Lassiter 2522 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2522 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Der Violet River rief seine Toten.
Der blassblaue Fluss wand sich einige Meilen westlich der Sonora durch die Hügel, lockte die Dürstenden und verschlang sie oft ohne Erbarmen. Seine Stromschnellen klangen wie gefräßige Mäuler.
Senator Edward Everly kannte die Gefahr. Der Abgeordnete hatte den Violet River bei unzähligen Gelegenheiten durchquert, war seinem Lauf gefolgt, hatte ihn auf Karten verzeichnet. Er mochte diesen kauzigen Strom, der rasch vergaß, dass jemand sein Freund war.
Zum Sterben gab es keinen geeigneteren Ort. Das rauschende Wasser würde Everly mit sich reißen, würde seine Scham fortspülen, würde vom erbärmlichen Leben des Senators nichts übriglassen außer ein paar Pferdekadavern.
Zitternd legte Everly auf seinen Wallach an ...


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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Glühende Sonora

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Sanjulian / Bassols

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0575-2

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Glühende Sonora

Der Violet River rief seine Toten.

Der blassblaue Fluss wand sich einige Meilen westlich der Sonora durch die Hügel, lockte die Dürstenden und verschlang sie oft ohne Erbarmen. Seine Stromschnellen klangen wie gefräßige Mäuler.

Senator Edward Everly kannte die Gefahr. Der Abgeordnete hatte den Violet River bei unzähligen Gelegenheiten durchquert, war seinem Lauf gefolgt, hatte ihn auf Karten verzeichnet. Er mochte diesen kauzigen Strom, der rasch vergaß, dass jemand sein Freund war.

Zum Sterben gab es keinen geeigneteren Ort. Das rauschende Wasser würde Everly mit sich reißen, würde seine Scham fortspülen, würde vom erbärmlichen Leben des Senators nichts übriglassen außer ein paar Pferdekadavern.

Zitternd legte Everly auf seinen Wallach an...

Vier Stunden vor seinem Tod in den Fluten des Violet Rivers jagte Senator Edward Everly in donnerndem Galopp durch die Sonora-Wüste. Er setzte über Saguarokakteen und trockenes Geäst hinweg, blinzelte in die glutheiße Sonne und trieb seinen grauen Appaloosa-Wallach vorwärts.

Die beiden Packpferde folgten Everly in beträchtlichem Abstand.

Sie trugen die Stangen und Planen des Nachtzelts, das der Senator bis zu diesem Vormittag erst ein einziges Mal aufgestellt hatte. Er war seit Tagen unterwegs und schlief höchstens im Morgengrauen einige Stunden lang. Die restliche Zeit des Tages verwandte Everly auf die Suche nach seiner Tochter.

Mitten in der Nacht war Marissa verschwunden gewesen.

Zusammen mit dem Porzellanservice aus Cortham, das Everlys Frau von ihrer letzten Sommerreise mitgebracht hatte, und den warmen Decken aus italienischer Wolle, die Everly von einem Händler aus Pennsylvania bekommen hatte. Aus der Haushaltskasse waren fünfzig Dollar verschwunden.

»Nur keine Sorge«, hatte Everlys Frau Samantha gesagt und dabei am ganzen Leib gebebt. »Sie ist ein kluges Kind. Sie wird sich nicht in Gefahr bringen.«

Mochte Marissa ein kluges Kind sein – daran wollte auch Everly nicht rütteln –, so war sie dennoch ein verliebtes Mädchen. Sie war eine Geisel ihrer jungen und ungestümen Gefühle, die jener Bastard in ihr entfesselt hatte, mit dem Marissa sich auf der Flucht befand.

Sein Name war Lassiter.

Er war eines Tages als Ranchgehilfe im Arizona-Territorium aufgetaucht, hatte erst Everlys Frau geschmeichelt und sich danach an dessen Tochter herangemacht. Er hatte Everlys Abwesenheit ausgenutzt, jene entscheidenden Wochen im März des Jahres, als im Kapitol jeder Senator gebraucht wurde. Das Schatzministerium hatte damals einen streitbaren Entwurf zum Heeressold eingebracht.

