Lassiter 2584 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2584 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Die Frachtkisten der J. C. Ayer's & Co. waren je fünfzig Pfund schwer und standen hinten auf dem Fuhrwerk. Sie waren Thomas Green durch ein Telegramm angekündigt worden und enthielten Arzneien für Clayton Rock, die noch am selben Abend zu Lilly Carthago expediert werden sollten.
"Ruft alle zusammen!", schrie Green und fuchtelte mit den Armen. Er konnte im Dampf der Lokomotive kaum etwas erkennen. "Die Kisten müssen runter, bevor's weitergeht! An die Arbeit, an die Arbeit!"
Annähernd zwanzig Leute kamen den Bahnsteig heruntergerannt und schnappten sich das halbe Dutzend Frachtkisten. Sie schrien einander Kommandos zu, bis der Schaffner die Kelle hob. Die Dampfpfeife der Lokomotive gellte und kündigte die Weiterfahrt nach Omaha an.
Vom tödlichen Inhalt der Ayer's-Fracht, die im Depot eingelagert wurde, ahnte zu dieser Stunde niemand etwas ...


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Seitenzahl: 131

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

5000 Morgen für Lilly

Vorschau

Impressum

5000 Morgenfür Lilly

Die Frachtkisten der J. C. Ayer's & Co. waren je fünfzig Pfund schwer und standen hinten auf dem Fuhrwerk. Sie waren Thomas Green durch ein Telegramm angekündigt worden und enthielten Arzneien für Clayton Rock, die noch am selben Abend zu Lilly Carthago expediert werden sollten.

»Ruft alle zusammen!«, schrie Green und fuchtelte mit den Armen. Er konnte im Dampf der Lokomotive kaum etwas erkennen. »Die Kisten müssen runter, bevor's weitergeht! An die Arbeit, an die Arbeit!«

Annähernd zwanzig Leute kamen den Bahnsteig heruntergerannt und schnappten sich das halbe Dutzend Frachtkisten. Sie schrien einander Kommandos zu, bis der Schaffner die Kelle hob. Die Dampfpfeife der Lokomotive gellte und kündigte die Weiterfahrt nach Omaha an.

Vom tödlichen Inhalt der Ayer's-Fracht, die im Depot eingelagert wurde, ahnte zu dieser Stunde niemand etwas...

Das grassierende Lungenfieber von Pillow Point hatte John L. McCoullough zuerst auf dem Ritt hinunter zur Südweide bemerkt. Er war dem alten Karrenweg gefolgt, der seine Ranch mit dem Land von Abraham Plunkett verband, und mittendrin hatte sich ein Husten eingestellt, wie McCoullough ihn zuvor im Leben erlebt hatte. Er hatte aus dem Sattel steigen und sich an einem Pinienstamm abstützen müssen, bis der Anfall vorübergegangen war.

Jetzt kümmerte sich Mary um ihn.

Sie hatte ihn unter die dicken Daunenbetten gepackt, ihm einen Tee mit Whisky darin aufgegossen und ihm beharrlich die Geschichte von den McDermotts erzählt, die im letzten Jahr an einer Lungenkrankheit zugrunde gegangen waren. Es sei ein elendes Sterben gewesen, wiederholte McCoulloughs Frau immer wieder.

»Mir ist's gleich!«, krächzte McCoullough heiser und wälzte sich im Bett zur Seite. Er musste an die Herde unten im Valley denken. »Ich hätte Arbeit für zehn Männer, Mary. Ich darf nicht krank sein... Ich muss wieder auf die Beine kommen.«

Die ehemalige Peak-Ranch, die sie zum Spottpreis übernommen hatten, lag zwischen zwei schneebedeckten Bergzinnen, von denen der Wind bis in den März hinein Schwaden von losem Eis hinunterwehte. McCoulloughs Frau und er hatten sich beide für diese einsame Scholle Land entschieden, von der aus es fast dreißig Minuten Kutschfahrt hinunter nach Clayton Rock waren. Sie hatten die Bergluft gemocht, die klaren Seen, die Bäche voller Forellen.

»Du bleibst im Bett«, befahl Mary und goss ihm erneut einen Tee ein. Sie entkorkte die Whiskyflasche, schüttete einen Schluck daraus hinzu und marschierte streng bis zur Türschwelle. »Ich will keine Klagen hören, John.«

Wie ein Mann in seinem Zustand überhaupt klagen könne, wollte McCoullough entgegnen, ließ es jedoch bleiben, als er bemerkte, dass Mary ihm einen Teller mit seinem Leibgericht – gebratener Speck mit Erbsen – hingestellt hatte. Er verspürte Hunger, griff nach dem Löffel, schlang die Mahlzeit herunter.

