Lassiter 2510 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2510 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Die russischen Emigranten kamen in Scharen nach Yankton und ließen sich in den verlassenen Häusern der Siedler nieder, die westwärts gezogen waren und dem verregneten Dakota-Territorium den Rücken gekehrt hatten. Sie trafen in Schüben von zehn oder zwanzig Familien ein - und brachten die Krankheit mit sich.
Die Angst vor der Cholera brachte die Bevölkerung gegen die Russen auf. Immerhin war man um Hilfe bemüht. Der Stadtverordnete Baker ging mit guten Beispiel voran. "Noch einen Ballen!", rief er, auf einer Holzkiste stehend. "Macht weiter, Leute!"
Die Männer gehorchten murrend. Sie warfen den Russen die verschnürten alten Kleider, die in der Stadt gesammelt worden waren, damit die Russen ihre eigenen verbrennen konnten, vor die Füße. Trotzdem schien der Konflikt unausweichlich ...


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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Land der Verruchten

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ertugrul Edirne / Becker-Illustrators

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9992-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Land der Verruchten

Die russischen Emigranten kamen in Scharen nach Yankton und ließen sich in den verlassenen Häusern der Siedler nieder, die westwärts gezogen waren und dem verregneten Dakota-Territorium den Rücken gekehrt hatten. Sie trafen in Schüben von zehn oder zwanzig Familien ein – und brachten die Krankheit mit sich.

Die Angst vor der Cholera brachte die Bevölkerung gegen die Russen auf. Immerhin war man um Hilfe bemüht. Der Stadtverordnete Baker ging mit gutem Beispiel voran. »Noch einen Ballen!«, rief er, auf einer Holzkiste stehend. »Macht weiter, Leute!«

Die Männer gehorchten murrend. Sie warfen den Emigranten die verschnürten alten Kleider, die in der Stadt gesammelt worden waren, damit die Russen ihre eigenen verbrennen konnten, vor die Füße. Trotzdem schien der Konflikt unausweichlich ...

Fast sieben Tagen hielt der Regen inzwischen an und wurde jede Nacht stärker. Er hatte die Straßen ausgespült, die sie herauf von Sioux City genommen hatten, und den grauen amerikanischen Himmel noch trister gemacht. Er hatte Sveta außerdem jegliche Zuversicht genommen.

Die Neunjährige trottete neben dem Wagen ihres Vaters.

Sie trug das schmutzige Kleid aus dem Alkoven jenes Hauses, in dem sie in Sioux City zwei Nächte lang geschlafen hatten. Es hatte Sveta von Anfang an gefallen, vor allem wegen der Rüschen, die es am Ärmel hatte, und wegen der Blumenstickerei unten am Saum.

Die Hausherrin hatte es dem Mädchen lächelnd überlassen.

Die Amerikaner waren gar nicht so hundsgemein, wie Svetas Vaters häufig von ihnen sprach. Sie hatten den Familien Teller voller Essen gebracht, damit niemand kochen musste, und hatten allen ein Dach über dem Kopf verschafft. Sie hatten sich um die russischen Ankömmlinge gekümmert, als wären es Leute von ihnen.

»Sveta!«, rief Svetas Vater und hustete röchelnd. Er hatte die Seuche seit vergangener Nacht. »Mein liebes Kind, was treibst du da hinten! Bleib bei uns und trödle nicht herum!«

Das Mädchen schloss zu ihren Eltern auf, die erschöpft und kraftlos neben den beiden Zossen am Fuhrwerk liefen. Die Mutter hatte darauf bestanden, dass sie die Pferde behielten, obgleich sie wenigstens eines davon in Sioux City mit Gewinn hätten verkaufen können.

Yankton sollte die neue Heimat heißen.

Sie wollten sich in den Russian Lands niederlassen, jenem Streifen Land, in dem bereits viele Russen vor ihnen ein Zuhause gefunden hatten. Selbst in der Fremde wollten sie unter seinesgleichen bleiben, ob sie von der Krim oder aus Odessa kamen. Über zweitausend Russen wären bereits im Dakota-Territorium, hatte Svetas Vater kürzlich zum Besten gegeben.