»Geh nicht!«, hatte Samantha gefleht, während Everly die Pferde bepackt hatte. »Lass sie ziehen, Ed! Lass sie gehen! Sie wird nicht auf dich hören!«

»Sie will ihn heiraten!« Everlys Stimme hatte wie Donnerhall geklungen. »Sie will diesen verdammten Dreckskerl heiraten! Sie will Arthur J. Poole einen Korb verpassen!« Er hatte Samantha bei den Schultern gepackt. »Wie stehen wir dann da? Wie stehen wir in Washington D.C. da?«

Kein weiteres Wort war zwischen den Eheleuten gefallen, bis sie sich voneinander verabschiedet hatten. Die Drohung mit Pooles Einfluss hatte Samantha eingeschüchtert. Sie hatten erlebt, wozu der »König der Molasse-Mühlen«, wie Poole sich selbst nannte, in der Lage war.

Nun war alle Hoffnung vergebens.

Die Fährte der Flüchtigen war schon seit Stunden nicht mehr aufzufinden, und anstatt umzukehren und von Neuem zu beginnen, war Everly mitten in die Sonora-Wüste geritten. Er hatte seinen eigenen Zweifeln entkommen wollen, jenen nagenden Vorwürfen, die er in einem fort an sich selbst richtete. Er wusste, dass Poole seine Familie und die Ranch vernichten würde, sobald er erfuhr, dass Marissa verheiratet war.

»Marissa«, flüsterte Everly und brachte das Pferd zum Stehen. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und zog die Packpferde am Strick zu sich. »Was tust du uns an? Was tust du deinen armen Eltern an?«

Wenig später erspähte Everly den Violet River.

Er hatte von den Legenden gehört, die sich um den violettfarbenen Strom am Rande der Sonora spannen, und die schaurigen Geschichten, die sich die Pápago-Stämme über den Fluss erzählten. Er wusste vom Todeshauch, der auf den mäandernden Uferschlingen lag. Er vernahm das kühle Rufen aus den Wasserwirbeln, den Sirenengesang der Wellenkämme, die auf Herumirrende wie Everly warteten.

»Marissa«, wisperte Everly erneut und stieg aus dem Sattel. Er trug den .45er-Colt bei sich, den ihm Poole bei ihrer ersten Begegnung geschenkt hatte. »Marissa... Ich finde dich nicht mehr...«

Die Pferde prusteten durch die Nüstern und tänzelten scheuend rückwärts. Sie mieden den Fluss, obwohl sie durstig sein mussten, so durstig wie Everly selbst.

Seine Tochter würde der Senator nicht wiedersehen.

Er würde sie nicht von ihrem Entschluss abbringen können, selbst wenn er Marissa fand und zur Rede stellte. Er würde sie nie an Pooles Seite sehen, würde sie nicht zum Altar führen, würde nicht Samanthas Schluchzen in der Bankreihe hinter ihm hören.

Everly hatte versagt.

Er hatte seine Tochter an einen Schürzenjäger verloren, der sich aus ihrem Herz so viel machte wie aus den Röcken der Saloonmädchen von Tucson. Die Liebe war ein Schlachtfeld, auf dem ein liebender Vater ohne Waffen war.

»Marissa«, sagte Everly ein letztes Mal und zog den Colt aus dem Holster. Er richtete den Revolver auf seinen treuen Wallach, feuerte ihm zwei Kugeln in den Schädel und erschoss danach die Packpferde.

Die Tiere brachen ohne einen Laut zusammen.

Hinter Everly gluckste der Violet River und spülte ihm um die Stiefelabsätze. Er griff nach dem Senator, fasste mit feuchten Klauen nach ihm und zerrte an seinem Opfer wie ein bissiger Kettenhund.

Langsam wandte Everly sich um.

Er ließ den Colt aus der Hand rutschen, setzte sich in Bewegung und watete bis zur Hüfte ins kühle Wasser. Er zog seine Weste und das Hemd aus, legte sie zusammen und klemmte sie unter den Arm.

Ein Senator ging mit Würde in den Tod.

Washington D.C., einige Wochen zuvor

Die Menge vor der abgerundeten Eckfassade das Willard-Hotel wich ehrfürchtig zur Seite, als die Vierspänner anrollten, in denen die geladenen Gäste des Abends saßen. Zum alljährlichen Dinnerempfang der Montgomery Association kamen ausschließlich Vertreter der Hautevolee, die ihrerseits höchste Ansprüche hegten.

