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Sie zitterte vor Angst, als sie in das Gesicht des Fremden blickte. Er hatte die dunkelsten Augen, die sie je gesehen hatte, und die bösesten. Sie schienen sich wie Pfeilspitzen in sie zu bohren. Sie wollte sich abwenden und fliehen, doch ihr Körper war wie gelähmt. Sie konnte nicht einmal schreien, nur leise wimmern: "Bitte, tun Sie mir nichts..."
Jetzt trat der Fremde einen Schritt auf sie zu. Und dann, ganz unvermittelt, schwenkte er ein Messer. Sie spürte, wie ein kalter Luftzug ihre Haut streifte. Der Mann hob die andere Hand; offenbar wollte er sie am Hals packen.
Mary Black schrie auf - und das holte sie in die Wirklichkeit zurück.
Alles nur ein Traum, schoss es ihr durch den Kopf. Es ist alles gut. Ich liege zu Hause in meinem Bett. Hier bin ich sicher.
Mary Black sollte sich irren.
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Seitenzahl: 136
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Kein Lösegeld für Mrs. Black
Vorschau
Impressum
KeinLösegeldfürMrs. Black
Sie zitterte vor Angst, als sie in das Gesicht des Fremden blickte. Er hatte die dunkelsten Augen, die sie je gesehen hatte, und die bösesten. Sie schienen sich wie Pfeilspitzen in sie zu bohren. Sie wollte sich abwenden und fliehen, doch ihr Körper war wie gelähmt. Sie konnte nicht einmal schreien, nur leise wimmern: »Bitte, tun Sie mir nichts...«
Jetzt trat der Fremde einen Schritt auf sie zu. Und dann, ganz unvermittelt, schwenkte er ein Messer. Sie spürte, wie ein kalter Luftzug ihre Haut streifte. Der Mann hob die andere Hand; offenbar wollte er sie am Hals packen.
Mary Black schrie auf – und das holte sie in die Wirklichkeit zurück.
Alles nur ein Traum, schoss es ihr durch den Kopf. Es ist alles gut. Ich liege zu Hause in meinem Bett. Hier bin ich sicher.
Mary Black sollte sich irren.
Matt Carver lag auf seiner Pritsche im City Jail von Wells Breck und dämmerte träge vor sich hin.
Er machte sich Sorgen. In drei Tagen sollte er in das Zuchthaus Fort Randall überführt werden. Hier würde er die nächsten zwanzig Jahre seines Lebens verbringen. So lautete das Urteil.
Es hieß, aus dem verdammten Fort sei noch nie ein Gefangener entkommen. Natürlich hatten es einige versucht, aber nicht einem war es gelungen, die hohen Mauern zu überwinden. Die Wachtposten auf den Türmen hatten kurzen Prozess mit den Ausbrechern gemacht. Die meisten landeten auf dem Friedhof des Zuchthausgeländes.
Verdammt! Verdammt! Verdammt!
Carver setzte sich auf. Er war nicht allein in der Zelle. Sein Mithäftling hieß Roddy Stubbs – ein elender Mistkerl, der in Jenny's Funhouse zwei Huren getötet hatte.
Angeblich hatten die Frauen ihn bestohlen. Das brachte den jähzornigen Kerl zur Weißglut, sodass er völlig außer Kontrolle geriet. Mit seinem Messer richtete er im Bordell ein Blutbad an.
Auch Stubbs sollte nach Fort Randall verlegt werden. Doch sein Urteil war noch nicht bestätigt worden.
Stubbs saß im Schneidersitz auf seiner Liege und blätterte in einem Magazin, in dem mehr nackte als angezogene Evastöchter abgebildet waren. Hin und wieder murmelte er einen vulgären Ausdruck.
Oh, wie Carver diesen Halunken hasste!
Die Gefängniszelle befand sich unmittelbar hinter dem Marshal's Office in der Mainstreet. Die gekalkten Wände waren mit Kritzeleien bedeckt. Strichmännchen mit Riesenpenissen machten sich über großbusige Strichmädchen her. Unter den Schweinkram hatte der Urheber einige Namen geschrieben: Brown Eyed Susan, Horny Becky und Fat Mathilda. Der Verfasser der Bildergeschichte hatte sein Machwerk mit Big Dick Jones signiert.
Stubbs stieß plötzlich ein kratziges Gelächter aus. Er schüttelte den Kopf, tippte mit einem Finger auf die Zeitschrift und bleckte seine gelben Zähne.
