Lassiter 2574 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2574 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

"Das ist 'ne verdammt schlechte Idee, wenn du mich fragst." Howler nahm seinen Hut ab und schabte sich die ergraute Mähne. "Die beiden Girls werden uns zum Teufel jagen. Das steht so fest wie das Amen in der Kirche."
"Na und? Hast du etwa Angst vor 'nem Weiberrock?" Das Grinsen seines Begleiters entblößte zwei Reihen gelb verfärbter Zahnstummel. "Hätte ich bei dir nun wirklich nicht gedacht."
"Unfug. Ich will mir nur keine Schrotladung einhandeln, das ist alles."
"Dazu werden wir es nicht kommen lassen." Der Ledersattel knarzte, als sich Sam McKay aufrichtete und zu der Farm hinunterblickte. "Wir erledigen unseren Auftrag und gehen unserer Wege. Ein Kinderspiel. In einer Stunde sind wir in Rosies Heaven und lassen es uns gutgehen."


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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Eine gewagte Wette

Vorschau

Impressum

Eine gewagte Wette

»Das ist 'ne verdammt schlechte Idee, wenn du mich fragst.« Howler nahm seinen Hut ab und schabte sich die ergraute Mähne. »Die beiden Girls werden uns zum Teufel jagen. Das steht so fest wie das Amen in der Kirche.«

»Na und? Hast du etwa Angst vor 'nem Weiberrock?« Das Grinsen seines Begleiters entblößte zwei Reihen gelb verfärbter Zahnstummel. »Hätte ich bei dir nun wirklich nicht gedacht.«

»Unfug. Ich will mir nur keine Schrotladung einhandeln, das ist alles.«

»Dazu werden wir es nicht kommen lassen.« Der Ledersattel knarzte, als sich Sam McKay aufrichtete und zu der Farm hinunterblickte. »Wir erledigen unseren Auftrag und gehen unserer Wege. Ein Kinderspiel. In einer Stunde sind wir in Rosies Heaven und lassen es uns gutgehen.«

Die Farm befand sich in der Einöde, gut drei Meilen von Greeley entfernt, einer Kleinstadt im Norden von Colorado. Im Westen ragten schroffe Hügel und verschneite Bergspitzen in den Nachthimmel. Weiter östlich war das Land flach und steinig. Noch vor zehn Jahren hatte es hier nicht viel mehr als windzerzauste Blaukiefern und struppigen Wacholder gegeben. Jetzt neigten sich üppige Mais- und Weizenfelder im Wind. Die kommende Ernte versprach reich auszufallen.

Viele Farmer mussten aufwändige Bewässerungsanlagen anlegen, um ihrem Boden eine gute Ernte abzuringen. Carl Talbot jedoch hatte ein Stück Land gewählt, das vom Cache la Poudre River durchzogen wurde. Damit riskierte er jedes Jahr im Frühling das Hochwasser während der Schneeschmelze, doch in der trockenen Jahreszeit war sein Boden reich und fruchtbar. Das Wasser war ihm bisher erst einmal knapp geworden: im vergangenen Sommer, der ungewöhnlich heiß und trocken gewesen war.

Im rötlichen Licht der untergehenden Sonne passte sich das Grassodenhaus so perfekt der Umgebung an, als wäre es ein Teil der Landschaft. Eine Handvoll Hühner scharrte davor im Staub. Ein Mensch war von hier oben aus nicht zu entdecken. Lediglich eine grau gestromte Katze saß auf dem Rand des Ziehbrunnens.

»Dieser Job gefällt mir nicht.« Howler stülpte seinen Hut wieder auf das ergraute Haupt. »Möchte wissen, was der Boss gegen die Familie im Schilde führt.«

»Sein Geld will er wiederhaben. Sie schulden ihm eine ziemlich hohe Summe.«

»Es muss noch mehr dahinterstecken, wenn er uns extra herschickt, um Druck zu machen. Ist ja nicht so, als müsste er morgen am Hungertuch nagen, wenn die Talbots ihm das Geld noch 'n bisschen länger schulden. Du weißt doch, wie er ist. Ohne Hintergedanken lässt der nicht mal einen fahren.«

»Und wenn schon.« Sam McKay zog die Schultern hoch und ließ sie wieder fallen. »Das hat uns nicht zu interessieren. Komm, bringen wir es hinter uns.«

»Einen Moment noch.« Howler glitt aus dem Sattel, machte ein paar Schritte auf einen Dornbusch zu und nestelte an seinem Hosenbund. Sekunden später hörte man es plätschern. Dabei entfuhr ihm ein leiser Fluch.