»Machen Sie Platz!«, raunzte ein Page den breitschultrigen Mann an, der sich auf die Schultern seiner blondhaarigen Begleitung stützte. Der Fremde war betrunken und prostete dem Hotelangestellten höflich zu.

»Man wird Sie noch ins Jail werfen!«, schimpfte Edna Blain und schleppte Lassiter hinüber zu den erleuchteten Fenstern des Willard-Hotels zu. »Sie wollen mir doch keine Schande machen? Sie wollten mit mir auf diesen Empfang gehen!«

Die hübsche Handelsreisende aus Iowa schaute sich konsterniert um und half dem Mann der Brigade Sieben auf den Fenstersims. Sie fasste den Betrunkenen bei den Schultern und schüttelte ihn, bis dieser die Bourbonflasche absetzte und schief lächelte.

»Was grinsen Sie mich so frech an?«, fauchte Edna und sonderte sich ein Stück von Lassiter ab. Sie richtete den Kragen ihres Kleides und sah nach eintreffenden Gespannen. »Sie schaffen es in Ihrer Verfassung ganz unmöglich bis aufs Tanzparkett.«

Einige Hafenarbeiter schauten sich nach der elegant gekleideten Frau um und amüsierten sich über deren Ärger. Sie gaben einige anzügliche Sprüche zum Besten und verschwanden zwischen den anderen Passanten.

»Wie Sie wollen!«, verlor Edna die Geduld. »Sie finden mich in meinem Zimmer, falls Sie Ihr Versprechen zu halten beabsichtigen. Ich bin äußerst enttäuscht von Ihnen, Lassiter.« Sie setzte eine strenge Miene auf. »Äußerst enttäuscht.«

Kaum war ihr letztes Wort verklungen, wirbelte die junge Frau auf dem Stiefelabsatz herum und traktierte die Umstehenden mit dem Schirm, bis man ihr den Weg freimachte. Sie strebte auf die Einlasstüren des Willard-Hotels zu, das von zahllosen Herren in schwarzen Gehröcken belagert wurde.

Neben Lassiter klatschte ein Mann applaudierend in die Hände.

Er hatte die Szene zwischen dem Brigade-Sieben-Agenten und der jungen Blondhaarigen beobachtet und setzte ein breites Lächeln auf. Er hob die Bourbonflasche vom Boden auf und hielt ihn in den Lichtschein der Fenster.

»Selbst einen Schluck?«, fragte Lassiter und strich sich das sandblonde Haar zurück. »Du bist verdammt alt geworden, Benjamin.«

Der andere Mann grinste und setzte die Flasche an die Lippen. Er trug eine graue Weste mit passender Fliege, dazu ein seidenes Einstecktuch mit goldenem Ornament. »Du bist kein verfluchtes Stück klüger geworden. Du wärest die Kleine auch mit netten Worten losgeworden.«

Die Bourbonflasche wechselte erneut den Besitzer. »Ein bisschen Zorn ist gut für die Leidenschaft. Edna wird sich in der Nacht dafür rächen.« Mit dem Kinn wies Lassiter zum Willard-Hotel. »Hast du uns auf die Gästeliste bringen können?«

»Uns und ein Dutzend andere Brigade-Sieben-Leute«, bestätigte Benjamin und hob die Schultern. »Die Montgomery Association bringt die wichtigsten Männer des Landes zusammen. Ich musste die Gelegenheit beim Schopf greifen.«

Nachdem Lassiter sich ein frisches Hemd übergezogen und einen Bourbonrest von den Wangen gewischt hatte, gingen die Männer zum Willard-Hotel hinüber. Sie wurden über die vornehme Lobby eingelassen und betraten den Saal zwischen zwei Kongressabgeordneten, die ihnen freundlich zunickten.