Carver ignorierte den Freudenausbruch.
»He, Matt!«, rief Stubbs. »Willst du den Doc Weston-Witz der Woche hören?«
Leck mich, dachte Carver und döste weiter.
»Also«, Stubbs japste nach Luft, »hör gut zu: Jesse James und seine Jungs stürmen maskiert in eine Filiale der Texas-Bank. Jesse schreit: ›Alle legen sich mit dem Gesicht auf den Boden!‹ Die Bankangestellten legen sich gehorsam auf den Bauch, nur die Sekretärin legt sich auf den Rücken. Neben ihr liegt ihr Boss, er flüstert: ›Miss Baker, um Himmels willen, das ist ein Banküberfall und kein Meeting der Direktoren‹.«
Carver verzog keine Miene, aber Stubbs lachte, als hätte man ihm Peyote ins Essen gemischt.
Der Witz erinnerte Carver an den wohl schlimmsten Augenblick seines Lebens. Damals war er Mitglied einer Bande gewesen, die Postkutschen ausplünderte.
Es geschah auf dem Harper Trail. An einem sonnigen Tag im August hatten sie eine Kalesche angegriffen, in der eine Frau mitfuhr. Eine wohlsituierte Lady von knapp fünfzig Jahren, nach der neuesten New Yorker Mode gekleidet. Die Insassen hatten sich neben der Kutsche in einer Reihe aufstellen müssen.
Carver und ein Typ, den sie Sugar nannten, hatten den Auftrag, die Leute nach Wertsachen zu durchsuchen.
Am Anfang lief alles wie am Schnürchen.
Aber als Sugar der vornehmen Dame eine Kette mit Medaillon vom Hals riss, eskalierte das Ganze. Die Frau fing an, laut zu wehklagen. Sie flehte Sugar an, ihr das Schmuckstück zurückzugeben, es sei die einzige Erinnerung an ihre verstorbene Großmutter.
Sugar, vom Whisky benebelt, schlug ihr hart ins Gesicht. Die Lady ging blutend zu Boden. Der Kutscher sah rot. Er griff Sugar an, doch der Narr übersah, dass sein Rivale einen Navycolt in der Hand hielt.
Sugar geriet in Wut und gab Feuer.
Der Kutscher und die Lady starben in derselben Minute.
Der Überfall hatte für Carver ein Nachspiel. In einem Spielcasino von Wells Breck erkannte ein Überlebender des Überfalls ihn wieder. Er rannte zum nächsten Marshal's Office und erzählte dem Sternträger, wen er da gerade gesichtet hatte.
Das Schicksal nahm seinen Lauf.
Als Carver seinen Gewinn beim Monte einheimste, sah er sich unvermittelt von mehreren Männern mit Deputy-Marken umzingelt. Alle hielten schussbereite Revolver auf ihn gerichtet.
Das Spiel war aus. Man brachte Carver ins Gefängnis. Der Richter verurteilte ihn wegen zweifachen Mordes zu zwanzig Jahren.
Carvers Erinnerungen wurden jäh unterbrochen. Vorn, im Büro des Gesetzeshüters, waren Stimmen laut geworden.
»Essenszeit«, grunzte Stubbs.
Der Kerl hatte recht. Carver glaubte den Geruch von gebackenen Bohnen wahrzunehmen.
Stubbs warf seine Lektüre weg und schwang sich von seiner Pritsche. Er trat an den Einbeintisch, auf dem die Bestecke lagen, und griff nach einem großen Löffel.
»Hab Hunger wie ein Wolf«, sagte er und stellte sich an die Gittertür.
Auch Carver erhob sich. Die Aussicht auf eine kräftige Mahlzeit verscheuchte seine düsteren Fantasien. Die Verpflegung im Jail war gar nicht so übel. Die Deputies holten es täglich frisch aus der Cantina in der Balcon Street.
Ein Schlüssel knirschte im Schloss der Verbindungstür.
Deputy Marlock, ein dürrer Spargel mit abstehenden Ohren, trat in den Gefängnisraum. Er trug zwei kleine Schüsseln, in denen Suppe dampfte.
»Rote Bohnen mit Chili und Hackfleisch«, sagte er. »Ihr Galgenvögel lebt wie die Maden im Speck. Den ganzen Tag auf dem Sack liegen und dann Zimmerservice aus der Cantina. Hol euch der Teufel!«
Stubbs schob seine Hände durch die Durchreiche und nahm seine Schüssel in Empfang. Sogleich eilte er zum Tisch, ließ sich auf einen der Schemel fallen und begann gierig zu löffeln.
