Lassiter 2543 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2543 E-Book

Jack Slade

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Es war Nacht, und er allein war noch wach. Hin und wieder drang das Stampfen und Schnauben der Pferde herüber. Die Tiere schien der Regen nicht zu stören. Henry jedoch sehnte sich nach einem warmen Bad und einer Mahlzeit, die aus mehr als wässrigen Bohnen und durchweichten Brötchen bestand. Und nach Debra. Verdammt, sie ging ihm nicht mehr aus dem Sinn, seitdem er sie zufällig bei ihrem Bad im Fluss ertappt hatte.
Wenn der Boss herausfand, dass Henry seiner Tochter nachstieg, war er geliefert. Dabei hatte er ohnehin keine Chance bei ihr. Debra hatte Ansprüche. Einen einfachen Cowboy guckte die nicht mal mit der kalten Schulter an. Dabei wollte er ihr alles bieten, was sie sich erträumte. Er brauchte nur eine Chance ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Auf die Knie, Gringo!

Vorschau

Impressum

Auf die Knie, Gringo!

Es war Nacht, und er allein war noch wach. Hin und wieder drang das Stampfen und Schnauben der Pferde herüber. Die Tiere schien der Regen nicht zu stören. Henry jedoch sehnte sich nach einem warmen Bad und einer Mahlzeit, die aus mehr als wässrigen Bohnen und durchweichten Brötchen bestand. Und nach Debra.

Verdammt, sie ging ihm nicht mehr aus dem Sinn, seitdem er sie zufällig bei ihrem Bad im Fluss ertappt hatte. Wenn der Boss herausfand, dass Henry seiner Tochter nachstieg, war er geliefert.

Dabei hatte er ohnehin keine Chance bei ihr. Debra hatte Ansprüche. Einen einfachen Cowboy guckte die nicht mal mit der kalten Schulter an. Gleichwohl wollte er ihr alles bieten, was sie sich erträumte. Er brauchte nur eine Chance ...

Sie hatten ihr Lager in den Hügeln aufgeschlagen. Ein Felsvorsprung bot ihnen einen halbwegs geschützten Platz zum Ruhen. Während Zack nach der ersten Wache seinen wohlverdienten Schlaf nachholte, hielt Henry während der zweiten Nachthälfte die Augen offen.

Nicht, dass es sonderlich viel gebracht hätte.

Es war so dunkel, dass Henry kaum seine eigene Hand erkennen konnte, als er sie vor sein Gesicht hielt. Von ihrem Lagerfeuer waren nur noch verkohlte Reste übrig. Der Sturm trieb immer wieder Regenschwaden unter den Vorsprung und machte es unmöglich, das Feuer in Gang zu halten. Henry dachte sehnsüchtig an die Gewürze, die sein älterer Begleiter in den Satteltaschen mit sich führte. Bei besserem Wetter hätten sie sicherlich versucht, ein Kaninchen zu schießen und am Spieß zu braten. Mit den Gewürzen eingerieben hätte das ein ausgezeichnetes Abendessen ergeben. Doch das musste ein Traum bleiben, weil ein Unwetter von Ost nach West zog. Der wild prasselnde Regen verwandelte den Trail in Matsch und Schlamm und machte die Luft feucht wie eine willige Hure.

Henry war durchnässt und hungrig. Er vermisste sein warmes Bett – und Debra. Die Tochter des Ranchers war ein Bild von einer Frau, schlank, aber gerade an den Stellen wohlgerundet, die einem Mann gefielen. Ihre kupferroten Locken verrieten ihr ungestümes Temperament, und wenn sie lachte, blitzten ihre grünen Augen wie das Wasser eines Waldsees im warmen Sonnenschein. Etwas in Henry zog sich sehnsüchtig zusammen, und er wünschte sich, sie hätten die letzten Meilen bereits hinter sich, die sie noch von der Rawlings-Ranch trennten.

