Lassiter 2517 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2517 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Reglos verharrte die Berglöwin auf dem Felsvorsprung. Es war viele Sommer her, seit sich zuletzt Menschen in das Tal gewagt hatten. Nicht ohne Grund waren am Eingang des Bergeinschnitts gebleichte Knochen aufgehäuft.
Die sieben Reiter mussten die Warnung ignoriert haben, denn sie waren tief in das Gebiet vorgedrungen. Nun wuchteten sie Ledersäcke von ihren Pferden und verbargen sie in einem Felsspalt. Sie waren so beschäftigt, dass ihnen das verräterische Knacken im Unterholz entging. Die erfahrene Berglöwin jedoch spürte, dass eine Gefahr aufzog. Unbemerkt zog sie sich von dem Vorsprung zurück ...


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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Tal der Angst

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Boada / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0489-2

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Tal derAngst

Reglos verharrte die Berglöwin auf dem Felsvorsprung. Es war viele Sommer her, seit sich zuletzt Menschen in das Tal gewagt hatten. Nicht ohne Grund waren am Eingang des Bergeinschnitts gebleichte Knochen aufgehäuft. Die sieben Reiter mussten die Warnung ignoriert haben, denn sie waren tief in das verbotene Gebiet vorgedrungen. Nun wuchteten sie Ledersäcke von ihren Pferden und verbargen sie in einem Felsspalt. Sie waren so beschäftigt, dass ihnen das verräterische Knacken im Unterholz entging. Die erfahrene Berglöwin jedoch spürte, dass sich eine Gefahr näherte. Unbemerkt zog sie sich von dem Vorsprung zurück ...

Der Wald hatte tausend Augen.

Unbehaglich trat Joseph Biggs von einem Fuß auf den anderen. In seinem Nacken kribbelte es, als hätte er ihn mit Ameisengift eingerieben. Ein untrügliches Zeichen, dass sein Trupp heimlich beobachtet wurde.

Zum Geier! Wer treibt sich außer uns in diesem Tal herum? Wir sind so weit draußen. Niemand sollte hier sein. Das war jedenfalls der Plan...

Sein Blick irrlichterte umher.

Vor ihm saß ein leuchtend gelber Schmetterling auf einem Findling und klappte träge seine Flügel auf und zu. Der Wind zupfte an den Wipfeln der Hemlocktannen und strich durch die stacheligen Büsche am Fuß der Felswand. Irgendwo schlug eine Goldammer an. Niemand schreckte den Vogel hoch. Alles war friedlich.

Trotzdem stellten sich die Härchen an den Unterarmen des Hünen auf.

Er packte seinen Colt Peacemaker fester und wandte sich seinen Gefährten zu.

»Geht das nicht schneller?«, knurrte er.

»Nun mach mal halblang«, erwiderte Flaco gemütlich. Der Mexikaner war dabei, einen der letzten Säcke von den Pferden zu hieven, hielt nun jedoch inne und zog eine dünne Augenbraue nach oben. »Geh doch in die Büsche, wenn du so dringend musst. Ich übernehme deine Wache so lange.«

»Aber ich muss überhaupt nicht.«

»Warum vollführst du dann so ein Tänzchen?«

»Weil diese Gegend nicht geheuer ist. Etwas schleicht in den Schatten herum.«

»Das werden Tiere sein. Hier gibt es jede Menge Viehzeug. Wenn wir eine Weile bleiben, werden wir auf keinen Fall Hunger leiden.« Flaco stieß seinen Hut in den Nacken. »Sag mal, Biggs, hast du etwa die Hosen voll?«

»Ich bin nur wachsam. Und das solltest du auch sein. Hast du die Knochenhaufen am Eingang des Tals bemerkt?«

»Natürlich, aber was bringt dich jetzt darauf?«

»Ist dir daran nichts aufgefallen?« Biggs blickte sich um, ehe er fortfuhr: »Die Schädel, Flaco. Die stammten nicht von Tieren. Die waren menschlich!«

»Na und? Die Knochen waren doch schon ausgebleicht. Vermutlich liegen sie da seit Coronados Zeiten. Was auch immer diese Typen umgenietet hat, liegt vermutlich längst selbst fünf Fuß unter der Erde.«

Biggs war sich da nicht so sicher. Allerdings wollte er sich vor seinem Gefährten keine Blöße geben und schluckte seine Bedenken hinunter.