»Was ist los?«, erkundigte sich sein Begleiter. »Hat dich 'ne Bullennatter in dein bestes Körperteil gebissen?«

Howler gab nur ein tiefes Brummen von sich. Um keinen Preis der Welt hätte er seinem Begleiter verraten, dass es sich jedes Mal, wenn er sich erleichterte, anfühlte, als würde er flüssiges Höllenfeuer aus seinem Unterleib pressen.

Er klopfte die letzten Tropfen ab und brachte seinen Hosenlatz in Ordnung. Dann schwang er sich wieder auf den Rücken seines Braunen.

Sein Begleiter warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Die beiden Schwestern dort unten auf der Farm dauern dich, oder?«

»Natürlich. Sie haben gerade erst ihren Vater verloren. Und nun kommen wir und drohen, ihnen auch noch die Farm wegzunehmen.«

»Denk am besten nicht drüber nach. Auftrag ist Auftrag.«

»Kannst du das wirklich so leicht wegstecken?«

»Na ja, wenn daran denke, wie ich nachher bei Mindy einen wegstecke...« Ein breites Grinsen kerbte McKays Gesicht. »Ihr Hintern ist drall und üppig wie der Vollmond.« Er malte mit den Händen eine Sanduhr in die Luft und wackelte mit den Augenbrauen.

Howler schnaufte. Mindy war ein Klassegirl, das stand außer Frage, aber dieser Auftrag vergällte ihm sogar die Aussicht auf den Besuch im Heaven. Doch da war nichts zu machen. »Na schön. Erledigen wir den Job.« Mit einem sanften Schenkeldruck trieb er seinen Braunen den Hügel hinunter. McKay folgte ihm.

Die Talbot-Farm war nicht sonderlich groß, wirkte aber gepflegt und sauber. Jemand hatte sogar einen Garten mit Blumen angelegt. Hinter dem Haus standen drei Rot-Eschen, die bei Tag willkommenen Schutz vor der prallen Sonne spendeten.

Als sich die beiden Reiter auf wenige Yards dem Haus genähert hatten, öffnete sich ein Fenster und der Lauf einer Schrotflinte schob sich durch die Öffnung – zielte unmittelbar auf Howler. Der verbiss einen Fluch. Hatte er es doch gewusst!

Eine energische Frauenstimme rief: »Das ist nah genug, Gentlemen! Nehmen Sie Ihre Hände hoch und sagen Sie mir, was Sie wollen.«

»Mr. Willard schickt uns. Wir wollen Ihnen nichts tun. Wir sollen nur mit Ihnen reden.« McKay dachte nicht im Traum daran, die Hände hochzunehmen. »Dürfen wir reinkommen, Miss Talbot? Oder kommen Sie zu uns raus?«

Er erhielt keine Antwort. Nach einer Weile schwang jedoch die Haustür auf und eine Frau trat auf die Veranda. Sie hielt die Schrotflinte in beiden Händen und schwenkte sie so, dass sie geradewegs auf McKays Kopf zielte.

»Sie können das Ding ruhig runternehmen«, grollte der. »Wir kommen in friedlicher Absicht.«

»Euch Kerlen ist nicht zu trauen!«, rief sie mit rauchiger Stimme. Sie musterte ihre Besucher eindringlich. Das Blitzen in ihren großen, braunen Augen verriet, dass sie auf der Hut war. Jenny Talbot war ebenso hübsch wie temperamentvoll. In Greeley hatte sich schon mancher Verehrer eine blutige Nase bei dem Versuch geholt, sie für sich zu gewinnen. Jenny war wild wie eine Raubkatze, und sie wusste ihre Krallen einzusetzen. Während ihre Schwester ruhiger war und jeden Schritt sorgfältig durchdachte, handelte Jenny meistens impulsiv.

Und sie hatte sich rausgemacht. All devils! Howler konnte die Augen kaum von ihr lassen. Der schlichte Schnitt ihres Baumwollkleides betonte ihre reizvollen Kurven. Die Korsage konnte ihre Brüste kaum bändigen. Das rotbraune Haar trug sie aufgesteckt, aber einige vorwitzige Strähnen hatten sich aus dem Knoten gelöst und ringelten sich in ihr Gesicht.

»Sind Sie allein daheim, Miss?« McKay glitt aus dem Sattel.

Der Blick der Farmerin flackerte kurz nach links. Unter einem einsamen Trompetenbaum zeichneten sich drei schlichte Holzkreuze ab. Eines war noch hell und neu. Die anderen waren schon nachgedunkelt. Carl Talbot, seine Frau und sein Sohn lagen dort begraben. Es gab nur noch die beiden Schwestern.

