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Die Pumpröhre der Franklin Pipe Company war ein drei Zoll dickes Stahlrohr, das schnurgerade über die Wiesen des Farmlands verlief. Die Rohrstücke waren durch Muffen verbunden und hielten einen Druck von etwas mehr als tausendzweihundert Pfund pro Quadratzoll aus.
Der Fremde wusste alles über die Röhren. Er hatte sie in Pennsylvania errichtet, wo sie die einzelnen Ölförderquellen mit dem Eisenbahnnetz verbanden und in gewaltige Tanks mündeten, die mehr als zwanzigtausend Barrels fassten. Aus den Tanks floss das Rohöl in die Walzenkessel der Zugwaggons, die es in die nächstgrößere Stadt brachten.
Der Fremde stellte die Petroleumlampe ab. Er legte sich den Vorschlaghammer, die verschiedenen Rohrzangen und die Zündhölzer zurecht. Er kannte die Schwächen der Pipelines. Manche Feuersbrunst hatte im Öl ihren Anfang genommen...
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Die Ölbarone von Brownich
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Impressum
Die ÖlbaronevonBrownich
Die Pumpröhre der Franklin Pipe Company war ein drei Zoll dickes Stahlrohr, das schnurgerade über die Wiesen des Farmlands verlief. Die Rohrstücke waren durch Muffen verbunden und hielten einen Druck von etwas mehr als tausendzweihundert Pfund pro Quadratzoll aus.
Der Fremde wusste alles über die Röhren. Er hatte sie in Pennsylvania errichtet, wo sie die einzelnen Ölförderquellen mit dem Eisenbahnnetz verbanden und in gewaltige Tanks mündeten, die mehr als zwanzigtausend Barrels fassten. Aus den Tanks floss das Rohöl in die Walzenkessel der Zugwaggons, die es in die nächstgrößere Stadt brachten.
Der Fremde stellte die Petroleumlampe ab. Er legte sich den Vorschlaghammer, die verschiedenen Rohrzangen und die Zündhölzer zurecht. Er kannte die Schwächen der Pipelines. Manche Feuersbrunst hatte im Öl ihren Anfang genommen...
Die Apfelbeerensträucher hinter dem Haus blühten seit letztem Sonntag so schön, dass Ruth Donivan den Blick kaum von ihnen abwenden konnte. Die schwarzhaarige Frau mit der schmalen Taille stand auf der Veranda des Farmhauses, stützte sich versonnen auf die Brüstung und wartete darauf, dass ihre Mutter zum Dinner rief.
Die ganze Familie mochte den Mai in Peterson County.
Auf den Wiesen gediehen wilde Blütenmeere, über denen schillernde Insektenschwärme schwebten, und in der Abendsonne war es schon so warm, dass man im Arbeitskleid hinüber zur Scheune konnte. Die Vögel richteten ihre Nester in den Lorbeerrosen her und verschwanden zwitschernd hinter dem Dach.
Ruth stand mit ihrem Vater oft bei den Nestern.
Sie verfolgten das Treiben der gefiederten Tausendsassas, wiesen einander auf Eier hin, die sie erspäht hatten, oder sprachen darüber, ob die Marder wieder räubern würden. Ruths Vater Charles hatte ein ansteckendes Lachen und sah mit seinen vierundvierzig Jahren zu jung für einen Farmer aus.
Er hatte Haus und Land bei einer Auktion erstanden und sich für Jahre verschuldet.
»Manchmal muss man ein Wagnis eingehen«, hatte er zu Ruths Mutter Amelia gesagt. Er hatte gelächelt und ihr dadurch den Wind aus den Segeln genommen. »Es kommt nicht jeden Tag eine Gelegenheit wie diese.«
Die Gelegenheit hatte sich im ersten Winter als fauler Kompromiss erwiesen, als von den fünf Säcken Kartoffeln und Mais, die sie im Sommer geerntet hatten, ganze drei Stück verdarben. Sie hatten Futter für die Pferde und den Ochsen kaufen müssen, wodurch die Schulden weiter angewachsen waren.
Im vergangenen Sommer jedoch hatte Vater die letzte Rate zurückgezahlt.
