Lassiter 2567 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2567 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Der Aghaa'la oder El Capitan, wie ihn die Bleichgesichter nannten, erglühte in feurigem Abendrot und warf einen langen Schatten in die Talebene. Er galt dem Stamm als jener Berg, an dem sich die Wildtiere verbargen und an dem man Rehhäute gerbte, um ein Opfer zu bringen. Er war ein heiliger Platz und gehörte den Navajo seit Anbeginn der Zeit.
Die Krieger sprangen von den Pferden. Sie trugen Tierfelle und lederne Gewänder, an denen Silberschmuck und Perlenketten glänzten. Sie gingen hinter einer Felsenkette in Deckung, von der aus sie gute Sicht auf die Weißen hatten. Die fünf Männer und Frauen fuhren in einer Kutsche und waren weit ins Gebiet der Navajo vorgedrungen.
Stumm gab der Älteste den Befehl. Sie würden die Fremden zu Gefangenen des Stammes machen - oder jeden von ihnen töten...


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Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

70 Meilen durch Feindesland

Vorschau

Impressum

70 MeilendurchFeindesland

Der Aghaa'la oder El Capitan, wie ihn die Bleichgesichter nannten, erglühte in feurigem Abendrot und warf einen langen Schatten in die Talebene. Er galt dem Stamm als jener Berg, an dem sich die Wildtiere verbargen und an dem man Rehhäute gerbte, um ein Opfer zu bringen. Er war ein heiliger Platz und gehörte den Navajo seit Anbeginn der Zeit.

Die Krieger sprangen von den Pferden. Sie trugen Tierfelle und lederne Gewänder, an denen Silberschmuck und Perlenketten glänzten. Sie gingen hinter einer Felsenkette in Deckung, von der aus sie gute Sicht auf die Weißen hatten. Die fünf Männer und Frauen fuhren in einer Kutsche und waren weit ins Gebiet der Navajo vorgedrungen.

Stumm gab der Älteste den Befehl. Sie würden die Fremden zu Gefangenen des Stammes machen – oder jeden von ihnen töten...

Der Prospekt aus dem Harvey House, den Mary A. Callan mit der rechten Hand umklammert hielt, zeigte eine Illustration der majestätischen Tafelberge, in deren Schatten die Kutsche dahinrollte, und eine lächelnde junge Frau in traditioneller Indianerkleidung. Er war Mary kurz von der Abfahrt der Kutsche überreicht worden, um ihr die staubige Fahrt durch die Talebene zu verkürzen.

»Sie müssen keine Furcht haben«, sagte der ältere Mann auf der gegenüberliegenden Sitzbank. Er hieß Potters und war im Ölpumpengeschäft tätig. »Wenn man sich bei der Fred Harvey Company auf eines verlassen darf, dann auf die vorzügliche Qualität jedes einzelnen Bestandteils einer Reise. Ich durfte Hunderte Fahrten mit Harvey machen.« Er verschränkte die Hände vor dem stattlichen Bauch. »Keine davon hat mich enttäuscht.«

Die anderen Passagiere des Vierspänners – eine Frau mit einem sechsjährigen Knaben, ein schmaler Mann namens Wooldridge und ein aalglatter Spekulant der Santa-Fé-Railroad – nickten zustimmend. Sie nahmen es mit Gleichmut hin, dass sie ob Potters' Redeschwall nicht zu Wort kamen.

»Vor zwei Jahren«, fuhr Potters mit sich überschlagender Stimme fort. »Vor zwei Jahren fuhr ich nach Flagstaff und nahm eine Nacht im dortigen Harvey House. Sie lasen mir jeden Wunsch von den Lippen ab. Eine Ananas, Miss!« Er beugte sich nach vorn. »Wissen Sie, was eine Ananas ist? Ich erhielt diese Frucht und man schnitt sie mir vor meinen Augen auf.«

Mary lächelte freundlich und richtete den Blick auf die rötlichen Sandsteinfelsen, an denen sie vorbeifuhren. »Mr. Potters, ich weiß, was eine Ananas ist. Sie unterschätzen mein Alter und meine Erfahrung. Ich fürchte mich vor den Indianerstämmen, die in dieser Gegend heimisch ist.« Sie deutete aus dem Fenster. »Diese Berge sind ihr Land.«

Glucksend lachte Potters in sich hinein und winkte ab. »Sie fürchten sich vor einer Horde Wilder, die von Schafzucht und der Weberei leben. Diese Menschen ziehen durch diese öde Landschaft...« Er deutete ebenfalls aus dem Fenster. »Sie sind nichts weiter als amerikanische Beduinen.«

Die Kutsche fuhr ins abendliche Sonnenlicht und beschleunigte ihre Fahrt. Der Fremdenführer hatte ein Nachtlager am Segeke Butte vorgeschlagen, einer der anmutigsten Orte in diesem Teil des Arizona-Territoriums. Er lag auf dem Land verschiedener Indianervölker.