Dreißig Meilen lagen noch vor ihnen, schätzte er. Sie hatten es fast geschafft. In ein paar Stunden konnte er aus den klammen Sachen heraus und sich den Magen mit dem Stew von Mary vollschlagen. Die Köchin der Rawlings-Ranch stammte aus Irland und machte das beste Stew, das Henry jemals gegessen hatte.

Er tastete nach dem Becher mit den Überresten seines Kaffees, fühlte das kühle Blech und nahm einen Schluck. Fast hätte er ihn sogleich wieder ausgespuckt. Das Gebräu war nicht nur längst kalt, sondern schmeckte obendrein, als hätte sein Pferd hineingepinkelt. Schauderhaft!

Angewidert stellte er den Becher wieder hin.

Zack hatte sich in seiner Ecke zusammengerollt und schnarchte selig. Seinen Hut hatte er über sein Gesicht gezogen.

Weck mich, wenn du dich noch 'n paar Stunden aufs Ohr hauen willst, hatte er Henry angeboten, aber das würde der Cowboy schön bleiben lassen. Er gönnte dem Älteren den Schlaf. Zack hatte keinen Ton gesagt, aber die kleine Furche zwischen seinen Augenbrauen war in den letzten Stunden ihres Ritts immer tiefer geworden. Sein Rücken plagte den Älteren wieder. Henry hütete sich, daran zu rühren. Zack konnte verflixt fuchtig werden, wenn ihn jemand an sein fortschreitendes Alter oder seine Gebrechen erinnerte.

Dich Jungspund stecke ich allemal in die Tasche, hatte er gegrummelt, als Henry es ganz am Anfang ihrer Bekanntschaft gewagt hatte, ihm seine Hilfe anzubieten. Hab schon Pferde beschlagen, da war an dich noch nicht einmal zu denken.

Nein, er würde Zack schlafen lassen und sein schlimmes Kreuz mit keinem Sterbenswort erwähnen. Ihm steckte der Ritt auch selber noch in den Knochen. Der Boss hatte sie rauf nach Littlefield geschickt. In dem Kaff gab es nicht viel mehr als Staub und eine Hand voll Häuser – und einen Doc, der eine verdammt gute Hustenmedizin anrührte. Die Frau des Ranches litt immer wieder unter Atemnot und hartnäckigem Husten. Was genau ihr fehlte, hatte Henry noch nicht ergründen können. Jedenfalls konnte nur das Gebräu des alten Knochenbrechers ihre Beschwerden lindern. Der Rancher schickte regelmäßig jemanden in den Norden, um Nachschub zu besorgen. Diesmal war Zack und Henry diese Aufgabe zugefallen.

Die braunen Flaschen mit dem Saft waren ordentlich in mehrere Lagen Stoff und Leder eingewickelt, damit sie den langen Ritt gut überstanden. Während Henry sie auf dem Packpferd festgeschnallt hatte, war Zack noch einmal in die Hütte des Arztes zurückgekehrt. Henry musste nicht groß rätseln, um zu ahnen, dass der Ältere den Medikus um eine Medizin für seinen Rücken gebeten hatte. Die schien jedoch nicht halb so gut zu wirken wie der Hustensaft...

Gegen Morgen wanderte der Regen weiter, und es tröpfelte nur noch leicht. Im Osten zeigte sich das erste Morgenlicht. Henrys Gedanken wanderten wieder zu Debra. Er sah ihre aufreizenden Kurven vor seinem inneren Auge.

Zwei Monate war es her, dass er in aller Frühe auf den Beinen gewesen war. Eigentlich hatte er nur dem Heulen eines Kojoten nachgehen wollen. Das verflixte Vieh riss ihn schon seit Tagen aus dem Schlaf.