Howler verabscheute sich selbst dafür, aber er mahnte: »Mr. Willard schickt uns, weil Sie ihm noch Geld schulden, Miss. Die Rückzahlung war vor vier Wochen fällig.«

»Die schlechte Ernte im vergangenen Sommer hat uns zurückgeworfen.« Die Flinte in den Händen der Farmerin bebte kaum merklich. »Wir haben das Geld noch nicht.«

»Das ist schlecht.« McKay machte einen Schritt auf sie zu. »Sie wissen, was vereinbart war. Wenn Sie nicht bezahlen, geht die Farm an unseren Boss über.«

»Elon Willard.« Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten, als hätte sie soeben eine Nacktschnecke auf ihrer Stiefelspitze entdeckt.

»Er war geduldig, oder nicht?«

»Unser Vater hat sich das Geld von ihm geliehen.« Jenny stockte, und Trauer schimmerte in ihren braunen Augen. »Wir werden dafür geradestehen. Die nächste Ernte verspricht gut zu werden. Wir brauchen nur mehr Zeit.«

»Tja, und das ist das Problem, Miss.« McKay rieb sich das Kinn. Es gab ein schabendes Geräusch. »Mr. Willard besteht auf der sofortigen Rückzahlung.«

»Wo sollen wir so schnell so viel Geld hernehmen?«

»Nun...« Hinter den beiden Besuchern wurde plötzlich das Schlagen von Pferdehufen lauter. Eine Frau in einem dunkelroten Musselinkleid näherte sich auf einer weißen Stute. Ihre blonden Haare trug sie zu einem dicken Zopf geflochten. Abby Talbot war zierlicher als ihre Schwester, sie wirkte zerbrechlich, aber dieser Eindruck täuschte. Ihr vorgerecktes Kinn verriet, dass man mit ihr rechnen musste.

Sie nahm ihr Reittier auf und glitt behände aus dem Sattel, ohne den Korb mit Beeren und frischen Kräutern in ihrer Hand abzusetzen.

»Wie können wir Ihnen helfen, Gentlemen?« Ihre Stimme war angenehm warm.

»Sie wollen Geld.« Jenny schnaufte hörbar. »Sonst nehmen Sie uns alles weg.«

»Darüber können wir doch sicherlich reden.«

»Wir wurden nicht zum Handeln geschickt«, wehrte McKay ab.

Die Schwestern wurden blass. Howler hätte ihnen den Schrecken gern erspart, aber das lag nicht in seiner Macht. Er kannte seinen Boss. Elon Willard bekam immer, was er haben wollte. Was man ihm nicht freiwillig gab, das nahm er sich.

»Hören Sie, Miss.« Howler trat neben Abby. »Bevor wir wegen dieser Geldsache weiterreden... Haben Sie vielleicht ein paar Kräuter für mich? Wenn ich austreten muss, brennt es wie die Hö... ich meine, als würde ich glühendes Eisen pinkeln.«

»Kräuter wollen Sie?«, ging Jenny dazwischen, ehe ihre Schwester etwas sagen konnte. »Ich sag Ihnen was: Schieben Sie sich Ihre Kräuter in den...«

»Warte.« Abby legte ihr eine Hand auf den Arm. Dann zupfte sie einige Halme aus ihrem Korb und reichte sie Howler. »Häckseln Sie die Kräuter klein und kochen Sie sich dreimal am Tag einen Tee daraus. Trinken Sie ihn, solange er warm ist. In drei Tagen sollte es Ihnen besser gehen.«

»Danke, Miss.« Howler schob die Kräuter in seine Tasche. »Vielen Dank.«

Sein Begleiter furchte die Stirn – und starrte Abbys Reittier an. »Unser Boss will sein Geld zurückhaben, aber er ist kein Unmensch. Er lässt sicherlich mit sich reden. Überlassen Sie ihm die Stute, dann gibt er sich zufrieden.«

Abby trat vor ihr Pferd. »Missy ist nicht zu verkaufen.«

»Wollen Sie lieber Ihre Farm verlieren als einen Gaul?«

»Dazu wird es nicht kommen.«

»Doch, das wird es, wenn Sie nicht bezahlen können.«

Abby hob das Kinn, konnte das leichte Zittern in ihrer Stimme jedoch nicht ganz verbergen. »Ihrem Boss gehört die halbe Stadt. Er besitzt eine Goldmine, die Zeitung und verschiedene Geschäfte. Ist er wirklich auf unser Geld angewiesen?«

»Es geht ihm ums Prinzip.« McKay zuckte die Achseln. »Ich sollte Sie warnen. Heute hat uns Mr. Willard geschickt, um freundlich nach seinem Geld zu fragen. Beim nächsten Mal bleibt es nicht dabei. Ersparen Sie sich diesen Ärger und besorgen Sie das Geld, solange noch Zeit ist.«

»Wenn das nur so einfach wäre.« Abby tauschte einen Blick mit ihrer Schwester.

