Lassiter 2542 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2542 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

"Ich hab sie!" Triumphierend hob die junge Frau ihre blutüberströmte Hand und präsentierte ein bleiernes Geschoss zwischen Daumen und Zeigefinger, das sie gerade mühsam aus dem Fleisch eines Verletzten gepult hatte, der auf dem Feldbett mit dem Tode rang.
"Großartig", brachte der Mann neben ihr hervor und wischte sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß von der hochroten Stirn, "dem Himmel sei Dank!" Der Hund bellte laut und sprang an seinen Beinen hoch, weil er die Erleichterung seines Herrn spürte.
Die Frau ließ das Projektil in eine Schale mit heißem Wasser fallen, als die Stimme des Mannes sie erstarren ließ: "Miss Shaunessy ... Ich ... ich glaube, Lassiter atmet nicht mehr!"


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Seitenzahl: 149

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

In der Schlangen grube

Vorschau

Impressum

In derSchlangengrube

»Ich hab sie!« Triumphierend hob die junge Frau ihre blutüberströmte Hand und präsentierte ein bleiernes Geschoss zwischen Daumen und Zeigefinger, das sie gerade mühsam aus dem Fleisch eines Verletzten gepult hatte, der auf dem Feldbett mit dem Tode rang.

»Großartig«, brachte der Mann neben ihr hervor und wischte sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß von der hochroten Stirn, »dem Himmel sei Dank!« Der Hund bellte laut und sprang an seinen Beinen hoch, weil er die Erleichterung seines Herrn spürte.

Die Frau ließ das Projektil in eine Schale mit heißem Wasser fallen, als die Stimme des Mannes sie erstarren ließ: »Miss Shaunessy ... Ich ... ich glaube, Lassiter atmet nicht mehr!«

»Nein«, flüsterte sie, dann lauter: »Jesus, nein!«

Während Attila unter ihr sein Bellen zögernd einstellte und sich stattdessen winselnd zurückzog, legte Lucy Shaunessy ihr Ohr auf die Brust von Lassiter und hielt lauschend den Atem an.

Sekunden verstrichen, bevor sie sich wieder aufrichtete und auf ein Kissen zeigte, das hinter Karl-Friedrich Beyer auf dem Lehnstuhl lag.

»Sein Herz schlägt noch. Geben Sie mir das.«

Als Beyer sie verständnislos aus einem Gesicht anstarrte, dessen Haut fast so weiß war wie der Bart, der es umrahmte, herrschte sie ihn an: »Das Kissen, her damit!«

Er gehorchte und reichte es ihr; eine mit Stroh gefüllte Stoffrolle, die ihren Zweck erfüllen mochte.

»Nehmen Sie ihn bei den Hüften und heben ihn ein wenig an, damit ich das Kissen darunter schieben kann, okay?«

Beyer nickte, ohne Fragen zu stellen. Er war kräftig genug, um ihrer Aufforderung Folge zu leisten, und nachdem sie das Kissen unter Lassiter geschoben und dafür gesorgt hatte, dass er nun mit durchgebogenem Kreuz auf dem Bett lag, schwang sie ihr linkes Bein über seine Hüften und ließ sich vorsichtig auf seinen Lenden nieder.

»Was machen Sie da, Miss Shaunessy?«, fragte Beyer stirnrunzelnd, doch Lucy ignorierte ihn.

Sie schob beide Hände im Winkel von neunzig Grad ineinander und legte sie auf Lassiters Brust. Dann atmete sie tief ein, richtete sich ein wenig auf und legte ihr ganzes Gewicht in die nächste Bewegung. Über Lassiter gebeugt drückte sie dessen Brustkorb tief hinab, hielt zwei Sekunden inne und ließ wieder los.

»Grundgütiger! Wollen Sie den Mann etwa umbringen?«, rief Beyer aus und machte Anstalten, sie am Arm zu packen, doch ihr flammender Blick ließ ihn zurückweichen.