Zwanzig Jahre hielten sie es bereits auf der Peak-Ranch aus.

Sie hatten grimmige Winter durchgestanden, in denen ihnen die Hälfte des Viehs weggestorben war, hatten einem Blizzard getrotzt, der die Scheune abgedeckt hatte, waren vor einem Berglöwen geflohen, der sich in die Hühnerställe verlaufen hatte. Sie waren ein gutes Gespann.

»Keine Klagen!«, bekräftigte McCoullough und drehte sich im Bett zur Seite. Er schloss die Augen und dachte an die Bretterzäune, die ausgebessert werden mussten. »Ich will nur aus diesem verdammten Bett heraus.«

Fünftausend Morgen besaß die Blairman County Rancher's Association inzwischen, und an McCoullough waren zweihundert davon gegangen. Er hatte sich gegen diesen Entschluss nicht aufgelehnt, obwohl es ihm widerstrebte, dass die Association darüber beschloss, ob und wie viel jeder Rancher im County Weideland erhielt.

Wenigstens vier andere Rancher hatten günstiger abgeschnitten.

Pete Wylee hatte fast tausend, Henry Sherwood achthundert, Pit Torrey siebenhundert und Joseph Tilton noch fünfhundert Morgen bekommen. Sie hatten argumentiert, dass ihre Rinder saftigere Weiden als die Schafe und Ziegen brauchten, die McCoullough in den ersten Jahren gezüchtet hatte. Die Rancher waren dreist gewesen, hatten zum Schluss besessen, was sie wollten.

»Nimmst du deine Medizin?«, rief Mary die Treppe hinauf. Sie wühlte unten in den Töpfen, wollte das Abendbrot bereiten. »Sie steht auf dem Nachttisch. Ich will, dass du sie nimmst, ja? Sie ist gut für dich!«

Seufzend drehte sich McCoullough zur Seite.

Er griff nach der Flasche Ayer's Cherry Pectoral, deren abgewetztes Etikett die Ingredienzen listete. Zuoberst stand der Vogelkirschbaum, gefolgt von Milzkraut, Seidenkiefer, Klapperschlangenwurzel, Blutwurz, Brechwurzel, Zitrone, Terpin und Glycerin. Es war ein Höllengebräu, das jedoch vortrefflich gegen Lungenschmerz und asthmatische Anfälle half.

Sechzig Tropfen maß McCoullough ab.

Er setzte den Löffel an die Lippen, sog die bernsteinfarbene Flüssigkeit ein und ließ sich zurück aufs Kissen sinken. Die Arznei schmeckte scharf und bitter, löste jedoch ein angenehmes Gefühl in der Kehle aus.

Bis zum Abend plagten McCoullough keine Schmerzen.

Er stand für ein halbes Stündchen auf, fuhrwerkte in der Waschküche herum, in der Mary ein Waschbrett zerbrochen und zwischen den gestapelten Zinnzubern eingeklemmt hatte, aß mit seiner Frau am Wohnzimmertisch. Er fühlte sich fast wie an gewöhnlichen Tagen, als ihn plötzlich ein brennendes Magengrimmen heimsuchte.

»John?«, fragte Mary und stand vom Tisch aus. Sie schlug die Hände an die Wangen. »Du siehst blass aus, mein Lieber, ich muss dich... Du musst zurück ins Bett.«

McCoullough hob die Hände, hielt sich am Tisch fest, wankte bis zur Tür. Er verlor das Gleichgewicht, prallte mit dem Schädel gegen die Wand. Er stürzte, schlug sich die Knie auf und hielt sich den Bauch. »Irgendetwas muss im Essen sein, Liebes. Mir drehen sich die Gedärme um.«

Seine Frau schaute zum Tisch zurück, zuckte mit den Schultern. Sie hatte ihm die gleichen Speisen serviert wie am Nachmittag. Sie hatte nicht einmal den gebratenen Speck aufgewärmt, dessen verschmorte Krusten McCoullough weggeschnitten hatte.

