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Die Parzellen im Walker County waren um vier Dollar für den Morgen Land teurer geworden, und keiner der Stadtverordneten und Gouverneursbeiräte im fernen Phoenix wollte etwas dagegen unternehmen. Die gutgestellten Herren und Damen zogen es vor, dass Männer wie Chas Matthews ihren Besitz verloren.
"Nimm ihn aufs Korn!", flüsterte Matthews und wies in die Dunkelheit hinaus. Der Zweispänner von Senator Hattery rollte durch die nächtliche Straße. "Er soll bereuen, dass er nach Preciado gekommen ist."
"Soll ich ihn totschießen?", fragte Moses Flynn.
Matthews wollte nicken und schüttelte dann doch den Kopf. "Jag ihm bloß Angst ein! Er soll spüren, dass er bei uns nicht willkommen ist! Einen Schuss auf die Tür!"
Flynn hob das alte Whitworth-Gewehr und legte auf die Kutsche an. Er folgte dem Gespann mit dem Gewehrlauf und setzte den Fingern an den Abzug...
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Seitenzahl: 129
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Unter falscher Flagge
Vorschau
Impressum
UnterfalscherFlagge
Die Parzellen im Walker County waren um vier Dollar für den Morgen Land teurer geworden, und keiner der Stadtverordneten und Gouverneursbeiräte im fernen Phoenix wollte etwas dagegen unternehmen. Die gutgestellten Herren und Damen zogen es vor, dass Männer wie Chas Matthews ihren Besitz verloren.
»Nimm ihn aufs Korn!«, flüsterte Matthews und wies in die Dunkelheit hinaus. Der Zweispänner von Senator Hattery rollte durch die nächtliche Straße. »Er soll bereuen, dass er nach Preciado gekommen ist.«
»Soll ich ihn totschießen?«, fragte Moses Flynn.
Matthews wollte nicken und schüttelte dann doch den Kopf. »Jag ihm bloß Angst ein! Er soll spüren, dass er bei uns nicht willkommen ist! Einen Schuss auf die Tür!«
Flynn hob das alte Whitworth-Gewehr und legte auf die Kutsche an. Er folgte dem Gespann mit dem Gewehrlauf und setzte den Fingern an den Abzug...
Der Novembertag, an dem Senator George Hattery das Zeitliche segnen sollte, hatte so unerfreulich begonnen, wie er zu Ende ging. Er war sogar einer jener Tage, die Hattery lieber vergessen hätte, wäre dem Senatsangehörigen der Tod keine Viertelstunde, sondern zwanzig oder dreißig Jahre voraus gewesen. Es war der Tag, an dem die Hawkridge Land Company ihren größten Verlust schrieb.
»Nein, nein, nein, Bob!«, schrie Hattery den Buchhalter an und schmetterte ihm das Rechnungsbuch gegen die Brust. »Ich will von solchen Zahlen nichts mehr hören. Die Hawkridge muss Dollars machen und keine verlieren.« Er stöhnte auf. »Jedenfalls nicht in solchen Mengen.«
Voll Verzweiflung lief Buchhalter Edgar Quacker dem Senator hinterher und klammerte die Hände um das Kassenbuch. Er hatte zuvor stundenlang auf Hattery eingeredet. »Sie missverstehen den Ernst der Lage, Sir. Ein Verkauf der McGonkue-Farm treibt uns in den Ruin. Sie müssen darauf hören... Sie müssen der Vernunft gehorchen, Sir!«
Die Kalesche stand in der Brown Street um die Ecke. Sie war mit zwei kanadischen Kutschpferden bespannt, die Hattery in Windeseile zurück nach Phoenix bringen würden. »Wollen Sie mir Unvernunft vorwerfen, Quacker? Ich bestehe auf diesen Verkauf. Ich habe mit McGonkue verhandelt. Er steckt zu tief in den Schulden, um uns zu widersprechen.«
Die großen Gesellschaften, zu denen die Hawkridge Land Company inzwischen ebenfalls gehörte, gingen allesamt auf gleiche Weise vor.
Sie akquirierten beachtliche Kapitalmengen bei Industriellen und Mäzenen in Europa, erwarben mit dem Geld günstiges Staatsland, parzellierten den Besitz und verkauften die Parzellen gegen Aufschlag an Kleinfarmer und andere Siedlungswilligen. Der Profit ging in die Zehntausende und steigerte sich, sobald Männer wie Hattery ihren Einfluss in Washington geltend machten.