»Ganz im Gegenteil!«, fauchte sie, beugte sich vor und warf sich abermals mit durchgedrückten Armen und beiden Händen auf Lassiters Brustkorb, drückte sekundenlang, um dann wieder loszulassen.

Beyer ballte die Fäuste, unternahm aber keinen Versuch mehr, sie von ihrem Tun abzubringen.

Sie wiederholte die Prozedur, entschlossen und im Geiste die Sekunden zählend, um einen stetigen Rhythmus bemüht.

Dabei dachte sie an ihre Mutter, wo immer sie auch sein mochte.

Als sie sich zum zwölften Mal erhob, spürte sie unter ihren Händen endlich ein Rühren. Ihr Blick weitete sich hoffnungsvoll, und als sie sah, wie sich die Nasenflügel von Lassiter blähten, schwach, aber unverkennbar, fuhr ihr ein Schauer der Erleichterung über den Rücken.

Auch der Mann mit dem Buffalo-Bill-Bart und der dazu passenden Trapper-Kostümierung bemerkte Lassiters Lebenszeichen. Entgeistert strich er sich eine Haartolle aus der Stirn, während Lucy sich behutsam vom Bett erhob und nach dem Verbandszeug griff.

»Potztausend, Miss Shaunessy...«, stieß Beyer hervor, »das... von wem haben Sie das gelernt?«

»Von meiner Mutter«, antwortete Lucy schlicht und warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. »Wir müssen die Wunde verbinden, rasch. Er ist noch längst nicht über den Berg, verstehen Sie?«

Auch als sie gemeinsam die Schussverletzung versorgt hatten und Lassiter immer noch regelmäßig atmete und sein Herz nun merklich kräftiger zu schlagen schien, war Lucy sich nicht sicher, ob der große Mann es überstehen würde, aber seine Chancen schienen immerhin deutlich gestiegen zu sein.

Sie breitete die Decke bis zum Hals über ihm aus, strich Lassiter sanft über die schweißnasse Stirn und sprach ein stummes Gebet. Währenddessen schenkte Beyer zwei Gläser Wein ein, und sie traten aus der Blockhütte hinaus ins Freie.

Die Leichen, die noch vor einer Stunde auf dem Vorhof gelegen hatten, waren verschwunden. Lucys Bruder Duane hatte sie auf die Rücken der Pferde gewuchtet, die nach der Schießerei zurückgeblieben waren, ohne dass die Geschwister seitdem ein Wort miteinander gewechselt hatten. Duane hatte Beyer und seiner Schwester schweigend dabei zugesehen, wie sie Lassiter in die Hütte schleppten, bevor er sich mit den Toten auf den Rückweg zu ihrer Farm gemacht hatte. Amos Turbands Leichnam hatte bäuchlings auf dem Sattel seines eigenen Rappen gelegen, ohne sein arrogantes Grinsen, denn das hatte Lucy ihm aus kurzer Distanz weggeschossen.

Die Leichen waren nicht mehr da. Trotzdem glaubte Lucy, neben dem vagen Geruch des Schießpulvers noch immer den Gestank der Hölle wahrzunehmen, die sich am Abend auf dieser nun wieder so friedlich erscheinenden Lichtung aufgetan hatte.

Das fahle Licht des Vollmonds erhellte unbarmherzig die verbliebenen Spuren des Scharmützels. Mehrere Revolver und zwei Flinten waren am Boden verstreut, ihr eigenes Pferd starrte auf der Seite liegend blicklos in den Sternenhimmel. Überall waren die Pfützen des heftigen Regens vom Blut der Männer gefärbt, die hier auf dem Hof gestorben waren. Im Mondlicht hatte es den Anschein, als wären die Kuhlen mit Pech gefüllt.

Beyer starrte mit angespannter Miene in sein Weinglas, deren dunkelroter Inhalt nur ein wenig heller war. Er nahm trotzdem einen Schluck, bevor er fragte: »Ihr Bruder. Was, glauben Sie, wird er jetzt tun?«

Lucy schüttelte den Kopf, weil sie darauf keine Antwort wusste. Und erwiderte dann doch etwas.

