Lassiter 2515 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2515 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Henry Hembley hatte schon viele Bremser sterben gesehen. Gute Männer, denen das Schicksal einen bösen Streich gespielt hatte. Ihm sollte das nicht passieren. Nein, er wollte es bis zum Lokführer bringen und die alte Lady selber führen.
Eingehüllt von Dampf und Rauch saß Henry auf dem Dach des schwankenden Güterwagens, ließ die Beine herunterhängen und die Telegraphenmasten an sich vorüberziehen. Bis zur nächsten Station waren es noch gut zwanzig Meilen. Zeit genug, um die Augen zu schließen, von Sally zu träumen und ...
Drei Pfiffe schrillten kurz hintereinander durch die Nacht und brachten den jungen Bremser auf die Beine. Drei Wagenlängen vor dem Zug der Denver & Rio Grande Eisenbahngesellschaft fehlte eine ganze Schiene! Henry packte das Handrad der Bremse, sandte ein Stoßgebet zum Himmel und begann mit aller Kraft zu drehen ...


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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Lassiter und die Wildkatze

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ertugrul Edirne / Becker-Illustrators

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9997-4

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Lassiter und die Wildkatze

Henry Hembley hatte schon viele Bremser sterben gesehen. Gute Männer, denen das Schicksal einen bösen Streich gespielt hatte. Ihm sollte das nicht passieren. Nein, er wollte es bis zum Lokführer bringen und die alte Lady selber führen.

Eingehüllt von Dampf und Rauch saß Henry auf dem Dach des schwankenden Güterwagens, ließ die Beine herunterhängen und die Telegraphenmasten an sich vorüberziehen. Bis zur nächsten Station waren es noch gut zwanzig Meilen. Zeit genug, um die Augen zu schließen, von Sally zu träumen und...

Drei Pfiffe schrillten kurz hintereinander durch die Nacht und brachten den jungen Bremser auf die Beine. Drei Wagenlängen vor dem Zug der Denver & Rio Grande Eisenbahngesellschaft fehlte eine ganze Schiene! Henry packte das Handrad der Bremse, sandte ein Stoßgebet zum Himmel und begann mit aller Kraft zu drehen...

Quälend langsam ruckte das Rad an.

Henry stemmte sich dagegen und bewegte es im Uhrzeigersinn. Über eine lange Stange übertrug es die Kraft nach unten zu der Handbremse und den Rädern.

Stampfend ratterte der Zug voran.

Noch war nichts von der Bremse zu spüren.

Weiter! Weiter!, trieb er sich in Gedanken selbst an.

Erneut schrillten drei Warnpfiffe der Dampfpfeife.

Als würde die Old Lady um Hilfe rufen, schoss es Henry durch den Kopf, und er verdoppelte seine Anstrengung.

Der Fahrtwind zauste seine roten Haare, wehte ihm die Schirmmütze vom Kopf. Er bemerkte es nicht einmal.

Nur noch zweieinhalb Wagenlängen.

Sie würden es nicht schaffen.

Im Leben nicht.

Der Zug stampfte mit beinahe unveränderter Geschwindigkeit südwärts.

Am anderen Ende des Zuges war sein Kollege Morten ebenfalls aufgesprungen und drehte hektisch an der Handbremse. Sein Gesicht leuchtete kalkweiß durch die Nacht, als würde sich das Mondlicht darin spiegeln.

Der Däne war lange genug Bremser. Er wusste, was ihnen bevorstand.

Henry konnte es nur ahnen.

Seit gerade mal einer Woche tat er seinen Dienst als Bremser.

Die primitiven Handbremsen waren elende Vorrichtungen, die auf den Dächern der Wagen mittels eiserner Handräder angezogen wurden und nur langsam fassten.

Viel zu langsam.

Sobald der Lokführer mit der Pfeife ein Bremssignal gab, machten sie sich ans Werk. Arbeiteten sich von jedem Ende des Zuges aus aufeinander zu. Dabei spielten sie jedes Mal mit ihrem Leben, wenn sie die Armlänge Abstand zwischen zwei schaukelnden Wagendächern mit einem beherzten Sprung überwanden.

Henry machte einen Satz auf das nächste Dach und kurbelte hektisch an der Handbremse. Dabei rutschte ihm die neueste Ausgabe der »Nickel Library« aus seinem Hemd: Prärie-Jim hieß der Roman. Der Wind wirbelte das Heft davon.