Es lag an diesem Tal! Das war ihm unheimlich. Das Grün wucherte dicht genug, dass sie sich den Weg freischlagen mussten. Ein Bach schlängelte sich hindurch. Zu beiden Seiten ragten schroffe Felswände auf. Steil genug, um jeden Versuch, sie zu erklimmen, zum Scheitern zu verurteilen.

Dieses Tal war eine elende Todesfalle! Zumindest kam es Biggs so vor.

Seine Begleiter schienen sein Magengrimmen allerdings nicht zu teilen. In aller Seelenruhe verstauten sie ihre Beute im Versteck und unterhielten sich, als wären sie auf einer Teeparty. Bei Biggs dagegen lagen die Nerven blank.

Sie waren zu siebt unterwegs. Ray McGill war ihr Anführer. Er hob sich weder durch seine Erscheinung noch durch seine Körperkraft sonderlich hervor, hatte eine fahle Haut und seine dunklen Haare lichteten sich bereits. In seinen pechschwarzen Augen schimmerte kein Funken Wärme. McGill wusste, was er wollte, und er nahm es sich. Er verfolgte seine Ziele mit derselben unerbittlichen Härte, mit der er seine Widersacher ausschaltete. Das war es, was ihn zu ihrem Anführer gemacht hatte.

Seine rechte Hand war Nacho Gasco. Der kleine Mexikaner mit dem buschigen Schnurrbart erledigte jeden Auftrag, ohne lange zu fragen. So kaltblütig, als würde Blei anstelle von Blut durch seine Adern fließen. Er sagte nicht viel. Im Lauf der Zeit hatte Biggs ihn mehr Kugeln als Worte abfeuern hören.

Dann war da noch Warrington, ein Hüne mit Fäusten groß wie Kohleschaufeln. Wo der hinschlug, wuchs so schnell kein Gras mehr. Eine rote Narbe zog sich quer über seine Kehle und verriet, dass er dem Galgen schon einmal knapp entronnen war.

Flaco und Chad ritten von Anfang an mit ihrem Anführer. Über ihre Vergangenheit sprachen sie nie. Chad brüllte manchmal im Schlaf. Was auch immer hinter ihm lag, verfolgte ihn noch. Eddie Sheldon war erst später dazugestoßen. Ebenso wie Biggs selber. Früher hatte Biggs einen Stern getragen, aber irgendwann hatte er genug davon, sich für eine miserable Bezahlung immer wieder eine Kugel einzufangen. Im vergangenen Herbst hatte er McGill nach einem Banküberfall gefasst. Eher zufällig, weil das Pferd des Bandenbosses eine Kugel erwischt hatte und auf der Flucht verendet war. Im Jail hatte McGill ihm einen Handel vorgeschlagen: seine Freiheit gegen einen Teil von jeder zukünftigen Beute.

Biggs hatte eingeschlagen. Seitdem gehörte er zu McGills Bande.

Hin und wieder fragte er sich, ob er damals richtig entschieden hatte. Er hatte ein armseliges Leben als Marshal gegen ein Dasein auf der Flucht eingetauscht. Aber dann sagte er sich, dass das nur vorübergehend war. Eines Tages wollte er genug Geld zusammen haben, um nach Mexiko zu gehen. Ein Hotel wollte er aufmachen, sich eine junge Mexikanerin suchen und mit ihr eine Familie gründen. Das war sein Traum und für den wollte er leben.

Er raufte seine roten Haare.

»Nun schau nicht so finster drein«, mahnte Flaco. »Sonst bleibt dir das Gesicht noch so. Damit schreckst du ja alle Ladys ab.«

»Welche Ladys?«, brummte er. »Hier gibt es nichts als Mücken und Felsen. Dieser Ort ist die Hölle. Und wir sitzen hier fest.«

»Ist ja nicht für lange. Hier sind wir sicher. Nachdem Warrington diesen Deputy erschossen hat, müssen wir eine Weile die Füße ruhig halten, sonst sind wir dran.«

»Was hätte ich machen sollen?«, verteidigte sich der Hüne. »Wenn ich nicht zuerst geschossen hätte, würde es mir jetzt so gehen wie Nacho.«

Der schmächtige Mexikaner antwortete mit einem Stöhnen. Er saß verkrümmt auf einem flachen Stein. Sein Hemd hatte er abgestreift. Blut quoll aus einem geschwärzten Einschussloch in seiner linken Seite.

