gegen den Teufel gewappnet.

Feierlich hob Mrs. Mounts die Arme und schwor ihre Anhängerinnen auf die bevorstehenden Stunden ein. Die mormonischen Exorzistinnen kannten die Gefahr, die unter ihnen in der Krypta lauerte.

»Seid bewahrt durch die Gnade Gottes!«, rief Mrs. Mounts und segnete ihre Mitstreiterinnen. Sie glich mit ihrem streng gescheitelten Haar einer Gouvernante. »Seid tapfer, Mädchen, und lasst euch nicht beirren!«

Die versammelten Frauen nickten, griffen nach den Foltereisen und schritten zur Tür...

Wäre Matthew Potter in diesen Stunden gefragt worden, ob er Angst verspürte, hätte der Methodistenprediger nicht lügen können. Er hätte sich in die Ketten geworfen, deren Stahlschellen ihm blutige Striemen an den Handgelenken verursachten, und seine Furcht herausgeschrien. Er hätte so laut geschrien, dass das Echo in der finsteren Krypta widergehallt hätte.

Stattdessen schwieg Potter beharrlich.

Er hing kraftlos in den Ketten, an denen ihn die Mounts-Exorzistinnen aufgehängt hatten. Die Frauen hatten ihm stählerne Gelenkschellen angelegt, die sie mit Zwingen und Klemmen verschlossen hatten, wie Potter sie höchstens aus Büchern kannte. Die Krypta roch nach muffiger Erde und feuchtem Stein.

Der Dämon muss raus aus ihm!

Die Frauen in den schwarzen Kutten hatten offen darüber debattiert, mit welchen Qualen sie Potter peinigen mussten, damit der Teufel aus ihm herausfahre. Sie hatten ihn zunächst mit Stöcken und Eisenstangen traktiert, dann seine Beine gestreckt und ihn mit Essigwasser getränkt.

Der Teufel saß noch immer in Potter.

Der Beelzebub war ein schweres Muskelfieber, das den Prediger in Utah befallen hatte, just an dem Tag, an dem er zum Mormonentum hatte übertreten wollen. Die Frauen hatten Potters gelegentliche Zuckungen als Teufelsreißen bezeichnet und ihn mit Zustimmung eines Ältesten hinunter in die Krypta gebracht.

Bald stand die nächste Sitzung an.

Stets geschlossen und schweigend kamen die Frauen die Treppe hinunter, angeführt von einer Matrone mit dem Namen Laura C. Mounts, die sich rühmte, die erste Exorzistin der Mormonenkirche zu sein. Sie hetzte die übrigen Frauen gegen Potter auf und verlangte Dinge von ihnen, zu denen sie allein nicht fähig gewesen wären.

Elisabeth...

Wie oft hatte Potter an ihre Stimme gedacht, an ihr Gesicht, an ihr Lächeln, an ihre Augen? Wie oft hatte er sich verzehrt nach Elisabeth Roberts, die ihn heiraten wollte? Wie oft hatte er Elisabeths Namen geflüstert?

Es war nicht mehr zu zählen.

Ganz Salt Lake City hätte Matthew nach seiner Verlobten abgesucht, hätte man ihn nur für einige Stunden aus dieser verdammten Krypta gelassen. Er hätte sie gebeten, das Muskelfieber zu bezeugen, und sie hätte den Mounts-Frauen sagen können, dass kein Teufel in seinem Körper wütete.

Mrs. Mounts hatte nichts davon wissen wollen.

Sie hatte Potter gedemütigt und gequält, sie hatte seine Worte als wirres Jammern des Dämons abgetan. Die anderen Frauen hatten sich ihr angeschlossen. Sie hatten sich im Kreis um Potter herumgestellt, die Stangen erhoben und –

Auf der Kryptatreppe waren Schritte zu hören.

Eine düstere Woge von Ängsten erfasste Potter, der wusste, dass die Frauen aus einem bestimmten Grund zu ihm kamen. Er reckte den Hals und spähte nach den schwarzen Kutten, die sich allmählich aus dem Halbdunkel des Gewölbes schälten.