»Er muss ziemlich viele Gräber ausheben.«

In der Tat.

Als sie im Geiste versuchte, die Toten des vergangenen Tages zu zählen, wurde ihr schwindelig, und sie leerte ihr Glas in einem Zug.

Außer ihrem Vater, der möglicherweise aus seinem Alkoholrausch erwacht war, vielleicht aber auch bereits wieder der nächsten Bewusstlosigkeit entgegen delirierte, würde Duane auf der Farm nur noch Leichen vorfinden.

Eine der Geiseln. Drei der Entführer. Und ein vierter, den sie selbst getötet hatte, als der sie vergewaltigen wollte.

Toby, das Schwein.

Sie verzog die Lippen und wollte die Augen schließen, ließ es dann aber, weil sie wusste, dass die Bilder in ihrem Kopf dadurch nicht verschwinden, sondern eher noch deutlicher und machtvoller in ihr Bewusstsein zurückkehren würden.

Toby. Der seit fast fünf Jahren auf ihrer Farm gearbeitet hatte und eigentlich immer nett zu ihr gewesen war.

Bis Amos Turband auf die Farm gekommen war und sie sich in den hübschen Mann verguckt hatte. Bis diese verfluchte Sache ihren Lauf genommen hatte.

Fünf Tote. Und genau so viele Leichen, die ihr Bruder auf den Pferderücken transportierte, während deren Seelen vielleicht schon vor dem Höllentor um Einlass begehrten.

Duane würde beim Graben ziemlich ins Schwitzen geraten.

»Wollen Sie damit sagen, es hat bei Ihnen zuhause auch Tote gegeben?«, hörte sie Beyer neben sich fragen und drehte den Kopf so langsam in seine Richtung, als würde sie aus einem Traum erwachen.

Lucy hob die Mundwinkel zu einem halbherzigen Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte.

»Darauf«, erwiderte sie, wobei die Worte so stockend über ihre Lippen kamen, als würden sie sich weigern, ihren Mund zu verlassen, »dürfen Sie wetten, Charly.«

Beyer knirschte mit den Zähnen und nahm rasch noch einen Schluck Wein. »Was für eine Tragödie«, murmelte er, und Lucy starrte sein Profil an.

»Warum haben Sie Buchanan und Miss Heart nicht einfach ziehen lassen?«, fragte sie, bevor ihr Blick wieder auf das verlassene Schlachtfeld vor der Blockhütte fiel.

Sie spürte, wie er sie ansah, starrte aber weiter geradeaus, weil sie ahnte, was er sagen würde.

»Bei allem Respekt, Miss Shaunessy – aber wären Sie nicht aufgetaucht und hätten Ihr Gewehr auf Mr. Turband gerichtet, dann...«

»Schon gut!« Sie spuckte die Worte aus und schnitt damit Beyers Satz ab, der ihre Schuld an der Katastrophe nur allzu deutlich machte.

»Ich werde mich Ihnen gegenüber nicht rechtfertigen, kapiert?«, zischte Lucy und stieß Beyer das leere Glas gegen die Brust. »Sie haben selbst Ihren Teil dazu beigetragen, was passiert ist. Das dürfen Sie gern mit Ihrem eigenen Gewissen ausmachen, aber Sie sind der letzte, der mit dem Finger auf mich zeigen sollte.«

Beyer nahm ihr das Glas aus der Hand und hob die Augenbrauen. Er wirkte gekränkt, aber seiner Miene war auch aufkeimende Empörung anzusehen, wohl, weil er sich keiner Schuld bewusst war.

»Ich habe nur getan, was mir mein Gewissen befohlen hat, Miss Shaunessy«, gab er mit leicht bebender Stimme zurück. »Maurice Buchanan will die Leute hier mit fragwürdigen Mitteln um ihren rechtmäßigen Besitz bringen. Davon sind doch auch Sie und Ihre Familie betroffen. Ich frage mich, warum Sie mir daraus jetzt einen Strick drehen, wenn ich doch nur helfen wollte...«

»Bockmist!«, zischte Lucy und stieß ihm den vorgestreckten Handballen gegen die Schulter, um an Beyer vorbei auf die Stufen zu gelangen, die Tür zur Hütte aufzureißen und ins Innere zu verschwinden.