Er war ihm bis zum Fluss gefolgt. Doch dort war er nicht auf den Kojoten gestoßen, sondern auf Debra, die mutterseelenallein badete. Am Leib trug sie nichts als ein weißes Hemd. Als sie sich tropfnass im Wasser aufrichtete, klebte der hauchdünne Stoff auf ihrer Haut und verriet mehr, als er verhüllte. Ihre schier endlos langen Beine. Das rötliche Schwalbennest dazwischen. Ihre schmale Taille und... oh... ihre Nippel. So rosig waren die. Henry wollte sie lecken, bis sich Debra unter ihm wand und spitze Lustschreie ausstieß...

Er rutschte auf dem flachen Stein herum, der ihm als Sitzfläche diente. Sein Beinkleid spannte mit einem Mal mächtig. Er hätte sich nichts Schöneres vorstellen können, als Debra zu seiner Frau zu machen und sie jede Nacht in seiner Hütte...

Ah, verdammt, etwa auf seiner flohbefallenen Matratze? Wo einem das Stroh in den Rücken pikste und nebenan zehn andere Cowboys schnarchten? Glaubte er allen Ernstes, dass sich eine Frau wie sie damit begnügen würde?

Henry presste seine Kiefer so fest aufeinander, dass es knirschte.

Ein schöner Traum war das, weiter nichts. Sie war die Tochter von seinem Boss, und selbst wenn Henry ihr schon aufgefallen war, würde ihm Mister Rawlings höchstpersönlich den Hals umdrehen, wenn er seine Tochter anfasste. Nein, Debra war für ihn so unerreichbar wie der Mond.

Henry schnaufte in sich hinein.

Der fahle graue Streifen Morgenlicht im Osten wurde breiter, wechselte zu einem sanften Goldton. Endlich wich die Dunkelheit und die Umrisse der Umgebung wurden wieder sichtbar. Trotzdem empfand Henry ein wachsendes Unbehagen. Er hätte nicht sagen können, wo es herkam, aber in seinem Magen zwickte es unangenehm. Im Lauf der Jahre hatte er gehört, auf dieses Gefühl zu hören. Scheinbar ruhig blieb er sitzen, aber seine Hand näherte sich seinem Sechsschüsser.

Mit einem Mal vernahm er in der Nähe ein Geräusch.

Das Knacken eines Zweiges unter einer Stiefelsohle.

Jemand wollte sich anschleichen!

Da es weder bei Zack noch bei ihm große Reichtümer zu stehlen gab, musste er davon ausgehen, dass es sich um einen Pferdedieb handelte.

Oder um mehrere.

Verdammt! Und er hatte sich auf ein paar entspannte letzte Meilen gefreut! Stattdessen würde es noch vor dem Frühstück blaue Bohnen hageln!

Zack schnarchte noch immer selig unter seinem Hut. Ganz kurz schien das Geräusch auszusetzen, aber dann war es wieder zu hören.

Henry machte sich bereit...

Da tauchten drei Gestalten zwischen den Bäumen auf. Geduckt huschten die heran, glaubten wohl, sie hätten leichtes Spiel mit ihnen. Wer sich so heimlich anschlich, hatte nichts Gutes im Sinn, das war dem jungen Cowboy sonnenklar.

Die drei Strauchdiebe waren zu Fuß unterwegs. Womöglich waren ihnen ihre Reittiere abhandengekommen. Nun, da würden sie sich anderweitig Ersatz beschaffen müssen, denn die Pferde der Rawlings-Ranch konnten sie nicht haben.

Henry ließ sie nicht näher herankommen. Er warf seine scheinbar gleichmütige Haltung ab, fuhr in die Höhe und riss seinen Revolver aus dem Holster. Spannen und Abdrücken war bei ihm beinahe eins. Er hatte sich damals in der Schule von Mrs. Beckenridge nicht sonderlich ausgezeichnet. Sie hatte ihn oft gescholten, seine Handschrift wäre ein Verbrecher am Alphabet, und vom Rechnen brummte ihm der Schädel. Aber schießen, das konnte er. Wenn es darauf ankam, traf seine Kugel immer ihr Ziel. Er wollte die drei Halunken nicht töten, aber zum Zug kommen und sich die Pferde stehlen lassen, würde er sie auch nicht. Wer glaubten diese Typen denn, dass er war? Der Heilige Nikolaus?

