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Lucy Hulk stand am vergitterten Fenster der Blockhütte und starrte auf die Reiter, die langsam näher kamen. Auf den ersten Blick wirkten die drei wie harmlose Cowboys, doch Lucy wusste, dass sie kaltblütige Banditen waren. Die Kerle hatten sie aus Beckwith Falls entführt und hierher, mitten in die Einöde, verschleppt.
Lucy war den Tränen nahe. Sie wusste: Es gab kaum eine Chance, aus ihrer misslichen Lage zu entkommen. Die Kidnapper hatten aus ihrem Plan keinen Hehl gemacht. In ein paar Tagen würden ihre Komplizen kommen und sie nach Virginia City bringen. Dort wollte man eine Hure aus ihr machen.
Allein der Gedanke an dieses grauenhafte Schicksal ließ Lucy bis ins Mark erschaudern. Sie wünschte, sie wäre tot ...
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Das Girl, das durch die Hölle ging
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Impressum
Das Girl, dasdurch dieHölle ging
Lucy Hulk stand am vergitterten Fenster der Blockhütte und starrte auf die Reiter, die langsam näher kamen. Auf den ersten Blick wirkten die drei wie harmlose Cowboys, doch Lucy wusste, dass es kaltblütige Banditen waren. Die Kerle hatten sie aus Beckwith Falls entführt und hierher, mitten in die Einöde, verschleppt.
Lucy war den Tränen nahe. Sie wusste: Es gab kaum eine Chance, aus ihrer misslichen Lage zu entkommen. Die Kidnapper hatten aus ihrem Plan keinen Hehl gemacht. In ein paar Tagen würden ihre Komplizen kommen und sie nach Virginia City bringen. Dort wollte man eine Hure aus ihr machen.
Allein der Gedanke an dieses Schicksal ließ Lucy bis ins Mark erschaudern. Sie wünschte sich, sie wäre tot...
Amy Monkhouse zählte zu den begnadetsten Liebhaberinnen, mit denen Lassiter je sein Lager geteilt hatte. Amy war Mitte zwanzig – eine schlanke, brünette Schönheit mit der atemberaubenden Figur einer Liebesgöttin.
Lassiter war dem Mädchen zum ersten Mal im Postoffice von Wells Breck begegnet.
Er wollte ein Telegramm nach Washington aufgeben. Sein Auftrag in Wells Breck war beendet, und er wartete auf die chiffrierten, neuen Instruktionen der Zentrale von der Brigade Sieben.
Amy Monkhouse saß hinter dem Schalter und nahm die Nachricht entgegen. Allein der Klang ihrer Stimme jagte Lassiter einen Schauer der Begierde über den Rücken. Als er Amy daraufhin einer näheren Musterung unterzog, spürte er, wie sein Blut in Wallung geriet.
Sein Herz schlug wie eine Brandglocke.
Aber das war noch nicht alles. Unten, in seiner Lendengegend, regte sich ein sinnliches Verlangen. Er versuchte, das Gefühl zu ignorieren, doch es war zu stark.
Nachdem die attraktive Brünette seine Nachricht telegrafiert hatte, ging er aufs Ganze. Er lud die junge Frau zum Diner in Marley's Restaurant ein. Sie lehnte ab, doch zwei Stunden später erschien er abermals und gab einen Brief bei der Telegrafistin ab – ein Kuvert, das ihre Anschrift trug.
Darin bat er sie zum zweiten Mal um ein Rendezvous.
Und dieses Mal bekam er keinen Korb.
Das war vor einer Woche gewesen.
Jetzt lag die hübsche Postangestellte neben ihm im breiten Bett seines Hotelzimmers. Sie trug ein rötliches Hemdchen aus hauchdünner Seide. Einer der Träger war herab gerutscht, und man konnte eine ihrer vollen Brüste sehen. Oh, wie Lassiter diesen Kurven liebte!
