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"Dummes Schwein!", knurrte Riley Johnson zwischen zusammengepressten Zähnen und griff nach seiner Schrotflinte. Er spannte gleich beide Abzüge und legte auf das schlammbespritzte Ferkel an, das eine Anhöhe hinablief.
"Nein! Nicht bitte schießen mein Freund!", radebrechte eine zarte Stimme. Auf der Kuppe des Hügels erschien ein Kind von fünf oder sechs Jahren und wedelte heftig mit den Armen.
"Lern erst mal unsere Sprache, du Knirps!", gab Johnson zurück. "Das ist mein Grund und Boden! Euer Viehzeugs hat darauf nichts verloren!"
Eiserne Härte zeichnete seine Züge. Als hätte er keine anderen Probleme, als diese Polen von seinem Grundstück fernzuhalten. Immerhin gab es Männer, die ihm nicht nur lästig waren, sondern die ihn bedrängten wie Raubtiere, um zum tödlichen Schlag ausholen zu können.
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Old Man Johnson
Vorschau
Impressum
Old ManJohnson
»Dummes Schwein!«, knurrte Riley Johnson zwischen zusammengepressten Zähnen und griff nach seiner Schrotflinte. Er spannte gleich beide Abzüge und legte auf das schlammbespritzte Ferkel an, das eine Anhöhe hinablief.
»Nein! Nicht bitte schießen mein Freund!«, radebrechte eine zarte Stimme. Auf der Kuppe des Hügels erschien ein Kind von fünf oder sechs Jahren und wedelte heftig mit den Armen.
»Lern erst mal unsere Sprache, du Knirps!«, gab Johnson zurück. »Das ist mein Grund und Boden! Euer Viehzeugs hat darauf nichts verloren!«
Eiserne Härte zeichnete seine Züge. Als hätte er keine anderen Probleme, als diese Polen von seinem Grundstück fernzuhalten. Immerhin gab es Männer, die ihm nicht nur lästig waren, sondern die ihn bedrängten wie Raubtiere, um zum tödlichen Schlag ausholen zu können.
»Bitte, Sir! – Mr. Johnson!«, rief der Kleine. »Lassen Schwein leben! Verspreche ich, Sie nie mehr belästigen!«
Die unterschiedlichsten Gedanken gingen Riley Johnson durch den Kopf. Er hasste seine Nachbarn, diese verfluchten Einwanderer, die sich auf amerikanischem Boden breitmachten. In ihrer Heimat waren sie offenbar gescheitert und versuchten nun, die verfassungsmäßigen Rechte der Amerikaner für sich in Anspruch zu nehmen.
Johnson senkte seine Shotgun. Ivo – so lautete der Name des Jungen, sofern sich Riley Johnson recht erinnerte – konnte letztlich nichts dafür, dass seine Eltern ihn in diese Situation gebracht hatten. Dennoch musste er auch diesem Kind klarmachen, dass es sich an Regeln zu halten hatte.
»Nimm das Schwein und verzieh dich!«, stieß er mit unterdrücktem Groll aus. »Beim nächsten Mal knalle ich es ab und röste das Viech über einem Feuer!«
Der Junge stürmte den Hügel hinab, holte das Ferkel ein und trieb es wieder die Anhöhe hinauf. Zum Abschied drehte er sich herum und winkte. »Danke, Sir Mr. Johnson! Gott beschütze Sie!«
Lausiger Bengel!, dachte der Farmer und setzte sich zurück auf seinen Lehnstuhl auf der Veranda seines Hauses. Dort entzündete er eine Zigarre und paffte vor sich hin. Die Kowalskis, deren Farm nicht einmal eine Meile entfernt lag, wollten ihm nicht mehr aus dem Sinn gehen. Seit sie sich vor zwei Jahren niedergelassen hatten, hegte Johnson einen Groll gegen sie. »The Land of the Free« wurde mehr und mehr zu einem Sammelsurium fremder Nationen, die auf dem Kontinent nichts zu suchen hatten. Und sie zeigten sich sogar unwillig, die vorherrschende Sprache zu erlernen. Eigentümliche Kulturen dehnten ihren Einfluss aus und bildeten Gruppen verschworener Gemeinschaften.