Seine Bewegung machte den Angreifern klar, dass er hellwach war.

Das Krachen dreier Schießeisen zerriss die morgendliche Stille.

Die Kugeln zischten an Henry vorbei und zackten in den Felsen, ohne ihn zu verletzen. Er behielt die Nerven, zielte und drückte ab.

Der Hut flog einem der Angreifer vom Schädel. Der Halunke brüllte vor Schreck und Schmerz, denn Henrys Kugel hatte ihm das rechte Ohr weggerissen. Taumelnd stürzte er zu Boden und presste sich die Hände auf die Wunde, blind und taub für seine Umgebung. Seine beiden Kumpane ballerten wild in Henrys Richtung, während sie auseinanderspritzten und hinter den schrundigen Stämmen der Pekannussbäume Deckung suchten.

Bleistücke schwirrten um Henry herum wie wütende Hornissen.

In diesem Augenblick spürte er eine Bewegung neben sich.

»Was ist denn das für eine Art, einen alten Mann aus dem Schlaf zu reißen, hä?« Zack war auf den Beinen und hielt sein Gewehr in den Fäusten. Das war alt genug, um schon bei Waterloo gegen Napoleon ins Feld gezogen zu sein, aber hier draußen kam es nicht auf die Waffe an, sondern auf den Mann, der sie führte. Und der alte Zachary konnte einer Mücke auf eine halbe Meile Entfernung einen Flügel wegschießen. Als sich einer der Angreifer aus seiner Deckung wagte und mehrere Kugeln in ihre Richtung sandte, ließ Zack sein Gewehr sprechen.

Das Geschoss raste dem Angreifer geradewegs in die Brust.

Einmal noch fuhr er in die Höhe, dann kippte er in den Staub. Er war schon tot, als er auf dem Boden aufkam.

Sein einohriger Spießgeselle wälzte sich noch immer und hielt sich brüllend den Schädel. Der dritte im Bunde schien zu erkennen, dass ihr Angriff gescheitert war. Er stürmte zu dem Verletzten, packte ihn am Kragen und zerrte ihn mit sich davon.

Weder Henry noch Zack hielten ihn davon ab, als er sein Heil in der Flucht suchte.

Sie warteten noch eine Weile ab, aber alles blieb ruhig.

»Verdammte Bande«, knurrte Zack. »Ohne die Pferde hätte uns ein langer Spaziergang bevorgestanden.«

»Da sagst du was.« Henry schob seine Waffe zurück ins Holster und spürte mit einem Mal einen brennenden Schmerz in seinem linken Oberarm. Nun, wo der Rausch der Gefahr wich, drang das pochende Ziehen in seinen Verstand vor.

»Dich haben sie erwischt«, grollte Zack.

»Halb so wild.«

»Lass es mich ansehen. Zieh mal dein Hemd aus.«

Widerstrebend tat Henry, wie ihm geheißen. Zack beugte sich vor und beäugte seine Verletzung.

»Ist 'n glatter Durchschuss. Wir müssen ihn trotzdem saubermachen, sonst könnte sich die Wunde entzünden und dann verlierst du den Arm. Wäre schade drum.« Der Alte kniff verschmitzt ein Auge zu. Dann stapfte er zu seinen Satteltaschen und kramte kurz darin herum. Als er zurückkam, hielt er eine Flasche Whisky und einen sauberen Stoffstreifen in der Hand. Er zog den Pfropfen aus der Flasche, setzte sie an die Lippen und nahm einen langen Schluck. Als Henry die Stirn runzelte, murmelte er: »Schon gut. Kriegst ja auch was ab. Halt still jetzt.« Er schüttete etwas Whisky über die Ein- und die Austrittswunde. Es brannte wie das Höllenfeuer.