Er war mit Ruth dafür im Einspänner nach Clarkson gefahren, hatte die verlangten fünfhundert Dollar auf den Tisch gelegt und sich diebisch über das Gesicht des Schalterangestellten gefreut. Die Quittung hing seitdem in der Küche über dem Bord mit den Konfitüregläsern.
»Ruth!«, rief Mutter durch die Verandatür. »Wo steckst du? Das Gebratene wird kalt! Die Apfelbeeren laufen dir nicht weg!« Sie klapperte mit den Tellern. »Komm jetzt!«
Den unverhofften Wohlstand verdankte die Familie einem Deal mit der Franklin Pipe Company, die einen Kontrakt mit Ruths Vater unterschrieben und dafür bezahlt hatte. Die Ölgesellschaft hatte dafür eine unscheinbare Stahlröhre über das Land der Donivans gelegt.
»Ich komme!«, rief Ruth und betrachtete die Apfelbaumsträucher ein letztes Mal. »Was hast du gebraten, Mutter?«
Die Röhre kam von Stockmans Viehweide herüber, querte an einem Drahtseil den Halls Creek und führte hinter dem Haus entlang bis zum Hügel. Sie war von vier Arbeitern verlegt worden, die Pfähle in den Boden gerammt und ab und zu kleine Gräben ausgehoben hatten.
Durch die Rohrleitung floss Rohöl.
Es war an einigen Stellen ausgetreten, hatte die Erde verklebt und die Fingerkräuter am Feldrand eingehen lassen. Die Franklin Pipe hatte die Lecks jedes Mal abgedichtet und weitere Dollars auf den Tisch gelegt.
»Lamm!«, rief Ruths Mutter und ging in der Küche auf und ab. »Das zarteste Lamm im ganzen County! Komm bloß bald, sonst hat es dein Vater aufgegessen!«
Ruth lächelte und ließ sich Zeit.
Ohne das gemeinsame Tischgebet begann im Haus der Donivans keiner eine Mahlzeit, und brach jemand das Gebot, bekam er Amelias Verachtung zu spüren. Sie hatte es geschafft, ihren Mann mit zweiwöchigem Schweigen zu bestrafen, nachdem er ein einziges Mal beim Amen die Gabel ins Fleisch gerammt hatte.
Seufzend wandte sich Ruth von den Apfelbeerbüschen ab.
Sie war das einzige Kind ihrer Eltern und konnte nicht verantworten, dass einer von ihnen hungrig bleiben musste. Das Lamm aus dem Ofen war ein Leibgericht ihres Vaters, und so anmutig die Sträucher auch blühten, sie würden nicht als Grund dafür herhalten können, dass es ein spätes Dinner gab.
Aus dem Haus drang ein seltsamer Duft.
Er war schwer und erdig wie der Geruch des rostigen Heuwenders, der in der Scheune stand, und er kroch dicht über den Boden. Ruth hatte ihn schon einmal wahrgenommen. Sie hatte damals hinter ihrem Vater gestanden, der mit einer Hacke ausgeholt und auf eine Erdscholle am Fluss eingeschlagen hatte.
Rohöl...
Durch die Dielenspalten im Haus stieg der Gestank von Rohöl auf, und nach allem, was Ruth wusste, war das ein schlechtes Zeichen. Sie hatte Vater mit den Franklin-Pipe-Leuten streiten hören, die den Farmer beruhigt und ihm versichert hatten, dass sie sich am nächsten Tag – spätestens in der Woche darauf – darum kümmern würden.
Drinnen waren hektische Schritte zu hören.
Aus Gewohnheit nahm Ruth an, dass ihr Vater das Essen stehenlassen würde, sobald er ebenfalls Öl roch. Er war zu besorgt um das Haus und die Weiden, als dass er ein Leck in der Franklin-Pipe-Leitung auf sich beruhen lassen würde.
An diesem Abend jedoch war etwas anders.
Die Schritte waren aufgeregter als sonst, fast schon schreckhaft, und Ruth rechnete damit, dass ihr Vater jeden Moment aus der Tür stürmen und nach seiner Arbeitsjacke greifen würde. Er hatte die Jacke am Haken hinter der Küchentür hängen.
Statt Ruths Vater indes kamen die Flammen.