»Die Beduinen besiedeln die arabischen Wüsten seit Jahrhunderten«, gab Wooldridge zu bedenken und blickte Mary an. Er sprach sanft und zuvorkommend. »Sie müssen sich dennoch nicht ängstigen, Miss. Ich bin gewiss, dass ich, Mr. Potters und Mr. Chandler in der Lage sind, Sie ausreichend zu schützen.«

Verlegen lächelte Mary den jungen Mann an, von dem sie außer dem Namen nur wusste, dass er als Vermessungsingenieur für die Santa-Fé-Railroad arbeitete. Er war mit dem Spekulanten angereist und hatte das Zimmer gegenüber bewohnt.

»Höchst ausreichend!«, betonte Potters wichtigtuerisch und lehnte sich aus dem Fenster. »Hey dort oben! – Hey, Kutscher! – Wie lange fahren wir noch?« Er blickte in die Kabine zurück und verdrehte die Augen. »Diese beiden alten Haudegen würden bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag durch die Wüste –«

Im selben Augenblick traf Potters ein scharfer Hieb gegen den Schädel.

Der Handelsvertreter verlor das Gleichgewicht, strampelte wild mit den Beinen und stürzte kopfüber aus dem Kutschfenster. Er schrie vor Schmerz und schaffte es offenbar gerade noch, sich vor dem heranrasenden Hinterrad zu retten.

Die Männer schnellten in die Höhe und stürzten zu den Fenstern.

»Potters!«, brüllte der Spekulant, der sich Mary als Mr. Chandler vorgestellt hatte. Er lehnte sich ins Freie, rief nach dem Kutscher und hämmerte mit der Faust gegen die Kabinenwand. »Hey, hey! Anhalten! Halten Sie an!«

Der Knabe weinte und klammerte sich an die Hand seiner Mutter. Er sah zu Mary, wischte sich hastig die Tränen von der Wange und biss sich tapfer auf die Unterlippe. Als Mary sich zu ihm herunterbeugte, sah sie einen der Kutscher tot vom Sitz stürzen.

Der Tote hatte einen federgeschmückten Speer in der Brust.

»Indianer!«, hauchte die Mutter des Kleinen und presste ihr Kind fest an sich. Sie hielt dem Jungen die Augen zu und blickte hilfesuchend zu Mary. »Wir müssen zu Gott dem Allmächtigen beten, dass uns nichts Schlimmes widerfährt.«

Wooldridge riss die Kabinentür auf und sprang aus der nun langsam dahinrollenden Kutsche. Er schaute sich nach Potters und dem Toten um, rief Potters Namen und forderte Chandler gestikulierend auf, zu ihm zu kommen. Als der Spekulant vom Trittbrett gesprungen war, stand Mary auf und stieg ebenso aus.

Sie versank mit den Stiefelabsätzen im roten Sand.

Potters war am Leben und ließ sich von Wooldridge auf die Beine helfen. Er deutete auf die Hügel, von denen sich Dutzende Reiter näherten. Es waren Navajo-Krieger mit erhobenen Speeren.

»Bei Gott!«, kreischte die Mutter in der Kabine. »Kommen Sie zurück! Kommen Sie zurück in die Kutsche!«

Der Junge schlüpfte unter den Armen seiner Mutter hindurch, kletterte die Trittstufen hinunter und blieb wie angewurzelt davor stehen. Er schnappte nach Luft und begann zu weinen.

Die Reiter kreisten die Kutsche von allen Seiten ein.

Sie bedrohten Wooldridge und Chandler mit ihren Speeren, als die Männer ihre Colts ziehen wollten, und töteten den Fremdenführer, der sich verwundet vom Kutschbock rutschen ließ. Potters hob die Arme und bot den Navajo-Männern ihre Kapitulation an.