»Sveta!«, erschallte erneut Vaters scharfer Ruf. Er war für Svetas Ohren so vertraut, dass er dem Mädchen keine Furcht mehr einjagte. »Trödelst du immer noch? Du sollst bei uns bleiben! Nimm dir ein Beispiel an deiner Mutter!«

Schuldbewusst sah Sveta zu ihrer Mutter Sophia, die nur gutmütig den Kopf schüttelte, was so viel bedeuten sollte, als dass sie sich um die Launen des Vaters keine Sorgen machen sollte. Flink schlüpfte Sveta unter dem träge dahinzuckelnden Planwagen hindurch und rannte ein Stück voraus. Als sie sich umwandte, sah sie den schier endlos langen Treck der Siedlergespanne.

Dann schrie Svetas Mutter auf.

Sie ließ den Korb mit den Eiern darin fallen, den sie aus der Feldküche genommen hatte, und erklomm in Windeseile den Kutschbock. Sie rief den Namen von Svetas Vater, der auf der anderen Wagenseite hustete und kräftig ausspuckte. Er beruhigte seine Frau, doch Sveta spürte, dass ihm dabei nicht einerlei war.

»Sveta!«, schrie die Mutter und wedelte mit dem Arm. »Bring die Stricktücher vom Wagen! Beeil dich! Bring sie her und halte die Pferde an!«

Von den anderen Planwagen kamen mürrische Rufe, als das Gespann der Familie anhielt und sich die Speichenräder knietief in den Schlamm gruben. Die Stricktücher lagen zusammengefaltet auf den Krautfässern, die Svetas Vater mit dem alten Schlepptau festgebunden hatte. Sie sprangen Sveta fast von den Händen, als sie einen Satz hinunter von der Kutsche machte.

»Wo bleibst du denn?«, herrschte die Mutter ihre Tochter an und riss ihr eines der Tücher aus der Hand. Sie presste es ihrem Mann auf den speichelnassen Mund und hantierte mit einer Flasche Essigsirup. »Geh mir aus dem Weg! Mach Platz!«

Die Arme ihres Vaters waren steif wie ein Knochen, stellte Sveta fest und schrak zurück. Sie wollte ihrem Vater den Arm halten, wie er es bei ihr auf dem Schiff getan hatte, nachdem sie sich an der Reling gestoßen hatte. Die Atlantic Star war damals vier oder fünf Seemeilen vor New York gewesen.

»Lass... das Kind!«, presste Svetas Vater hervor und klammerte sich mit seiner verkrampften rechten Hand am Planwagen fest. Er verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln. »Hast du Angst, Sveta? Du musst keine Angst haben. Es ist... es ist nur eine Krankheit.«

Die Krankheit hatte letzte Woche Dutzenden Männern das Leben gekostet. Sie hatte sie bei der Notdurft erwischt, und manchmal hatte es nach Schweiß und Kot dabei gerochen, dass Sveta übel geworden war. Sie hatte sich von den Zelten der anderen Familien ferngehalten, wie es ihr die Mutter geraten hatte.

»Schweig still!«, kreischte Svetas Mutter nun fast und stützte ihren Mann. Sie träufelte etwas vom Essig in das Tuch und hielt es ihm unter die Nase. »Ruhig, mein Lieber! Atme es sein! Ganz in Ruhe!«

»Nimm den verfluchten Dreck weg!«, schrie Svetas Vater und ließ einige russische Schimpfwörter folgen, die in keinem Schulbuch zu finden waren. »Du rettest mich nicht mehr... Es geht zu Ende, Sophiechen! Du musst dich um das Mädchen kümmern!« Er hustete und wurde am ganzen Leib von einem Krampf geschüttelt. »Sorg dich... um Sveta!«

In der nächsten Sekunde floss ein Schwall durchsichtigen Bluts über seine Lippen und tropfte aufs Hemd hinunter. Die Mutter eilte an Sveta vorbei, um das Essigwasser zu holen. Sie hatten es in Sioux City besorgt, und der Apotheker hatte behauptet, dass sich damit alles heilen ließ.

Der Mann hatte offenkundig gelogen.

