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Es gab genau zwei Dinge, die Jimmy Coon auf den Tod nicht ausstehen konnte: wenn ihm jemand bei seinen Geschäften in die Suppe spuckte und wenn er aus seinem wohlverdienten Schlummer gerissen wurde.
Das Rumpeln des Planwagens auf dem ausgefahrenen Trail störte ihn nicht sonderlich. Wohl aber das Kläffen, das immer lauter wurde. "Was zum Geier ..." Jimmy fuhr in die Höhe, schob die Plane zur Seite und blickte auf einen Rücken, der breit genug war, dass sich ein ausgewachsener Büffel dahinter abducken konnte.
"Wir sind fast da." Sein Partner drehte den Kopf, die Zügel fest in der Hand. "Sieh nur, was für eine hübsche kleine Stadt."
"Entzückend", knurrte Jimmy. "Und jetzt bring diesen wandelnden Flohzirkus zum Schweigen, sonst tu ich es!"
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Seitenzahl: 149
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Ein Schlitzohr auf Abwegen
Vorschau
Impressum
Ein Schlitzohrauf Abwegen
Es gab genau zwei Dinge, die Jimmy Coon auf den Tod nicht ausstehen konnte: wenn ihm jemand bei seinen Geschäften in die Suppe spuckte und wenn er aus seinem wohlverdienten Schlummer gerissen wurde. Das Rumpeln des Planwagens auf dem ausgefahrenen Trail störte ihn nicht sonderlich. Wohl aber das Kläffen, das immer lauter wurde. »Was zum Geier...« Jimmy fuhr in die Höhe, schob die Plane zur Seite und prallte gegen einen Rücken, der breit genug war, dass sich ein ausgewachsener Büffel dahinter abducken konnte.
»Wir sind fast da.« Sein Partner drehte den Kopf, die Zügel fest in der Hand behaltend. »Sieh nur, was für eine hübsche kleine Stadt.«
»Entzückend«, knurrte Jimmy. »Und jetzt bring diesen wandelnden Flohzirkus zum Schweigen, sonst tu ich es!«
»Was, soll ich den armen Hund etwa abknallen?« E.B. kniff vorwurfsvoll die buschigen Augenbrauen zusammen, ehe er seinen Blick wieder auf den Trail richtete. »Du bist unausstehlich, wenn du schlecht geschlafen hast.«
Als Antwort gab Jimmy lediglich Brummen von sich. Er hatte keineswegs schlecht geschlafen. Nur zu kurz. Im Traum hatte Natalie gerade für ihn getanzt. In nichts als einen Hauch von Spitze gehüllt. Das hauchfeine Material hatte ihren drallen Busen kaum bändigen können. War das bei jeder Bewegung ein Wallen und Wogen gewesen! Und als sie sich zu ihm beugte, um ihn zu küssen, hatte dieser Kläffer mit seinem Radau angefangen. Wenn das nicht zum Haareraufen war – was dann?
Jimmy und sein Geschäftspartner waren ständig unterwegs. In ihrem Planwagen transportierten sie nicht nur ihre Ware, er war auch ihr Zuhause. Keine Stadt war ihnen zu klein für einen Besuch. Aus gesundheitlichen Gründen, wie E.B. es nannte, kehrten sie jedoch nie ein zweites Mal in einen Ort zurück. Stattdessen zogen sie weiter. So kam es, dass die unvergessliche Nacht mit dem französischen Freudenmädchen auch die letzte bleiben würde.
Schade war das. Verdammt schade sogar.
Ihm blieb nur, von ihr zu träumen.
Und selbst das war ihm verwehrt.
»Diesen Köter sollen die Flöhe beißen«, grummelte er.