»McGonkue wird nicht verkaufen«, widersprach Quacker leise. Er verspürte sichtliches Unbehagen dabei, dem Senator seine Sicht mitzuteilen. »McGonkue spielt mit uns. Er wird erst verkaufen, sobald unsere Optionen für den Wiederverkauf abgelaufen sind. Er will sich rächen an uns.«
Der Gedanke an einen solch aussichtslosen Rachefeldzug brachte Hattery zum Lachen. Er griff nach dem Handlauf am Zweispänner, zog sich herauf und nahm unter dem schwarzen Verdeck Platz. »Soll er's versuchen. Er wird sein Land niemandem mehr verkaufen, wenn er uns aufs Kreuz legt.« Er tippte den Kutscher an und sah zu Quacker. »Sie können's ihm in meinem Namen sagen.«
Der Kutscher schwang die Peitsche und trieb die Pferde mit einem Ruf an.
Widerspenstige Farmer gab es im Arizona-Territorium, solange sich Hattery erinnern konnte. Er hatte die Hawkridge Land Company übernommen, bevor er in den Senat gewählt worden war, und war auf Dutzenden Farmen gewesen, deren Besitzer sich verschuldet hatten. Er hatte jedem dieser Leute nahebringen können, dass an ihm und seiner Gesellschaft kein Weg vorbeiführte.
Bei McGonkue würde es keine Ausnahme geben.
Der Kleinfarmer würde eine Zeitlang seine Spielchen treiben, würde sich von den anderen Farmern der Gegend loben lassen, würde sich im Glanz seiner vermeintlichen Courage sonnen. Er würde Petitionen und Briefe an den Senat schreiben, den Gouverneur anbetteln und zum Schluss reumütig seine Unterschrift leisten.
Er würde vor Hattery und anderen Landherren zu Kreuze kriechen.
»Verdammte Gäule!«, schimpfte der Kutscher und schwang abermals die Peitsche. Er drosch auf die Pferderücken ein und fluchte. »Sie haben mich ein Drecksvermögen gekostet, Sir! Sollten schneller laufen! Sollten schneller laufen!«
Der Senator sank in die weichen Polster zurück.
Er schloss müde die Augen und bemerkte nichts davon, dass der Kutscher von der Mainstreet abbog und in eine schmale Seitengasse rollte. Er lauschte lediglich dem Klirren und Klappern des Zaumzeugs, den knirschenden Umdrehungen der Achse und den stahlbeschlagenen Wagenrädern, die über Steine und sandige Schlammwälle rollten.
Hattery verschlief den Tod beinahe.
Der Schuss kam vom Bretterzaun eines Hinterhofs, in dem jemand gackernde Hühner und ein stetig grunzendes Schwein hielt. Er wurde durch einen Spalt abgefeuert, der durch ein lose hängendes Brett entstanden war und dem Schützen ausgezeichnete Deckung bot.
Die Kugel traf die Tür der Kalesche.
Sie durchschlug das dünne Rahmenholz, verfehlte Hattery um ein halbes Handbreit und blieb in der stärkeren Heckwand des Gespanns stecken. Der Kutscher schrie vor Überraschung auf und peitschte auf die Pferde ein.
»Was ist los?«, brüllte Hattery schlaftrunken und hielt sich am Handlauf fest. »Fahren Sie zu, Mann! Fahren Sie zu, was das Zeug hält!«
Die Kalesche donnerte durch die schmale Gasse, die für Hattery im Halbdunkel wie jede andere Straße von Preciado aussah. Sie scherte wieder auf die Hauptstraße ein, als der Senator bemerkte, dass ihm Blut aus der Seite rann.
Die Gewehrkugel hatte ihn nicht verfehlt.
Sie hatte seine Seite durchlöchert, vermutlich seine Eingeweide zerfetzt und sich erst danach ins Holz gebohrt. Sie würde ihn, Senator George Hattery, umbringen oder wenigstens für beträchtliche Zeit ans Bett fesseln.
»Dort vorn ist die Stadtgrenze!« Der Kutscher drehte sich nach seinem Passagier um. »Verflucht! Sie hat's erwischt! Sie sehen nicht gut aus, Sir!«
Hattery zitterte und starrte auf sein eigenes Blut.