Mary schlug das Herz bis zum Hals.

Die Longhorn-Bullen hatten sich mit ihren Hörnern verhakt und blökten ärgerlich, als die Cowboys heranritten und die Tiere mit zwei Peitschenhieben auseinandertrieben. Die Rinderhirten wendeten in einer aufstiebenden Staubwolke, nickten einander zu und jagten in fliegendem Galopp davon. Sie brauchten eine halbe Minute bis zum ersten Holzfass, von dem aus sie aufgebrochen waren.

»Verdammt!«, schrie Henry Pennington und hieb in seinem Ehrgeiz auf das Sattelhorn ein. Er wischte sich Schweiß aus dem bärtigen Gesicht. »Du hast mich schon wieder geschlagen! Wie schaffst du das bloß jedes Mal?«

Der andere Mann lehnte sich im Sattel zurück und lächelte. Er hatte sandblondes Haar, breite Schultern und trug ein elegantes Holster mit einem glänzenden 38er-Remington darin um die Hüfte. »Man muss kühlen Kopf behalten, Henry. Ich sage es dir bei jeder Gelegenheit aufs Neue.«

Pennington stieg ab, nahm sein Pferd bei den Zügeln und führte es zum Handelsposten hinüber. Er band es am Hitchrack fest und wusch sich den Oberkörper in der Wassertränke. »Wie oft kommst du schon her, Lassiter! Ich ertrage die Einsamkeit in Arizona nicht mehr.« Er richtete sich auf und trocknete sich mit dem Hemd ab. »Ich brauche einen guten Freund wie dich.«

Der Mann der Brigade Sieben stieg gleichfalls aus dem Sattel und rechnete im Geist zurück, in welchem Jahr er Pennington zuletzt gesehen hatte. Er und der Handelspostenbesitzer kannten sich aus Wells-Fargo-Zeiten und schrieben sich alle Jubeljahre Briefe. »Auf gute Freunde kann ein Tausendsassa wie du verzichten. Du hast dir diesen verfluchten Handelsposten aufgebaut.«

Aus dem zweistöckigen Holzbau, an dem in großen, bemalten Lettern Penningtons Name prangte, trat eine junge Frau und brachte zwei Krüge Eiswasser zu den Männern. Es war Penningtons Schwester Edna, die ihrem Bruder aushalf, solange die Temperaturen im Red Lake Valley erträglich waren.

»Was nutzt dieser Klotz schon?«, jammerte Pennington und griff gierig nach dem kühlen Wasser. Er trank den Krug leer und reichte den zweiten an Lassiter weiter. »Vom Herbst bis ins Frühjahr hinein kommt kaum einer vorbei. Ich verkaufe allenfalls Webdecken an die Indianeragenten.« Er seufzte. »Außerhalb des Arizona-Territoriums könnte ich ein Vermögen verdienen.«

»Nun übertreib nicht gleich!«, widersprach Edna mit ihrer glockenhellen Stimme. Sie band sich das schwarze Haar zu einem Zopf und streichelte dem Pferd über die Mähne. »Immerhin bleiben dir noch die Rinder und die Wasserrechte.«

Die Territorialverwaltung hatte Pennington eine kostbare Wasserkonzession verkauft, die ihm ermöglichte, im ganzen Red Lake Valley Brunnen anzulegen. Die künftigen Siedler im Tal würden auf den Handelsposten angewiesen sein. Noch jedoch hatte sich niemand in diesem unwirtlichen Winkel des Territoriums niedergelassen.

»Für Wasserrechte braucht man durstige Kehlen!«, sagte Pennington resigniert. Er klopfte dem Pferd den Staub vom Fell, nahm den Sattel herunter und stieß Lassiter damit an. »Bleibst du über Nacht, mein Freund? Ich lasse dich nicht gehen, bevor du einen Löffel von Ednas Yuccapastete gekostet hast.«

Spät in der Nacht waren nur noch die Geräusche der grasenden Rinder im Hof zu vernehmen.

Die Longhorn-Herde hatte sich um den Handelsposten geschart, wie sie es gewohnheitsmäßig tat, sobald Pennington die Salzsteine herausstellte. Er hatte Edna jede Einzelheit dazu beim Abendessen mitgeteilt.