»Er will uns doch nur begrüßen.«
»Meinst du? Dann sollte ich mich wohl revanchieren.« Jimmy kramte ein Stück Trockenfleisch aus einer Kiste und warf es dem Hund zu, der ihnen wedelnd und bellend entgegenkam. Der fing das Fleisch mit einem Satz im Flug auf und machte sich hungrig darüber her. Sein braunes Fell war zottelig und hatte ganz sicher noch nie eine Bürste gesehen. Er war so dürr, dass man die Rippen einzeln hätte zählen können, so deutlich zeichneten sie sich unter seinem Fell ab. Dazu hatte er gefährlich spitze Zähne. »Diese Rasse gibt es gar nicht. Da scheint sich ein Kojote mit einer Bärenfalle vergessen zu haben«, brummte Jimmy und fing einen Blick seines Partners auf. »Was?«, fragte er unwirsch. »Dachtest du, ich würde ihm 'ne Ladung Blei in den Pelz jagen? Pshaw, ich verschwende keine Munition.«
»Du hast ja doch ein Herz, Hopper. Auch wenn du diesen Umstand gern für dich behältst.«
»Red kein Blech. Ich will nur meine Ruhe haben.«
»Schon klar.«
Der Brocken war schneller im Magen des Hundes verschwunden als ein Matrose nach einer monatelangen Überfahrt im Bordell. Jimmy warf ihm noch etwas Fleisch hin und warnte: »Ich will kein Wort hören.«
»Hab ich einen Ton gesagt?« E.B. hob die Hände. »Mein Magen würde sich allerdings auch über eine Mahlzeit freuen. Ich kann allmählich kein Trockenfleisch mehr sehen. Für einen warmen Eintopf würde ich meinen rechten Stiefel verkaufen.«
»Musst du nicht. Wir haben noch genügend Ware gebunkert. Wenn wir hier gut verdienen, können wir uns in der nächsten Stadt locker ein anständiges Essen, ein Bad und ein Bett leisten.«
»Hört sich gut an.«
»Bis dahin musst du dich mit unseren Vorräten begnügen. Wäre nicht ratsam, zu lange zu rasten und erst etwas zu kochen. Gut möglich, dass uns jemand folgt.«
»Als wenn ich das nicht wüsste.« E.B. deutete in nordwestliche Richtung. »Das Wäldchen da drüben sollte genügen, um unseren Wagen zu verstecken. Von dort aus reiten wir das letzte Stück bis zur Stadt.«
Jimmy hatte gerade dasselbe gedacht und senkte zustimmend das Kinn.
Der Streuner trottete ihnen nach, als ihr Wagen den Trail verließ und auf den von Tannen bewachsenen Hügel zu rumpelte. E.B. kutschierte mit ruhiger Hand.
Kennengelernt hatten sie sich in einem Jail in Mexiko. E.B. hatte wegen Totschlags auf den Henker gewartet. An guten Tagen war er ein sanfter Riese, der keiner Mücke etwas zuleide tun konnte, aber wehe, er wurde gereizt, dann sah er rot. An einer Kutschenstation war er zufällig dazugekommen, wie ein Widerling einem Girl zu nahe getreten war. Er hatte den Kerl aufgefordert, die Finger von ihr zu nehmen, woraufhin der ihn nur ausgelacht hatte. Jetzt würde der Typ nie wieder lachen. Und E.B.? Der wäre vielleicht straffrei davongekommen, wäre der Tote nicht ausgerechnet der Bruder des örtlichen Richters gewesen. Der hatte nicht lange gefackelt und ihn zum Tode verurteilt. Es war Glück für E.B., dass Jimmy just zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ein wenig Ärger mit der örtlichen Justiz hatte. Gemeinsam waren sie ausgebrochen und reisten seitdem zusammen umher und gingen ihrem Geschäft nach. Sie mieden den Süden, was nicht weiter tragisch war, denn mit dem Norden stand ihnen ein schier unermesslich großes Gebiet zur Verfügung, um ihr Glück zu machen.
Zwischen den Bäumen verbarg sich eine Wasserstelle. Am Ufer wiegte sich das üppige Grün mit den pyramidenartigen lilafarbenen Blüten sacht im Wind. Hier machten sie Halt.
Während E.B. die Pferde versorgte, tarnte Jimmy ihr Gefährt mit Zweigen und Blättern. Von hier aus würden sie den Rest der Strecke zur Stadt reiten. Sollte etwas schiefgehen, konnten sie zu Pferde schneller fliehen und mussten den Wagen dann eben später holen.