Eddie schüttete einen Schwall Whiskey über seine Klinge. Dann begann er, in der Wunde herumzustochern. Ein Schwall Blut floss ihm entgegen. Eddie würgte und wandte sich hastig ab, ehe er sein spärliches Frühstück von sich gab.

Er schnaufte, wischte sich mit dem Ärmel über den Mund – und stocherte weiter.

Nacho stieß einen Fluch aus, bei dem die Ohren des jungen Schotten rot wurden.

»Halt still, Nacho. Ich muss die Kugel rausholen, sonst holt dich das Fieber.«

»Das ist alles nur Warringtons Schuld«, beschwerte sich Chad. »Seinetwegen hängen uns nun sämtliche Sternträger im Umkreis von fünfzig Meilen im Pelz wie die Motten. Die mögen es nicht, wenn man einen von ihnen abknallt.«

»Wenigstens habe ich nicht tatenlos zugesehen, als uns dieser Bastard schnappt.«

»Wir wären ihm schon noch entkommen.«

»Ja, auf einem Leichenkarren.«

»Woher willst du das wissen, hä?«

»Dazu musste ich nur die Augen aufmachen.«

»Ach, ich dachte, die hättest du nur, um Molly auf den Busen zu glotzen.«

»Nur kein Neid, Kleiner. Nur kein Neid.«

»Hört auf«, verlangte Ray McGill. »Was war, ist vergangen. Es zählt nur, was jetzt ist. Wir haben unsere Beute versteckt und werden uns einen Unterschlupf in der Nähe suchen. Dort bleiben wir, bis Gras über den Überfall gewachsen ist. Dann teilen wir die Beute auf und trennen uns. Ein einfacher Plan. Und an den halten wir uns. Verstanden?«

Die beiden Streithähne murmelten Zustimmung.

Biggs knirschte mit den Zähnen. Der Überfall auf den Transport mit Lohngeldern der Minengesellschaft war eine Nummer zu groß für sie gewesen, das hatte er gleich befürchtet. Die Kutsche war schwer bewacht gewesen. Sie waren um ein Haar gescheitert. Auf der Flucht hatten sie dieses Tal entdeckt – und nun saßen sie hier fest. Wenigstens waren die Säcke mit ihrer Beute gut verborgen. Das Gestrüpp machte den Felsspalt nahezu unsichtbar. Sie hatten ihn nur gefunden, weil Eddie austreten musste.

Flaco griente. »Entspann dich, Biggs. In ein paar Wochen haben wir alle genug Geld in den Taschen, um uns ein feines Leben leisten zu können. Dafür halte ich es eine Weile hier aus.«

»Wäre nur schön, wir hätten 'n paar Girls dabei«, murmelte Eddie.

»Noch kein einziges Achselhaar unterm Arm, aber schon die Weiber im Kopf.« Warrington hieb ihm auf die Schulter, dass er in die Knie ging. »Du gefällst mir.«

»Sicher hab ich Achselhaare«, schnaubte Eddi und bekam rote Ohren.

»Will ich gar nicht so genau wissen«, winkte Chad ab. »Aber wir brauchen Munition, wenn wir hier jagen wollen. Bei dem Überfall ist allerhand Blei draufgegangen. Das müssen wir ersetzen, sonst schießen wir demnächst mit Steinen auf das Wild.«

»Stimmt, wir brauchen Nachschub. Und wir sollten Medizin für Nacho besorgen«, ergänzte Eddie. »Er wird etwas gegen den Wundbrand brauchen.«

»Whiskey«, ächzte Nacho.

»Und nicht zu wenig«, präzisierte Flaco.

»Biggs?« McGill richtete den Blick auf den Hünen. »Du wirst reiten und alles Nötige besorgen. Verstanden?«

»Soll ich etwa alleine reiten?«

»Ja, so fällst du weniger auf.«

»Na, meinetwegen.« Biggs rieb sich das Kinn. Er konnte einer Fliege auf hundert Yard ein Auge ausschießen, wenn es darauf ankam, aber sein Gedächtnis war nicht das Beste. Hoffentlich konnte er sich alles merken. Whiskey, Munition und Girls. Wobei Letzteres wohl nicht machbar war. Die Ladys könnten sie verraten.

Sie stiegen wieder auf ihre Pferde. Eddie hievte Nacho auf sein Reittier, ehe er sich selbst in den Sattel schwang. Warrington bildete die Vorhut und hieb ihnen den Weg frei. Wo seine breiten Schultern durchpassten, kamen auch die Übrigen durch.