Amy fing seinen Blick auf und lächelte. »Warum siehst du mich so an?«
»Ich musste an unsere erste Begegnung denken«, sagte er. »Als ich dich im Office so dasitzen sah, stand ich regelrecht in Flammen.«
Sie schob den Träger hoch auf die Schulter. »Das ist mir nicht entgangen. In deinen Augen funkelte dieser typische Glanz. Der Glanz, den ihr Männer an euch habt, wenn euch eine Frau besonders gut gefällt.«
»Hm, dennoch hast du mich abblitzen lassen.« Er griff an ihr Hemdchen und wölbte seine Hand um ihre linke Brust. »Nach deiner Absage war ich am Boden zerstört.«
»Aber nicht lange, wie sich herausgestellt hat.« Sie strich über seine Hand, die ihre Twins massierte. »Woher wusstest du meine Adresse?«
»Der Storekeeper aus der Grocery hat mir auf die Sprünge geholfen.«
»Ed Crosby!« Amy spielte die Wütende. »Dieser Schwätzer! Na warte, Ed! Du kannst was erleben!«
»Ich weiß nicht, was du hast. Ohne ihn wären wir jetzt vielleicht nicht hier.«
Amy küsste ihn auf die Nase. »Du hast du wohl recht. Lassen wir Gnade vor Recht ergehen. – Ed Crosby, du bist aus dem Schneider.«
Lassiter spürte ihren Atem im Gesicht und seufzte tief. Obwohl sie sich bereits über eine Stunde geliebt hatten, merkte er, wie abermals ein süßes Verlangen in ihm aufstieg.
Er nahm Amys Kopf in beide Hände und küsste sie auf ihre vollen Lippen.
Sie zuckte zurück. »He...?«
»In manchen Dingen bin ich einfach unersättlich«, bekannte er.
Amy starrte ihn ungläubig an. »Wer... wer bist du? Eine Sexmaschine auf zwei Beinen?«
Er fand den Vergleich komisch und musste lachen. Amy hatte theatralisch ihre Stimme gehoben, und ihre dunklen Augen glitzerten im matten Schein der Petroleumlampe. Lassiter genoss den betörenden Anblick, den seine Gefährtin ihm bot. In diesem Augenblick war Amy Monkhouse für ihn die schönste und begehrenswerteste Frau der Welt.
Sie schien seine Gefühle zu erraten und streichelte seine Wange. »Mein Gott, du glühst ja wie ein Backofen.«
Lassiter schob die Decke zur Seite, die den unteren Teil seines Körpers bedeckte. Er trug weder Hemd noch Hose, und sein Pint ragte in die Höhe wie der Mast eines Mississippi-Dampfers.
Amys schönen Augen wurden kugelrund. »Irgendwie wirst du mir... unheimlich.«
Lassiter küsste sie zärtlich auf den Mund. Er sah, wie Amy die Augen schloss, und machte auch seine zu. Es war ein langer, leidenschaftlicher Kuss. Lassiter ließ seine rechte Hand über Amys Hemdchen gleiten, bis sie an ihrem Schoß angelangt war.
Er schob den Steg des Negligés zur Seite und berührte Amy dort, wo sie am empfindlichsten war. Als er seine Finger bewegte, unterbrach das Mädchen den Kuss.
Amy atmete schwer.
»Sag jetzt nicht, dass dir das nicht gefällt«, sagte er.
Sie knuffte ihn gegen die Schulter. »Schuft! Was soll die Frage? Du weißt ganz genau, dass keine Frau widerstehen kann, wenn sie so intensiv aufs Korn genommen wird.« Nach diesen Worten schälte sie sich aus dem Hemdchen, rückte das Kissen hinter sich zurecht und legte sich mit leicht geöffneten Beinen in Positur.
Lassiter holte tief Luft. Was er jetzt sah, gefiel ihm über alle Maßen. Amys behaarter Venushügel und der perfekt geformte Busen über dem flachen Bauch sahen so verlockend aus, dass ihn das Gefühl beschlich, gleich platzen zu müssen.
Amy spielte an sich. »Da gibt es etwas, das auch geküsst werden will«, flüsterte sie.
Worte wie diese hörte Lassiter am liebsten.
Er zwängte sich zwischen Amys Schenkel und beugte den Kopf. Mit geschlossenen Augen erfüllte er seiner Partnerin ihren Herzenswunsch.
Amy fing an zu stöhnen, zuerst ganz leise, dann lauter und lauter. Sie biss sich in den Knöchel des kleinen Fingers, damit man ihr Keuchen nicht im ganzen Hotel hören konnte. Die Wände im Central Inn waren nicht allzu dick. Im Übrigen musste Amy auf ihren guten Ruf achten. Als Postangestellte gehörte sie zu den angesehensten Bürgern von Wells Breck.
