Lassiter 2511 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2511 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Zitternd schlang Alina Orlowa die Decke enger um ihren durchgefrorenen Körper und hoffte inständig, dass die Postkutsche, die sie in den Westen brachte, bald an einer Station halten würde. Lange vermochte sie die Kälte nicht mehr zu ertragen.
Als sie die Reise vor einer Woche angetreten hatte, war weit und breit keine Wolke zu sehen gewesen, und nun befand sie sich im schlimmsten Unwetter, das sie jemals erlebt hatte. Regen trommelte auf das Dach der Kutsche wie Artilleriefeuer und der Sturm heulte wie eine wilde Nachtkreatur auf Beutezug. Die Dunkelheit vor dem Fenster verstärkte ihr Unwohlsein noch. Man konnte schließlich nie wissen, wer dort lauerte ...


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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Die ver schwundene Braut

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Boada / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9993-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die verschwundeneBraut

Zitternd schlang Alina Orlowa die Decke enger um ihren durchgefrorenen Körper und hoffte inständig, dass die Postkutsche, die sie in den Westen brachte, bald an einer Station halten würde. Lange vermochte sie die Kälte nicht mehr zu ertragen.

Als sie die Reise vor einer Woche angetreten hatte, war weit und breit keine Wolke zu sehen gewesen, und nun befand sie sich im schlimmsten Unwetter, das sie jemals erlebt hatte. Regen trommelte auf das Dach der Kutsche wie Artilleriefeuer, und der Sturm heulte wie eine wilde Nachtkreatur, die sich auf Beutezug befand. Die Dunkelheit vor dem Fenster verstärkte ihr Unwohlsein. Man konnte schließlich nie wissen, wer dort lauerte.

Immer wieder erwischten die Räder ein Schlagloch und rüttelten Alina auf ihrem Sitz umher. Sie klammerte sich an die Polster und wünschte sich in die Geborgenheit der Double-T-Ranch zurück. Zugegeben, das Leben dort war ein einsames, weil die nächste Stadt gut vierzig Meilen entfernt war, aber sie hatte sich sicher gefühlt.

Alina grub die Zähne in die Unterlippe und dachte an ihr Zuhause.

Ein hübsches Ranchhaus. Umgeben von grünen Koppeln, die sich bis zu den Bergen erstreckten. Mit Pferden, so weit das Auge reichte. Das Klima war rau, aber kein Vergleich mit dem Wolkenbruch, der sie hier in Kalifornien begrüßte.

Alina hatte damit gerechnet, dass der Herbst kühl und wechselhaft sein konnte, aber nicht einmal der Kutscher hatte ein drohendes Unwetter erwähnt.

Sonnenschein. Apfelsinen. Warme Temperaturen.

So hatte ihr Vater ihr die neue Heimat angepriesen.

Stattdessen schien sie geradewegs ein Inferno zu fahren.

Dass sie allein in der Kutsche saß, machte es nicht besser. Wie ihre Mutter war sie mit einer lebhaften Fantasie geschlagen, und die gaukelte ihr nun allerlei Halunken und Ungeheuer vor, die da draußen im Sturm nur darauf warteten, ihr Gefährt zu überfallen und sie ins Verderben zu reißen.

Alina zog die Ärmel ihres dunkelblauen Reisekleides über ihre Hände und schmiegte sich tiefer unter die Decke. Ihre Finger waren eiskalt. Das Kleid war eigentlich zu dünn für diese Kälte. Es war jedoch das hübscheste Modell, das sie besaß, und sie wollte ihrem Verlobten gefallen, wenn er sie an der Station abholte.

Ihrem Verlobten. Bei diesem Gedanken tat ihr Herz einen kleinen Hüpfer.

Mit siebenundzwanzig Jahren war sie eigentlich schon zu alt zum Heiraten. Dabei war sie dem Eheleben durchaus nicht abgeneigt. Aber wen hätte sie zum Mann nehmen sollen? Den Stallknecht, der alt genug war, um ihr Großvater zu sein? Oder die beiden Wachmänner, die ihr Vater bezahlte und die sich hüteten, sie auch nur scharf anzusehen? An den beiden prallte jedes Lächeln ab. So beschränkten sich Alinas romantische Erfahrungen auf die Schmöker, die sie in einem Karton im Schrank ihrer Mutter aufgestöbert hatte. Ganz hinten verborgen, wie ein Geheimnis.