Zwei Meilen bachaufwärts stießen sie auf eine Höhle. Sie reichte tief in den Felsen hinein, war trocken und, was noch wichtiger war, unbewohnt. Hier und da lagen vertrocknete Hinterlassenschaften, aber die waren längst grau geworden. Wer auch immer hier gelebt hatte, war längst fort. Einen besseren Unterschlupf würden sie nicht finden, da waren sie sich einig.

McGill und Warrington banden die Pferde so an, dass sie an reichlich Grün gelangen und fressen konnten. Chad und Flaco stapften los, um Holz für ein Feuer zu sammeln. Eddie half Nacho in das Versteck und Biggs stiefelte zum Bach, um seinen Lederbeutel vor dem Ritt mit Wasser zu füllen.

Unvermittelt hörte er ein Rascheln hinter sich.

Er zog seine Waffe und drehte sich auf dem Absatz um. »Zeig dich, Hombre!«

Im Unterholz war niemand zu entdecken.

Dafür knirschten auf einmal Schritte, diesmal zu seiner Rechten. Er fuhr herum, riss den Sechsschüsser hoch und...

»He! Immer langsam mit den jungen Pferden!« Flaco kam mit einem Arm voller Feuerholz heran. »Ich bin es nur. Warum bist du denn so nervös?«

»Ich hab etwas gehört. Ein Rascheln. Da hinten.«

»Das wird ein Tier gewesen sein. Hoffentlich nicht der Berglöwe, dessen Spuren ich vorhin gesehen habe. Die waren unverkennbar. Fünf Zehen an den Vorderpfoten und vier an den Hinterpfoten. Wenn du diese Spur entdeckst, sieh lieber zu, dass du wegkommst. Vor den Viechern muss man sich in Acht nehmen.«

»Die machen mir keine Angst. Ein Grizzly wäre schlimmer.«

»Sag das nicht. Berglöwen sind schnell. Sie springen ihren Gegner an und brechen ihm mit einem Biss das Genick. Wenn dich ein Berglöwe findet, kommst du nicht mal mehr zum Schreien. Dann schaust du dir das Gras gleich von unten an.«

»Du machst mir Mut«, schnaufte Biggs verdrießlich.

»Ich hoffe, ich mache dir Angst«, gab Flaco zurück. »Wer Angst hat, lebt länger.«

»Dann werde ich wohl so alt wie Methusalem.« Biggs stapfte zu seinem Pferd und hing den Lederbeutel an den Sattel.

McGill schärfte ihm ein, auf der Hut zu bleiben und den Sternträgern aus dem Weg zu gehen. Das hatte Biggs sowieso vorgehabt. Als ehemaliger Sternträger war er nicht scharf darauf, ein Jail von innen zu sehen. Bestimmt nicht!

Er stieg in den Sattel und bemerkte, wie Flaco mit einem Mal zusammenzuckte und angestrengt in das Unterholz starrte.

»Flaco? Stimmt was nicht?«

»Ich bin mir nicht sicher. Ich dachte, ich hätte dort drüben etwas gesehen, das sich blitzschnell bewegt hat, aber jetzt ist es weg.«

»War es der Berglöwe?«

»Nein, größer.«

»Ein Mensch?«

»Viel größer.« Flaco schüttelte bedächtig den Kopf und sah Biggs ratlos an. »So etwas habe ich noch nie gesehen!«

Jeremiah Ward brachte kein Auge zu.

Die Mondsichel stand so tief über dem Wald, dass sie den Wipfel einer Hemlocktanne zu berühren schien. Schwarz zeichnete sich die Silhouette des Waldes vor dem Sternenhimmel ab. In der Nähe stampften seine Pferde.

Zumindest das, was von seiner Herde noch übrig war.

Seine Hand zuckte zur Whiskeyflasche, aber er beherrschte sich. Gegen den bitteren Geschmack auf seiner Zunge würde der Alkohol ohnehin nicht helfen.

Er hatte sein Nachtlager am Rand des Trails aufgeschlagen. Die Bäume bildeten einen schützenden Halbkreis, hinter dem die Dunkelheit begann. In der Mitte knisterte ein Feuer. Ward hielt es klein, damit der Rauch keine unliebsamen Besucher anlockte.