Die Exorzistinnen waren in voller Zahl erschienen.

Sie bildeten schweigen einen Kreis um Potter, stimmten einen heiligen Gesang an und rückten langsam näher. Sie hatten versteinerte Gesichter und geschlossene Augen. Eine Frau trug eine spitze Haubenkapuze und stellte sich dicht vor den Prediger.

»Tu... tu mir nichts!«, bettelte Potter und schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht, was du vermutest.«

Unter der Kapuze verbarg sich Laura C. Mounts.

Sie hatte ein schmales Gesicht mit tief eingeschnittenen Wangenfalten, die ihr die Unerbittlichkeit einer Sonntagsschullehrerin gaben. Die blassen Augen fixierten Potter scharf. »Schweig still, Dämon! Oder willst du das Wort des Herrn beleidigen?«

Die anderen Frauen sangen weiter ihren Kanon, in dem es um das Paradies und einen Löwen ging, immer wieder um einen Löwen, der die Lämmer riss. Es war eine betörende Melodie, die Potter einige Sekunden vergessen ließ, dass die Exorzistinnen um seinetwillen gekommen waren.

»Habt Gnade!«, flehte Potter und weinte stumm. »Ihr werdet bereuen, dass ihr einen lebendigen Menschen, einen Unschuldigen malträtiert habt. Der Herr wird euch diese Taten nicht vergeben!«

In Windeseile zog Mrs. Mounts eine Eisenstange aus dem Gewand und schlug sie Potter in die Magengrube. Der Hieb löste einen brennenden Schmerz aus, der nicht mehr vergehen wollte.

»Du scheust dich nicht, den Herrn anzurufen?«, donnerte Mrs. Mounts und holte zu einem weiteren Schlag aus. »Dir werden wir beibringen, was es heißt, den Namen unserer Höchsten zu verunehren! Du sollst leiden, Dämon! Schwerer leiden als das geschundenste Volk dieser Erde!«

Fast zwanzig Mal gingen die Stockschläge auf Potter nieder, der erst das Gleichgewicht und danach das Bewusstsein verlor. Er erwachte etliche Zeit darauf, als ihn vier Frauen unter den Achseln packten und durch die Krypta schleiften.

»Bringt ihn zu mir!«, rief Mrs. Mounts und winkte nach den Exorzistinnen. »Werft ihn vor mir in den Schlamm! Er soll sich fühlen, wie es tief in ihm aussieht!« Sie lachte leise auf. »Nicht wahr, Prediger, nicht wahr?«

Vor zwei Tagen noch hatte Potter mit Elizabeth auf einer Wiese hinter dem Tempel gesessen. Sie hatten den Faltern zugesehen, die in großer Zahl über die Wiese geflattert waren. In der Ferne hatten sich Kinder am Springbrunnen gejagt.

»Runter mit ihm!«, befahl Mrs. Mounts und wog den Eisenstock in der Hand. »Er hat es verdient! Schont ihn nicht, Mädchen! Ihr seid die Auserwählten unseres Herrn! Ihr treibt in seinem Namen die Dämonen aus!«

Abermals hoben die Frauen zu singen an, und es klang einige Minuten lang so beruhigend und sanft, dass Potter Hoffnung schöpfte. Er war kein Teufel, war kein Dämon, dem man mit roher Gewalt kommen musste.

Die Exorzistinnen jedoch hatten andere Pläne.

Dass Lassiter einen Monat zuvor fast an jenem Tag gestorben wäre, an dem in New York die kupferfarbene Freiheitsstatue enthüllt worden war, stimmte den Mann der Brigade Sieben melancholisch. Er blickte auf den ruhigen Hudson River hinaus, der jenseits der Stadt ein gemächlich dahinfließender Strom inmitten üppiger Wälder war.

Das Sanatorium Saint-Ann kümmerte sich hervorragend um Lassiter.