»Ich mache mich dann mal auf den Weg.« E.B. sattelte sich einen Braunen und zupfte an seiner Hutkrempe. »Wir sehen uns, Hopper.« Er stieg auf und ritt davon. In der Stadt würde er sich als Miner auf Arbeitssuche ausgeben. Und er würde so tun, als hätte er Jimmy noch nie gesehen. Darauf beruhte ihr ganzer Plan. Niemand durfte wissen, dass sie zusammen unterwegs waren, sonst würden sie sich schneller wieder hinter Gittern vorfinden, als sie fluchen konnten.
Jimmy bereitete sich sorgfältig auf seinen Auftritt vor. Er bürstete den Staub von seinem Anzug, gelte sich das dunkle Haar zurück und zwirbelte die Enden seines Schnurrbarts. Das richtige Auftreten war es. Die Leute kauften einem alles ab, wenn man nur selber an seine Rolle glaubte. Diese Erfahrung hatte er vor Jahren gemacht.
Der Streuner hatte sich neben dem Wagen zusammengerollt und beobachtete jeden seiner Handgriffe. Als sich Jimmy einen Appaloosa gesattelt und seine Waren auf einem Packpferd verstaut hatte, rollte sich der Hund zusammen und schien nicht gewillt, auch nur eine Pfote von dem Wagen wegzubewegen.
»Na schön«, murmelte Jimmy. »Meinetwegen kannst du bleiben. Aber lauf uns später nicht vor den Füßen herum, verstanden?«
Die Antwort war ein freundliches Wedeln.
Jimmy zupfte noch etwas Trockenfleisch aus seinen Vorräten und warf es dem Hund hin, der es in der Luft auffing und genüsslich darauf herumkaute.
»Kein Wort zu E.B., verstanden?« Damit schwang sich Jimmy in den Sattel. Mittlerweile hatte sein Partner einen genügend großen Vorsprung, dass niemand eine Verbindung zwischen ihnen herstellen sollte.
Jimmy schnalzte mit der Zunge, und seine beiden Pferde setzten sich in Bewegung. Der Trail führte zwischen grünen Hängen hindurch in ein Tal, durch das ein Fluss mäanderte. Mächtige Steinbrocken ragten aus dem Wasser auf. Imposante Tannen beschatteten das Tal. Dazwischen ragten die Dächer einer Kleinstadt auf. Hübsche Holzhäuser scharten sich um eine kleine weiße Kirche.
Rattlesnake Gulch, stand auf einem schiefen Holzschild vor der Stadt zu lesen.
Oha, das ließ vermuten, mit wem sich die Einwohner ihr Tal teilten. Unwillkürlich ließ Jimmy den Blick über den staubigen Boden wandern. Nichts zu sehen, das sich schlängelte oder gierig nach seinen Stiefeln schaute, deshalb drückte er seinem Reittier die Schenkel in die Seiten und ließ es weiterlaufen.
Das erste Gebäude in der Stadt war das Marshals Office: vergitterte Fenster, eine Veranda mit einem Schaukelstuhl, auf dem ein Sternschlepper saß und jeden beäugte, der neu in die Stadt kam. Jimmy zog grüßend an seiner Hutkrempe und ritt ruhig weiter. Keine Regung verriet, wie angespannt er war.
Falls sein Steckbrief einen Weg hierher gefunden hatte, würde ihn der Town Marshal jeden Moment zurückrufen.
Doch hinter ihm blieb alles ruhig.
Jimmy gestattete sich ein leises Ausatmen.
Ein Stück die Mainstreet hinunter befand sich ein rot angestrichenes Gebäude. Rubys Palace, war über dem Eingang zu lesen. Auf der Veranda standen einige bildhübsche Girls in farbenfrohen Kleidern, mit gerafften Röcken und Ausschnitten, die tief genug waren, um einem Gentleman den Schweiß auf die Stirn zu treiben. Sie winkten Hopper zu und lächelten ihn an, dass er beinahe vergaß, dass er nicht zum Vergnügen in diese kleine Stadt gekommen war.