Alina blinzelte. Ihre Mutter war vor wenigen Wochen gestorben, und ihr Vater hatte entschieden, dass sie nicht allein auf der Ranch bleiben konnte. Aus diesem Grund hatte er einen passenden Ehemann für sie gesucht und auch gefunden. Alina war ihrem Zukünftigen noch nicht begegnet, aber ihr Vater hielt ihn für geeignet.

Spencer Dunham war ein Geschäftsmann und Spekulant. Gut aussehend und trotz seiner vierundvierzig Lebensjahre bisher unvermählt. Alina konnte es kaum erwarten, ihm endlich gegenüberzutreten.

In drei Tagen würde sie ihn heiraten.

Sofern sie denn heil an ihr Ziel gelangte.

Was unwahrscheinlich erschien, als sie nun erneut durch ein Schlagloch rumpelten und es krachte, als würde das Gefährt jeden Moment auseinanderbrechen. Der Sturm rüttelte an der Kutsche wie ein Farmerjunge an einem Apfelbaum mit reifen Früchten. Es grenzte an Wahnsinn, bei diesem Wetter weiterzufahren.

Alina beugte sich vor und pochte an die vordere Wand der Kutsche.

»Können wir eine Rast machen, bitte?«, rief sie.

Die einzige Antwort, die sie zu hören bekam, bestand im Fauchen des Unwetters.

Vermutlich hatte der Kutscher sie nicht einmal gehört.

Ein weiteres Schlagloch kam so unerwartet, dass Alina nach rechts geschleudert wurde und sich den Kopf am Einstieg anschlug. Sie presste eine Hand an ihre Schläfe, stemmte die Stiefel in den Boden und klammerte sich mit der freien Hand an den Polstern fest. Diese Fahrt würde vergehen wie alles andere auch, machte sie sich selbst Mut. In wenigen Stunden würde sie in einem warmen, weichen Bett liegen und von ihrer Hochzeit träumen. Sie musste nur eines tun: durchhalten.

Und das würde sie auch. Es lag ihr im Blut.

Ihre Vorfahren gehörten dem russischen Adel an. Ihr Vater war in eine alte, aber verarmte Familie geboren worden. Er hatte sein Land verlassen, um sein Glück in der Fremde zu suchen. Über seine Geschäfte wusste Alina nichts. Sie mussten jedoch gewisse Gefahren mit sich bringen, denn er ließ Alina nie ohne Schutz irgendwohin gehen und lebte auch nicht mit auf der Ranch, sondern eine Wochenreise entfernt. Als wäre sie sicherer, wenn er sich fernhielt.

Aus dem Augenwinkel bemerkte Alina ein Licht vor dem Fenster. Nur für einen Sekundenbruchteil flammte es auf. Etwas krachte. Dann schrie der Kutscher auf. So laut, dass er sogar das Brüllen des Unwetters übertönte. Die Kutsche nahm noch mehr Fahrt auf, flog förmlich dahin. Wasser spritzte unter den Rädern auf, die Pferde wieherten und bevor Alina es sich versah, blitzte und krachte es erneut.

Jetzt erst dämmerte es ihr:

Mündungsfeuer!

Da schoss jemand auf sie!

Ein Ruck ging durch die Kutsche.

Die Pferde! Sie machten sich lang, preschten über den unebenen Untergrund geradewegs in die Dunkelheit!

Alina klammerte sich an ihren Sitz, während ein Schrei in ihrer Kehle klemmte. Sie musste alle Kräfte aufbieten, um sich aufrecht zu halten, während ihr Gefährt gehörig durchgerüttelt wurde, als würde es von einer unsichtbaren Faust geschüttelt.

Waren sie überhaupt noch auf der Straße? Und wer schoss da auf sie?

Sie spähte aus dem Fenster und versuchte, etwas zu erkennen, aber in der Dunkelheit nahm sie nur verschwommene Silhouetten wahr, die parallel zu ihrem Gefährt dahinrasten. Vier Reiter. Vielleicht mehr. Ein Reiter beugte sich im Sattel vor, preschte dahin wie ein lebendig gewordener Schatten.

Und er schoss! Schoss auf ihre Kutsche!