Das Essigwasser kam zu spät für Svetas Vater, der sich am Wagenrad festhielt und mit den Krämpfen rang. Er bedeutete Sveta mit der rechten Hand, dass sie fernbleiben sollte, brach zusammen und rutschte in die schlammige Erde hinunter. Der Regen wusch ihm das Blut vom Kinn und überzog seine Haut mit Glas.

Eine Minute darauf war der Vater tot.

Er saß mit halb geschlossenen Augen vor Sveta, als wollte er sein Mittagsschläfchen machen. Seine Hände lagen leblos in der nassen Erde. An sie würde Sveta noch Jahre darauf denken, sobald ihre Gedanken zu diesem Tag zurückkehrten.

»Mutter!«, rief Sveta aus voller Kehle. »Mutter!«

Die Bordelle von Sioux City genossen einen exzellenten Ruf, der zuvörderst einem Häufchen Louisianerinnen zu verdanken war. Die Frauen waren vor einigen Jahren mit einem Sonderzug der Sioux City & Pacific Railroad in die Stadt gelangt und hatten der Eisenbahngesellschaft auf einen Schlag zwanzig Morgen Land abgekauft. Die Railroad-Magnaten hatten unterzeichnet, ehe sie begriffen hatten, worum es dem »Weiberhaufen« eigentlich ging.

»Zwanzig Takte für die Liebe!«, schrie Dany Walker und warf den Cancan-Rock in die Höhe. Sie stolzierte über die breite Bühne, die der ganze Stolz des Hilarious Hotel war und jeden Abend mit einer Revue aufwarten konnte. »Zwanzig Takte für die Lust!«

Die Männer auf den Zuschauerrängen warfen die Hände in die Luft und jubelten so laut, dass keiner von ihnen das eigene Wort verstand. Sie grölten Danys Spitznamen – Miss Walker-Walker – und schmetterten die leeren Whiskeygläser auf den Tisch. Das Piano setzte zu einer Polka an und ging im Gebrüll der Menge unter.

Der breitschultrige Fremde am Tresen griff nach seinem Scotch.

Er leerte das Pint bis auf den letzten Tropfen, starrte auf das Telegramm in seiner Hand und faltete den Papierbogen säuberlich zusammen. Die Telegraphengesellschaft hatte ihm einen Eilkurier geschickt, so dringlich war die Botschaft eingestuft worden. Sie stammte aus dem Hauptquartier in Washington und war vom Justizminister unterzeichnet worden.

Die beiden Zeilen auf den Bogen fielen spärlich aus.

Sie setzten Lassiter lediglich darüber in Kenntnis, dass man ihn in Sioux City erwartete und den hiesigen Mittelsmann Doc J. B. Van Velson benachrichtigt habe. Von ihm würde der Mann der Brigade Sieben alles Nötige für seinen Auftrag erfahren.

Unter Applaus brachte Dany Walker ihren Auftritt zu Ende.

Sie eilte mit verschwitztem Haar von der Bühne, steckte die widerspenstigen schwarzen Strähnen zu einem Dutt zusammen und kämpfte sich unter dem Balzgehabe der Männer einen Weg zu Lassiter frei. Als sie die vollbesetzten Tische hinter sich gelassen hatte, setzte sie ein verführerisches Lächeln auf und steuerte die Bar an.

»Miss Walker-Walker«, begrüßte Lassiter seine alte Freundin und schloss Dany in die Arme. Er roch an ihrem Haar, das wie eh und je nach Holunder duftete. »Du springst kein bisschen weniger munter herum.«

Dany lachte und sprang neben ihm auf einen Barhocker. »Was hattest du erwartet? Dass ich mit Ende zwanzig zur Greisin werde?« Sie winkte dem Barkeeper. »John! Gib mir den Roten! Ich brauch' etwas im Magen.«

Die letzte Begegnung zwischen Lassiter und Miss Walker lag eine halbe Ewigkeit zurück. Sie hatten ein paar Nächte in Fort Nelson zusammen verbracht, das damals unter einer Sioux-Belagerung gestanden hatte und nur durch Lassiters geschickte Verhandlungen einem Blutbad entronnen war. Sein Geschick hatte Dany zu abenteuerlichen Kniffen im Bett angeregt.