Er trailte mit seiner Tochter und seinen Pferden. Die Städte lagen in dieser Gegend weit auseinander, getrennt durch Wälder, die dicht genug waren, dass ein ganzer Siedlertreck auf Nimmerwiedersehen darin verschwinden konnte. In diesen Winkel von Oregon war die Eisenbahn noch nicht vorgedrungen. Früher hatte es eine Kutschenverbindung gegeben, aber die war vor geraumer Zeit eingestellt worden.

Und genau das wollte Jeremiah Ward ändern.

Der Wind brachte den Duft von wilden Kräutern mit – und bitterkalte Luft, die unter die Jacke des Ranchers kroch und ihm einen Schauer zwischen den Schulterblättern hinabrieseln ließ. Der Herbst nahte, daran konnte es keinen Zweifel geben.

Jeremiah Ward fand keine Ruhe. In seiner Nase klebte noch der beißende Gestank des Feuers. Dabei war es eine ganze Woche her, seit er mitten in der Nacht vom Brüllen seiner Herde und vom flackernden Feuerschein aufgewacht war. Mit knapper Not hatten Lucy und er sich aus dem brennenden Wohnhaus gerettet, aber zum Löschen war es längst zu spät gewesen. Das Feuer hatte auf die Scheune und den Stall übergegriffen. Alles war niedergebrannt bis auf ein paar verkohlte Balken.

Sein Lebenswerk. Verloren.

Seine Herde war auf der Koppel gewesen, sonst wären die Pferde ebenfalls verloren. Aber womit sollte er seine Tiere im Winter füttern? Alle Vorräte waren in Asche und Rauch aufgegangen. Und bis der erste Schnee fiel, würde nicht mehr genug Gras nachwachsen, um genügend Heu für den Winter einzulagern.

Von seiner Ranch war nichts übrig als verbrannte Erde.

Jeremiah Ward zog einen Fetzen Papier aus seiner Tasche und strich ihn glatt. Er war aus einer Zeitung herausgerissen. Das Lagerfeuer warf einen flackernden Schein auf eine Fotografie. Darauf war ein robustes Blockhaus zu erkennen. Auf dem Schild über der Tür stand in Schönschrift: Misty Creek, Kutschenstation. Die i-Punkte hatte irgendein Witzbold in das Holz geschossen.

Unser neues Zuhause? Leise Hoffnung regte sich in Jeremiah Ward wie ein warmer Wind. Sein Nachbar hatte ihn darauf gebracht, dass in der kleinen Stadt im Südwesten von Oregon eine Kutschenlinie samt Kutsche und Station zum Verkauf stand. Thaddäus Callahan hatte ihm Fotografien und Zeitungsartikel über Misty Creek beschafft. Eine blühende Bergarbeiterstadt war es, in der eine Kutschenlinie ein gutes Geschäft war.

Das hatte Jeremiah überzeugt.

Er hatte sein Land und die Hälfte seiner Pferde an seinen Nachbarn verkauft, sich die Kutschenlinie gesichert und war nun auf dem Weg nach Misty Creek.

Dass ich in meinem Alter noch einmal etwas Neues anfangen muss, hätte ich mir nicht träumen lassen, sann er und starrte auf seine Hände. Schwielig waren sie von der Arbeit auf der Ranch. Seine verzweifelten Versuche, das Feuer zu löschen, hatten ihm nicht nur einen hartnäckigen Husten, sondern auch Brandwunden und Blasen an den Händen eingebracht, die nur langsam verheilten.

Bis nach Misty Creek waren es noch fünfzehn Meilen, schätzte er. Sobald es hell wurde, würden sie weiterziehen und... Er stutzte, denn seine Pferde wurden mit einem Mal unruhig und schnaubten. Etwas regte sie auf. Etwas, das vor zehn Minuten noch nicht da gewesen war.

Wards Hand fuhr an seine Waffe.

Seine Tochter schlief in der Nähe des Feuers. Unter der karierten Decke lugte nur ihr roter Haarschopf hervor. Von ihr kam die Störung gewiss nicht. Was also hatte seine Pferde in Aufregung versetzt? Ein Raubtier womöglich?

Der Rancher stemmte sich von dem Stein hoch, auf dem er gesessen hatte, verwünschte einmal mehr das Reißen in seinen Gliedern und stapfte zu seinen Tieren. Er ließ das Lagerfeuer hinter sich und spähte argwöhnisch umher.