»Sie haben eine Woche«, legte McKay nach. »Entweder bezahlen Sie dann oder die Farm geht an unseren Boss!«

»Vielleicht sollten wir Mr. Willards Angebot annehmen, Jenny.« Abby tätschelte den Hals der weißen Stute, während die Drohung in ihrem Kopf widerhallte wie Donnerschlag. »Wenn wir ihm Missy überlassen, sind wir unsere Schulden los.«

»Das können wir nicht tun. Pa hat Missy von Hand aufgezogen. Die geben wir nicht her. Schon gar nicht einem Gierschlund wie Elon Willard. Für ihn wäre sie nur eine weitere Trophäe, ein Beweis seiner Macht. Wer weiß, ob er sie gut behandeln würde. Nein, das kommt nicht in Frage, hörst du? Uns fällt schon etwas anderes ein.«

»Wir haben uns nächtelang den Kopf zerbrochen, aber keinen Ausweg gefunden.«

»Wir finden schon noch einen.«

»Hoffentlich schnell. Mit Mr. Willard ist nicht zu scherzen. Er wird uns seine Handlanger schicken, wenn wir nicht bezahlen. Und niemand wird ihn dafür anklagen. Die ganze Stadt steht in seiner Schuld. Die meisten arbeiten für ihn. Niemand würde sich gegen ihn stellen.«

»Wenn es so weit kommt, werden wir unsere Farm schon verteidigen.« Jenny umklammerte die Schrotflinte fester. »Pa hat uns gelehrt, zu kämpfen.«

»Ich vermisse ihn.« Abby schaute zu den Grabhügeln.

»Ich auch. Und eines weiß ich: Er hätte nicht klein beigegeben. Und wir werden das auch nicht tun.«

»Wo sollen wir denn in einer Woche so viel Geld auftreiben?«

»Uns fällt schon etwas ein.« Jenny ließ ihre Flinte sinken. »Ich werde noch rasch die Hühner zusammentreiben und in den Stall sperren, bevor es dunkel wird. Dabei mache ich mir Gedanken, was wir tun können.«

»Na schön. Ich werde ein paar Sachen einpacken und dem Heaven einen Besuch abstatten. Wir sehen uns später beim Abendessen. Dann können wir einen Plan schmieden.« Abby ließ ihr Pferd gesattelt und eilte mit wehenden Röcken ins Haus.

Auf dem Feuer köchelte der Bohneneintopf im Kessel. Ein würziger Duft wehte ihr entgegen, aber nach dem Schrecken gerade war ihre Kehle eng und sie bezweifelte, dass sie an diesem Abend noch einen Bissen herunterbekommen würde.

Sie breitete die gesammelten Kräuter zum Trocknen vor dem Feuer aus. Dann holte sie die Ledertasche, die ihre medizinischen Vorräte enthielt. Ihre Mutter hatte sie gelehrt, was sie über die Heilkunst wusste. Abby hatte alles Wissen begierig in sich aufgenommen, aber nicht einmal das hatte ihr geholfen, ihren Vater zu retten. Seine Kräfte waren immer weniger geworden, bis er eines Tages nicht mehr da gewesen war... Sie blinzelte, hing sich die Tasche um und strebte wieder nach draußen. Abby stieg in den Sattel und war wenig später auf den Weg nach Greeley.

Ihr Ziel war Rosies Heaven. Sie wusste wohl, dass sie mit den regelmäßigen Besuchen dort ihren Ruf riskierte, aber das war ihr einerlei. Die Menschen, auf die es ankam, schätzten sie, weil sie half, und verurteilten sie nicht dafür. Und die Girls aus dem Freudenhaus nahmen ihre Salben gegen Juckreiz und ihre Kräuter gern an. Natürlich gab es auch einen Arzt in Greeley, aber Doc Oxley war meist zu betrunken, um unterscheiden zu können, ob er Männlein oder Weiblein vor sich hatte. Niemand, der noch halbwegs bei Verstand war, nahm seine Dienste freiwillig in Anspruch.

Als Abby das Freudenhaus erreichte und ihr Pferd an den Holm band, feilschte ein Farmer gerade um einen günstigeren Preis in dem Bordell.