Als eingefleischtem Republikaner war Riley Johnson diese Entwicklung zuwider. Und an die Kowalskis würde er sich nie gewöhnen. Sie waren wie ein Jucken an einer Stelle seines Rückens, die er mit seinen Händen nicht erreichen konnte.
Aber da war noch Fenton Gorm, ein Mann, der Macht und Geld besaß. Und auf Kosten von Johnson wollte er seinen Reichtum noch vermehren.
Mit der Linken packte Riley Johnson seine Shotgun, mit der Rechten seine Zigarre. Er war schon sehr gespannt, was Gorm als Nächstes unternehmen würde. Die Häscher des Großgrundbesitzers würden nicht lange auf sich warten lassen. Doch selbst mit seinen siebzig Jahren wollte Johnson den Widerstand leisten, der ihm von der Verfassung zugesichert war. Im Bürgerkrieg hatte er sich die nötigen Fertigkeiten angeeignet, selbst ausweglose Situationen zu seinen Gunsten zu drehen. Er verfügte über ein Waffenarsenal und Kampferfahrung. Seine Farm und seinen Grundbesitz würde Johnson bis zum letzten Atemzug verteidigen.
Die Frage war, wie viele er mitnehmen konnte, bis das Leben aus ihm wich...
✰
Surprise war nicht gerade der Ort, in dem man Erholung suchte. Es war ein staubiges kleines Städtchen in Arizona, an dem keine Bahnlinie vorbeiführte und vermutlich auch keine Postkutsche Halt machen würde.
Lassiter sah es gelassen. Er hatte schon in fragwürdigeren Örtchen Rast gemacht und war generell mit dem zufrieden, was ihm geboten wurde.
Allerdings würde er seine niedrigen Ansprüche noch herunterschrauben müssen. Auf den ersten Blick gab es in Surprise nichts, was einen halbwegs angenehmen Aufenthalt versprach. Die windschiefen Häuser wirkten, als könnte sie der leiseste Präriewind umblasen. Und jenes Gebäude, auf dem großspurig die Buchstaben »Hotel« prangten, wirkte wie ein von betrunkenen Zimmermännern zusammengenagelter Stall, in dem Lassiter nicht einmal einen lahmen Gaul untergestellt hätte.
Hinter dem Tresen der Rezeption kauerte ein fettleibiger Kerl in speckigem Unterhemd, das Abziehbild einer Klischeefigur, wie man sie aus Pulp-Romanen kannte. Schweiß perlte auf seiner Stirn, lief an den Schläfen hinab und fing sich in seinen Bartstoppeln. Die geröteten Wangen und der Gelbstich seiner Augen deuteten auf einen Mann hin, der bereits früh am Morgen zur Flasche griff und sie nicht aus den Händen ließ, bis sie zur Neige geleert war.
»Ich brauche ein Zimmer«, sagte Lassiter. »Für ein bis zwei Tage.«
Eine Reaktion erfolgte nicht. Trübe starrte der Dicke voraus und schien in andere Welten entschwunden. Abwesend saß er auf einem Schemel, die Ellbogen auf den Knien abgestützt, die Finger in nervöser Bewegung ineinander verschränkt.
Mit der flachen Hand schlug Lassiter auf die Theke. »Hey, wie sieht's jetzt aus?«, stieß er hervor. »Kriege ich jetzt mein Zimmer?«
Ein Ruck ging durch den Mann. Er drehte seinen Kopf Lassiter zu und schaute ihn an wie das achte Weltwunder. »Ein Zimmer?«, kam es gehaucht über seine Lippen.
»Ja! Was verdammt denn sonst könnte man von Ihnen wollen?«
Lassiter erhielt einen Schlüssel und wollte bezahlen, doch der träge Clerk winkte müde ab. »Zahlen Sie, wenn Sie wieder gehen. Das machen hier alle so.« Ein Griff unter den Tresen förderte eine Schnapsflasche zutage, die sich der Mann an den Mund setzte und mehre kräftige Schlucke nahm.