Nun würde er nie erfahren, ob Prärie-Jim gegen die Bandoleros bestand.

Henry knirschte mit den Zähnen, während er so schnell wie möglich das Rad drehte. Der Zug war auf dem Weg zu einem Bautrupp der Denver & Rio Grande Eisenbahngesellschaft. Die Güterwagen transportierten Baumaterial, Lebensmittelvorräte und die sehnlichst von den Arbeitern erwarteten Postsendungen. In den Personenwagen reisten zahlreiche neue Streckenarbeiter mit, welche den Trupp verstärken sollten.

Die Linie sollte nach Leadville, Colorado geführt werden.

Der Ort blühte auf, seitdem dort Erze in Hülle und Fülle abgebaut wurden. Ein gutes Geschäft für die Eisenbahn.

Allerdings war die Denver & Rio Grande nicht die einzige Eisenbahngesellschaft, die Interesse an der Eroberung des Frachtmarktes hatte!

Henry stöhnte.

Wir sind immer noch viel zu schnell! Wenn wir bei dieser Geschwindigkeit entgleisen, werden wir mit Mann und Maus draufgehen!

Er sprang auf den nächsten Wagen und kurbelte an der Handbremse. Schwitzte. Fluchte. Noch immer stampften sie mit mehr als fünfzig Meilen pro Stunde voran!

In der Ferne zeichneten sich karge, mit Schnee gepuderte Gipfel ab.

Das Mondlicht fiel auf die Schienen und verlieh ihnen das Aussehen silberner Fäden, die um die spärlich bewachsenen Hügel herumführten. Ein Stück davon fehlte. Nur noch eine Wagenlänge voraus.

Sein wild wummerndes Herz schien im Rhythmus mit den stampfenden Rädern zu klopfen. Er hatte sich vom Putzer hochgearbeitet. Hatte Zwölf-Stunden-Schichten im Lokschuppen geschoben und die Eingeweide der Old Lady mit Knäuel öliger Putzbaumwolle bearbeitet. Für einen Dollar fünfundsiebzig am Tag. So hatte er es zum Lokomotivwächter und schließlich zum Bremser gebracht. Sein Traum war es, das alte Mädchen eines Tages selber zu führen und genug Geld zu verdienen, um Sally zu heiraten. Ihrem Vater gehörte der General Store in seiner Heimatstadt Colby. Er hatte Henry klar gemacht, dass er seine Tochter nur einem Mann geben würde, der gut für sie sorgen würde. Dabei hatte er ihn mit seinem verbliebenen guten Auge angefunkelt, als könnte er ihm auf den Grund seiner Seele blicken.

Henry schwärmte schon lange von Sally. Sie sollte die Seine werden, sobald er den Sprung in die Lokomotive geschafft hatte. Er würde ein Haus für sie kaufen. Sie könnten eine Familie gründen. Und nun schien aus alledem nichts zu werden. Wie Giftpfeile schossen diese Gedanken durch seinen Schädel.

Seine erste größere Fahrt würde zugleich seine letzte sein.

»Wie sieht's aus?«, brüllte Morten ihm zu.

»Wir schaffen's nicht«, rief Henry zurück.

Sie stampften noch immer mit knapp fünfzig Meilen pro Stunde voran.

Er schätzte, es waren noch gut siebenhundert Yards, bis der Zug stehen würde.

Sie hatten keine Chance...

Aufgeben kam für Henry nicht in Frage. Er kurbelte weiter, sprang von Dach zu Dach und kurbelte, bis seine Hände schmerzten.

Die fehlende Schiene war fast erreicht!

Jede Faser seines Körpers drängte ihn, vom Zug zu springen, sich zu retten, aber er musste bremsen, wenn überhaupt jemand überleben sollte. Er musste!

Henry biss die Zähne so fest zusammen, dass es in seinen Ohren knirschte.

Es war ein ungeschriebenes Gesetz für jede Mannschaft: Sie hatten auf das Zeichen des Lokomotivführers zu warten, ehe sie abspringen durften.

Rawley hatte es noch nicht gegeben.

Also machte Henry weiter.

Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie sein Kollege mit einem gewagten Satz in die Tiefe sprang. Ein gellender Schrei war zu hören. Dann gab Morten keinen Laut mehr von sich. Heiliger Rauch! Er schien sich bei dem Aufprall sämtliche Knochen gebrochen zu haben. Henry beugte sich tiefer über sein Handrad, kurbelte schneller.