✰
Die Zigarrenfabrik Bellman Cigar Manufacturing befand sich in einem dreistöckigen Ziegelbau im östlichen Phoenix und war durch ihre markanten Dachzinnen kaum zu verwechseln. Sie zählte zu den bekanntesten Adressen der Stadt, wofür vorwiegend die attraktiven Südamerikanerinnen sorgten, die Gründer Ernest Bellman als Zigarrenmacherinnen angestellt hatte. Den »Bellman-Girls« eilte der Ruf voraus, der Promiskuität zu frönen.
»Hola, Gringo!«, rief eine der Frauen dem großgewachsenen Mann zu, der durch die Schwingtüren in den Werksaal getreten war. Er sah sich nach allen Seiten hin um. »Kommen Sie unseretwegen? Oder wollen Sie Zigarren kaufen?«
Die übrigen Frauen an den Werkbänken lachten und pfiffen einander zu. Sie ließen ihre Arbeit keine Sekunde lang aus den Augen; sie flockten die Tabakblätter, rollten sie ins Zigarrenpapier und schoben die bedruckte Bellman-Banderole darüber.
Die Blechetuis füllten sich im Sekundentakt mit Zigarren.
»Ernest Bellman«, sagte der Fremde und deutete auf das Fabrikbüro in der Ecke. »Ich möchte zu Ernest Bellman.«
Erneut lachten die Frauen und warfen ihrem breitschultrigen Gast bewundernde Blicke zu. Die schwarzhaarige Lateinamerikanerin, die schon zuvor gesprochen hatte, stand auf und schlenderte durch die Tische herüber. »Mr. Bellman ist bis sechs Uhr nicht zu sprechen. Sie müssen bedauerlicherweise mit einer von uns vorliebnehmen.«
»Bedauerlicherweise?«, fragte Lassiter und lächelte verschmitzt. »Wie kommen Sie darauf, dass es daran etwas zu bedauern gäbe, Miss...?«
»Miss Onades«, erwiderte die Schwarzhaarige und schritt um den Mann der Brigade Sieben herum. »Sie halten uns vermutlich für Huren oder Schlimmeres.«
Geduldig schüttelte Lassiter den Kopf. »Ich halte Sie für arbeitende Frauen, über die man sich in der Stadt Geschichten erzählt. Ich bin nicht gekommen, um ein Urteil über Sie oder Ihre Gefährtinnen zu fällen.«
Die junge Frau blieb hinter Lassiter stehen, hauchte ihm ihren Atem ins Ohr und griff ihm fest zwischen die Beine. Sie knetete langsam, was sie zu fassen bekam, und umschlang mit dem anderen Arm Lassiters Hals. »Sie sind schlau und höflich, Gringo. Ich könnte Ihnen Dutzende Männer nennen, die uns an die Wäsche wollten und keine Süßholzraspelei über die Lippen brachten.« Sie ließ Lassiter abrupt los. »Wollen Sie auf Bellman warten?«
Das Telegramm in Lassiters rechter Tasche enthielt genau diese Parole.
Das Post Office in Stantonville hatte einen versiegelten Eilbrief aus Washington erhalten und chiffriert nach Phoenix gekabelt. Ein Zimmermädchen hatte die Nachricht aus dem Hauptquartier überbracht, als Lassiter sich gerade den Bart geschnitten hatte. Er war von einer Mission hinter der mexikanischen Grenze zurückgekehrt.
»Ich warte gern«, äußerte Lassiter den zweiten Teil der Parole. Er musterte die junge Südamerikanerin, die offensichtlich zu den Informanten der Brigade Sieben zählte. »Ich würde mich freuen, wenn Sie mir zuvor die Fabrik zeigen könnten.«
Die Mädchen an den Werkbänken pfiffen und warfen mit zerrissenen Zigarrenpapieren nach ihrer Freundin. Sie stimmten einen spöttischen Gesang an, den Miss Onades mit einer halbherzigen Armbewegung abwehrte. Sie neigte den Kopf zur Seite und flüsterte Lassiter ins Ohr. »Sie dürfen den Frauen nichts übel nehmen. Sie kommen aus Armenhäusern, aus den Lagerräumen von Pazifikdampfern.« Sie fing eines der Papiere auf und zerknüllte es. »Diese Weibsbilder hoffen auf einen Amerikaner, der sie heiratet und vom Fabriklohn erlöst.«
Hinter der Werkhalle, die nach Tabak und dem Petroleum in den Wandlampen roch, gliederten sich Lagerräume an, die bis unter das Dach mit Bellman-Frachtkisten zugestellt waren. Die Lateinamerikanerin drängte Lassiter gegen einen Kistenstapel. »Ana... Ana Onades... Sie sehen zu gut aus, als dass ich von unserem schlechten Ruf keinen Gebrauch machen müsste!«
Lassiter erwiderte die Küsse. »Sie... Sie arbeiten für die Brigade Sieben, Miss? Ich muss zu Bellman. Er hat einen Auftrag für mich.«
»Ana«, hauchte die junge Frau. »Nennen Sie mich Ana. Ich arbeite seit einem Jahr für Washington.«
Sie schob eine Hand in Lassiters Hose und fahndete nach seinem Glied, das steif und prall geworden war. Als sie seinen Riemen gepackt hatte, riss sie sich die Bluse von den Schultern und gestattete Lassiter einen Blick auf ihre wohlgeformten Brüste.