»Was ist mit meinem Pferd?«, fragte der Brigade-Agent. »Es braucht Futter und Wasser.«
»Da ist eine kleine Koppel hinter dem Haus. Hafer und Wasser finden Sie da auch. Kostet einen Dollar extra pro Tag.«
Nachdem Lassiter seinen Grauschimmel versorgt hatte, begab er sich auf direktem Weg in den Saloon des Nests. Er wollte lediglich einen Tag verschnaufen, ehe er seine Reise nach New Mexico fortsetzte. Dort würde er Handlungsanweisungen für seinen nächsten Auftrag erhalten.
Lassiter nahm an einem kleinen Tisch abseits der Theke Platz und bestellte einen Whiskey. Er hatte noch nicht einmal daran genippt, da gesellte sich ein Fremder zu ihm und bat darum, sich setzen zu dürfen.
»Ich sehe noch mindestens fünf freie Tische«, erwiderte Lassiter. »Was ist an diesem so besonders?«
Der Mann, gekleidet in einen grauen Anzug mit Bowler auf dem Kopf, rückte sich einen Stuhl zurecht und setzte sich. Ein schelmisches Grinsen huschte über seine Züge. »Es kommt nicht oft vor, dass sich jemand nach Surprise verirrt«, begann er das Gespräch. »Den Leuten, die hier wohnen, kann ich keine sinnstiftende Unterhaltung mehr entlocken. Sie haben sich mit dem, was ist, abgefunden...«
Lassiter kippte seinen Whiskey hinunter und gab dem Barkeeper ein Zeichen, sein Glas zu füllen. Eine gewisse Neugierde konnte der Mann der Brigade Sieben nicht abstreiten. Gerade die letzte Äußerung des aufdringlichen Gastes verlangte nach einer Erklärung. »Womit haben sie sich abgefunden?«, wollte Lassiter wissen.
Der Unbekannte machte sich noch nicht einmal die Mühe zu verschleiern, dass er Lassiter am Angelhaken glaubte. Ein verschlagener Ausdruck überschattete seine Miene, und er hielt es anscheinend für angebracht, zu einer längeren Geschichte auszuholen. »Ich darf mich kurz vorstellen, Mr....«
Lassiter nannte seinen Namen.
»Also, Mr. Lassiter. Mein Name ist Angus Mackintosh. Nicht, dass es etwas zu dem beitragen würde, was ich Ihnen zu berichten habe, aber die Grundpfeiler der Höflichkeit sollten schon eingehalten werden.«
Ungeduldig seufzte Lassiter und nahm seinen zweiten Drink entgegen. Noch hielt er das Glas nur in der Hand und wartete, was Mackintosh weiterhin zu sagen hatte.
»Trinken Sie ruhig. Ich selbst bin nicht durstig. Und so früh am Tag möchte ich ohnehin noch keinen Alkohol zu mir nehmen.« Nach einer kleinen Pause fuhr er fort. »Keiner weiß, wie lange es Surprise noch geben wird. Es ist ein Ort, dessen Ende bereits feststand, kaum dass er aus der Taufe gehoben wurde. Vielleicht finden Sie es eigenartig, dass ich mich ausgerechnet mit Ihnen – einem Mann, der einfach auf seinem Ritt nach Süden in dieses Kaff verschlagen wurde und möglicherweise bedauert, überhaupt angehalten zu haben – darüber austausche, wie die Zukunft dieses Ortes aussieht. Andererseits finde ich selten Gelegenheit, mit Menschen zu reden, die unvoreingenommen sind. Ich plaudere gern und knüpfe ebenso gerne neue Kontakte. Sehen Sie es mir bitte nach.«
»Fahren Sie fort«, forderte Lassiter sein Gegenüber auf und leerte sein Glas zur Hälfte.
»Nun«, sagte Mackintosh, »ich betrachte Surprise als einen Grundstock. Es ist sozusagen der Stein des Anstoßes, aus dem etwas Großes erwachsen wird. Ob ich noch hier bin, wenn es so weit ist, bezweifle ich. Mich zieht es eher in die Großstadt. Am liebsten hocke ich mich ins gemachte Nest, statt das Nest mitaufzubauen.«
Lassiter verengte seine Lider. »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«, fragte er.