Auch Carver griff nach seiner Schüssel.
Doch Marlock zog seine Hand zurück. »Bevor du anfängst zu futtern, muss ich dir noch was mitteilen, Sonny.«
»Und das wäre?«
»Der Marshal hat eine Anweisung vom obersten Polizeichef bekommen. Die Sache betrifft dich.«
»Mich?«
Marlock reichte ihm die Schüssel. »Dein Transport nach Fort Randall wurde vorverlegt. Du fährst nicht am Freitag, wie geplant, sondern schon am Dienstag.«
»Das ist morgen«, sagte Carver.
»Kluges Köpfchen.« Der Hilfsmarshal schob seinen Hut höher. »Wir in Wells Breck sind froh, dass wir dich los sind. Das kannst du uns glauben. Kreaturen wie du haben in einer anständigen Stadt nichts verloren.«
»Warum schon morgen?«, hakte Carver nach.
»Weil du verdammter Abschaum bist«, knurrte der Deputy feindselig. »Alle wollen, dass du hier verschwindest. Comprende?«
Carver nahm die Wutrede gelassen hin. Es nutzte nichts, wenn er seine Unschuld beteuerte. Die Menschen glaubten nur das, was sie glauben wollten. Sie brauchten einen Sündenbock, und in diesem Fall hieß der Matt Carver.
Er trottete zu seiner Pritsche, nahm die Schüssel auf den Schoß und begann zu essen. Es widerstrebte ihm, mit Stubbs an einem Tisch zu sitzen.
Doch sein Appetit war wie weggeblasen.
Morgen würde man ihn abholen und in die Hölle auf Erden bringen. Fort Randall würde sein Schicksal sein. Er würde jahrelang dahin vegetieren, bis ihm Gevatter Tod den Gnadenstoß versetzte.
Dann, ganz unvermittelt, durchfuhr ihn eine so heftige Anwandlung, dass ihm der Löffel aus der Hand fiel. Ihm war, als hätte ihm eine Stimme, die tief aus seinem Innern kam, etwas zugeraunt: »Noch ist Zeit, Matt. Mach, dass du wegkommst, du Narr...«
✰
Jeden Montag, wenn sie nach der Arbeit aus dem General Store nach Hause kam, zog Mary Black die Vorhänge vor die Fenster und entkleidete sich.
Nackt stellte sie sich vor den großen Standspiegel in ihrer Kammer und sah ihren Körper an. Neben dem Spiegel hatte früher die gerahmte Fotografie ihres verstorbenen Mannes Geoffrey gehangen.
Vor vier Wochen hatte sie das Bild abgenommen und in den Schuppen hinter dem Haus gebracht.
Inzwischen war es über ein Jahr her, dass Marys Ehemann verunglückt war. Durch eine Unachtsamkeit war er im Sägewerk mit einem Arm in den Schredder geraten. Die Bestatter hatten Schwerstarbeit geleistet, um seinen Leichnam einigermaßen herzurichten.
Die Trauerzeit war nun beendet.
Vor sechs Wochen hatte Mary die schwarze Witwentracht in den Schrank verbannt.
Und seit vier Wochen hatte sie einen Liebhaber.
Mary bekam Herzklopfen, sobald sie an ihn dachte. Ihr Geliebter hieß Paul Marbles und arbeitete im Mietstall in der Balcon Street. Gleich bei ihrer ersten Begegnung hatte es zwischen ihnen gefunkt. Sie hatte Paul in die Augen geschaut und darin gesehen, wie sehr er sie begehrte.
Eine Frau, die über ein Jahr keinen Sex mehr gehabt hatte, besaß ein feines Gespür. Die Gefühle, die sie für den jungen Stallknecht empfand, waren so heftig, dass sie sich Hals über Kopf in ihn verliebte.
Es gab sie also, die Liebe auf den ersten Blick.
Nach der langen Enthaltsamkeit war nicht nur ihr Herz buchstäblich in Flammen aufgegangen.
Allerdings gab es am Anfang ihrer Liaison ein Problem – Paul war knapp zwanzig, und sie hatte bereits die dreißig überschritten. Mary fühlte sich, wenn sie bei ihm war, wahnsinnig alt.
Aber Paul gelang es, ihre Komplexe rasch zu zerstreuen.