»Ana«, sagte Lassiter und starrte auf den Busen der Zigarrenmacherin. Er kam beinahe in ihre Hand. »Ich muss zu Bellman... Ich habe keine Zeit für -«
»Für ein Schäferstündchen?« Ana schüttelte ihre schwarzen Locken auf. »Sei bloß nicht so prüde! Jede von uns tut's manchmal im Lager! Die Amerikaner sind ausgehungert! Sie brauchen Frauen mit feurigem Blut!« Sie zerrte Lassiter die Hose bis zu den Knien herunter und schwang sich auf ihn. »Gib's mir, Gringo! Ich bring' dich zu Bellman, wenn du gute Arbeit lieferst!«
Unter Stöhnen und lautem Schreien taten sie es zwischen den Frachtkisten.
Sie hielten sich gegenseitig an den Armen fest, zwangen sich in kräftezehrende Stellungen, die ihnen umso mehr Befriedigung verschafften, je länger sie durchhielten. Einmal lag Anas schmales Gesicht an der Bretterwand einer Kiste, dann wirbelten ihre gekräuselten Locken über Lassiters Schultern. Sie schwang die Hüften, ließ sich von Lassiter den Hintern versohlen und seufzte erregt auf, als er zu mit harten Stößen zum Höhepunkt brachte.
»Verflucht, Lassiter!«, zischte Ana und stieg von ihm herunter. Sie hatte ein strahlendes Lächeln im Gesicht. »Du solltest häufiger bei uns vorbeikommen. Es gibt Frauen an den Werktischen, die es noch nie richtig erlebt haben.« Sie küsste den großen Mann. »Sei wieder unser Gast, ja?«
»Bring mich zu Bellman!«, verlangte Lassiter schroff und zog sich an. »Ich bin nicht in Phoenix, um dem Laster -«
»Sei nicht so eingebildet!«, wies ihn Ana zurecht und gab ihm einen weiteren Kuss. »Ich kenne jede Parole aus deinem Telegramm und bringe dich zu Bellman.« Sie stieg zurück in den Rock, schnürte ihr Mieder fest, ließ sich mit den Knöpfen an ihrer Bluse jedoch Zeit. »Kein Mann ist es wert, dass man seinetwegen die Pflicht vernachlässigt.«
»Du hast vollkommen recht«, sagte Lassiter und reichte der Südamerikanerin ihre Schuhe zurück. Er schnallte sich das Holster mit dem .38er-Remington darin um. »Ich bin froh, dass du für die Brigade arbeitest. Es gibt in unseren Reihen zu wenige Frauen.«
✰
Das Fabrikbüro von Ernest Bellman beherrschte ein mächtiger Tisch mit geschwungenen Beinen, auf dem Papiermuster der verschiedenen Zigarrenmarken, die bei Bellman Cigar Manufacturing gefertigt wurden, ausgestellt waren. Die hintere Ecke des zwanzig Fuß langen Raumes füllte ein mannshoher Sekretär, an dem Bellman gerade den Rollladen herunterließ.
Der untersetzte und gut gekleidete Gründer der Zigarrenfabrik wandte sich zu Lassiter um.