»Fenton Gorm!«, platzte es aus Angus Mackintosh heraus. »Der Mann kauft jedes Grundstück, das ihm ins Visier gerät. Und wie man mir gesagt hat, geht er dabei nicht gerade zimperlich mit den Eigentümern um. Es ist eine raue Zeit, Mr. Lassiter, doch die meisten Menschen in Surprise sind wahre Kleingeister. Sie sehen nur sich, aber nicht das große Ganze. Der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Bäuerliche Gemeinden schließen sich zusammen, viele kleine Städte werden zu einer größeren. Es geht nicht mehr um die Selbstversorgung des Einzelnen, sondern um die Existenz einer umfassenden Gemeinschaft, in der alle eine solide Basis für ihr Dasein haben.«
Schöne Worte, jedoch konnte Lassiter sich des Eindrucks nicht erwehren, in Mackintosh lediglich einen Mann gefunden zu haben, der sich selbst gern reden hörte. Und offensichtlich war keiner in Surprise geneigt, ihm Gehör zu schenken.
Ehe Lassiter einen Kommentar abgeben konnte, flogen die Schwingtüren des Saloons auf. Eine salopp gekleidete Blondine mit schwarzem Stetson trat ein, fläzte sich an einen Tisch und rief: »Lass mal 'ne Pulle rüberwachsen, Nick! Nüchtern kann ich meinem Onkel nicht in seine verschrumpelten Eier treten!«
Der Barkeeper schlenderte heran, stellte eine Flasche vor der Frau ab und schlurfte wieder zurück. Hinter der Theke setzte er das lustlose Polieren seiner Gläser fort.
»Carrie Lomex«, flüsterte Mackintosh hinter vorgehaltener Hand. »Ein durchtriebenes Weib. Vor etwa zwei Wochen ist sie in Surprise aufgetaucht. Sie hat es auf das Anwesen ihres – sagen wir mal – Onkels abgesehen, doch der hat sie bisher eiskalt abblitzen lassen.«
»Spielt Fenton Gorm dabei irgendeine Rolle?«, wollte Lassiter wissen.
Angus Mackintosh zuckte die Achseln. »Wer kann schon die verschlungenen Pfade des Schicksals entwirren? Das Mädel versucht, das Beste für sich herauszuholen. Ich kann es ihr nicht verübeln. Ihr Onkel ist ein Tattergreis, der sich mehr um sein Vermächtnis sorgen sollte, statt darauf zu hoffen, nächstes Jahr noch auf Erden zu wandeln.« Aus der Innentasche seines Jacketts holte Mackintosh eine Uhr hervor und klopfte verhalten auf den Tisch. »Ich muss los. War nett, Sie kennengelernt zu haben. Sie verstehen aber sicherlich, dass ich mich nicht dauerhaft in Konversationen verstricken kann.«
»Ich habe mich Ihnen nicht aufgedrängt«, versetzte Lassiter, erhielt jedoch keine Antwort mehr. Geradezu hektisch sprang Angus Mackintosh auf und wieselte davon. Der Mann der Brigade Sieben stürzte den Rest seines Whiskeys hinab, stand auf und bezahlte. Mit einem knappen Seitenblick auf Carrie Lomex verließ er den Saloon.
✰
Der Groll über die Kowalskis war noch nicht verraucht, da sah sich Riley Johnson bereits seiner nächsten Prüfung gegenüber. Er schob den Vorhang seines Küchenfensters vollständig auf, um sich letzte Gewissheit zu verschaffen. Beim Anblick des grauen Morgan jedoch bestätigten sich seine schlimmsten Befürchtungen.
Den Stummel seiner Zigarre trat Johnson auf dem Küchenboden aus und ging zur Eingangstür. Unwillig öffnete er sie und stellte sich in den Rahmen. Da kam genau der richtige Besucher, um ihm den Tag zu versüßen.
Der Morgan sprintete heran und wurde vor der Veranda der Farm brutal gebremst. Lachend schob sich Carrie Lomex den Stetson in den Nacken und sprang aus dem Sattel. Lässig schlenderte sie auf Johnson zu, salutierte beiläufig und verschränkte die Arme vor der Brust. »Carrie meldet sich zur Stelle, General!«, flötete die blonde Frau.