Lassiter schob ihr die Kissenrolle unter den Rücken. Amy stöhnte leise, als er ihre Hüften packte und ihr Unterteil auf die Rolle zog.
Amy hob die Beine zu einem offenen Dreieck hoch in die Luft.
Lassiter leckte sich die Lippen, als er die schöne Frau vor sich betrachtete. In dem Augenblick, als er in sie eintauchen wollte, polterten jenseits der Tür schwere Schritte auf dem Flur.
»Mr. Lassiter!«, keuchte die Stimme eines Mannes.
Und zwei Atemzüge später rüttelte jemand wie besessen am Knauf der Zimmertür.
»All devils«, knurrte Lassiter. »Erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt.«
✰
Amy Monkhouse wälzte sich von der Kissenrolle. Hastig langte sie nach ihrem Seidenhemd, das am Fußende lag.
Lassiter unterdrückte einen Fluch. Er sprang aus dem Bett und trat an die Tür.
»Was ist los?«, fragte er unwirsch. »Wer sind Sie? Und warum machen Sie so einen Lärm mitten in der Nacht?«
»Ich bin Ed Crosby«, erklang die Stimme auf dem Gang. »Sie müssen mir helfen, Sir. Es ist schrecklich... Einfach furchtbar. Ich weiß mir keinen Rat mehr.«
Lassiter hörte, wie der Mann auf dem Korridor heftig schluchzte. Crosby war nicht in der Lage, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Der Ladenbesitzer war zutiefst verzweifelt. Es musste etwas Ungeheuerliches geschehen sein, das ihn total aus der Bahn geworfen hatte. Sonst würde er wohl nicht mitten in der Nacht bei einem Fremden im Hotel aufkreuzen!
»Einen Moment«, sagte Lassiter, dann wandte er sich an seine Gespielin.
Amy raffte gerade ihre Kleidungsstücke vom Boden. »Er darf mich nicht sehen«, flüsterte sie und rollte mit den Augen.
»Keine Sorge. Ich lasse ihn nicht ins Zimmer.« Lassiter war die Ruhe in Person. »Ich geh nach draußen und rede mit ihm.«
Ein Hauch von Wehmut beschlich ihn, als er zusah, wie die sinnliche Brünette ihre Reize unter der Kleidung verbarg. Einem jähen Impuls folgend, trat er zu ihr. Er nahm sie in die Arme, um sie zu küssen.
Sie drehte den Kopf weg. »Lass das! Ich bin nicht mehr in Stimmung.«
Lassiter konnte nachfühlen, was in der Frau vorging. Sie fürchtete, dass ihr amouröses Geheimnis entdeckt wurde. Wells Breck war eine kleine Stadt, nur ein winziger Punkt auf der Landkarte der Vereinigten Staaten. Jeder kannte jeden. Ein guter Ruf war im Nu zerstört.
»Du bleibst so lange hier, bis die Luft rein ist«, sagte er zu Amy. »Keine Sorge, mein Schatz. Niemand wird etwas merken.«
Sie sah zu ihm auf, dann seufzte sie leise. »Tut mir leid, dass ich eben so heftig reagiert habe. – Ich mache es wieder gut«, fügte sie hinzu und zwinkerte ihm zu.
Lassiter grinste kurz, dann kleidete er sich an. Zum Schluss pflanzte er sich den Stetson auf den Schädel und wandte sich zur Tür.
Ehe er sich versah, stand Amy neben ihm. Sie wippte auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. Dann eilte sie zu der kunstvoll verschnörkelten Spanischen Wand, die im hinteren Winkel des Zimmers aufgestellt war.
Lassiter schloss auf und trat auf den Flur hinaus. Drei Schritte von der Tür entfernt, erblickte er die Gestalt des kaum mittelgroßen Storekeepers. Selbst im Halbdunklen bot Ed Crosby ein Bild des Jammers.
»Bitte um Entschuldigung«, sagte der kleine Mann gepresst. »Wegen der Störung um diese Zeit. Aber ich wusste mir keinen anderen Rat.«
»Okay. Gehen wir woanders hin.« Lassiter schob seinen Besucher den dunklen Flur entlang, bis sie das Geländer der Galerie erreichten. Von hier führte eine Treppe in das Erdgeschoss mit der Halle und der Rezeption.