»Sherry!«, rief der Barkeeper und zog eine Flasche aus dem Regal. »Kommt sogleich, Mylady! Du hast den Kerlen die verdammten Schädel verdreht! Ich wüsste keinen, der dich nicht angestarrt hätte!«

»So soll's sein!«, konterte Dany gutgelaunt und beugte sich zu Lassiter hinüber. Sie legte ihm eine Hand auf den Oberschenkel und strahlte vor Glück. »Fünf Jahre bist du jetzt weg. Damals warst du noch bei Wells Fargo.«

»Längst vergessen«, brummte Lassiter und betrachtete seine frühere Geliebte von Kopf bis Fuß. Sie war aufgeblüht im gesetzlosen Dakota-Territorium. »Ich arbeite inzwischen fürs Gesetz. Es war Zeit dafür.«

Zweifelnd wiegte Dany den Kopf. »Sturköpfe wie du ändern sich nicht.« Sie küsste Lassiter sanft auf die Wange. »Du hast mir gefehlt, weißt du?«

Inzwischen war der Sherry gekommen.

Der Abschied vor fünf Jahren war ohne Tränen vonstattengegangen, obgleich Dany etwas für Lassiter übrig gehabt hatte. In einer ihrer gemeinsamen Nächte hatte sie ihm zugeflüstert, dass sie seine Frau werden würde, sofern es ihm in den Sinn käme, sie danach zu fragen.

Doch Lassiter hatte nicht gefragt.

Er war in den Zug hinunter nach Sioux City gestiegen, hatte sich aus dem Fenster gelehnt und Dany jenes verschmitzte Lächeln geschenkt, mit dem der große Mann jedes Frauenherz besänftigte. Der Qualm der 487er-Dampflokomotive hatte den Bahnsteig verschlungen, und einige Stunden darauf war Dany so weit fort gewesen, dass sie bereits zur Erinnerung geworden war.

»Wo bleibst du zur Nacht?«, erkundigte sich Dany und sah Lassiter tief in die Augen. »Ich könnte dir ein Zimmer im Hilarious beschaffen. Oben sind noch ein paar Kammern frei.« Sie fuhr mit dem Finger an seinem Hals hinunter. »Eines davon ist mit Gesellschaft.«

Das Zimmer No. 4 entsprach ganz dem opulenten Viktorianerstil, dem das Hilarious Hotel ebenso die wuchtige Balustrade an der Vorderfront und die bernsteinfarbenen Kristalllüster an den Decken verdankte. Neben einem geräumigen Diwan beherbergte das Zimmer einen schmucken Sekretär und einen Waschtisch, auf dem duftende Seifen lagen.

Dany fegte die Seifenschalen mit dem Arm beiseite.

Sie keuchte vor Begierde, riss sich die perlweiße Korsage herunter und schlang beide Beine um Lassiters Lenden. Unter dem weißen Samt kamen die vollen Brüste und die gebräunte Haut zum Vorschein, als reichte der verführerische Anblick nicht aus, den sie zuvor geboten hatten.

»Sei bloß still!«, stieß Dany hervor und ließ sich rücklings auf den Toilettentisch sinken. Sie drückte Lassiter einen Finger auf Mund und Nase. »Drüben ist der alte Smith zugange, der alles brühwarm herumerzählt, was er im Hilarious zu hören kriegt.« Sie krallte die Finger in die Brust ihres Liebhabers. »Ich kann keine eifersüchtigen Kerle auf der Türschwelle brauchen.«

Der Mann der Brigade Sieben stieß hart zu.

Er hielt seine Geliebte unter den Schultern fest und neigte sich zu einem Kuss hinunter, den Dany mit Leidenschaft erwiderte. Nach einer Viertelstunde verlagerte das Paar das Schäferstündchen hinüber zum Diwan, dem das zusätzliche Gewicht weniger zusetzte als dem Waschtisch.