»Leise!«, keuchte die junge Schwarzhaarige und bewegte sich über Lassiter auf und ab. Sie war nackt bis auf ihren verdrehten Miedergurt, den ihr der große Mann bis zur Taille hinaufgeschoben hatte. »Er darf nichts hören... Er darf überhaupt nichts von dieser Nacht wissen.« Sie stöhnte leise. »Du bist wie ein Bruder für ihn.«

Sie trieben es nicht das erste Mal zusammen; in dieser Nacht schon gar nicht. Die Tür zu Ednas Kammer hatte Lassiter immer aufgestanden, und er hatte nie gezögert, diese verführerische Einladung anzunehmen. Er verspürte zwar Reue gegenüber seinem Freund, wusste jedoch, dass Pennington ihm diesen Fehltritt nicht nachtragen würde, käme Letzterer eines Tages ans Licht.

»Zieh das Hemd aus!«, wisperte Edna und knöpfte Lassiters staubiges Baumwollhemd auf. Sie streifte es ihm von den Schultern und schmiegte sich mit der Brust an seinen nackten Oberkörper. »Wie hast du mir gefehlt... Ich könnte im ganzen Arizona-Territorium keinen Mann wie dich finden...«

Sie ritt ihn zärtlich und mit Hingabe, massierte mit einer Hand dabei seinen Schritt und fuhr ihm mit der anderen durchs Haar. Sie richtete sich vor ihm auf, gestattete ihm einen Blick auf ihre makellosen Brüste, deren Knospen steif und erregt waren. Als Lassiter sie mit den Händen umfasste, stöhnte Edna vor Wollust auf.

Kaum eine Viertelstunde, nachdem sie angefangen hatten, kam es Edna.

Sie ließ sich ganz auf Lassiters steifes Glied herunter, schloss die Augen und wippte sanft darauf, bis sie von den Wogen ihrer eigenen Erregung fortgerissen wurde. Sie stieg von Lassiter herunter, lächelte ihn an und besorgte es ihm zärtlich mit dem Mund.

Danach blieb das Paar engumschlungen liegen.

»Wie lange wirst du bleiben?«, fragte Edna und küsste Lassiter auf die Wange. Sie fuhr mit der Hand über seine behaarte Brust. »Ich verstehe mich auf dieses Versteckspiel. Ich gebe dir mein Wort, dass mein Bruder –«

Im gleichen Moment krachte ein ohrenbetäubender Schuss.

Er war im unteren Stockwerk abgefeuert worden und hatte die Wände des Handelspostens zum Zittern gebracht. Der Glasschirm der Petroleumlampe, die an der Wand hing, splitterte und rutschte klirrend aus der Fassung.

Der Mann der Brigade Sieben sprang auf die Beine.

Er packte seinen Holstergurt, riss den Remington heraus und presste den Finger auf die Lippen. Er schlich zur Tür, spannte die Waffe und presste das Ohr ans Holz.

Gespenstische Stille herrschte im Haus.

Der Gewehrschuss war unerwidert geblieben, woraus Lassiter den Schluss zog, dass der Schütze entweder geflohen war oder Pennington etwas angetan hatte. Auf den Treppenstufen jedenfalls war nicht der mindeste Laut zu hören.

Edna hatte sich angekleidet und bebte vor Furcht.

Sie hockte hinter dem Bett, biss vor Nervosität auf dem Laken herum und hielt mit beiden Händen das Kopfkissen fest. Sie hatte von Indianern erzählt, die sich manchmal am Handelsposten herumtrieben, und von einem Kerl mit dem Namen Butterfield, der es auf ihren Bruder abgesehen hätte.

»Bleib, wo du bist!«, kommandierte Lassiter flüsternd. »Ich sehe nach Henry.«

Die Mädchen des Harvey House von Flagstaff waren anständige Ostküstenbewohnerinnen, die vom Direktorium des Hotels gewissenhaft ausgesucht und geschult worden waren. Sie trugen hochgeschlossene schwarze Kleider, geschnürte Spitzenhäubchen, dünne Handschuhe und dazu eine blütenweiße Schürze. Seit Stunden lasen sie James P. Butterfield jeden Wunsch von den Augen ab.