Sie wurden immer schneller.

Wieder knallte es! Diesmal erlosch das Licht vorn an der Kutsche.

Schlagartig wurde es stockdunkel.

Alina presste die Faust vor ihren Mund.

Hinter beiden Fenstern flammten Mündungsfeuer auf. Kugeln schwirrten heran wie wütende Bienen, schlugen in die Wände der Kutsche ein.

Alina warf sich auf den Boden.

Keinen Augenblick zu früh!

Ein Bleistück raste durch das Holz und dicht über ihrem Kopf hinweg. Es hätte sie durchbohrt, hätte sie sich nicht abgeduckt!

Holzspäne flogen. Weitere Kugeln zischten herein.

Wütende Rufe gellten.

In halsbrecherischem Tempo schoss die Kutsche weiter.

Und so kam es, wie es wohl kommen musste.

Wieder nahmen sie ein Schlagloch mit. Wasser spritzte hoch auf. Es knirschte markerschütternd. Bevor Alina reagieren konnte, tat das Gefährt einen Satz – und stürzte im nächsten Augenblick um!

Oben und unten vermischten sich. Alina wurde umhergewirbelt, knallte gegen Wände und Bänke. Ihr Körper schien vor Schmerzen zu explodieren.

Sie hörte noch einen Schrei, ohne zu realisieren, dass er aus ihrer eigenen Kehle kam. Dann zog die Nacht sie in ihre Arme.

Der Sommer war heiß und trocken gewesen. Zu Hunderten und Aberhunderten waren die Longhorns verendet, weil ihnen das Wasser gefehlt hatte. Tag und Nacht hatten die Rancher um Regen gebetet.

Und der kam!

Unaufhörlich prasselten die Tropfen auf die Erde, verwandelten den Staub auf den Trail in Schlamm und füllten Flüsse bis zum Überlaufen.

Der Himmel wölbte sich bleigrau und schwer über den Hügeln, als Lassiter nach Silverton ritt. Schon längst hatte er keinen trockenen Faden mehr am Leib. Der Regen war sogar unter seine Lederkleidung gedrungen und tropfte von seinem Hut, den er sich tief ins Gesicht gezogen hatte.

Sein Pinto trottete mit gesenktem Kopf voran. Er sank bis über die Hufe ein und schnaubte von Zeit zu Zeit, als wollte er fragen, ob der Weg noch weit war.

Der Geruch von Schlamm und nasser Erde füllte die Luft.

Vor ihnen tauchte ein Fluss auf. Bei schönem Wetter ein friedliches Gewässer, das sanft plätschernd südwärts floss, nun jedoch ein wild sprudelndes Ungeheuer, das sich weit über seine Ufer ausgedehnt hatte und schäumend vorwärtsschoss. Er brauste wie ein hungriges Ungeheuer, bereit, alles und jeden zu verschlingen, der sich in seine Nähe wagte. Eine Brücke spannte sich über dem Wasser auf. Sie hielt den Fluten stand, die an ihr zerrten. Zumindest noch.

Lassiter ließ seinen Pinto langsamer gehen.

Das Holz der Brücke war rutschig vor Nässe. Immer wieder spülten Wogen über die Bohlen hinweg. Der Wallach setzte seine Hufe vorsichtig, und das war gut so. Es knirschte und knackte unter ihnen, als würde das Holz der Belastung nicht mehr lange standhalten.

Wolkentürme ballten sich am Himmel zusammen. Schatten überzogen das Firmament, dabei war die Mittagsstunde kaum überschritten.

Etwas Braunes trieb auf die Brücke zu.

Ein Pferd! Vergebens kämpfte es gegen die Strömung an. Es wurde mitgerissen, tauchte unter und kam wieder hoch. Blutige Wunden zeichneten sich auf seinem Fell ab. Der schroffe Untergrund musste sie gerissen haben. In den Augen des Tieres war das Weiße zu sehen. Es spürte, dass es verloren war. Und seine verzweifelten Rufe klangen beinahe menschlich.

Lassiter konnte nicht einfach zuschauen. Er brachte seinen Pinto mit einem Schenkeldruck auf der Brücke zum Stehen, riss das Lasso von seinem Sattel und holte aus. Ein Schwung und die Schlinge flog auf den Braunen zu, aber just in diesem Augenblick drückte die Strömung ihn erneut unter Wasser.