Man hatte dem Brigade-Sieben-Agenten ein eigenes Zimmer im Südflügel verschafft, der auf der flusszugewandten Seite des Gebäudes lag. Die Schwestern brachten dem Patienten zweimal am Tag frisch zubereitetes Essen ans Bett, und manchmal – wie an diesem Morgen – kam jemand zu Besuch.

»Kommen Sie herein!«, rief Lassiter und hielt sich die Brust. Er verspürte regelmäßig Herzschmerzen, seit ihn Nikola Tesla mit seinem Wunderapparat ins Leben zurückgeholt hatte. Der junge Ingenieur war glücklicherweise zugegen gewesen, als man Lassiter vor einem Monat auf der Freiheitsstatue hatte vergiften wollen. »Ich bin wach und leidlich am Leben.«

Der Eisenhutextrakt war hochdosiert gewesen, sodass bereits eine geringe Menge ausgereicht hatte, um den Mann der Brigade Sieben ins Jenseits zu befördern. Einzig und allein dem famosen Elektrizitätsgenerator von Tesla war es zu verdanken, dass Lassiter an diesem schicksalhaften Oktobertag nichts das Zeitliche gesegnet hatte.

»Mr. Lassiter?«

Die junge Frau in der Tür war Helena Deer und hatte eine Anstellung als Wäscherin am Hudson River. Sie brachte jeden Sonntag die gewaschenen Kleider zurück und nahm die Schmutzwäsche an sich.

»Nehmen Sie, was Sie brauchen, Helena!«, sagte Lassiter und wandte sich nicht nach ihr um. Er verabscheute es, dass jedermann sehen konnte, wie miserabel es ihm ging. »Ich hatte einen schlechten Nachmittag. Sie können von mir keine angenehme Gesellschaft erwarten.«

Der Nachmittag war vorwiegend von stechenden Schmerzen bestimmt gewesen, die sich von Lassiters Herz bis hinauf in den Nacken zogen. Er hatte mit den Doktoren darüber gesprochen, aber keiner von ihnen kannte sich ausreichend mit Elektrizität aus, als dass er eine vernünftige Prognose hätte treffen können.

»Sie sind immer angenehme Gesellschaft«, sagte Helena und las die Hemden vom Bett, die Lassiter bereitgelegt hatte. Sie kicherte und beherrschte sich sogleich wieder. »Ich kenne keine Frau, die in Ihrer Gegenwart nicht schwach werden würde. Sie sind das Tagesgespräch unten am Fluss.«

Erstaunt wandte sich Lassiter zu seinem Gast um.

Die Wäscherin hatte ein hübsches rundes Gesicht, das von braunen Locken umrahmt war. Sie lächelte mit liebenswerten Grübchen und hielt in ihren Bewegungen inne, als sie den forschenden Blick ihres Gegenübers bemerkte.

Unter anderen Umständen hätte Lassiter diese Frau aufs Bett geworfen und der Leidenschaft freien Lauf gelassen. Er hätte diesem jungen Ding das Kleid vom Leib gerissen, hätte den vollen Busen ergriffen und Helena in jene Sphären gevögelt, über die sie vermutlich unten am Fluss mit ihren Freundinnen plauderte.

Doch in Lassiters Brust schlug ein lädiertes Herz.

Er kannte die ärztlichen Ratschläge, die meistenteils lauteten, dass er seinen Dienst aufgeben und ein schlichtes Leben als Farmer oder Frachtspediteur oder Droschkenkutscher beginnen sollte. Er kannte das vernichtende Gerede all dieser Bedenkenträger, denen Gesundheit bedeutsamer war als die Pflicht an der Nation.