Er tat es auf seine ganz besondere Art: Er bedachte ihren Körper mit einer Reihe von Zärtlichkeiten. Es waren Dinge, die sie nicht einmal in ihrer Ehe erlebt hatte.
Mary seufzte schwer. Sie bewegte ihre Schultern, sodass ihr üppiger Busen ins Schwingen geriet. Nach ihrer ersten Liebesnacht hatte Paul ihr anvertraut, wie sehr ihm ihre Brüste gefielen.
Darüber freute sich Mary sehr.
Geoffrey hatte ihren großen Busen nicht gemocht. Immer wieder hatte es ihn zu Frauen mit flachen Brüsten gezogen. Er ging regelmäßig fremd; sogar mit ihrer knabenhaften Freundin Jessica war er im Bett gewesen. Mary hatte all seine Seitensprünge geduldet. Sie hatte sich eingeredet, Geoffrey würde sich eines Tages ändern, doch das hatte er nicht. Im Gegenteil.
Es wurde immer schlimmer.
Kurz vor seinem Tod hatte er sogar ihrer Kollegin Nancy die Röcke gelüftet, im Warenlager des General Stores. Es war ihm egal gewesen, dass sie, Mary, zur selben Zeit vorn im Laden die Kunden bediente.
Okay, nun war Geoffrey tot. Aber wenn sie ehrlich war, weinte sie ihm keine Träne nach.
Die Standuhr schlug.
Mary sah auf das Zifferblatt. Halb sechs. Nur noch eine halbe Stunde bis zu dem Rendezvous mit Paul.
Yeah! Vor Aufregung trat sie von einem Fuß auf den anderen. Einem jähen Impuls folgend, wölbte sie die Hände unter ihre Brüste und betrachtete sie prüfend im Spiegel.
Wow!
Heute wollte sie mit Paul im Heu etwas Neues ausprobieren, das er bestimmt noch nicht kannte. Eine Freundin, die in Liebesangelegenheiten sehr erfahren war, hatte ihr den Tipp gegeben. Paul würde die Liebesposition sehr gefallen.
Ein tiefer Seufzer kam über ihre Lippen. Gütiger Gott, eine Woche konnte so lang sein!
Aber nun war es fast geschafft. In einer halben Stunde würde sie Pauls Hände auf ihrem Körper spüren.
Überall.
Die Vorstellung an das Labsal bescherte ihr eine Gänsehaut.
Sie riss sich von ihrem nackten Konterfei los und nahm die Kleidungsstücke, die sie auf dem Fußende ihres Bettes bereitgelegt hatte. Wie gern würde sie mit Paul eine ganze Nacht in diesem Bett verbringen. Sich lieben, bis der Morgen graute, und dann Seite an Seite in einen tiefen Schlaf fallen.
Doch das konnte sie sich aus dem Kopf schlagen. Wenn ein Nachbar davon Wind bekam und es an die große Glocke hängte, würde man Paul und sie öffentlich an den Pranger stellen.
Das wollte sie nicht riskieren.
Deshalb traf sie Paul jede Woche am Montagabend im Mietstall, wenn die anderen Pferdeburschen gegangen waren.
Oh, wie sie dem Montag entgegenfieberte!
So, sie war fertig angezogen. Mary warf noch einen prüfenden Blick in den Spiegel. Okay. In dem biederen Kleid, das sie gewählt hatte, wirkte sie wie eine farblose, alternde Matrone.
Doch der Schein musste gewahrt bleiben. Wenn sie sich in der Öffentlichkeit begab, wollte sie bei den prüden Mitbürgern keinen Anstoß erregen.
Plötzlich fiel ihr noch etwas ein. Aus Versehen hatte sie ihr Höschen angezogen. Das war heute überflüssig. Paul mochte es, wenn sie unten ohne ging. Sie raffte die langen Röcke, räkelte sich aus dem Schlüpfer und stopfte ihn unter die Bettdecke.
Jetzt war alles perfekt.
Mit klopfendem Herzen verließ sie das Haus.
Die Balcon Street befand sich auf der östlichen Seite der Stadt, unweit der Ziegelei und der Hufschmiede. Mary wohnte im Westen. Die Strecke bis zum Mietstall betrug ungefähr eine halbe Meile. Den Einkaufskorb unterm Arm, schlenderte sie die lange Mainstreet entlang, welche die Stadtteile miteinander verband. Von Zeit zu Zeit erwiderte sie den Gruß eines Bekannten.