Die Männer in den Personenwagen werden nur überleben, wenn wir den Zug brechen lassen, raste es ihm durch den Kopf, sonst sterben wir alle zusammen. Die hinteren Wagen müssen abgekoppelt werden. Dann werden sie stehenbleiben. So schnell geht das aber nur mit einem Bruch.

Zu demselben Schluss schien auch der Lokomotivführer gekommen zu sein.

Er stieß vier lange Pfeiftöne aus.

Das Zeichen für ein Auseinanderbrechen des Zuges!

Henry hatte es noch nie miterlebt, aber er wusste, dass der Lokomotivführer nun die Notbremse betätigte und gleichzeitig voll den Regler öffnete.

Und es kam, wie es kommen sollte:

Der Zug brach auseinander!

Die drei Pullmannwagen am Ende des Zuges rollten aus und blieben stehen. Vier Personenwagen schoben sich noch ein paar Yards weiter und hielten dann ebenfalls an. Noch auf den Schienen! Sie waren gerettet!

»Haut ab!«, brüllte James Rawley aus dem Führerstand.

Im selben Augenblick raste die Lokomotive ins Leere. Vier Güterwagen, der Postwagen und ein Personenwagen folgten ihr und entgleisten. Wie von unsichtbaren Händen gezogen, drehte sich der Zug!

Henry wurde hochgeschleudert. Er glaubte, Reiter zu sehen, die hinter dornigen Büschen lauerten, aber bevor er genauer hinschauen konnte, vermischten sich oben und unten. Er verlor die Orientierung. Etwas traf ihn hart am Schädel, ließ Sterne vor seinen Augen explodieren. Ein Trümmerteil bohrte sich in seinen Rücken, raubte ihm die Luft und trieb einen schier unvorstellbaren Schmerz durch seinen Leib. Einen Schmerz, der ihn wünschen ließ, auf der Stelle zu sterben.

Schreie gellten, die nichts Menschliches an sich hatten.

Unter ohrenbetäubendem Krachen und Knirschen überschlugen sich die Trümmer des Zuges, schoben sich weiter und weiter. Es klang, als würde die Welt selbst auseinanderbersten. Die Old Lady stöhnte und ächzte im Todeskampf.

Eine riesige Dampf- und Rauchwolke hüllte sie ein.

Weiße Schwaden waberten auf den jungen Bremser zu.

Und dann war es plötzlich vorbei.

Stille dröhnte in seinen Ohren.

Er konnte nicht atmen, sich nicht bewegen.

Dann verschlang ihn die Dunkelheit wie der gefräßige Schlund eines Ungeheuers.

Lassiter blieb reglos auf seinem Pinto sitzen, die Hände auf das Sattelhorn gestützt. Im Abendlicht war das Wasser des Bergsees beinahe schwarz. Krumme Kiefern reckten sich am Ufer, zeichneten sich dunkel wie Scherenschnitte vor dem Himmel ab. Dahinter ragten zerklüftete Bergspitzen auf.

Obwohl die Sonne bereits untergegangen war, war die Luft noch angenehm mild. Der Frühling kam spät in Colorado, aber wenn er da war, dann blieb er.

Das staubige Band der Poststraße teilte den Wald, brachte die Zivilisation in die Wildnis. Und den Tod.

Vor Lassiter befand sich die Black-Canyon-Station.

Oder vielmehr das, was davon noch übrig war.

Denn die Station existierte nicht mehr.

Jemand hatte den Posten überfallen. Der Stall war restlos abgebrannt. Verkohlte Balken ragten wie knochige Totenarme aus den Überresten auf. Die Blockhütte war ebenfalls den Flammen zum Opfer gefallen und nur noch eine verkohlte Ruine. Über den Trümmern stiegen Rauchschwaden auf. Der Boden rings um die Pferdetränke war aufgewühlt, und die Kadaver von zwei Pferden lagen im Schlamm. Bleiche Rippen ragten aus ihrem blutigen Fleisch.

Menschen waren keine zu sehen.

Und trotzdem kreisten die Geier über der Station.

Warum waren sie hochgeflogen?

Lassiter hatte sie nicht aufgescheucht. Da war er sich sicher. Und an der Station rührte sich kein Leben. Nur ein Boot schaukelte auf dem Wasser, rund zweihundert Yards vom Ufer entfernt. Es wirkte verlassen, schien abgetrieben zu sein.