»Sind Sie verlobt, Miss?«, fragte Lassiter und ging langsam auf Helena zu. Er hinkte ein bisschen wegen der Schmerzen in der Brust. »Oder dürfen Sie einen Mann verführen, wie Sie es gerade tun?«

Lächelnd stellte die Wäscherin den Korb ab. »Frei wie ein Vogel bin ich. Es gibt keinen Grund, auf etwas zu verzichten, das einem Vergnügen verspricht.«

Die Knöpfe an Helenas Kleid sprangen fast von selbst auf, als Lassiter mit den Fingern danach griff. Er öffnete die ganze Knopfleiste und streifte seiner Geliebten das Arbeitskleid von den Schultern. Die Wäscherin dankte es ihm mit einem sanften Stöhnen.

»Du magst ein rauer Kerl sein«, flüsterte Helena und schmiegte sich wenig später an Lassiters nackten Oberkörper. »Aber deine Hände sind zärtlich wie die von Casanova. Ich hatte befürchtet, dass das Sanatorium dir alle Lust nimmt.«

»Kein Sanatorium nimmt mir die Lust«, bekannte Lassiter und trug Helena zum Bett hinüber. Er schob eine Hand zwischen ihre Beine und teilte ihre schlanken Schenkel, die hell und ebenmäßig wie Porzellan waren. »Schon gar nichts eines, in dem sich Frauen wie du finden.«

Sie taten es voller Begierde miteinander, teils auf dem Bett, teils auf dem orientalischen Teppichläufer davor. Dem Mann der Brigade Sieben fuhr mehr als einmal der Schmerz in die Brust, doch er gab nichts darauf, wie er auch Wochen zuvor nichts auf seinen Tod gegeben hatte.

»O Lassiter!«, hauchte Helena nach einer halben Stunde. Sie hatte die Augen geschlossen und beide Hände in Lassiters Hinterbacken gekrallt. »Du hättest eher mit mir sprechen sollen... Seit einem Monat schleiche ich nun schon um dich herum.«

Obwohl Lassiter weiterhin Schmerzen hatte, besorgte er es der jungen Wäscherin, die nichts von seinen Peinigungen bemerkte. Sie lag mit gespreizten Beinen unter ihm, reckte ihm ihren Busen entgegen und forderte ihn immer wieder auf, härter und fester zuzustoßen.

Nach einer Stunde erst sank das Paar matt und befriedigt in die Laken und hielt sich bei den Händen. Helena war noch in einem solchen Lusttaumel, dass sie zu kichern begann und Lassiter Klatsch von den anderen Frauen erzählte.

Erst als gegen Abend eine Schwester kam, verabschiedete sich der Mann der Brigade Sieben. Er bat Helena, dass sie am nächsten Tag wiederkam und erntete einen verständnislosen Blick von der Schwester.

»Sie haben ein Telegramm erhalten«, sagte die Sanatoriumsbedienstete, als Helena aus dem Zimmer war. Sie reichte Lassiter einen Bogen Papier, auf dem ein Emblem der Hudson Telegraph Company prangte. »Es ist am Mittag gekommen. Ich wollte Sie jedoch bei Ihren... Vergnügungen nicht stören.«

»Sie hätte nicht gestört«, erwiderte Lassiter unbeeindruckt und griff nach der Telegrammabschrift. »Ich hätte mich gefreut, Sie zu sehen. Sie hätten nur klopfen müssen.«

Die Schwester schüttelte die Kissen auf und zog den Mund breit. »Sie sind unverbesserlich, Mr. Lassiter. Es ist kein Wunder, dass man sich am ganzen Hudson River das Maul über Sie zerreißt. Das Saint-Ann hat mit Ihnen tatsächlich einen Glücksgriff getan.«

Das Telegramm aus dem Hauptquartier hatte die Ankunft von Amber Steele, die mit Lassiter den Einsatz an der Freiheitsstatue bestritten hatte, für fünf Uhr am darauffolgenden Nachmittag angekündigt. Die junge Agentin mit den goldblonden Locken war Lassiter als Greenhorn beigestellt worden und hatte sich trotz allem wacker geschlagen.

Nun stand Amber mit bedrücktem Gesicht vor ihm.