»Ich war Lieutenant«, blaffte Johnson, »und das weißt du genau.«
»Ach, reg dich doch nicht auf, Onkelchen. Ich mache doch nur Spaß.«
Johnson verzog die Lippen und bleckte die Zähne, als wollte er Felsgestein zermahlen. »Ich kenne deine Späße. Und nenn mich nicht Onkel! Deine Mutter hat es mit jedem getrieben, der noch nicht beim Bestatter vorstellig geworden ist.«
Carrie seufzte. »Wollen wir das denn jedes Mal diskutieren? Immerhin bin ich deine nächste Verwandte. Von der Sippschaft ist schließlich keiner mehr übrig.«
»Was willst du?«, fragte Riley Johnson kühl. »Ein Drink kann es ja wohl nicht sein, denn deine Fahne weht von hier bis Washington.«
»Ich trinke, damit ich mich nicht vor dir fürchte«, entgegnete Carrie, nahm ihren Stetson vom Kopf und klopfte den Staub ab. »Willst du mich nicht wenigstens ins Haus bitten, damit wir miteinander reden können...?«
Riley Johnson hatte eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, sprach sie jedoch nicht aus. Er ging einen Schritt zur Seite und machte die Tür frei. Im Wohnzimmer ließ sich Carrie Lomex auf ein zweisitziges Sofa fallen und schlug die Beine übereinander. »Es ist lästig, immer wieder dieselben Themen anzusprechen«, sagte sie, »doch du wirst nicht jünger. Wie lange willst du dir noch zumuten, die Farm zu bewirtschaften? Du hast viel in deinem Leben erreicht, aber irgendwann musst du das Staffelholz an die nächste Generation abgeben. Und die bin ich!«
Bedächtig umrundete Johnson das Sofa, nahm in einem Sessel Platz und zog eine neue Zigarre aus seiner Hemdtasche. Spielerisch drehte er sie zwischen seinen Fingern, zündete sie aber nicht an. »Die Farm gehört mir!«, knurrte er. »Solange noch ein Funken Leben in mir ist, werde ich sie nicht an ein dummes Mädchen abgeben, das noch niemals gesät und geerntet hat.«
Carrie gab einen verächtlichen Laut von sich. »Dann willst du sie lieber Gorm überlassen, statt der Familie einen Dienst zu erweisen?«
»Gorm kann mich kreuzweise am Arsch lecken«, raunte Riley Johnson. »Dieser Miller ist bereits vorstellig geworden. Als er in die Mündungen meiner Schrotflinte geblickt hat, musste er aber die Backen zusammenkneifen.«
Mitleidig schüttelte Carrie Lomex ihren Kopf. »Du bist über siebzig, Onkel Riley«, meinte sie. »Wie lange noch, glaubst du, kannst du dich gegen Gorm durchsetzen? Ihm gehört fast die ganze Stadt samt Umland. Irgendwann musst auch du einsehen, dass es für dich keine Zukunft gibt. Nicht auf dieser Farm...«
»Wo dann?«, versetzte Johnson. »Soll ich verkaufen, um ein schäbiges Apartment in der Stadt zu bekommen? Die Fensterbänke garniert mit ein paar Topfpflanzen, die mich daran erinnern, was ich verloren habe?«
Erneut schüttelte Carrie ihren Kopf. »Denk daran, was du gewinnst! Denk daran, was ich an Kapital aus dieser Farm herausschlagen kann, sollte sich Gorm mit einem Angebot an mich wenden. Bis zum Ende deines Lebens würde es dir gutgehen! Du bräuchtest dir keine Gedanken darüber zu machen, den kommenden Tag am Hungertuch zu nagen. Für dich wäre gesorgt. Das kann ich dir versprechen, Onkel.«
»Nenn mich nicht Onkel!«, schnappte Riley Johnson. »Ich müsste vollkommen verrückt sein, meine verbleibenden Jahre in deine Hände zu legen. Mein ganzes Leben lang habe ich Verantwortung für mich getragen. Diese Verantwortung werde ich nicht abgeben.«
Was sich im Gesicht von Carrie Lomex abspielte, war nicht genau zu bestimmen. Es mochte leichtes Erschrecken ob der rüden Antwort sein, aber auch Ernüchterung und sogar verhaltene Wut. Die feinen Nuancen ihres Mienenspiels konnte wohl nur ein enger Vertrauter deuten – und Riley Johnson gehörte nicht zu diesem erlesenen Kreis.