Er hielt seinen Braunen an und lüftete seinen Hut. »Ich wünsche einen guten Abend, Ladys. Was für eine zauberhafte Begrüßung. Damit hatte ich beileibe nicht gerechnet.«
Ihr Lächeln vertiefte sich.
Da tauchte hinter ihnen eine Frau in einem tiefroten Kleid auf. Ihre roten Locken waren zu einer opulenten Frisur aufgetürmt und mit einer Pfauenfeder verziert. Ihre Sanduhrfigur schien ihn förmlich einzuladen, sie mit Händen und Lippen zu erforschen und herauszufinden, wie er sie zum Beben und Zittern bringen konnte.
Sie sah ihn prüfend an. »Suchst du Gesellschaft, Fremder?« Ihre Stimme war rauchig und ein wenig heiser und drang ihm messerscharf unter die Haut.
Was für ein Rasseweib!
»Gegen so bezaubernde Gesellschaft hätte ich beileibe nichts einzuwenden. Leider bin ich geschäftlich in der Stadt und habe noch einen Weg zu erledigen.«
»Schade«, murmelte sie. »Du bist uns jederzeit willkommen, aber wenn du nicht bleiben kannst, halte meine Mädchen nicht von der Arbeit ab.«
»Hatte ich nicht vor. Bevor ich reite: Verrätst du mir deinen Namen?«
»Ich bin Ruby. Ruby DeAngelis.«
»Ah, ein wunderschöner Name für einen wunderschönen Engel.« Jimmy bedauerte zutiefst, nicht später noch bei ihr reinschauen zu können. Die rassige Frau war genau seine Kragenweite. Doch E.B. und er hatten einen anderen Plan.
»Komm wieder, wenn du bereit für uns bist.« Ruby blinzelte ihm zu. »Du weißt, wo du mich findest.«
»Das werde ich nicht vergessen, Ruby.« Er schaute ihr tief in die Augen, ehe er seine Pferde weitertrieb. Er wusste, wo er E.B. finden würde: im ersten Saloon an der Mainstreet, wo er nach Arbeit fragen und sich einen Drink genehmigen würde.
Das Lokal hieß Red Sky und war allem Anschein nach gut besucht. Etliche Pferde waren davor angebunden und aus dem Inneren drangen Pianoklimpern und lebhafte Stimmen. Jimmy stieg ab, machte seine Pferde fest und wuchtete die Kiste vom Rücken des Packpferds.
Als er damit durch die Schwingtür in die rauchgeschwängerte Gaststube trat, stellte sich ihm ein bärtiger Mann in den Weg. Der Salooner hatte sich eine Schürze umgebunden und beäugte Jimmy misstrauisch durch ein Paar Augengläser.
»Was hast du denn mit der Kiste vor? Da sind doch nicht etwa Waffen drin, oder?«
»Keine Waffen, sondern ein gutes Geschäft für uns beide.«
»Wüsste nicht, dass wir beide Geschäfte miteinander machen.«
»Noch nicht, aber das wird sich heute ändern, wenn Sie bereit sind.« Jimmy stellte die Kiste ab und tippte sich vor die Brust. »Ich bin Jimmy Coon, aber Sie können Hopper sagen. Das tun alle meine Freunde.«
»Freunde sind wir also auch?«
»Noch nicht, aber in ein paar Stunden ganz sicher. Wenn wir uns den Erlös teilen.«
»Welchen Erlös denn?«
»Aus meiner Seifenlotterie.«
»Und was soll das sein?« Der Salooner ließ Jimmy nicht aus den Augen.
»Haben Sie noch nie von meiner Seifenlotterie gehört?«, gab sich Jimmy bestürzt. »Im Osten bin ich eine Legende, weil ich schon so manchem Gentleman und so mancher Lady zu Reichtum verholfen habe. Man kennt mich!«
»So. Nun, wir leben hier ziemlich abgeschieden«, ruderte der Salooner zurück.
Jimmy ließ sich seinen Triumph nicht anmerken. Der erste Schritt war gemacht.