»Hol... Hol die Gäule, Mary!«, sagte McCoullough und hustete. Er kam aus eigener Kraft nicht auf die Beine. »Du musst mich zum Doc bringen... Du musst mich nach Clayton Rock schaffen.« Er spürte Würgereiz und stemmte sich mit der Hand gegen die Wand. »Verflucht, mir wird noch übler.«

»Verschwenderisch hat er mich genannt?«

Die Juwelenhändlerin raffte den Rock und fegte mit eiligen Schritten durch ihren Laden. Sie schloss eine Vitrine auf, nahm eine Auslage voller Opale daraus hervor und kehrte zu Lassiter zurück. Sie hatte sich in all den Jahren kaum verändert.

»Er nannte dich verschwenderisch und eitel«, sagte Lassiter. Er lehnte an der Verkaufstheke. »Ich wusste längst, dass er nicht der Richtige ist. Du brauchst einen Mann mit Feuer im Blut.«

Lilly Carthago blieb stehen. »Du meinst einen Mann wie dich, Lassiter.« Sie seufzte laut auf. »Wenigstens ist bei euch Kerlen Verlass darauf, dass ihr eingebildet seid. Ich wollte Victor nie heiraten. Er ist ein Schwärmer. Er kaufte mir einen halben Waggon Rosen und ließ sie aus Omaha herbringen.«

Sie kannten sich aus Wells-Fargo-Zeiten; Lassiter war der Strecke nach Kansas City zugeteilt gewesen, Lilly hatte als blutjunges Mädchen in einem Saloon in Dodge City bedient. Die Affäre war kurz und leidenschaftlich gewesen. Sie hatten ihre Liaison aufgeben müssen, als Victor Houghton Lilly einen Antrag gemacht hatte.

»Manche Frauen wünschen sich Schwärmer«, meinte Lassiter. »Andere eben nicht.«

»Ich will weder einen Schwärmer noch einen Draufgänger«, sagte Lilly. Sie brachte die Opale in die Vitrine zurück. »Ich will meinen Laden und ein bescheidenes Stück Reichtum. Die Edelsteine werfen nichts mehr ab.« Sie zog ein missmutiges Gesicht. »Es gibt zu häufig Fälschungen. Die Weiber tragen Glasklunker, solange es ihnen keiner sagt. Ich verdiene aber nichts an Imitationen.«

Trotz ihrer vierunddreißig Jahre war Lilly strahlend schön. Sie hatte blondes Haar, hellgrüne Augen und einen Hüftschwung, der jeder Cancan-Tänzerin Ehre gemacht hätte. Sie verdrehte den Männern den Kopf, brachte sie zum Stammeln oder – wie in Lassiters Fall – zum Prahlen.

»Mir machst du nichts vor«, sagte der Mann der Brigade Sieben. »Ich weiß, dass du unsere Nächte nicht vergessen hast. Ich weiß, dass du mich nicht vergessen hast.«

Langsam schritt Lilly auf Lassiter zu und schlang ihm die Arme um den Hals. »Meinst du? Du warst fast zehn Jahre fort. Ich erinnere mich kaum an dich.« Sie schielte auf seinen Hosenbund. »Höchstens an das Wesentliche.«

Das Steckschild mit den Aufschriften Open und Closed war rasch getauscht.

Die üblichen Öffnungszeiten des Juwelengeschäfts waren von elf Uhr vormittags bis vier Uhr nachmittags, doch Lilly ließ den Laden meist länger offen, um die Reisenden von der Blairman & Ohlsson Railroad von der Straße zu locken. Sie hatten einen Aufsteller bemalen lassen, den sie nun zusammenklappte, ehe sie die Tür verschloss.

»Hör auf!«, flüsterte Lassiter und drückte Lilly gegen die Wand. Er küsste sie und griff nach ihrer rechten Hand. »Du kannst das Geschäft später aufräumen. Ich brauche dich... Ich muss dich haben, Lilly.«

»Tatsächlich?« Lilly flüsterte ebenfalls. Sie schob Lassiters Hand zwischen ihre Beine und drückte die Schenkel zusammen. »Spürst du, wie feucht ich bin? Ich brauche dich auch... Ich brauchte dich schon, als du über die Schwelle getreten bist.«

Obwohl Lilly bereits ihren Mädchennamen führte, wusste er nicht, ob ihre Ehe mit Victor Houghton rechtmäßig geschieden war. Er wollte sie darauf ansprechen, schwieg jedoch, als Lilly ihn mit aller Kraft rücklings auf die Theke drückte. Sie stieg über ihn, hob die Röcke und knöpfte ihr Miederhöschen auf. »Willst du wegen Victor kneifen? Ich seh's dir an, dass du dir darüber den Kopf zerbrichst.«

