Lassiter 2587 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2587 E-Book

Jack Slade

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Als Lassiter aus der Bewusstlosigkeit erwachte, spürte er zuerst nur glühende Hitze. Er öffnete die Augen, keuchte und hustete, denn als nächstes wurde er sich des beißenden Rauchs bewusst, der in Augen und Lunge brannte. "Was zur Hölle ...?"
Die Flammen leckten hüfthoch an den Paneelen der Seitenwand empor und kamen Heu und Stroh bereits bedrohlich nahe. In weniger als einer Minute würden die trockenen Ballen um ihn herum lichterloh brennen, und er wäre vom Feuer umzingelt.
Drüben in den Boxen wieherten Dutzende Pferde schrill vor Panik und Schmerzen. Offenbar hatte der Brand die gesamten Stallungen der Schaeffer Messenger & Cargo Company erfasst. Lassiter blieben nur noch Sekunden, um einem qualvollen Tod zu entgehen.


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 150

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Bis aufs Blut

Vorschau

Impressum

Bis aufsBlut

Als Lassiter aus der Bewusstlosigkeit erwachte, spürte er zuerst nur glühende Hitze. Er öffnete die Augen, keuchte und hustete, denn als nächstes wurde er sich des beißenden Rauchs bewusst, der in Augen und Lunge brannte. »Was zur Hölle ...?«

Die Flammen leckten hüfthoch an den Paneelen der Seitenwand empor und kamen Heu und Stroh bereits bedrohlich nahe. In weniger als einer Minute würden die trockenen Ballen um ihn herum lichterloh brennen, und er wäre vom Feuer umzingelt.

Drüben in den Boxen wieherten Dutzende Pferde schrill vor Panik und Schmerzen. Offenbar hatte der Brand die gesamten Stallungen der Schaeffer Messenger & Cargo Company erfasst. Lassiter blieben nur noch Sekunden, um einem qualvollen Tod zu entgehen.

Lassiters suchende Blicke entdeckten einen fast vollen Wassereimer, der an der Rückwand des Futterspeichers stand. Er griff danach und schüttete sich das Wasser kurzentschlossen über Kopf und Oberkörper. Prustend schüttelte er sich und ließ den Eimer fallen. Nun war er nass – was einen gewissen Schutz vor den Flammen bot. Und auch wieder voll bei Bewusstsein, so dass er sich daran erinnerte, was vor kurzem geschehen war.

Vic Coobrigg, dieser verschlagene Mistkerl, hatte ihn in eine Falle gelockt. Der Anführer von Paul Westergards Revolverschwingern offenbarte damit nicht nur die eigene Verkommenheit, sondern auch die Skrupellosigkeit seines Bosses. Offenbar hatte der Stahlbaron, der eine Eisenbahnlinie durch Nebraska bis vor die Tore von Washaki Hill bauen ließ, sämtliche Hemmungen aufgegeben, um sein Ziel, den Erzfeind Herman Schaeffer zu vernichten, zu erreichen.

Und war dafür auch bereit, ihn, Lassiter, als Bauernopfer und möglichen Sündenbock über die Klinge springen zu lassen. Eine Entwicklung, die Lassiter nicht für möglich gehalten hätte. Schließlich war es Westergard gewesen, der die Brigade Sieben um Hilfe gebeten hatte dabei, Schaeffer derart schmutzige Tricks nachzuweisen, wie er selbst sie nun anwandte.

Ihm fielen zwei leere Blechkanister auf, die wahrscheinlich Petroleum oder etwas ähnlich Brennbares enthalten hatten. Sofort dachte er daran, dass man ihn als Brandstifter dastehen lassen wollte. Ein toter Lassiter, daneben zwei leere Kanister – und der Fall war geklärt.

Draußen hörte er vereinzelte Rufe. Es war Samstagnacht, und die Leute gingen hier früh zu Bett, daher würde es eine Weile dauern, bis sich genügend Menschen mit Eimern bereitfanden, die das Feuer bekämpfen konnten. Für die meisten Pferde, deren Brüllen ihm durch Mark und Bein ging, würde diese Hilfe zu spät kommen, doch er war nicht bereit, ihr Schicksal zu teilen.

Das Seitentor war geschlossen, und vermutlich hatte Coobrigg es auch so verriegelt, dass er nicht ohne weiteres hinausgelangen konnte, danach aber auch keine Spuren mehr davon sichtbar sein würden. Vielleicht mit einem Besenstiel, der mit dem Rest verbrennen würde. Dennoch war das die Stelle, an der Lassiter am ehesten in die Freiheit entkommen konnte.

Das Feuer kroch jetzt bereits bis in Kopfhöhe an den Brettern hoch und hatte sich zum Tor vorgearbeitet. Links von ihm gingen die ersten Heuballen in Flammen auf. Er durfte nicht länger zögern.