Als sie am Marshal's Office vorbeikam, entdeckte sie einen neuen Steckbrief am Aushang. Ein Frauenschänder namens Frisco-Pete wurde gesucht. Er hatte im Charlton County die Tochter eines Ranchers missbraucht. Die Belohnung betrug fünfhundert Dollar.
Pfui Teufel! Mary fragte sich, warum dieser Mistkerl nicht in ein Bordell ging. Die Sidewalkdohlen warteten doch auf potente Freier.
Sie packte den Korb fester und setzte ihren Weg fort.
Je näher sie dem Livery Stable kam, desto schneller wurden ihre Schritte. Das letzte Stück ging sie so schnell, dass sie außer Atem war, als sie am Stalltor des großen Gebäudes ankam.
Sie blieb stehen, rückte ihr Hütchen zurecht und spähte ins halbdunkle Innere.
Sogleich schälte sich eine Gestalt aus dem Halbdunkel.
»Paul«, flüsterte sie.
»Mary.« Er eilte auf sie zu, nahm ihr Gesicht in die Hände und küsste sie sanft auf den Mund.
Mary schloss vor Rührung die Augen. Das Gefühl, dem Geliebten so nah zu sein, versetzte sie geradezu in einen Rausch der Sinne.
Sie ließ den Korb fallen und umarmte ihn.
»Du bist wunderschön«, flüsterte er. »Ohne dich ist alles nichts.«
Das Kompliment erwärmte ihr Herz, und sie gab Paul einen Kuss.
»Ist dir jemand gefolgt?«, fragte er.
»Nein, ich hab aufgepasst. Keiner hat gesehen, dass ich hier reingegangen bin.«
Er wirkte erleichtert. »Komm mit ins Heu«, keuchte er. »Ich stehe schon lichterloh in Flammen.«
Mary lächelte stillvergnügt. Mir geht es wie dir, mein Schatz, dachte sie.
Ihr Herz hämmerte wie eine Pauke, als sie ihren Favoriten betrachtete. Paul Marbles war ein schlanker junger Mann, mit kurz geschnittenem, braunem Haar, einer kräftigen Nase und dunklen, fast schwarzen Augen. Er trug eine genietete, blaue Baumwollhose und ein kurzärmeliges, grün kariertes Hemd.
Mary folgte ihm zur Leiter, die an der Wand lehnte. Von irgendwo ertönte ein leises Scharren.
»Sind wir allein, Paul?«, fragte sie.
»Ja, natürlich«, beruhigte er sie. »Die anderen Jungs sind schon lange weg. Der Boss ist im Saloon beim Pokern. Niemand wird uns stören. Und die Pferde stehen draußen im Corral. Sie haben alles, was sie brauchen. Es gibt nur dich und mich.«
»Das ist gut.« Mary wartete, bis Paul die Leiter erklommen hatte, dann stellte sie ihren Korb ab, hob den Rocksaum und kletterte ihm hinterher.
Paul hatte in einem versteckten Winkel des Dachgiebels ein Liebesnest eingerichtet. Auf weichem Heu gab es eine Plane aus Segeltuch, mehrere Decken und zwei Kissen mit bunten Stickereien.
Dort angekommen, öffnete Paul seinen Gürtel und stieg aus seiner Hose, auch das Hemd streifte er sofort ab. Mary bewunderte seinen kräftigen Oberkörper. Obwohl Paul noch so jung war, besaß er die Statur eines trainierten Mannes.
Sie begann, sich zu entkleiden. Als sie das Mieder ins Heu fallen ließ, stöhnte Paul leise.
Er verschlang sie mit seinen Blicken. »Für mich bist du die schönste Frau der Welt.«
Mary lächelte. Das glaubte sie ihm sogar. Seine dunklen Augen funkelten gierig. Langsam bewegte sie ihre Schultern, sodass ihre Wonneproppen hin und her wippten. Sie wusste nur allzu gut, wie sehr er das mochte.
Genau so war es. Paul starrte sie so wollüstig an, als hätte er noch nie ein weibliches Wesen gesehen.
Mary mochte das. Das Glitzern in seinen Augen gab ihrer Sinnlichkeit einen neuen Schub.
»Fass mich an«, sagte sie. »Hab keine Scheu. Ich mag es, wenn du mich berührst.«
Er tat, was sie sagte, aber plötzlich war da ein Geräusch, das nicht hierher gehörte:
Die gepresste Stimme eines Mannes – und sie gehörte nicht Paul!
Was in aller Welt geht hier vor? Mary Blacks Herz machte einen Satz und schlug ein paar Takte schneller.