Warum setzten die Geier ihr blutiges Mahl nicht fort?

Vogelrufe drangen aus dem Wald. Wogen schwappten gegen das Ufer.

Nichts Menschliches war zu hören.

Lassiter zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen.

Er war den ganzen Tag durchgeritten, um die Station zu erreichen, hatte weder den Pinto noch sich selbst geschont. Ein Telegramm hatte ihn hierher beordert. Ein neuer Auftrag sollte ihn hier erwarten, kein verdammtes Blutbad.

War er zu spät gekommen?

Es gab nur einen Weg, um das herauszufinden.

Grimmig stieg der große Mann von seinem Pferd und band es an einer windzerzausten Kiefer an. Dann zog er die Winchester aus dem Scabbard und eilte geduckt zwischen den Bäumen hindurch zu der Station.

Er hielt sich im Dunkel der Schatten, immer bereit, zu reagieren, sollte sich eine Gefahr zeigen.

Doch rings um ihn blieb es totenstill.

Schlamm schmatzte unter seinen Stiefeln. Ein süßlich-verschmorter Gestank stieg ihm in die Nase, als er die Station erreichte. Er zog sein Halstuch vor Mund und Nase und spähte ins Innere.

Das Feuer hatte ganze Arbeit geleistet. Von der Einrichtung waren nur noch Asche und spärliche Reste übrig. Eine Gestalt lag verkrümmt in der Ecke. Er hatte kein Gesicht mehr. Die Flammen hatten ihn zur Unkenntlichkeit verbrannt. Das war ein Anblick, der verdammt auf den Magen drückte. Lassiter schüttelte den Kopf.

Der armen Seele war nicht mehr zu helfen.

Wo war der zweite Mann?

Nach allem, was Lassiter wusste, wurde die Station von Charley Winterbottom und seinem Gehilfen Dan Higgins betrieben. Einen den beiden hatte er hier vermutlich vor sich, aber wo war der andere?

Lassiter sah sich um. Sein Blick fiel auf das Boot, das auf dem See trieb.

Nun, einen Versuch war es wert.

Er strebte zum Ufer, stieg aus seinen Stiefeln und legte seinen Hut, den Waffengürtel und die Winchester daneben ab. Mit einem Rundumblick vergewisserte er sich, dass niemand in der Nähe lauerte. Dann watete er in das Wasser und schnaufte unwillkürlich.

Es war eiskalt!

Lassiter warf sich nach vorn und schwamm mit kräftigen Armschlägen auf das Boot zu. Wenn das hier eine Falle war, würde er es jeden Augenblick wissen. Fast rechnete er damit, dass ihm die Kugeln um die Ohren fliegen würden, aber alles blieb still. Unbeschadet erreichte er das Boot, packte den Rand und zog sich daran hoch.

Er schwang ein Bein hinein. Das Boot schwankte, als er sich vollends hineinhievte.

Sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen!

Auf den Planken lag ein Mann. Er war schon älter. Etliche graue Strähnen zogen sich durch sein dunkles Haar. Mehrere Einschusslöcher sprenkelten sein Hemd und seine braunen Hosen. Unter ihm hatte sich eine tiefrote Blutlache ausgebreitet. Er war so bleich, dass Lassiter befürchtete, einen Toten vor sich zu haben.

Doch die Brust des anderen Mannes hob und senkte sich kaum merklich.

Er lebte noch!

Lassiter packte die beiden Ruder, die neben dem Verletzten lagen, setzte sich und stemmte sich in die Riemen. Mit kraftvollen Zügen brachte er das Boot zurück an Land.

Knirschend setzte es am Ufer auf.

Lassiter sprang heraus, schob die Arme unter den Verletzten und hob ihn auf seine Schulter. Blut und Seewasser durchnässten sein Hemd, aber darum würde er sich später kümmern.

Er stürmte zu seinem Pferd und legte den Verletzten vorsichtig im Gras ab.

In diesem Augenblick regte sich der Oldtimer. Stöhnend wollte er sich aufrichten, sackte jedoch sogleich wieder ins Gras zurück. Seine Lider flatterten. Sekundenlang schien er durch den großen Mann hindurchzublicken. Dann klärte sich sein Blick.

»W-hiskey«, brachte er mühsam hervor.