Tief sog er Luft in die Lungen, spannte alle Muskeln an und rannte los. Er legte all seine Kraft und sein Körpergewicht hinein, als er sich gegen das Tor warf.

Die Bretter erbebten, und Lassiter glaubte, auch die Scharniere ächzen zu hören, doch das Tor hielt stand. Er zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen, rieb sich die schmerzende Schulter und trat ein paar Schritte zurück. Zu beiden Seiten flammten jetzt Ballen aus Stroh und Heu auf, und die Hitze begann, unerträglich zu werden. Lassiter hustete, dann ballte er die Fäuste und sprang auf das Tor zu, dessen Bretter nun unten bereits brannten.

Es krachte und knirschte, als das Tor nachgab und er mitsamt halb brennender Bretter und Holzsplittern hinaus flog in die Nacht. Er rollte sich auf dem Boden ab und klopfte hastig die Flammen aus, die an seinen Jackenärmeln empor züngelten.

Ein Blick nach rechts ließ ihn für einen Moment den Atem anhalten.

An mehreren Stellen hatte das Feuer bereits die Dachtraufe des langgestreckten Gebäudes erreicht, in dem Schaeffers Zug- und Reittiere untergebracht waren, und dreißig Yards weiter vorn leckten die Flammen schon an der benachbarten Kutschenhalle. Die Brandstifter mussten Dutzende der Kanister verwendet haben, damit das Feuer sich derart rasch hatte ausbreiten können.

Eine Hand voll Leute bildete eine Menschenkette vom Brunnen bis zu den Stallungen, doch es waren viel zu wenige, um dem lodernden Brand Einhalt gebieten zu können. Allerdings waren inzwischen fast alle Fenster in der unmittelbaren Umgebung erleuchtet, und es kamen Leute aus allen Richtungen, teilweise noch in ihren Nachthemden, um zu helfen.

»Hey, seht mal!« Jemand am Brunnen hatte ihn entdeckt und zeigte mit dem Finger auf Lassiter. »Da war noch jemand drin!«

Mehrere Augenpaare richteten sich auf ihn, und jemand rief: »Einer der Brandstifter. Wir müssen ihn festnehmen!«

Lassiter rappelte sich auf und hob die Hände. »Ich habe nichts damit zu tun!«, rief er.

»Das ist Lassiter! Dieses Schwein. Er ist ein Verräter!« Lassiter erkannte Heffernan, Schaeffers Vorarbeiter, das kantige Gesicht von blinder Wut verzerrt. Der Mann marschierte auf ihn zu und zog im Gehen seinen Revolver.

»Verdammt, Heffernan. Ich... man hat mich reingelegt, Mann!«

»Ich leg dich um, du Drecksau!«, zischte Heffernan, hob seinen langläufigen Schofield und zielte auf Lassiters Kopf. Als noch gut zwanzig Schritte zwischen ihnen lagen, blitzte Mündungsfeuer auf, und Lassiter duckte sich. Das Projektil zischte so dicht an seinem Kopf vorbei, dass er spürte, wie sich die Luft neben seiner Schläfe für einen Sekundenbruchteil verdichtete.

»Sind Sie völlig von Sinnen?« Seine Hand zuckte zum Holster, doch es war leer. Entweder hatte Coobrigg ihn entwaffnet, oder der Remington war ihm im Stall abhandengekommen.

Er streckte beide Hände vor. »Ich habe nichts getan, Heffernan. Verdammt, lassen Sie mich erklären!«

Heffernans versteinerte Miene verriet, dass Lassiters beschwörende Worte nicht zu ihm durchdrangen. Der Vormann blieb zehn Yards vor Lassiter stehen und streckte den Arm gerade voraus in die Horizontale wie ein Duellant, bevor er über den Lauf hinweg den Kopf des Brigadeagenten anvisierte.

»Fahr zur Hölle, du heimtückischer Bastard«, knurrte er, und sein Finger krümmte sich um den Abzug.

Im selben Moment zersplitterten links von ihnen die brennenden Paneele der Seitenwand, und erst eines, dann zwei weitere Pferde sprangen hinaus auf die Straße, gefolgt von der Feuersbrunst, die sich gierig dem frischen Sauerstoff zuwandte. Die Augen traten den Tieren aus den Höhlen, und aus ihren Nüstern stob grauer Qualm. Ihre Mähnen und Schweife standen lichterloh in Flammen, und auch auf dem Fell loderten überall Flammenzungen wie schillernde Fähnchen.

»O mein Gott«, stöhnte Heffernan entsetzt im Angesicht des Todes – im nächsten Augenblick rissen die panischen Tiere ihn um und preschten über den Vormann hinweg.