Henry zog scharf den Atem ein, rührte sich aber nicht vom Fleck. Warmes Blut rann seinen Arm hinunter, bis sein Begleiter die Wunde verbunden hatte und zufrieden nickte.

»Das sollte halten bis wir wieder auf der Ranch sind. Dort kann sich Miss Debra die Verletzung mal ansehen.« Zack warf ihm einen verschmitzten Blick zu. »Schätze, das ist dir nicht ganz Unrecht, oder?«

Henry brummte etwas, das nicht zu verstehen war.

»Was?«, hakte der Alte nach. »Du magst sie doch. Kannst ja die Augen nicht von ihr lassen, sobald sie auftaucht. Ist 'n verdammtes Wunder, dass es dem Boss noch nicht aufgefallen ist.«

»Debra ist nicht meine Stiefelgröße«, murmelte Henry.

»Was soll denn das nun wieder heißen?«

»Dass sie die Tochter vom Boss ist und ich nur ein Cowboy, dem kaum mehr als sein Hut und eine Handvoll Kugeln gehören. Ich glaube kaum, dass sie einen armen Schlucker zum Mann nehmen würde. Nein, da müsste ich ihr schon mehr bieten als eine verlauste Matratze und hochfliegende Träume.«

»Wenn sie dich liebt, wird es ihr egal sein, was du besitzt.«

»Liebe? Soweit sind wir noch lange nicht.«

»Meinst du?« Zack rieb sich das bärtige Kinn. Es gab ein schabendes Geräusch.

»Gab es für dich einmal eine Frau, die du für immer bei dir haben wolltest?«

»Eine? Viele!« Der Alte grinste.

»Ich meine es ernst«, beschwerte sich Henry.

»Ich auch. Es gab viele Frauen in meinem Leben, das kann ich nicht verhehlen, aber ich habe sie alle geliebt.« Zack zog eine Augenbraue hoch. »Wenn du Debra wirklich willst, dann nimm sie dir.«

»Wie denn? Sie guckt mich ja nicht mal an.«

»Dann musst du ihr halt was zum Gucken geben.«

»Soll ich mich etwa vor ihr entblättern?«

»Unfug. Ich meine, sei für sie da. Zeig ihr, was du fühlst. Die Frauen wollen das hören. Ihnen reicht es nicht, dass du ihrem Pferd täglich eine Extraportion Futter hinstreust und ihre Stiefel fettest, sodass sie selbst im schlimmsten Regen keine nassen Füße bekommt. Sie muss hören, was du willst und empfindest.« Der Blick des Alten trübte sich. »Als ich noch jung war, gab es mal ein Girl, das ich nicht aus dem Kopf bekam. Ihr Name war Savannah. Sie war bildhübsch und klug und ich war ganz vernarrt in sie. Aber ich hab es ihr nie gesagt, weißt du.«

»Was hast du ihr nie gesagt?«

»Wie großartig sie ist. Damals dachte ich: Nicht beschwert, ist genug gelobt. Das stimmt aber nicht. Irgendwann ging sie fort. Mit einem Mann, der ihr all die Dinge sagte, die sie eigentlich von mir hätte hören sollen.« Zack schnaufte. »Reue ist 'ne verdammt traurige Erfahrung. Kann ich nicht empfehlen. Wirklich nicht.«

Henry ließ sich die Worte des Alten durch den Kopf gehen, während er sein Hemd wieder anzog. Hatte er Recht? Sollte er es riskieren und Debra gestehen, wie sehr er sich nach ihr sehnte? Wie oft er an ihre weiche Haut und den Apfelduft ihrer Haare dachte?

Zack ging nicht weiter darauf ein. Stattdessen packte er sein Bündel zusammen. Dann deutete er zu dem flachen Stein, auf dem Henry saß.