Sie war mit dem Drei-Uhr-Zug aus New York gekommen und trug ein hübsches blaues Kleid, in dem sie unter den eher praktikabel angezogenen Sanatoriumsschwestern auffiel. Die auffällige Betroffenheit, die aus ihrem Gebaren sprach, stand in herbem Gegensatz zu der heiteren Unbeschwertheit, die Lassiter von seiner Kollegin kannte.

»Es ist etwas vorgefallen, Lassiter«, sagte Amber und trat ans Fenster. Sie sah auf den Hudson River hinunter, der so ruhig und schwer dahinfloss, als bestünde er aus Melasse statt Wasser. »Vor zwei Tagen war Dorothy zu Besuch. Sie ist meine Halbschwester. Ich habe sie nicht mehr gesehen, seit sie zurück nach Utah gegangen ist.«

»Utah?«, fragte Lassiter und griff sich an die Brust. Er hatte unverändert Schmerzen. »Du stammst von der Ostküste, oder nicht?«

»Immer noch der alte Besserwisser!«, tadelte ihn Amber, ohne dass ihr offenbar recht nach Scherzen zumute war. »Ehe mein Vater meine Mutter heiratete, war er mit einer Mormonin liiert, die ihn zu einer Hochzeit zwang. Die Ehe ist später annulliert worden. Einige Monate darauf kam Dorothy zur Welt.«

»Ist Dorothy genauso anstrengend wie du?«, fragte Lassiter und sah nach der Tasche, die Amber mitgebracht hatte. Sie war mit Dokumenten und Akten vollgestopft. »Ich könnte keine zweite von deiner Sorte brauchen.«

Amber nahm einen tiefen Atemzug. »Sie ist tot, Lassiter. Sie ist gestern am Hudson River gefunden worden, halbnackt und ausgeraubt. Der Sheriff glaubt, dass eine Bande von Landstreichern dahintersteckt.«

Der Hudson River änderte mit dem Abendrot allmählich die Farbe. »Und du? Du glaubst nicht daran?«

Die Agentin schüttelte den Kopf, ergriff Lassiter bei den Händen und sah ihn flehentlich an. »Sie war so eine liebenswerte Person. Sie verdient dieses Schicksal nicht... Und wenn es mit Bedloe's Island und der Freiheitsstatue zu tun hätte...«

»Noch ist nichts bewiesen«, beruhigte Lassiter Amber und nahm sie in die Arme. Sie hatte tagelang an seinem Bett gesessen, als er wegen seines Herzens bewusstlos gewesen war. »Was sagt das Hauptquartier? Ist man der gleichen Ansicht wie der Sheriff?«

Schluchzend löste sich die Agentin von ihm und holte ihre Tasche. Sie kramte darin und förderte ein Kuvert zutage, das mit einem roten Wachssiegel verschlossen war. Der Siegelstempel verwies auf das Hauptquartier als Absender.

»Ein Auftrag?«, zeigte sich Lassiter erstaunt. »Sie haben dir den Auftrag überlassen?«

»Nicht mir«, entgegnete Amber und musste unwillkürlich lachen. »Würdest du mir schon einen Auftrag geben? Sie verlangen von mir, dass ich dich dazu bringe, die Mission zu übernehmen.« Sie seufzte. »Du warst auf der Freiheitsstatue dabei und hast die nötige Erfahrung.«

Einige Sekunden lang war Lassiter wie vor den Kopf gestoßen. Er hatte vor einem Monat seinen eigenen Tod überlebt. Er hatte vergiftet im Fackelaufsatz der Freiheitsstatue gelegen und war nur durch wahnwitziges Glück noch am Leben. »Ich bin noch nicht in der Lage dazu, Amber. Sie müssen einen anderen Agenten schicken.«

»Es gibt keinen anderen Agenten«, versetzte Amber und riss das Kuvert auf. Sie zog ein Schreiben daraus hervor, das ein Signum des Präsidenten trug. »Der Präsident verlangt, dass du dich darum kümmerst. Er fürchtet, dass die Geschehnisse auf der Freiheitsstatue nur der Gipfel waren.«