Sie schlugen aus der sich öffnenden Tür, in der Ruths Mutter stand und beide Arme nach ihrer Tochter ausstreckte. Amelia brannte lichterloh. Sie trug das beigefarbene Haushaltskleid, an dem sie jüngst den Saum ausgebessert hatte, hielt sich am Küchenschrank fest und brach zusammen.
Die Küche war ein höllenhaftes Inferno.
Unter dem Tisch und aus den Möbeln loderten grelle Stichflammen, die nach dem Kleid von Ruths Mutter gierten und binnen Sekunden aufzehrten. Sie sprangen von Schrank zu Schrank, versengten die Vorhänge am Fenster, zischten wie feurige Schlangen daran hinunter.
Dann sah Ruth ihren Vater.
Er kniete mit qualmendem Hemd über dem Dielenboden, hielt einen Riss darin zu und stützte sich mit beiden Armen darauf. Er hatte keine Haare. Zwischen seinen Fingern quoll schwarzes Öl hervor, bildete eine Lache um ihn und entzündete sich.
»Verschwinde!«, schrie Ruths Vater. »Geh, Ruth, geh!«
Unmittelbar darauf zerfetzte ein Donnerschlag das Farmhaus.
✰
Durch die rußgeschwärzte Küche des noblen Gentlemen's Club, der in der ebenso vornehmen Carson Street von Brownich beheimatet war, zog der süßliche Geruch von kochendem Rotwein. Die Köchin Lilly Ackley hatte den französischen Wein über einen bratenden Maiskolben gegossen und würzte ihn mit Pfeffer nach. Sie blickte zu dem großgewachsenen Mann, der gegenüber an der Theke lehnte.
»Nur für mich?«, brummte Lassiter und trank von seinem Bourbon. Er sah sich im leeren Club um. »Wann kommen die ersten Gäste?«
»Nicht vor sieben Uhr«, sagte Lilly und deckte den Topf ab. Sie schnitt ein Stück Rindfleisch in Streifen und warf die Stücke in eine Tonschale. »Die feinen Herren müssen erst ihr Tagwerk beenden, bevor es ans Saufen geht. Sie sind ehrenwerte Farmer und Rancher.«
Der Gentlemen's Club von Brownich genoss weithin einen Ruf als Etablissement für Vermögende und Wohlhabende, die in den luxuriösen Sesseln und verwinkelten Abteilen Verträge aushandelten und ihre Ehefrauen mit Prostituierten aus Clarkson betrogen. Das Peterson County hatte ein einziges Mal versucht, dem Club die Konzession zu entziehen, war aber am Widerstand einzelner Stadträte gescheitert, die selbst zu den Gästen zählten.
»Ehrenwert«, sagte Lassiter und nickte lächelnd. »Vermutlich gibt es keine ehrenwerteren Leute als die Gäste dieses Clubs. Ich bin ihnen begegnet, Lilly, und ich weiß, dass sie keinen Funken Ehre im Leib haben.«
»Ich sehe sie jeden Tag«, erwiderte Lilly und sprang zwischen dem Ofen und dem Geschirrschrank hin und her. Sie arrangierte das Fleisch, legte die in Rotwein getränkten Maiskolben dazu und brachte Lassiter die Mahlzeit an die Theke. »Ich möchte mit keinem von ihnen schlafen.«
Der Mann der Brigade Sieben stach mit der Gabel einen Rindfleischstreifen an, wendete ihn einige Male und verzehrte ihn. Er machte eine anerkennende Miene und strich Lilly zärtlich über die Wange. »Schläfst du mit mir? Bis acht Uhr sind es noch ein paar Stunden.«
Wie gewöhnlich hatte das Telegramm aus dem Hauptquartier außer dem Namen des Mittelsmannes lediglich einen Ort und eine Zeit genannt, zu der sich Lassiter bereithalten sollte. Die Nachricht war ihm in Clarkson gekabelt worden, als er gerade seine Abreise aus dem Peterson County vorbereitet hatte.