Der Wurf schlug fehl!

Lassiter holte das Lasso ein, während der Braune weitergerissen wurde und wenig später nicht mehr zu sehen war.

Der große Mann knirschte mit den Zähnen.

Er ritt im Auftrag der Brigade Sieben nach Silverton. Diese Organisation hatte ihren Sitz in Washington und arbeitete im Verborgenen. Das bedeutete, dass ihre Agenten bei ihren Missionen auf sich gestellt waren. Lassiter arbeitete allein und er hätte es auch nicht anders haben wollen.

Sein neues Ziel war eine Bergarbeitersiedlung im Norden von Kalifornien. Hier waren zwei Männer verschwunden: Paul Frenzeny und Jules Tavernier. Die beiden Korrespondenten waren im Auftrag des New Yorker Magazins »Harpers Weekly« unterwegs. Für diese Zeitschrift reisten sie ein Jahr lang umher und berichteten über den Alltag im Westen – in Bildern und Kommentaren. Beide Männer waren Künstler und fingen das Leben in den entlegenen Gebieten mit ihren Illustrationen ein.

Vor einiger Zeit waren ihre Meldungen unvermittelt abgebrochen.

Ihre letzte Nachricht besagte, dass sie in Silverton in Bedrängnis geraten waren.

Seitdem hatte es keinen Kontakt mehr gegeben.

Der örtliche Sternträger stand vor einem Rätsel, deshalb war Lassiter losgeschickt worden, um das Schicksal der beiden Männer aufzuklären.

Viel wusste er nicht. Nur ihre Namen, ihre Mission – und dass sie auf etwas gestoßen waren, das nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollte. Worum es sich dabei handelte, blieb geheim. Seine Auftraggeber gaben selten viele Informationen preis. Diesmal hielten sie sich sogar noch bedeckter als sonst.

Was auch immer die beiden Reporter gefunden hatten, war wichtig genug, um ihr Verschwinden zu einem Fall für die Brigade Sieben zu machen.

Bei seiner vorigen Mission hatte er allerhand Blessuren abbekommen und sich bei Fiona und ihren Kolleginnen im Blue Heaven erholt. Die Girls hatten ihn gar nicht gern ziehen lassen, als das Telegramm mit dem neuen Auftrag eingetroffen war. Einige hatten gar Tränen in den Augen gehabt, aber Job war Job, und so war er nun wieder unterwegs. Vielleicht gab es in Silverton nette Ladys, die gern seine Bekanntschaft machen würden?

Sein Pinto geriet ins Schlittern. Der Ruck riss den großen Mann ins Hier und Jetzt zurück. Er verlagerte sein Gewicht und hielt sich im Sattel. Sein Wallach trottete weiter. Der Trail führte nun am Fluss entlang. Ein toter Hund trieb vorbei. Kisten tanzten auf dem Wasser und wurden blitzschnell fortgerissen. Der Fluss führte bei schönem Wetter klares, blaues Wasser, jetzt strömte eine schlammige Brühe an dem Agenten vorbei, die nach Unheil und Tod stank.

Ein Mann wurde vorbeigetrieben.

Seine verrenkten Glieder verrieten, dass kein Leben mehr in ihm war.

Lassiter schwante nichts Gutes.

Silverton lag flussaufwärts.

Die Wassermassen kamen von dort...

Wenig später führte der Trail um einen felsigen Hang herum. Die Bergarbeitersiedlung schmiegte sich an den Berg wie ein Wolfsjunges an seine Mutter. Zelte und rasch zusammengezimmerte Hütten standen hier. Oder zumindest das, was davon noch übrig war.

Der Fluss hatte die Siedlung völlig überspült!

Die Siedlung lag in einem Taleinschnitt. Braune Wassermassen schäumten um die eingestürzten Hütten. Trümmer und Leichen trieben im Wasser. An einem Holm waren Pferde angebunden. Sie trieben auf dem Wasser, das ihren Corral überflutete. Die Lederriemen hielten sie fest. In keinem der Tiere war noch Leben.

Lassiter umklammerte den Zügel unwillkürlich fester.

Das Wasser war schneller gewesen.

»Hilfe!«, kam es mit einem Mal von oben.