Lassiter nickte nur, nestelte an seinem Bündel und brachte eine Flasche hervor. Die hielt er dem Verletzten an die Lippen. Der nahm einen Schluck, hustete, trank mehr und schnaufte hörbar.

»Danke.« Seine Wangen bekamen ein wenig Farbe. »Wo ist Dan?«

»Für ihn konnte ihn leider nichts mehr tun.«

Der Alte schloss sekundenlang die Augen. Eine Träne rollte über seine faltige Wange, hinterließ eine helle Spur auf seiner blutigen Haut. »War 'n guter Mann, Dan, hat nie gekniffen, wenn es brenzlig wurde. Nie.«

»Sind Sie Charley Winterbottom?«

»Der bin ich. Sie müssen... Lassiter sein.«

»Da vermuten Sie verdammt richtig.«

«... haben auf Sie gewartet«, murmelte der Verletzte.

»Jetzt bin ich da.«

»Nein, diese Kerle, sie haben nach Ihnen gefragt, aber wir haben nichts verraten.«

»Was für Kerle waren das? Wer hat die Station niedergebrannt?«

»Weiß ich nicht. Gunslinger.« Der Atem des Älteren kam rasselnd und so mühsam, als müsste sich sein Körper zu jedem Luftholen erst mühsam aufraffen.

»Bleiben Sie ruhig liegen, Mr. Winterbottom. Ich werde Sie verbinden.«

»Erst müssen wir reden.«

»Sie haben eine Menge Blut verloren.« Lassiter holte einige Streifen Verbandszeug aus seinem Packen und machte sich daran, die Wunden des Stationswächters zu verbinden. Dabei rann ihm das Blut des Verletzten über die Hände. »Ein Doc muss die Kugeln rausholen. Ich werde Sie zu einem bringen.«

Ein trauriges Lächeln huschte über das Gesicht des Alten, als wüsste er etwas, von dem Lassiter noch keine Ahnung hatte.

»Ich muss Ihnen etwas sagen«, rasselte er. »Es ist wichtig. Man hat mich gebeten, Ihnen Ihren neuen Auftrag zu übermitteln. Bitte, hören Sie zu.«

»Das tue ich.«

»Was wissen Sie über den Colorado-Eisenbahnkrieg, Mr. Lassiter?«

»Nur, was man in der Zeitung darüber liest. Die Santa Fé und die Rio Grande Eisenbahngesellschaften konkurrieren seit Jahren um die besten Strecken zwischen Colorado und New Mexico, nicht wahr?«

»Das stimmt. Schon viele Männer haben in diesem Streit ihr Leben verloren.« Der Alte rutschte an einen Stein heran und schob sich daran empor, bis er halbwegs aufrecht saß. Blutrote Flecken breiteten sich auf seinen Verbänden aus, aber er kam jedem Einwand mit einer unwirschen Handbewegung zuvor, als wollte er eine Fliege verscheuchen. »Vor wenigen Wochen kam es am Raton Pass zum Kampf. Der Präsident der Santa Fé schickte gemietete Revolverschwinger ins Feld. Sie zwangen die kleinere Rio Grande Eisenbahngesellschaft, ihnen die Strecke abzutreten.«

»Also ist der Krieg vorüber?«

»Das war er, aber er ist wieder aufgeflammt. In Leadville hat man große Mengen von silberhaltigem Erz gefunden. Das verspricht ein ergiebiges Frachtgeschäft, und das wollen sich beide Gesellschaften sichern.« Der Alte hustete bellend. »Schienen müssen verlegt werden, aber dabei gibt es einen Haken: die Berge! Es existiert nur ein einziger Zugang nach Leadville und der führt geradewegs durch den Grand Canyon des Arkansas River.«

Lassiter kannte diese Scharte. Rund tausend Yards tief war sie, aber stellenweise kaum breit genug für ein einziges Gleis, geschweige denn für zwei. Nur eine der beiden Bahnen konnte dorthin gebaut werden. Also würde es ein Wettrennen geben, wer seine Schienen schneller legen konnte.

»Die Präsidenten der Santa Fé und der Rio Grande stehen im erbitterten Wettstreit. Nur einer von ihnen kann seine Gleise durch den Canyon verlegen, und jeder will das unbedingt als Erster schaffen und sich das Geschäft mit den Minern sichern.«

»Also gehen die Auseinandersetzungen weiter?«