»Du weißt, mit wem ich schlafe«, zwitscherte Lilly vergnügt und schwang die Beine über die Theke. Sie raffte den Rock und gestattete Lassiter einen Blick auf ihre makellosen Schenkel. »Du fragst nicht den ersten Tag danach.«
In der Tat hatte Lassiter fünf leidenschaftliche Nächte mit Lilly verbracht, ehe er sein Gepäck genommen und in die Kutsche hinauf nach Clarkson gestiegen war. Er war wegen eines Sträflings im Peterson County gewesen. Das Hauptquartier hatte nun entschieden, dass er noch länger zu bleiben hatte.
Sie küssten einander auf der Theke.
Voller Begehren zog Lassiter der schönen Schwarzhaarigen das Kleid über die Schultern, schob eine Hand unter ihr Miederhöschen und löste mit der anderen die Schnürung ihrer Korsage. Er hatte diesen schlanken, sehnigen Körper vermisst, den er in den Wochen zuvor so häufig erkundet hatte.
»Schließ die Türen zu!«, meinte Lassiter und griff in Lillys pechschwarze Locken. »Ich will nicht überrascht werden, wenn wir gerade bei der Sache sind.« Er lächelte. »Oder legst du's drauf an?«
»Mir ist es gleich!«, stieß Lilly stöhnend hervor und reckte Lassiter die Brüste entgegen, von denen halb die Korsage rutschte. »Zieh mich endlich aus! Ich will nicht länger warten, hörst du?«
Der Angesprochene vergeudete keine Zeit.
Er trug Lilly zu einem der Salontische, an denen ein paar Stunden darauf die Rancher des Peterson County sitzen würden, spreizte die Beine seiner Geliebten und brachte seinen steifen Pint in Stellung. Er stieß leidenschaftlich zu und wurde mit einem tiefen Seufzen belohnt.
Sie trieben es eine halbe Stunde miteinander.
Der Tisch knarrte unter ihrem feurigen Liebesspiel, das sie oft für lange Küsse unterbrachen und zum Schluss auf das Piano in der Ecke verlagerten. Eine Sonate aus wirren Missklängen ertönte, als Lilly ihre Finger in die weiß-schwarze Klaviatur grub. Sie schrie ihre Lust so ungestüm heraus, dass Lassiter fürchtete, die ganze Carson Street bekäme mit, was sich im Gentlemen's Club ereignete.
»Still!«, schrie Lilly und drückte die ganze Hand in die Klaviertasten. Sie schloss die Augen und begann zu zittern. »Mir kommt's... Mir kommt's...«
Durch ihren Körper ging ein erregtes Beben. Sie zog Lassiter nah zu sich heran, drückte ihre pulsierende Scham an seine Lenden und kam mit einem spitzen Schrei.
Gleich darauf fand auch Lassiter Erlösung.
Er hatte Schweiß auf der Haut, nasses Haar und einen vor Anstrengung geröteten Hals, dessen wunde Stelle er eine Weile rieb. Er ließ Lilly vom Piano steigen, reichte ihr die Korsage, die zwischen die Stühle gerutscht war, und kleidete sich langsam an.
Halbnackt schritt Lilly durch den Salon.
Sie griff Lassiter zwischen die Schenkel, massierte seinen Pint und verlangte nach einer zweiten Runde, ohne ein einziges Wort zu sagen. Sie ließ ihn auf ihre Brüste starren, schwebte davon und wies zur Treppe. »Oben gibt's eine Kammer, in der eine Pritsche steht. Das Putzmädchen schläft manchmal darin. Ich habe einen Schlüssel dafür.«
»Später gern, Lilly«, sagte Lassiter und wand sich aus ihrem Griff. Er stieg in seine Stiefel, legte sich das Holster um und strich mit dem Daumen über den Griff dem Remington. »Ich muss einen Mann namens John Thalhamer sprechen. Er ist ein Gast des Clubs.«
»Thalhamer von der Bedford Ranch?«, meinte Lilly und legte sich schmollend die Korsage um. »Er ist der älteste Rancher im County, besitzt seit Jahren keine Rinderherden mehr. Ich musste ihm bisher kein Mädchen bringen.« Sie lachte. »Er ist ein Greis, Lassiter.«
Thalhamer war Mittelsmann der Brigade Sieben.