Unten brannten einige gedimmte Öllampen. Unstetes Licht geisterte über den Boden und die Wände. Der Portier saß hinter seinem Pult und las Zeitung.
Als er Lassiter sah, hob er entschuldigend die Schultern. »Tut mir leid, Sir. Mr. Crosby sagte, es ginge um Leben und Tod. Deshalb habe ich...«
»Schon gut, Mavis.« Lassiter winkte ab. »Können Sie uns Kaffee besorgen?«
»Aber klar doch.« Mavis legte die Zeitung weg, sprang auf und eilte in die Küche.
Lassiter deutete auf eine Nische im hintersten Winkel des Foyers. »Setzen wir uns, Ed. Und dann erzählen Sie mir, warum Sie glauben, dass ausgerechnet ich derjenige sein soll, der Ihnen helfen könnte.«
Der Ladenbesitzer schob sich auf die Sitzbank. Er nahm seinen Derbyhut ab und knüllte ihn verlegen in den Händen. Zwischendurch wischte er sich eine Träne von der glatt rasierten Wange.
»Jeder in Wells Breck weiß«, begann er zögernd, »dass Sie, Mr. Lassiter, die drei Halunken der Walker-Bande aufgespürt und hopsgenommen haben – und das im Alleingang. Alle wissen, dass Marshal Potts die Gauner schon ein paar Wochen gejagt hat. Vergeblich! Es gab immer wieder neue Opfer. Und immer wieder gingen Potts die Kerle durch die Lappen.«
Lassiter nickte in Gedanken. Die Zerschlagung der Walker-Bande war der Auftrag der Brigade Sieben gewesen, den er gerade abgewickelt hatte. Der Job war nicht von Pappe gewesen. Als er die Kerle im Little Bear Canyon aufgemischt hatte, wäre er um Haaresbreite von einem Querschläger erwischt worden, der von einem Felsen abgeprallt war. Noch immer klang das anschwellende Winseln des Projektils vor seinem inneren Ohr.
Mavis brachte den Kaffee.
Der Storekeeper spannte die Hände um seine Tasse, als müsse er sich aufwärmen. Lassiter bedankte sich bei dem Portier, der sich auf leisen Sohlen wieder an seine Rezeption begab.
»Okay«, sagte er, als der Hotelangestellte außer Hörweite war, »und jetzt, Ed, erzählen Sie, was Ihnen widerfahren ist.«
Der Ladenbesitzer schlug die Augen nieder, dann blickte er auf und atmete tief durch. »Es geht um Lucy, meine Nichte«, sagte er mit tonloser Stimme. »Sie ist spurlos verschwunden, vor einer Woche.«
Lassiter nippte an dem dampfenden Getränk. Er wartete, dass Crosby seine Geschichte fortsetzte. Es dauerte einige Zeit, bis der kleine Mann so weit war.
»Lucy ist die einzige Tochter meiner Schwägerin, Netty Hulk.« Crosby starrte auf seinen Kaffee. »Lucy ist ein liebes fleißiges Mädchen, neunzehn Jahre alt. Sie wohnte bei ihren Eltern auf einer kleinen Ranch, ganz in der Nähe von Beckwith Falls. Jeder, der sie kennt, sagt, dass sie das hübscheste Mädchen im ganzen County ist.« Es entstand eine Pause. »Am letzten Freitag wollte sie in die Stadt, um ein paar Kleinigkeiten im General Store einzukaufen. Sie fuhr mit dem Zweispänner ihrer Eltern. Es war nicht das erste Mal, dass Lucy diese Strecke zurücklegte. Sie ist eine gute Reiterin und eine erstklassige Wagenlenkerin. Von der Ranch bis in die Stadt sind es ungefähr zehn Meilen. Lucy ist in Beckwith Falls angekommen, man hat sie gesehen, aber sie ist nicht auf die Ranch zurückgekehrt. Das Fuhrwerk stand verlassen auf dem Hinterhof des Geschäftshauses. Von Lucy keine Spur.«
Lassiter stellte seine Tasse ab. »Wann haben Sie davon erfahren, Mr. Crosby?«
»Erst vor einer Stunde«, kam es zurück. »Ich habe noch eine Lieferung bekommen. Aus Beckwith Falls. Dort ist ein zentrales Depot für die Katalogware aus St. Louis. Der Wagen hatte eine Panne, und der Kutscher verbrachte Stunden damit, ein zerbrochenes Rad reparieren. Deshalb erreichte er Wells Breck erst spät am Abend. Der arme Kerl war fix und fertig. Ich half ihm beim Ausladen. Nebenbei hat er mich mit dem neuesten Tratsch und Klatsch aus Beckwith Falls versorgt. Ich dachte, mich laust der Affe, als er von Lucys Verschwinden erzählte.«
»Ja, das glaube ich«, meinte Lassiter.