Den Trick stammte tatsächlich aus dem Osten. Dort hatte ein Typ damit ein Vermögen gemacht. Allerdings war er eher berüchtigt, als berühmt, aber mit solchen Feinheiten hielt sich Jimmy nicht auf.
»Wir können alle nur gewinnen«, erklärte er, als bestünde daran nicht der geringste Zweifel. »Lassen Sie mich mein Geschäft durchziehen und am Ende bekommen Sie fünf Prozent vom Gewinn.«
»Fünfzig«, knurrte der Salooner nach einem Moment des Überlegens.
»Da setze ich ja noch zu. Zehn Prozent sind wirklich das Äußerste.«
»Fünfzig.«
»Fünfzehn – oder ich suche mir eine andere Stadt.«
»Ist das auch wirklich legal, diese... Seifenlotterie?«
»Absolut. Ich bin ein anständiger Mann, Sir.« Im Rahmen meiner Möglichkeiten jedenfalls.
»Na schön.« Der Salooner streckte ihm die Rechte hin, und sie wechselten einen kräftigen Händedruck.
Jimmy stellte die Kiste auf dem Podest neben dem Piano ab, gab dem Musiker ein Zeichen, sein Spiel zu beenden, und breitete die Arme aus.
»Guten Abend, Ladys und Gentlemen!«
Die Gespräche versickerten. Die Gäste blickten zu ihm hoch. Einige mürrisch wegen der Unterbrechung, andere interessiert.
»Ich bin Jimmy Coon und gekommen, um Ihnen den Abend mit einem großzügigen Geldgewinn zu versüßen.« Jimmy ließ seine Worte ein wenig wirken und schwieg, während sein Blick durch das Lokal streifte. Da, rechts von der Tür, saß E.B. auf einem Hocker und starrte scheinbar gelangweilt in sein Whiskyglas. Gut so.
»Dann wirf die Kohle rüber!«, rief einer der Gäste.
Einige Männer grinsten.
»Das könnte ich tun, aber wo bliebe da der Nervenkitzel?« Jimmy lüftete den Deckel seiner Kiste. »Hier drin habe ich feinste Seife aus dem Osten. Mit dem Duft blühender Apfelbäume. Die verkaufe ich für einen Dollar das Stück.«
»Ein Dollar? Bist du vom wilden Grizzly gebissen? Dafür bekomme ich in Al's Store eine ganze Kiste Seife!«
Mürrisches Murmeln breitete sich aus.
Jimmy grinste in sich hinein. Jetzt hatten sie angebissen. Nun musste er nur noch behutsam die Angelschnur einziehen, damit sie ihm nicht entwischten.
»Das hier ist keine gewöhnliche Seife«, führte er weiter aus. »In jedem Stück ist Geld versteckt. In manchen weniger in anderen mehr. Was auch immer Sie finden, gehört Ihnen, Ladys und Gentleman. Im Osten wurden damit schon tausend Dollar gewonnen. Stellen Sie sich nur vor, was Sie mit so viel Geld anfangen könnten.«
Die Gäste sahen verblüfft zu ihm hoch.
Wieder machte er eine Pause. Dann hob er das erste Seifenstück. Es war in Seidenpapier gewickelt. »Ein Dollar, Ladys und Gentleman. Für allerfeinste Seife und die Chance auf einen bedeutenden Gewinn.«
»Na schön, ich versuche mein Glück.« Ein schmalbrüstiger Mann mit schwarzem Bart reckte einen Dollar in die Luft.
»Gute Entscheidung, Sir. Ich wünsche Ihnen viel Glück.« Seife und Geldschein wechselten den Besitzer.
Nur zwei weitere Gäste kauften ein Stück, den übrigen schien die Sache nicht recht geheuer zu sein. Ihre Befürchtungen wuchsen, als die Käufer in ihren Stücken nichts als Centstücke fanden.
Auch E.B. kaufte ein Stück, ohne zu erkennen zu geben, dass er Jimmy kannte.
»Beschiss«, grollte der Dürrländer. »Ich wette, in der Seife ist überhaupt nichts anderes als Centstücke. Wenn überhaupt.«
Unwillige Stimmen wurden laut.