»Benjamin L. Lakefield!«, begrüßte ein General der U. S. Army den Mann neben Lassiter. Der Militäroffizier steckte in einer hochdekorierten Uniform und schüttelte Benjamin beide Hände. »Es muss eine Ewigkeit her sein, dass Sie und ich uns gesehen haben. Sie sind nicht oft in Washington D.C. zu finden, mein Bester.«

»Oft genug, oft genug!«, beteuerte Benjamin und stellte Lassiter dem General vor. »Ich darf von Glück reden, dass man mich bei der Montgomery Association noch einlässt. Ich habe nichts für dieses Land getan, seit Ulysses S. Grant in den Ruhestand gegangen ist.« Er lachte auf. »Ganz im Gegensatz zu Ihnen, General Logan.«

Wenig später waren Lassiter und Lakefield erneut allein.

»Unausstehlicher Kotzbrocken!«, knurrte Lakefield und lächelte zugleich. Er beherrschte die Gepflogenheiten des Parketts. »Logan sitzt auf Abruf irgendwo in Illinois. Man hat ihn gewissermaßen in die Wüste gejagt.« Er atmete tief durch. »Um die Wüste wird's auch für dich gehen.«

Sie begaben sich zu einem Mann, von dem Lakefield zu erzählen wusste, dass er Rancher gewesen war, ehe er sich in die Untiefen der Washingtoner Politik begeben hatte. Er hieß Edward Everly und war seit fünf Jahren Senator.

»Mr. Lakefield!«, zeigte Everly sich bei Benjamins Anblick erfreut. Er musterte Lassiter von Kopf bis Fuß. »Sie scheinen endlich einen Kerl von echtem Schrot und Korn in diese Welt aus Macarons und Biskuit gebracht zu haben.«

»Hocherfreut, Senator Everly!«, erwiderte Benjamin den Gruß und winkte nach einem Bediensteten. Er orderte drei Gläser Scotch und wies zu einem Separee im hinteren Drittel des Saales. »Ich habe Ihnen jemanden verschafft, der Ihnen bei Ihren Sorgen helfen könnte. Er wäre bereit, in den nächsten Wochen ins Arizona-Territorium aufzubrechen.«

Hoffnungsvoll blickte der Senator erneut zu Lassiter. »Ich möchte nicht behaupten, dass ich deswegen Zweifel hegen würde. Sie haben mir nie Schande bereitet, Mr. Lakefield.« Er lächelte. »Ich darf annehmen, dass Mister... Mister...«

»Lassiter«, nannte der Mann der Brigade Sieben seinen Namen. »Einfach nur Lassiter.«

Everlys Mundwinkel zuckten nervös. »Nun, Mr. Lassiter... Also, ich vermute... Ich vermute, dass Mr. Lassiter bereits über alles Notwendige –«

»Nicht im Geringsten«, verneinte Lakefield und verteilte den Scotch an die Männer. »Ich hätte nicht gewagt, in einer solch heiklen Angelegenheit allein zu entscheiden. Ich wollte lediglich Sie und Mr. Lassiter –«

Der Saal brach in Raunen und Jubel aus, als Präsident Hayes und seine Entourage unter den Gästen erschien. Das Staatsoberhaupt plauderte mit einigen Senatoren und Kongressabgeordneten und ließ sich danach einen Dinnerteller reichen.

»Selbst der Präsident gibt uns die Ehre!«, freute sich Everly und hob das Glas. »Hoch lebe Präsident Hayes! Hoch lebe der Präsident!«

»Sind Sie noch interessiert?«, fragte Lakefield streng und versetzte Lakefields Begeisterung einen Dämpfer. »Sie ließen mich sogar über einen Eilkurier verständigen.«

Angespannt wippte Everly auf den Ballen. »Selbstverständlich bin ich das, Mr. Lakefield.«

Die Frachtboote auf dem Potomac River waren bis unter die Bugspitze im Nebel versunken, als Arthur J. Poole an diesem trüben Morgen auf den Anleger seiner Zuckerrohrmühle trat. Die Nacht war kühl und feucht gewesen und hatte die Gräser am Ufer mit glitzernden Taufäden überzogen. Es war eine von jenen Stunden, in denen Poole eine Zigarre brauchte.