Beyer, die beiden leeren Gläser in den Händen haltend, verdrehte die Augen und legte den Hinterkopf gegen die Bohlen der Hüttenwand.

Vor ihm wuselte Attila über den Hof und schnüffelte an den Blutspuren der Toten.

Ab und an stieß der Hund ein leises Wimmern aus. Der Deutsche schüttelte ergeben den Kopf, bevor er sich zur Tür wandte.

»Komm schon, Attila«, brummte er.

Der Hund hob den Kopf und bellte vorwurfsvoll.

»Jetzt beeil dich doch mal ein bisschen!«

Maurice Buchanan warf seiner Assistentin einen ungeduldigen Blick zu, während er halb umgewandt im Krebsgang über den Bahnsteig hastete und die Billetts in der hoch erhobenen Hand schwenkte, wohl um damit den Schaffner davon abzuhalten, die Tür des letzten Wagens zu schließen.

»Witzbold!«, knurrte Sally Heart mehr zu sich selbst als zu dem Mann, für den ein grausamer Gott Gefühle in ihr Herz gepflanzt hatte, die ihr immer öfter Rätsel aufgaben. Dabei warf sie dem Gepäckträger, der versonnen eine Zigarette rauchend an einer der eisernen Säulen lehnte, die das Dach über dem Bahnsteig trugen, einen Blick zu, der eine Blume zum Verwelken hätte bringen können.

Schuldbewusst riss der hochaufgeschossene Bursche die Augen auf, warf den Glimmstängel fort und sprang ihr bei.

»Warten Sie, Ma'am«, brummte er und zeigte strahlend weiße Zähne, während er ihr den Koffer und die Tasche – beide zusammen eindeutig zu schwer für eine Frau, selbst wenn sie so kräftig war wie Sally – aus den Händen nahm. Dabei kamen sie sich für einen Moment so nah, dass Sally befürchtete, er würde im nächsten Augenblick sein beunruhigend weißes Gebiss öffnen und ihr die Nase abbeißen.

Der kurze, ein wenig surreale Moment des Schreckens endete abrupt, als der Dienstmann sich von ihr zurückzog und mit beiden Gepäckstücken in den Händen so eilig voranschritt, als würde deren Inhalt aus Daunenfedern bestehen.

Sally stieß hörbar den Atem aus, straffte die schmerzenden Schultern und folgte ihm.

Weiter vorn blies die Lokomotive eine dunkle Wolke aus dem Kessel, die träge zwischen Dach und Zug in den bewölkten Himmel stieg. Das scharfe Zischen hörte sich an wie das Ausatmen eines wütenden Drachen, und Sally hob unwillkürlich den Blick, als neben ihr zwei junge Bengel laut jauchzend die Köpfe aus dem Fenster streckten.

»Abfahrt des Zuges nach Omaha, über Pawnee City, Julesburg, Big Spring, North Platte, Willow Island...«

»Na endlich!«

Buchanan warf ihr einen unwilligen Blick zu, und sie öffnete die Lippen zu einer Antwort, die sich gewaschen hätte, doch ihr Geliebter hatte sich schon umgedreht und verschwand im Inneren des Zuges. Der Gepäckträger schob sich an ihr vorbei, um dem livrierten Zugbegleiter ihr Gepäck zu reichen.

»Wünsche eine gute Reise, Ma'am.«

Sie starrte auf die weißen Zähne und war zu erschöpft, um den Kopf zu heben und in seine Augen zu schauen.

»Wir werden sehen«, murmelte sie mürrisch und sog im nächsten Moment überrascht die Luft ein, als der Mann ihr kurzerhand um die Hüften griff und sie über die Stufen hinauf hob wie ein kleines Kind.

Sie drehte sich um und schenkte ihm ein schmales Lächeln.