»Ich hab hundert Dollar gewonnen!«, ließ sich da eine dunkle Stimme vernehmen.
»Was? Ehrlich? Da laust mich doch die Haselmaus!« Die Gäste wandten sich um. Etliche schnappten nach Luft, denn E.B. reckte einen Geldschein in die Luft.
»Hundert Dollar!«, wiederholte er mit seligem Grinsen, das Jimmy mit ihm geübt hatte. Natürlich enthielt die Seife nur Centbeträge, immerhin wollte er Gewinn machen und hatte nichts zu verschenken. Den einzigen großen Fund hatte er seinem Partner zugeschanzt, um zweifelnde Stimmen zu besänftigen. Bis jemandem auffiel, dass niemand sonst gewann, waren sie längst weg.
»Wer will der nächste Gewinner sein?«, fragte Jimmy in die Runde. »Versuchen Sie es jetzt, ich habe nur noch eine begrenzte Zahl an Seifenstücken. Wenn die weg sind, sind sie weg. Dann muss ich erst neue Seife aus dem Osten ordern und Sie wissen ja, Ladys und Gentleman, wie lange der Transport bis zu uns dauert.«
»Ich nehme fünf Stück!« Ein stämmiger Rotbart drückte ihm fünf Dollar in die Hand.
»Ich vier!«
»Ich hab nur drei Dollar neunzig, bekomme ich trotzdem vier Stück?«
»He! Ich will auch noch Seife!«
So ging es Schlag auf Schlag. Bald war Jimmys Kiste leer und seine Börse voll.
Er wünschte jedem Käufer Glück. Während die ihre Seife auspackten, die Stücke zerbrachen und nach ihrem Gewinn suchten, händigte er dem Salooner den versprochenen Anteil aus.
»Empfehlen Sie mich weiter!«, rief er und wollte den Saloon gerade verlassen, als von der Schwingtür eine dunkle Stimme zu vernehmen war.
»Nicht so hastig, Sir!«
Jimmy erstarrte auf der Stelle.
So hörte sich Ärger an. O ja. Diesen Unterton kannte er nur zu gut.
»Euch zwei Typen kenne ich doch!« Der Mann, der nun einen Schritt vor machte und zwischen E.B. und Jimmy hin und her sah, trug einen gelben Staubmantel und einen blauen Stetson mit dem goldenen Emblem einer Postkutschenkutschengesellschaft. Jimmy fluchte in sich hinein. Ein Kutscher, der weit herumkam. Das war Pech. Er hätte es wissen müssen. Wenn etwas zu glatt lief, kam das dicke Ende meistens noch nach.
Er ließ sich sein Unbehagen nicht anmerken. »Tut mir leid, Sir, aber ich fürchte, Sie verwechseln mich mit jemandem.«
»Das hättest du wohl gern, was?«
»Ich versichere Ihnen, ich bin zum ersten Mal in dieser Gegend.«
»Das kann schon sein, aber ihr habt diese Masche schon drüben in Little Springs abgezogen. Ich habe euch einen ganzen Wochenlohn in den Rachen geschmissen. Die Leute haben euch die Seife aus den Händen gerissen und am Ende fand niemand von uns mehr als ein paar lumpige Münzen in seinem Stück. Niemand bis auf den Glückspilz da drüben. Wenn das ein Zufall ist, fresse ich auf der Stelle deine stinkenden Socken, du Halunke!« Plötzlich hielt der Kutscher einen Revolver in der Hand und richtete die Mündung geradewegs auf Jimmy!
Die Gäste schnappten nach Luft.
Bevor jemand noch etwas tun oder sagen konnte, drückte der Kutscher ab!
Die Kugel zackte dicht neben Jimmys Schädel in das Holz der Bretterwand und riss einige Späne ab. Dann krümmte sein Gegenüber den Zeigefinger erneut.
Jimmys Herz machte einen Satz.
Verdammt noch mal! Dieser Kerl meinte es todernst!
✰
Jimmy war auf Ärger vorbereitet.