»Ein Greis mit Beziehungen«, erwiderte Lassiter. »Ich muss ein Geschäft mit ihm besprechen und brauche ein Séparée.«
Lilly schritt zur Theke zurück, stützte sich mit den Armen darauf und klapperte verliebt mit den Wimpern. »Ein Séparée für die Turteltäubchen, mit Vergnügen, Mr. Lassiter. Ich hoffe, Sie denken an die Kammer oben im Dach, sobald Sie Mr. Thalhamer gegenübersitzen.«
Daran hatte Lassiter keinen Zweifel.
✰
Durch die samtenen Stoffvorhänge des Séparées klang die klagende Stimme des Pianisten, der mit großer Emphase Auld Lang Syne angestimmt hatte und dazu beherzt in die Tasten griff. Er sang für eine der jungen Frauen, die aus Clarkson gekommen waren. Die übrigen Herren im Gentlemen's Club lauschten andächtig.
Von John Thalhamer war ein lautes Seufzen zu vernehmen.
Der greise Farmer hatte sich mit beiden Armen auf den Tisch gestützt und sein Glas texanisches Bier mit den Händen umschlossen. Er hatte einen breiten Schädel mit dünnem grauen Haar und einer faltigen Stirn. Unter seinen buschigen Brauen lugten listige schwarze Augen hervor.
»Sind Sie sich dessen gewiss?«, fragte Lassiter mit ernster Miene. Er hatte sich ein weiteres Glas Bourbon bringen lassen. »Gibt es keinen anderen Grund?«
Thalhamer schüttelte müde den Kopf und trank einen Schluck. Er lauschte der letzten Strophe von Auld Lang Syne, summte die Zeilen leise mit und sah sein Gegenüber an. »Sie hat als Einzige das Feuer überstanden. Sie hat keine Familie mehr.«
Der Brand auf der Donivan-Farm hatte sich vor einer guten Woche ereignet und war selbst in den Gazetten der Ostküste gewesen. Der Farmer und dessen Ehefrau waren in den Flammen umgekommen. Die besondere Tragik des Geschehens bestand darin, dass die Farmerstochter alles mitangesehen hatte.
»Sie müssen sich dieses Mädchen vorstellen«, sprach Thalhamer weiter und hob kraftlos die Hände. »Sie stand vor dem brennenden Haus und vermochte nichts auszurichten. Sie sah die Flammen, in denen ihr Vater und ihre Mutter verbrannten.« Er seufzte. »Bei aller Frömmigkeit kann ich nicht glauben, dass Gott solche Dinge geschehen lässt.«
Eine leckgeschlagene Öl-Pipeline hatte das Feuer ausgelöst, und die zugehörige Pipeline-Gesellschaft hatte verlauten lassen, dass sie Ruth Donivan eine angemessene Summe zahlen würde. Die Kaltschnäuzigkeit der Company stank zum Himmel, jedenfalls nach Lassiters Geschmack.
»Wodurch ist die Pipeline beschädigt worden?«, stellte Lassiter die nächste Frage. Er wollte sich mit dem – zugegebenermaßen bedauernswerten – Schicksal des Mädchens lediglich so lange befassen, wie es nötig war. »Die Brigade Sieben hätte mich kaum ins Peterson County bestellt, hätte alles seine Ordnung.«
Der greise Farmer wiegte den Kopf und lächelte grimmig. »Sie sind ein gescheiter Kerl, wie? Der Marshal hält den gottverdammten Mund. Aus dem Mädchen ist nichts herauszukriegen.« Er schlug den Boden seines Bierglases auf die Tischplatte. »Aber ich zweifle daran, dass die Sache bloßer Zufall war.«
Der Alte wartete auf eine Erwiderung und starrte in sein Bier. Er war merklich angefasst von den Ereignissen auf der Donivan-Farm.
»Wollte jemand die Donivans loswerden?« Lassiter schwenkte den Bourbon in der Hand. »Gab es Öl auf dem Land? War die Pipeline-Company hinter den Äckern her?«
»Kein Tropfen Öl«, verneinte Thalhamer knurrend. »Sie waren die anständigsten Leute, die man sich vorstellen kann. Ich war mit Donivan auf der Viehauktion in Clarkson. Er hätte keiner Fliege etwas zuleide tun können.« Er schwieg für einen Augenblick. »Sie müssen Licht ins Dunkel bringen, Lassiter.«