»Mir reicht es, Emma!«, knurrte Butterfield und schob den Teller gebackener Datteln, die ihm das Zimmermädchen gebracht hatte, von sich. »Von den verfluchten Süßigkeiten bekomme ich einen schweren Kopf.«

Der Mann am anderen Ende des Tisches lächelte und gab dem Dienstmädchen ein knappes Zeichen, worauf die junge Frau mitsamt dem Teller verschwand. »Sie sollten sich von unserem Luxus nicht blenden lassen. Ich stelle Ihnen lediglich die Annehmlichkeiten zur Verfügung, die ein Reisender von Ihrem Stand und Ihrer Größe benötigt.«

Butterfield musterte seinen Gesprächspartner, der sich ihm als Bill Stewart, hiesiger Direktor des Harvey House, vorgestellt hatte. »Mir geht es nicht um Luxus, Stewart. Ich möchte Ihnen helfen. Ich möchte Ihnen in dieser misslichen Lage aufrichtig helfen.«

Zwischen den Männern lag der Flagstaff Herald ausgebreitet, dessen einzige Schlagzeile an diesem Sonntag lautete, dass eine Kutsche voller Sommerfrischler am El Capitan verschollen sei. Die Wochenzeitung hatte der Sensationsmeldung eine ganze Spalte gewidmet.

»Missliche Lage!«, wiederholte der Hoteldirektor und rieb sich die Stirn. Er hatte in den vergangenen Tagen wenig geschlafen, wie seine tief zerfurchte Stirn bezeugte. »Sie können den größten Skandal, den je ein Harvey House heimgesucht hat, keinesfalls bloß als ›misslich‹ beschreiben. Ich darf Ihnen sagen, dass jeder –«

»Jeder von Ihnen sorgt sich!«, unterbrach Butterfield sein Gegenüber schroff und winkte ab. Er hatte die gleiche Litanei zuvor von anderen Angestellten des Harvey House gehört. »Ich kenne inzwischen all Ihre Bedenken. Ich schlage vor, dass wir deshalb zum Geschäftlichen kommen.«

Das Geschäft mit dem Salz hatte Butterfield damals ins Arizona-Territorium geführt und binnen kürzester Zeit zu einem reichen Mann gemacht. Er hatte Salinen anlegen lassen, in denen die Mittagshitze salzhaltiges Quellwasser verdampfte, hatte Abfüllstationen und Lagerdepots errichtet, hatte Routen durchs Indianerterritorium auskundschaften lassen.

Zwischen Henderson und Albuquerque kam niemand um die Butterfield Salt Works herum.

»Zehntausend Dollar biete ich dir«, meinte Stewart und schob einen Umschlag über den Tisch. »Von deinen Leuten kennen sich die meisten im Indianerterritorium aus. Sie könnten nach meiner Kutsche suchen.« Er beugte sich nach vorn. »Ich muss diese Leute finden. Ich darf nicht zulassen, dass es vom Harvey House in Flagstaff heißt, dass Sommerfrischler den Navajo in die Hände fallen.«

Das Harvey-Mädchen brachte Mürbeteiggebäck herein und stellte den Teller zwischen den beiden Männern ab. Sie streifte Butterfield mit einem freundlichen Blick, den der Geschäftsmann mit einem artigen Lächeln quittierte. Als das Mädchen sich verabschiedet hatte, griff Butterfield nach einem Keks und verzehrte ihn.

»Die Harvey Houses sind Stätten des Genusses«, fuhr Stewart fort und wies auf das Kuvert. »Ich brauche deine Hilfe, John. Ich brauche dich und deine Leute.«

Butterfield genoss die Demut des Hoteldirektors, der ihm so offensichtlich Honig um den Bart schmierte. »Ich brauche deine Dollars nicht. Ich bin reich genug, um dieses Harvey House zu kaufen. Ich brauche kein verdammtes Geld von dir.«

Verzweifelt hob Stewart die Hände. »Was könnte ich dir sonst bieten? Ich kaufe seit Jahren Salz von dir. Ich könnte dich zum alleinigen Lieferanten für den ganzen Südwesten machen.«

»Über Kontrakte reden wir später«, packte Butterfield die Ungeduld. Er konnte und wollte Stewarts Notlage ausnutzen. »Woran ich interessiert bin, ist Politik. Ich brauche die Genehmigung des Gouverneurs, ins Navajoland vorzudringen. Sie besitzen ein seltenes Salz, das sie Ashijh nennen.«