»Komm schon, Rosie. So oft, wie ich euch besuche, könntest du mir ruhig einen Nachlass gewähren.«

Die üppig gebaute Rosie sagte kein Wort. Stattdessen warf sie ihm einen Blick zu, der einen weniger selbstbewussten Mann veranlasst hätte, sich in einem Mauseloch zu verkriechen. Im nächsten Moment schlug sie ihm die Tür vor der Nase zu!

»Was habe ich denn falsch gemacht?« Er starrte auf das Türholz und schnaufte. »Frauen. Soll einer aus denen schlau werden. Im Store bekomme ich 'n Ei gratis, wenn ich zwei Dutzend auf einmal kaufe. Und hier?«

»Lass es Rosie bloß nicht hören, dass du ihre Dienste mit Eiern vergleichst, Ted«, mahnte Abby, »sonst knöpft sie dir beim nächsten Besuch das Doppelte ab.« Sie raffte ihre Röcke und stieg die drei Stufen zur Veranda hinauf.

»Das fehlte noch.« Ganz erschrocken hob er die Hände. »Hast du einen Rat für mich, wie ich sie wieder versöhnen kann?«

»Versuch es mit Blumen. Die erfreuen sie sicherlich.«

»Gute Idee!« Ted grinste und stiefelte los – geradewegs zum Garten des Reverends auf der anderen Seite der Mainstreet. Bevor Abby ihn aufhalten konnte, hatte er bereits begonnen, die gelben Margeriten zu plündern.

»Warte! So hab ich das doch nicht...« Sie stockte. »Ach, was soll's. Dienen sie wenigstens einem guten Zweck.« Abby hob die Hand, um anzuklopfen, doch da schwang die Tür schon vor ihr auf und Rosie erschien in der Öffnung.

Sie winkte Abby, hereinzukommen.

»Was ist mit Ted?«

»Oh, den lasse ich noch ein bisschen zappeln.«

»Er hat es nicht böse gemeint.«

»Das tun sie nie.« Rosie seufzte. »Ich bin froh, dass du hier bist. Kannst du nach Loretta sehen? Ich mache mir Sorgen. Sie isst kaum noch. Fast jeden Tag höre ich, wie sie im Schlaf schreit, aber wenn ich sie danach frage, erinnert sie sich an nichts.«

»Ich gehe gleich zu ihr«, versprach Abby, wandte sich der Treppe zu und stieg nach oben zu den Zimmern der Girls. Ein schwerer Duft von Parfum hing in der Luft. Die Fenster wurden von rotem Samt eingerahmt und die Wände zierten Gemälde von bildschönen Frauen, die wenig mehr als einen Hauch von Spitze am Leib trugen.

Die Französin hatte ihren Raum am Ende des Korridors.

Auf Abbys Klopfen drang ein gedämpftes: »Ja, ›erein?«

Abby öffnete die Tür und sah Loretta vor dem Fenster auf und ab laufen. Die roten Locken der Französin waren zerzaust, als wäre sie sich mehrmals mit den Händen durchgefahren. Sie atmete schwer und wirkte erhitzt. Ihr Kleid war dunkelblau und beinahe züchtig hochgeschlossen, aber die Schlitze an den Seiten ließen bei jedem Schritt ihre langen schlanken Beine sehen.

»Schickt Rosie dich?« Der Akzent der Französin verriet ihre Pariser Wurzeln. »Mir fehlt nichts. Das kannst du ihr ru'ig sagen.«

»Das wird sie freuen zu hören. Aber nun bin ich einmal da, brauchst du vielleicht etwas aus meiner Kräutertasche?«

»Nun... Isch ›abe wieder diesen Ausschlag.« Lorettas Wangen röteten sich und verrieten, wo sich der Ausschlag befinden musste. »Er juckt wie verrückt.«

»Ich müsste noch etwas von der Salbe haben.« Abby kramte in ihrer Tasche und brachte das Kästchen hervor. »Schläfst du genug?«

»Nie mehr als ein, zwei Stunden am Stück.« Loretta kaute auf ihrer Unterlippe. Dabei flackerte ihr Blick und verriet mehr als ihre Worte.

»Du hast Angst.« Abby dachte an das Messer, das in ihrem Stiefel versteckt war. Es war gut, wenn man sich verteidigen konnte. Noch besser jedoch war es, wenn das gar nicht erst nötig wurde. »Wovor fürchtest du dich? Vergisst einer der Männer, wo die Grenze ist? Soll Rosie jemanden vor deiner Tür postieren, der aufpasst?«

»Nein!« Lorettas Gesicht verlor alle Farbe, nur um kurz darauf dunkelrot anzulaufen – und wieder zu erblassen.

»Loretta?«, hakte Abby sacht nach. »Was beunruhigt dich so?«

»Isch kann nischt darüber reden.«