Lassiter war geistesgegenwärtig genug, sich nach hinten zu werfen und mehrfach um die eigene Achse zu rollen. So entging er den tödlichen Hufen um Haaresbreite.

Noch mehr Pferde folgten den ersten, doch die meisten Tiere waren bereits derart verbrannt, dass sie nur noch wenige Schritte weit ins Freie taumeln konnten, bevor sie zusammenbrachen. Die Laute, die die gepeinigten Wesen von sich gaben, ließen kalte Schauer über Lassiters Rücken gleiten.

»Wo ist Lassiter?« – »Packt ihn!« – »Nein, werft ihn zurück ins Feuer, den Schweinehund!«

Lassiter presste die Lippen zusammen, als er erkennen musste, dass Unschuldsbeteuerungen ihn nicht retten würden. Die aufgebrachten Menschen würden ihn lynchen, statt ihm zuzuhören. Von Sheriff Trumbull war nichts zu sehen, und selbst wenn der Sternträger auftauchte, glaubte Lassiter nicht daran, dass er die Leute würde aufhalten können.

Vorerst blieb ihm nur die Flucht, selbst wenn das wie ein Eingeständnis seiner Schuld wirken musste.

Sein Pferd stand vor der Pension von Martha Evans, nur zweihundert Yards entfernt. Er hatte es dort zurückgelassen, bevor er zu Fuß zum Treffen mit Coobrigg gegangen war.

Was sich jetzt als Glücksfall erweisen konnte. Der Brigadeagent sprang auf und sprintete los.

Der tanzende Schatten, den seine eigene Gestalt auf die Straße und an die Front des im Dunkeln liegenden Red-Skin-o‹-Shin-Saloons warf, versank rasch in der Dunkelheit, als er sich vom Feuer entfernte. Er flüchtete sich in die erste Seitengasse, und dort waren auch die lauten Schreie, darunter ein paar, die immer noch seinen Namen riefen, kaum mehr zu vernehmen.

Dennoch durfte er keine Zeit verlieren. Es gab einige in der Stadt, die wussten, wo er logierte. Deshalb wurde er nicht langsamer, sondern rannte mit ausgreifenden Schritten die Gasse hinunter, bis er auf die Straße traf, die parallel zur Mainstreet verlief und in der sich Tante Martha's befand, die Pension, in der er die letzten Nächte untergekommen war.

Auch hier waren Leute auf der Straße und liefen mit besorgten Mienen in Richtung des Feuerscheins, ihm hingegen schenkte niemand Beachtung. Vorerst.

Der Braune stand noch genau dort, wo er ihn zurückgelassen hatte. Lassiter wollte gerade in den Sattel steigen, als die Tür zum Empfangsraum der Pension sich öffnete und Norma Parker auf den Sidewalk trat, eine Laterne in der Hand haltend.

Die Nichte von Martha Evans hatte er auf dem Treck nach Washaki Hill kennengelernt, und sie waren sich dabei sehr nahe gekommen. Nun starrte sie ihn entgeistert an.

»Lassiter? Was treibst du hier?« Sie trat auf die Straße und warf einen kurzen Blick über das Dach hinweg. Der Schein des Feuers war bis hierher zu sehen, und auch die Schreie der Leute, die den Brand bekämpften, konnte man hören.

»Was ist da los?«, fragte sie und sah ihn verstört an. Ihr brünettes Haar stand wirr vom Kopf ab und sie hatte sich nur einen Morgenmantel über das Negligé geworfen, das hell darunter hervorblitzte. Offensichtlich war sie erst vor Minuten aus dem Schlaf gerissen worden.

Als sie seine versengte Kleidung und das vom Ruß geschwärzte Gesicht bemerkte, vertieften sich die Falten auf ihrer Stirn.

»Schaeffers Stallungen brennen«, sagte er mit tonloser Stimme.

Sie riss die Augen auf und schlug sich die Hand vor den Mund. »Um Gottes willen. Aber... warum bist du nicht dort, um zu helfen?«

»Es tut mir leid, Norma. Ich habe keine Zeit für Erklärungen.« Er schwang sich in den Sattel. »Nicht jetzt. Nur eins: Egal, was du hörst, ich habe nichts mit der Brandstiftung zu tun. Ich schwör's dir.«

»Aber...« Sie hob die Laterne an, und ihr Gesicht war der Inbegriff von Verwirrung, »warum haust du dann ab? Du...«

»Es wird sich alles aufklären. Vertrau mir.« Mit einem letzten Blick verabschiedete er sich, wendete den Wallach und galoppierte in die Nacht hinaus.

Hazel Westergard erhob sich vom Bett und trat ans Fenster, alarmiert vom flackernden Schein am Nachthimmel.

»Jesus Maria«, flüsterte sie und legte sich betroffen die Hand auf ihr Dekolleté.