»Er ist ein guter Kerl«, murmelte Lassiter. »Ich will ihm keinen Kummer machen. Er hat dich zur Frau gemacht und kann nichts dafür, dass du –«

»Dass ich eine lustvolle Frau bin?«, unterbrach ihn Lilly. Sie fasste nach Lassiters Pint, massierte ihn steif und setzte sich darauf. »Ich muss keinem verfluchten Kerl Rechenschaft ablegen. Ich habe den Laden, ich verdiene meine Dollars. Ich muss niemanden um Erlaubnis bitten, Mr. Lassiter.«

Sie stöhnte vor Erregung auf und ritt ihren Geliebten einige Minuten. Als sie sich das Kleid von den Schultern riss, erhaschte Lassiter einen Blick auf ihren vollen Busen. Er griff mit der rechten Hand danach. »Du musst vernünftig sein. Man wird dir nachtragen, dass du die Ehe mit ihm brichst. Ich will nicht –«

Im selben Augenblick flog die Ladentür auf.

Schwere Stiefeltritte erschütterten die Dielen, brachten die Vitrinen zum Klirren. Ein kräftig gebauter Mann stand im Laden und richtete einen Spencer-Karabiner auf Lilly. Er war in Begleitung von fünf anderen Bewaffneten. »Hoch mit den Ärmchen, Lilly! Du treibst Schindluder mit unserem Vertrauen, Kleines! Ich hab' dir gesagt, dass du keinen Liebhaber brauchst.«

»Schickt dich Victor?« Lilly bedeckte ihre Blöße mit dem Unterrock. »Ich geb' nichts auf Victor! Nimm das Schießeisen runter! Oder ich...«

Blitzschnell griff Lassiter nach dem Remington, der unter ihm Holstergurt steckte. Er bekam den .38er-Revolver zu fassen, zog ihn langsam hervor. Er wollte und musste dem Spuk ein Ende bereiten.

»Keine Bewegung!«, knurrte der Bärtige und richtete den Karabiner auf Lassiter. »Ich kenne deinen Namen, Mistkerl. Du hast Victor das Weib ausgespannt. Ich würd' dir den dreckigen Schädel –«

Ein anderer Mann trat von hinten an den Bärtigen heran und wisperte diesem etwas zu. Aus den scharfen Worten war Lassiters Name herauszuhören. Der Karabiner senkte sich und schwang zurück zu Lilly.

»Meinetwegen«, brummte der Bärtige. »Einer von euch muss gute Freunde in Clayton Rock haben. – Lilly, du kommst mit uns! Mr. Lassiter, Sie sind ein freier Mann!«

Die anderen Männer starrten peinlich berührt zu Boden, als sich Lilly vor ihren Augen anzog. Sie ließen Lassiter, der den Remington in der Rechten hielt, nicht aus den Augen.

»Gehen Sie!«, zischte der Anführer und wies mit dem Kinn zur Tür. »Das Schicksal dieses Luders ist nicht Ihre Sache. Ich bringe Lilly zu ihrem Ehemann zurück.«

Als Lassiter sich nicht vom Fleck rührte, sah Lilly von ihren Stiefeln auf, die sie gerade zuschnürte. »Geh nur, Lassiter, ich werde mit diesen Bastarden schon fertig. Sie sollen mich ruhig einsperren.« Sie zog die Schnürung fest. »Ich bin nicht wie die anderen Frauen von Clayton Rock.«

»Ganz und gar nicht«, pflichtete der Bärtige ihr bei. »Du bist das vorlauteste Frauenzimmer, das mir je untergekommen ist. Victor tut gut daran, uns zu dir zu schicken.« Er lächelte. »Es wird mir eine Freude sein, dich zu ihm zu bringen.«

Die ärztliche Ausrüstung von Richard Harrison war hauchdünn mit Staub bedeckt, wodurch Lassiter zur Überzeugung gelangte, dass der Mittelsmann bereits seit Jahre nicht mehr praktizierte. Harrison musste im Ruhestand sein und sich für die Brigade Sieben verpflichtet haben, um sich ein Zubrot zu verdienen. Ebenso gut konnte er der glühende Patriot sein, für den er sich ausgab.