»Sie müssen sich um diese Frauen keineswegs sorgen«, versicherte der Mann der Brigade Sieben. »Ich bin äußerst höflich von ihnen begrüßt worden.«
Bellmans Stimme war tief und hatte ein melodisches Timbre. »Sie hätten sich gegenüber diesen armen Geschöpfen schon äußerst töricht anstellen müssen, damit sie Ihnen schlecht gesonnen sind. Die Frauen aus Kuba und Peru sind lebensfrohe Naturen.« Er goss Lassiter einen Bourbon ein. »Trinken Sie mit mir?«
Auf dem dunklen Ebenholz des Schreibtisches standen zwei Gläser, die Bellman fast bis zum Rand gefüllt hatte. Sie leuchteten im Schein der Abendsonne, deren rötliche Lichtgarben durch die Fenster fielen.
»Äußerst gern«, sagte Lassiter und betrachtete das gerahmte Ölgemälde, das neben der Gaslampe an der Wand hing. Auf dem Bild war eine Kavallerieeinheit zu sehen, die durch eine Wüstenebene ritt. »Waren Sie im Krieg, Sir?«
»Yankee«, gab Bellman zur Antwort. »Ich habe für das Schicksal dieses großartigen Landes gekämpft. Ich ahnte nichts davon, dass es Menschen gibt, die Amerika zerstören wollen.«
Sie stießen miteinander an und setzten sich an die Stirnenden des Tisches. Bellman schob die Zigarrenpapiere beiseite und warf ein braunes Kuvert auf den Tisch. Es war mit einem roten Siegel des Justizministeriums verschlossen.
»Unser Auftrag?«, fragte Lassiter und setzte das Glas ab. »Ich bin gespannt, was Sie mir zu sagen haben, Mr. Bellman.«
»Traurigerweise nichts Gutes!«, setzte Bellman zu einer längeren Ausführung an. Er sprach zunächst darüber, dass ihm das Justizministerium die höchste Geheimhaltungsstufe auferlegt hatte. »Die silberhaarigen Herren im Ministerium haben Furcht, Mr. Lassiter! Ich darf Ihnen zwar erzählen, worum es im Auftrag geht, muss Sie aber darüber um Unklaren lassen, ob der Präsident oder der Justizminister oder der Klabautermann hinter diesem Befehl stecken.«
Der Bourbon war mild und brannte wenig in Lassiters Kehle. »Ich arbeite stets äußerst verschwiegen, Sir. Ich muss lediglich wissen, um wen es gehen soll und welches Resultat man im Ministerium von mir erwartet.«
Bellman stand auf und lief um den Tisch herum. Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken und blieb von Zeit zu Zeit stehen. »Vor einer Woche ist in Preciado ein Senator ermordet worden. Sein Name war George Hattery. Er war der alleinige Eigentümer der Hawkridge Land Company.«
Von der Landgesellschaft, die unzählige Morgen Staatsland besaß, hatte Lassiter in den Wochenzeitungen gelesen. »Die Kleinfarmer laufen Sturm gegen die Hawkridge Land Company. Einer von ihnen könnte hinter dem Mord stecken.«
»Von einem Mord will der Countysheriff nicht sprechen«, hielt Bellman fest und umrundete den Tisch ein zweites Mal. »In der Tat bleiben Zweifel. Der Schuss hat Hattery nur gestreift. Er muss von einem Zaun in der Nähe gekommen sein.« Er schwieg für einen Moment. »Der Kutscher von Hatterys offenem Wagen ist der einzige Zeuge des Geschehens.«
Nach einem kräftigen Schluck aus dem Bourbonglas erhob sich auch Lassiter wieder. Er nahm das Kuvert vom Tisch, wendete es von einer Seite zur anderen und brach das Siegel. »Ich gehe davon aus, dass der Justizminister oder der Präsident oder der Klabautermann äußerst interessiert daran sind, den Mord aufzuklären?«
Bellman nickte amüsiert. »An erster Stelle der Klabautermann. Sie sollten Ihren Bericht zuerst ihm schicken, bevor Sie ihn an mich übergeben.« Er wurde wieder ernst. »Mir drängt sich der Verdacht auf, dass hinter dem Schuss etwas Scheußliches steckt.«
»Sie glauben nicht an einen Rachemord?«, fragte Lassiter und warf einen Blick in das Kuvert. Es enthielt die üblichen Informantenberichte, die das Hauptquartier zusammengestellt hatte. »Die Hawkridge Land Company macht vor allem in Landspekulation. Hunderte Männer verdanken ihr den Bankrott.« Er zog einen Bericht aus dem Umschlag und überflog ihn. »Hattery dürfte gewusst haben, in welcher Gefahr er schwebte.«