»Lass uns etwas essen und dann aufbrechen, ehe der Findling noch die Form deines Hinterns annimmt.« Er reichte Henry eines der aufgeweichten Brötchen.

»Verzichte«, brummte der angesichts des matschigen Teigklumpens. »Da kann ich mir auch gleich eine Handvoll Schlamm in den Mund schieben.«

»Tu dir keinen Zwang an.« Zack zuckte mit den Achseln und verschlang das Brötchen. Dann spülte er mit Whisky nach und reichte Henry die Flasche.

»Whisky? Zum Frühstück?«

»Wenn du nicht willst...«

»Doch, reich schon rüber.« Henry setzte die Flasche an und trank. Das Getränk rann scharf und brennend seine Kehle hinunter und schien eine Glut in seinem Magen anzufachen. Eine angenehme Wärme breitete sich in ihm aus und ließ ihn seine durchnässte Kleidung für kurze Zeit vergessen.

Sie sattelten ihre Pferde und schnürten ihre Bündel fest.

Anschließend luden sie ihre Waffen neu. Sie verloren kein Wort darüber, aber beide rechneten sie damit, dass die Banditen ihr Glück ein zweites Mal versuchen würden. Sie waren auf der Hut.

Ihre Tiere waren bei der Schießerei nicht verletzt worden und das war ein Glück, denn Henry hatte keine Lust, die restlichen Meilen zu Fuß zu gehen.

Wenig später brachen sie auf. Über ihnen rissen die Wolken allmählich auf und die Sonne zeigte sich. Sie ritten weiter in Richtung Osten. Henry erlaubte sich keine weiteren Träumereien. Vielmehr waren all seine Sinne hellwach für den Fall, dass die Pferderäuber ein weiteres Mal auftauchten...

Die Rawlings-Ranch breitete sich im flachen Land südlich des Trinity River aus.

Das zweistöckige Ranchhaus wurde von Stallungen und Wirtschaftsgebäuden flankiert. Ausgedehnte Weideflächen schlossen sich daran an. So weit das Auge reichte, gehörte alles Land Jock Rawlings. Er hatte die Ranch aus dem Boden gestampft und mit der Zucht von Longhorns begonnen. Mit den Jahren war seine kleine Herde zu einer riesigen Zahl von Tieren angewachsen, die er an die Armee und die großen Fleischbetriebe im Osten verkaufte. Sein Reichtum erlaubte ihm nicht nur einige Extravaganzen wie eine enorme Waffensammlung und einen üppigen Garten mit allerlei exotischen Pflanzen, deren Pflege gleich zwei Gärtner und mehr Wasser erforderte, als Henry für vertretbar hielt. Nein, der Rancher unterstützte auch den Bau eines Krankenhauses in der nahen Stadt. Es sollte im kommenden Herbst seinen Betrieb aufnehmen.

Ein Netz aus Wegen und Trails spannte sich rings um die Rawlings-Ranch. Hier und da sprenkelten dornige Mesquitesträucher den Boden und windzerzauste Platanen ragten in den blauen Texashimmel.

Seitdem Henry auf der Ranch lebte, lag sein Boss ständig im Clinch mit irgendwelchen Nachbarn, denen er ihr Land abkaufen wollte, um seine Ranch weiter zu vergrößern. Kaum jemand gab seinen Grund so einfach her, aber der Ehrgeiz des Ranchers trieb ihn, seinen Besitz mehr und mehr zu vergrößern.

Am Mannschaftsquartier zeugten zahlreiche Einschusslöcher vom Übermut der Cowboys, wenn es am Zahltag wieder einen Bonus gegeben hatte. So zielstrebig der Rancher auch war, vergaß er doch nie, wessen Arbeit er seinen Erfolg verdankte.

Seine Cowboys hielten ihm ebenso die Treue wie er ihnen.