»Amerikas Schicksal liegt in unserer Hand«, sagte Harrison und griff nach seinem Stethoskop. Er wischte mit dem Daumen darüber und legte das Instrument an seinen Platz zurück. »Ich bin überzeugt, dass unser Präsident und unsere Regierung tun, was in ihrer Macht steht, um die Werte und Träume dieses Landes zu schützen.«

Sie hatten über Commodore Robert Shufeldt gesprochen, der gegenwärtig die Ticonderoga kommandierte und zu Handelsgesprächen nach Afrika, in den Orient und nach Asien aufgebrochen war. Die Verhandlungen verliefen schleppend, brachten jedoch Ansehen für Amerika und seine Amtsträger.

»Mitunter sind dem Präsidenten die Hände gebunden«, erwiderte Lassiter. »Zu diesem Zeitpunkt kommen wir und die Brigade Sieben ins Spiel.«

Harrison war ein groß gewachsener Mann mit rundlichem Kopf und dürrem Haarkranz. Er sprach fahrig und hatte bislang kein einziges Wort über Lassiters bevorstehende Mission verloren. »Ich möchte diesem Land dienen, Mr. Lassiter. Ich möchte seinen Wohlstand vermehren. Ich möchte der Amerikanerin Gutes tun.« Er wandte sich um. »Wie lange kennen Sie Mrs. Carthago bereits?«

Der Mann der Brigade Sieben hatte befürchtet, dass sich das Gespräch um Lilly drehen würde. »Ich begegnete ihr zuerst bei Wells Fargo. Ich fuhr ein paar Jahre für die Gesellschaft.«

»Sie ist eine Verbrecherin«, stellte Harrison unumwunden fest. Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück, zog eine Schublade auf. »Sie sollten wissen, dass Mrs. Carthago derzeit eines heimtückischen Anschlags bezichtigt wird. Sie soll vierzig Rancher in diesem County vergiftet haben.«

»Wurde ich deshalb nach Wyoming gerufen?«, fragte Lassiter. »Ich erhielt ein Telegramm, in dem man darum bat, dass ich mich in Clayton Rock bereithielte.«

Harrison zog ein braunes Kuvert aus der Schublade. Er setzte den Brieföffner an und schlitzte es auf. »Tatsächlich ist es kein zufälliges Vorkommnis, dass Sie in Clayton Rock sind. Das Hauptquartier wusste von Ihrem Verhältnis mit Mrs. Carthago. Es hat Sie ins offene Messer laufen lassen.«

»Äußerst freundlich.« Lassiter fluchte knurrend. »Ich hatte mir mein Wiedersehen mit Lilly anders vorgestellt. Sie ist verheiratet, sagte mir jedoch, dass sie mit ihrem Mann nichts mehr zu tun habe.«

»Sie hat gelogen«, versetzte Harrison. Er blätterte die Papiere im Kuvert durch, reichte einige der Schriftstücke an Lassiter weiter. »Sie ist unverändert verheiratet. Sie soll zudem mit Kapital ihres Mannes einige Kisten Ayer's Cherry Pectoral erworben und im County verteilt haben.«

»Ayer's Cherry Pectoral?«, fragte Lassiter. »Die Patentmedizin?«

Die Anzeigen für Ayer's Cherry Pectoral warben in den Wochenblättern für jene patentierte Arznei, die Erkältungen, Keuchhusten, Wundmandeln, Krupp, Asthma und Katarrhe gleichermaßen bekämpfen konnte. Die Flaschen wurden in einer Manufaktur in Lowell, Massachusetts, abgefüllt.

»Die Frachtkisten enthielten keine Ayer's-Flaschen«, sagte Harrison. »Der Inhalt dieser Flaschen war reines Gift. Er hat vier Rancher getötet und über dreißig von ihnen Lähmungen an den Beinen beschert.« Er seufzte lange. »Diese Männer müssen ihre Ranches aufgeben.«

Unter den Akten, die Washington gesandt hatte, war Lillys Heiratsurkunde. Sie war in Tennessee ausgestellt worden. Die Unterschrift von Houghton befand sich gleich neben dem geschwungenen Signum von Lilly.

»Sie hatten mit Lilly nichts Schlechtes im Sinn«, sprach Harrison weiter. »Ich begreife Ihre Herzensregungen für diese Frau. Sie müssen uns jedoch Lillys Schuld beweisen. Der Fall dürfte in ganz Amerika bekannt werden.«

Die Brigade Sieben hatte Lassiter häufig schwere Opfer abverlangt. Sie hatte ihn in todbringende Missionen geschickt, hatte Freunde von ihm verraten, hatte dafür gesorgt, dass der Präsident den falschen Mann ehrte. Sie hatte zu jedem Mittel gegriffen, das erforderlich gewesen war, um die Nation zu schützen.