»Vielen Dank.«

Die strahlend weißen Zahnreihen wirkten immer noch ein wenig bedrohlich, doch seine dunkelbraunen Augen blickten warm und gelassen, während er sich an den Schirm seiner Mütze tippte.

Die Tür schlug zu, und Sally stützte sich an der Wand ab, als der Zug sich ruckartig in Bewegung versetzte. Neben ihr war der Conductor mit Tasche und Koffer bereits Buchanan hinterhergegangen, und sie folgte dem Mann in der dunkelgrünen Uniform mit unsicheren Schritten.

Der Zug nahm Tempo auf, und der Boden unter ihr schwankte wie ein Schiffsdeck bei schwerer See. Sally murmelte einen Fluch, als sie gegen die Seitenwand des Wagens geschleudert wurde.

»Die Bahngleise sind erst vor drei Monaten verlegt worden«, ließ sich der Conductor vor ihr vernehmen, und seine Stimme klang, als müsse er sich persönlich dafür entschuldigen. »Es dauert eine Weile, bis sie sich gesetzt haben. Gary, unser Lokomotivführer, nennt das ›Einfahren‹.«

»Ach, wirklich?« Sally verdrehte die Augen, doch der Conductor konnte die Reaktion nicht bemerken, weil er ihr den Rücken zukehrte.

»So, da wären wir.«

Die Schiebetür des Abteils erster Klasse stand offen, und während der Zugbegleiter ihr Gepäck auf den Regalen über seinem Kopf verstaute, blinzelte Maurice Buchanan Sally ungehalten zu, bevor er in die Tasche des nigelnagelneuen Gehrocks griff, eine Münze hervorholte und sie dem Conductor in die Hand drückte.

»Vielen Dank, Sir.«

»Ebenso.«

Sally schob die Tür zu und ließ sich seufzend auf die gepolsterte Sitzbank fallen, während Buchanan sich einen Zigarillo zwischen die Lippen steckte und ihn mit seinem silbernen Feuerzeug anzündete. Ebenso wie der Anzug war das Utensil brandneu; als sie am gestrigen Abend Laramie erreichten, hatten beide sich komplett neu ausgestattet, denn der Zustand ihrer Kleidung war ebenso desolat gewesen wie ihre Moral. Nur von seinen ramponierten Lederstiefeln – seine Glücksbringer, wie er behauptete – hatte Buchanan sich partout nicht trennen wollen, was einem jugendlichen Schuhputzer den Schweiß auf die Stirn getrieben hatte. Selbst jetzt sahen sie noch ziemlich schäbig aus, wie Sally mit einem kurzen Blick feststellte, und wollten nicht recht zum ansonsten eleganten Äußeren ihres Gefährten passen.

»Das war knapp«, murmelte Buchanan und stieß mit den Worten eine würzige Rauchwolke aus, die sie zum Blinzeln brachte.

Sally musterte ihn einen Moment lang, bevor sie den Kopf schüttelte. »Was sollte das denn überhaupt? Sind wir immer noch auf der Flucht? Warum um Gottes willen wolltest du nicht mit Greeve und Humphrey reden?«

Buchanan hob die Achseln und breitete die Hände aus.

»Hast du Greeves Gesichtsausdruck nicht gesehen?« Er schnaubte, wirkte dabei aber nachsichtig. »Der Mann hätte nicht geredet, sondern mir unverzüglich die Nase gebrochen, Schätzchen! Und mein Bedarf an physischer Gewalt ist für eine Weile gedeckt – ich denke, du weißt, warum.«

»Eigentlich habe ich die beiden Gents für wichtige Verbündete gehalten«, erwiderte Sally und ließ Buchanan dabei nicht aus den Augen. »Haben wir uns nicht fast ein Bein ausgerissen, um sie davon zu überzeugen, dich in Washington zu unterstützen?«

Buchanan nahm einen Zug von seinem Zigarillo, bevor er unwirsch antwortete: »Das dürfen wir wohl abschreiben, seit wir sie in Shaunessys Scheune zurückgelassen haben. Mit Greeve, diesem Fettsack, wäre uns die Flucht durch die Dachluke niemals gelungen, aber ich schätze, er sieht das anders und fühlte sich im Stich gelassen.«

»Das kann man ihm wohl kaum verübeln«, erwiderte Sally seufzend. »Trotzdem hätten wir mit ihnen reden und alles erklären können.«

Sie schaute aus dem Fenster, während die Ereignisse der letzten Tage in ihrer Erinnerung aufstiegen.