»Du rauchst wieder«, bemerkte Rosanna und blieb an den bemoosten Pfählen stehen, an denen sonst die Flussdampfer festmachten. Sie trug das weiße Kleid, das Poole so sehr mochte. »Du hast es mir versprochen. Du hast es jedem in der Mühle versprochen.« Sie kam auf Poole zu und starrte ihn tadelnd an. »Du wolltest auf den Doc hören.«

Der Doc war ein windiger Quacksalber aus Baltimore und verstand von Medizin kaum mehr als ein Hafenarbeiter. Er hatte das Lungenfieber festgestellt, an dem Poole litt, und hatte angeraten, wenigstens für die Dauer eines Jahres auf Zigarren zu verzichten. Er hatte sich diesen blödsinnigen Rat teuer bezahlen lassen.

»Quäl mich nicht!«, brummte Poole und sah auf den nebelverhangenen Potomac hinaus. Er wartete darauf, dass die King George erschien und frisches Zuckerrohr aus dem Nordwesten brachte. »Ich höre nicht auf zu rauchen. Du weißt es eben so gut wie ich, Rose.«

Zaghaft und leise, wie es ihre Art war, stellte sich Rosanna zu Poole und stützte ihre dünnen Ärmchen auf die Brüstung des Anlegers. Sie war vom Wuchs her ein Kind und hatte dennoch die Marotten einer erwachsenen Frau, die sich nach einem Bräutigam sehnte. »Arthur, du machst mir Angst. Du wirst dich ins Grab bringen, bevor –«

»Bevor was?«, schnitt Poole ihr gereizt das Wort ab. Er wusste, worauf Rosanna hinauswollte. »Bevor du mich vor einen Altar schleifst? Ich heirate nicht dieses Jahr und nicht nächstes. Du solltest mich kennen.« Er atmete schnaufend aus. »Du solltest mich inzwischen kennen.«

Ein Schwarm Vögel zog kreischend über den Potomac hinweg und verschwamm im Nebel zu einem dunklen Schleier, der bald hierhin, bald dorthin flatterte. Von einem Frachtkahn trug der Wind den Geruch von Teeblättern heran.

»Du wirst zweiundfünfzig«, meinte Rosanna und senkte den Kopf. Sie hatte ihr brünettes Haar zu einem Dutt gebunden. »Einen alten Junggesellen will niemand um sich haben. Du wirst irgendwann eine Frau nehmen müssen.«

Misslaunig schaute Poole auf die schaukelnden Kähne, die ab und zu aus dem Nebel glitten und wieder darin verblassten. Er hatte von den Heiratsplänen, die man allerorten für ihn schmiedete, die Nase gestrichen voll. Er würde sich erst einen Ring an den Finger stecken, sobald die Zeit reif dafür war.

Seine Gattin würde keinesfalls Rosanna heißen.

Poole war der ewigen Belehrungen und Ratschläge müde, die er von Rosanna erhielt, von einer Frau, die kaum imstande war, auf sich selbst achtzugeben. Sie hatte sich heillos in eine Affäre mit einem Buchmacher aus Richmond verstrickt, bevor sie nach Washington D.C. gekommen und sich – Hals über Kopf freilich – in Poole vernarrt hatte.

»Rauchst du so gern?«, wollte Rosanna mit banger Miene wissen. »Ich meine... Du wirst es dir abgewöhnen müssen. Ich möchte im Haus keinen Mann, der nach kaltem Qualm stinkt.« Sie lächelte. »Ich möchte Lavendel und Rosenblüten in unserem Haus.«

Sie betonte das vorletzte Wort ihres Satzes so auffällig, dass Poole um eine Reaktion nicht herumkam. Er drückte die Zigarre aus, schnippte sie in den Potomac und dachte daran, dass er dasselbe für Miss Marissa Everly getan hatte.

»Noch nichts gegessen?«, fragte Rosanna und trat auf Poole zu. Sie hauchte ihm einen Kuss auf den Nasenrücken. »Ich könnte uns von dem guten Lamm kommen lassen, das gestern geliefert worden ist.«

Unversehens kreisten Pooles Gedanken um die attraktive Marissa, die Tochter von Senator Edward Everly. Beide hatten kürzlich an einem Thanksgiving-Essen teilgenommen, das Poole in seinem Herrenhaus ausgerichtet hatte. Er und die junge Senatorentochter aus dem Arizona-Territorium hatten sich stundenlang unterhalten.