»Lucy ist mein Augenstern«, sagte Crosby mit brüchiger Stimme. »Phoebe, das ist meine Frau, und ich haben leider keine Kinder. Da ist uns Lucy im Laufe der Jahre mehr und mehr ans Herz gewachsen. So ein liebes Mädel. – Und jetzt ist sie vielleicht... tot.«
Crosby griff mit zittriger Hand nach der Tasse. Er brachte es nicht fertig, sie an die Lippen zu führen. Erst als er die zweite Hand zu Hilfe nahm, gelang es ihm.
Lassiter hörte, wie sein Gegenüber schlürfend trank. Die Nöte des Mannes berührten ihn, doch er wusste nicht, was er für Crosby und seine Nichte tun konnte.
»Ist eine Lösegeldforderung eingetroffen?«, hakte er nach.
»Keine Ahnung«, sagte Crosby. »Ich konnte ja noch nicht mit Lucys Eltern sprechen. Möglich ist es, aber die Hulks besitzen keine großen Reichtümer. Hm, glauben Sie, das Mädchen wurde entführt, um Geld von seinen Angehörigen zu erpressen?«
»Nur eine Vermutung, aber es kann noch eine Reihe von anderen Gründen für ihr Verschwinden geben.«
Crosby zitterte so sehr, dass er Kaffee verschüttete. Ärgerlich stellte er die Tasse auf den Tisch. Er rieb an seiner befleckten Hose. »Ich stehe völlig neben mir«, sagte er. »Phoebe, meine Frau, hat einen Weinkrampf bekommen, als sie das mit Lucy hörte. Sie ist eine knallharte Geschäftsfrau, aber so verstört wie heute habe ich sie noch nie erlebt. Ich habe an ihrem Bett gesessen und gewartet, bis sie eingeschlafen ist. Erst als ich sicher war, dass sie fest schläft, habe ich das Haus verlassen.«
Lassiter sagte nichts. Die Worte des Ladenbesitzers hatten ihn tief berührt. Wenn Lucy Hulks Schicksal im Ungewissen blieb, würden Phoebe und Ed Crosby gebrochene Menschen sein, ihr Leben lang.
Plötzlich richtete sich der Storeman auf. Er pumpte seinen Brustkorb voll Luft und ließ den Atem stoßweise entweichen.
Dann griff er unter seine Jacke und brachte eine lederne Brieftasche zum Vorschein. Sie war bis zum Bersten gefüllt.
»Mr. Lassiter«, sagte er, »ich biete Ihnen tausend Dollar, wenn Sie Lucy ausfindig machen.« Er hob die Stimme. »Und fünftausend Dollar, wenn Sie das Mädchen zu seinen Eltern auf die Ranch zurückbringen.«
Sekundenlang war es still wie in der Krypta einer Kirche. Nur das leise Rascheln von Mavis' Zeitung war zu hören.
Lassiter seufzte schwer. »Ich fürchte, diese Angelegenheit ist keine Sache des Geldes, Ed.«
»Nicht?«
Lassiter senkte den Kopf.
Als er wieder aufsah, war der kleine Mann bleich wie der Tod. Crosbys Augen hatten jeglichen Glanz verloren und waren starr ins Leere gerichtet.
Lassiter musste blitzschnell zugreifen, sonst wäre der Mann von der Bank gekippt. Crosby hatte einen Schwächeanfall. Mit festem Griff rückte Lassiter ihn wieder zurecht.
Der Ladenbesitzer hatte sich die ganze Sache furchtbar zu Herzen genommen. Offenbar hatte er sich der trügerischen Hoffnung hingegeben, dass er durch das viele Geld Lassiter dazu bewegen konnte, seine Nichte aus dem Hut zu zaubern.
Es war einige Zeit still.