Es war ihre Idee gewesen, über das Fenster im Scheunendach ihren Entführern zu entkommen. Und sie hatte auch die Entscheidung getroffen, die anderen drei Männer zurückzulassen.

Obwohl nach außen Buchanan der tatkräftige Politiker und Unternehmer war, stand hinter den meisten Entscheidungen eine Frau, die dem charismatischen Mann einflüsterte, was zu tun war. Sally, die sich bewusst unscheinbar und burschikos gab, war seit einer Weile für die steile Karriere ihres Lebensgefährten verantwortlich, hielt sich dabei aber stets im Hintergrund. Was so weit führte, dass niemand außer ihnen selbst ahnte, dass sie ein Paar waren. Allen gegenüber wurde sie von Buchanan als Assistentin oder Sekretärin vorgestellt.

»Greeve ist nicht so wichtig«, hörte Sally Buchanan sagen. »Und Abe Humphrey wird mir schon verzeihen, dass wir auf französische Art Adieu gesagt haben.«

»Wenn du meinst«, gab Sally wenig überzeugt zurück. »Ich war ohnehin überrascht, als die beiden uns auf der Mainstreet entgegenkamen. Eigentlich hätte ich erwartet, dass sie längst heimgefahren wären.«

Buchanan lachte. »Die trauen sich einfach nicht zurück nach Caulston und Boise! Ist doch klar, oder? Wenn man auf einer derart einsamen Piste entführt wurde und dem Tod vermutlich nur knapp von der Schippe gesprungen ist, überlegt man eine Weile, bevor man sich ein weiteres Mal dahin wagt.«

»Ein Grund mehr dafür, dass wir mit ihnen hätten reden sollen«, sagte Sally. »Wir sitzen schließlich in einem Boot, und du wirst jeden brauchen, der für dich rudert.«

Buchanan faltete die Hände hinter dem Nacken, lehnte sich zurück und lächelte selbstgefällig.

»Mach dir keine Gedanken, Süße. Ich sitze am Heck einer Galeere, und Dutzende kräftige Männer rudern für mich. Die warten nur darauf, dass ich den Schlegel greife und auf die Trommel haue, damit sie sich richtig ins Zeug legen können.«

»Freut mich, dass du schon wieder so großspurig daherreden kannst«, schnaubte Sally und schürzte spöttisch die Lippen. »Schließlich ist es nicht einmal dreißig Stunden her, seit du wimmernd im Dreck gelegen und dem Tod ins Auge gesehen hast!«

»Was ihn nicht umbringt, macht einen Mann nur stärker«, erwiderte Buchanan ungerührt.

Sally nickte leicht. »Aber sicher doch. Jetzt wäre übrigens die Zeit.«

»Wofür?« Fragend hob Buchanan die Augenbrauen.

»Mir zu sagen, was du wirklich in Washington vorhast. Und zu erklären, was es mit diesen ominösen Besitzurkunden auf sich hat, von denen unsere Entführer gesprochen haben.« Ihr Blick hob sich und fiel auf die Tasche über Buchanans Kopf.

»Sind sie da drin?«

Buchanan schüttelte den Kopf. »Du weißt genug, Schätzchen. Es geht mir darum, Idaho als vollwertigen Bundesstaat durchzusetzen. Ich möchte Gouverneur dieses neuen Staates werden. Dafür benötigen wir die Unterstützung einer Mehrheit des Kongresses. Und auch wenn ich die Delegierten-Wahl vor sechs Wochen scheinbar