»O Lassiter!«, seufzte das Bordellmädchen und schloss die Augen. Es spreizte die Beine und vergrub die Hände in Lassiters sandblondem Haar. »Mach bloß so weiter... Mir kommt's, jawohl! Mir kommt's!«

Im nächsten Moment lächelte Dany beschämt und kroch unter die Wolldecke. Sie schmiegte sich an Lassiter und flüsterte ihm zu, dass sie Männer von seiner Couleur selten ins Bett bekäme. »Meist sind's raubeinige Saufbolde, die keinen geraden Satz über die Lippen kriegen.«

Mit dem Zigarillo im Mundwinkel hörte Lassiter schmunzelnd zu.

Der Einspänner von Doc J. B. Van Velson hatte rostige Achsen und ratterte die Mainstreet von Sioux City so gemächlich herunter, dass eine Gruppe älterer Frauen daneben mühelos Schritt halten konnte. Er bog in die Cornell Street ein, die südwärts abzweigte und von jenem Gesindel bewohnt war, das Van Velson auch für die Cholera in Yankton verantwortlich machte. Der Doc scheuchte eine Schar Hühner auseinander und hielt Ausschau nach dem Agenten, den ihm das Hauptquartier im nächtlichen Telegramm angekündigt hatte.

Die verdammte Cholera raffte selbst die Stärksten dahin.

Vor zwei Tagen hatte es Mr. Perkins erwischt, der in Yankton einen Kohlenhandel betrieben hatte; in der letzten Nacht die erst vierzehnjährige Anna-Sue, die quietschfidel gewesen war, bevor sie mit Bauchschmerzen auf der Pritsche lag und qualvoll krepierte. Die wenigsten Bürger von Yankton zweifelten noch daran, dass es die Seuche in ihrer Mitte gab.

»Aus dem Weg!«, rief Van Velson mit seiner durchdringenden Stimme, die auch einem Frachtkutscher gut zu Gesicht gestanden hätte. Er schwang die Peitsche und ließ sie auf den Pferderücken niedersausen. »Muss doch wohl bitte, Lady! Sie halten einen Arzt auf!«

Die Dame vor ihm auf der Straße sprang kreischend zur Seite und drohte mit dem Regenschirm, den sie zuvor unter dem Arm getragen hatte. Sie lief zum Schmuckladen von E. F. Brown hinüber, jenem schmächtigen Kerl, der manchmal hinauf nach Yankton kam und um die Schuldirektorin warb.

»Endlich!«, seufzte Van Velson und beschleunigte den Einspänner. Er hatte vor dem Gemischtwarenladen von Adam Moore einen Fremden erspäht, zu dem die Beschreibung aus dem Hauptquartier passte. »Mr. Lassiter? Hey! Mr. Lassiter?«

Der Mann am Straßenrand tippte sich höflich mit zwei Fingern an den Hut. »Doktor? Doktor Van Velson?«

»Sollte so sein!«, erwiderte Van Velson und schlang die Zügel um den Kutschknauf. Er stieg unter dem Verdeck hervor und strich sich die Hose glatt. »Mir ist mitgeteilt worden, dass Sie in Sioux City sind. Ich muss Sie in einer Angelegenheit unterrichten, die für den Präsidenten und die Regierung offenbar von höchster Dringlichkeit ist.«

Aus nördlicher Richtung näherte sich die Kutsche von Joseph Morgan, der in der Stadt Geschirr, Essigflaschen und andere Glaswaren verkaufte. Er war für sein loses Mundwerk bekannt, zu dem sich eine ausgesprochene Geschwätzigkeit gesellte.

»Wollen Sie hinüber ins Hilarious?«, fragte der groß gewachsene Mann mit den stahlblauen Augen. Er ließ sich durch Van Velsons Unruhe in keiner Weise verunsichern. »Auf einen Whiskey oder einen Scotch?«

Der Arzt schüttelte den Kopf und äugte zu Morgan hinüber, der bereits neugierig den Hals reckte, als könnte er etwas verpassen. »Nein, Sir, kein Hilarious für uns. Ich muss ungestört mit Ihnen sprechen.« Er wies auf die Bank des Einspänners. »Springen Sie an Bord!«

Zwanzig Minuten darauf rollte die Kutsche am Ufer des Missouri dahin.