Gut zwanzig Yards über ihm klammerte sich ein Mann an die Felswand. Einer der chinesischen Bergarbeiter war es, in einem braunen Kittel und mit einem spitzen Hut auf dem Kopf. Sein Gesicht war bleich wie frisch gefallener Schnee. Er schien sein Heil in der Flucht nach oben gesucht zu haben und kam nun offenbar weder vor noch zurück. Dort oben war er sicher vor dem Flusswasser, aber weiter hinaufzuklettern erlaubten die steilen Felswände nicht. Noch dazu war das Gestein feucht und rutschig vom Regen. Er saß dort oben fest!

Lassiter brachte sein Pferd zum Stehen. Wasser spülte um die Hufe des Tieres. Der Pinto tänzelte nervös.

»Ich komme rauf zu Ihnen! Halten Sie sich fest!«

Die Worte waren kaum heraus, als der Miner plötzlich abrutschte. Mit einem gellenden Schrei stürzte er in die Tiefe und prallte mit einem dumpfen Laut gegen den Felsen, überschlug sich und landete auf dem eingedrückten Dach einer Hütte. Einer der Balken bohrte sich durch seinen Leib.

Diesem Mann war nicht mehr zu helfen.

Lassiter zerbiss einen Fluch auf den Lippen und stieg von seinem Pinto, um sich im Lager umzusehen. Die Fluten hatten ganze Arbeit geleistet. Sie mussten die Miner überrascht haben, das bewiesen die Pferde, die noch angebunden waren. Womöglich war das Wasser gekommen, als die Männer noch geschlafen hatten.

Lassiter band sich ein Seil um den Leib und machte es an einer Felsnadel fest.

Dann watete er vorsichtig in das Wasser. Sogleich spürte er den Sog, der an ihm zerrte. Der Boden war rutschig. Langsam wagte er sich tiefer vor, kämpfte dagegen an, von den Füßen gerissen zu werden.

Unter den Trümmern der Hütten stieß er auf mehrere Leichen. Jeder der Männer gehörte zu den chinesischen Bergarbeitern. Und nicht einer war noch am Leben.

Keinem der Miner schien die Flucht gelungen zu sein.

Das Wasser hatte sie alle mit in den Tod gerissen.

Und die beiden Journalisten?

Paul Frenzeny und Jules Tavernier waren nirgendwo zu finden.

Wenn sie sich im Lager aufgehalten hatten, waren sie vermutlich ebenfalls tot. Dann würden ihre Leichen flussabwärts getrieben und irgendwo an Land gespült werden. Vermutlich etliche Meilen entfernt!

Lassiter zog sich an dem Seil zurück an Land und kletterte auf einen Vorsprung. Er schob seinen Hut in den Nacken und sah sich prüfend um.

Sein Pferd tänzelte unruhig hin und her. Das Wasser reichte ihm nicht mehr nur bis über die Hufen, nein, inzwischen schwappten die ersten Wogen bis zum Bauch des Tieres. Das Wasser stieg rasend schnell! Nicht mehr lange, und alles würde vollends überschwemmt sein. Sie mussten hier weg, solange die Brücke noch passierbar war.

Lassiter watete zu seinem Pinto und stieg in den Sattel.

Er ritt zurück zur Brücke, die bedrohlich unter ihm ächzte.

Nicht weit entfernt gab es eine kleine Stadt mit einem Telegrafenamt. Das war sein nächstes Ziel. Er musste nach Washington durchgeben, dass die beiden Korrespondenten verschwunden waren und er sich auf die Suche nach ihnen machen würde... So weit war er mit seinem Plan gekommen, als unvermittelt in der Nähe ein Schuss peitschte!

Es blieb nicht bei diesem einen Schuss.

Mehrere Gewehre krachten, spuckten Feuer und Blei.

Wenige Atemzüge später preschten am Ufer des Flusses vier Reiter heran, rasten in wildem Galopp näher. Wasser spritzte unter den Hufen ihrer Reittiere auf. Alle vier trugen lange Staubmäntel und Hüte. Vor Mund und Nase hatten sie ihre Bandanas gebunden. Ein jeder hielt einen Revolver in der Faust. Während sie ihre Pferde weiterpeitschten, drehten sie sich immer wieder um und schossen hinter sich.