Die Flammen, die über den Dächern von Washaki Hill hinauf in den Himmel stoben, waren bis zu ihrem Haus auf dem Hügel zu sehen. Und die protzige Villa der Westergards befand sich immerhin eine halbe Meile von der Stadt entfernt.

Der Brand musste verheerend sein, und Hazel ahnte, was dort angezündet worden war.

Schließlich hatte sie nur wenige Stunden zuvor ein Gespräch belauscht, das ihr Gatte Paul mit einem zwielichtigen blonden Kerl namens Coobrigg geführt hatte und in dem von einem Plan die Rede gewesen war, der sich wohl gegen Pauls Erzfeind Herman Schaeffer richtete. Außerdem von einem Lassiter, den der Blonde außer Gefecht setzen sollte.

Hazel hatte sich zunächst keinen Reim auf den Wortwechsel machen können, obwohl es beunruhigend geklungen hatte. Nun aber glaubte sie zu wissen, worüber ihr Gatte mit dem Mann gesprochen hatte.

»Paul, mein Gott. Was hast du getan«, murmelte sie, und ihr nächster Gedanke galt Nicholas, dem Sohn von Herman Schaeffer.

Was sollte sie nur tun?

Ihr Mann war auch an diesem Abend nicht aufgetaucht im ehelichen Schlafzimmer. Zum dritten Mal hintereinander hatte er sich offenbar mit der Chaiselongue unten in seinem Arbeitszimmer begnügt. Eine Entscheidung, die Hazel durchaus begrüßte, nachdem er ihr vorgestern Abend ein Veilchen verpasst hatte, das sie immer noch im Spiegel erkennen konnte, obwohl es nicht mehr so auffiel wie am Tag zuvor.

Paul hatte sich auf eine Weise verändert in den letzten Wochen, die ihr immer unheimlicher wurde. Seine Gewaltausbrüche, die Verschlossenheit, seine stets finstere Miene – sie wusste, dass irgendetwas schief lief, und es konnte nur mit dem riskanten Unternehmen zusammenhängen, das ihn vor einigen Monaten in die schier endlosen Great Plains geführt hatte: Eine Eisenbahnstrecke von Osten aus in das noch weitgehend unerschlossene Nebraska-Territorium zu treiben.

Doch als Paul sie im Frühjahr aus Pittsburgh nachgeholt hatte, waren er und sein Bruder Larson noch voller Zuversicht gewesen. Paul hatte ihr stolz dieses geradezu grotesk riesige Haus präsentiert und zwei ihrer Hausangestellten sie begleiten lassen, die sich um ihr Wohlergehen kümmern sollten.

Becky und Terrence waren weniger begeistert von dem Umzug gewesen als sie, die selbst vom Land stammte und der das schmutzige Pittsburgh schon immer zuwider gewesen war. Aber sie hatten sich gefügt; was war ihnen auch übrig geblieben?

Als Hazel Geräusche unten in der Diele vernahm, griff sie nach ihrem Morgenmantel, streifte ihn über und eilte zur Tür. Sie musste Paul einfach zur Rede stellen und erfahren, was vor sich ging.

Auf bloßen Füßen trat sie auf den Korridor hinaus und an das Geländer. Sie beugte sich vor und spähte in die Diele hinab. Paul saß auf einem Polsterschemel und zog sich seine Stiefel an.

Sie zögerte, als sie an seiner Körpersprache erkannte, wie aufgewühlt er scheinbar war, doch vielleicht war das auch ein gutes Zeichen, also fasste sie sich ein Herz.

»Paul? Was hast du vor?«

Er legte den Kopf in den Nacken, und seine Miene war schwer zu deuten. Überrascht offenbar, aber sie glaubte auch noch etwas anderes in seinen Zügen auszumachen. Schuldbewusstsein?

»Was tust du da, Hazel?«, brummte er. »Es ist mitten in der Nacht.«

»Das Feuer in der Stadt hat mich geweckt«, erwiderte sie, »es hat fast den Anschein, als würden Schaeffers Ställe brennen.«

Er brummte etwas Unverständliches und langte nach seiner Langjacke, die an der Garderobe hing.

»Paul...?« Sie schluckte. »Hast du damit etwas zu tun? Bitte, ich muss es wissen.«

»Was redest du da«, knurrte er mürrisch, »das ist doch absurd!«

»Findest du? Nach der Explosion auf der Baustelle, von der du doch sicher glaubst, dass Mr. Schaeffer dahintersteckt? Es wäre ein Vergeltungsschlag – kriminell und brutal, aber keineswegs absurd.«

Als er wieder zu ihr hochschaute, war seine Stirn von Zornesfalten gefurcht. »Du bist ja hysterisch, Hazel. Nimm etwas zur Beruhigung und leg dich wieder ins Bett.«

»Wo willst du jetzt hin, zu nachtschlafender Zeit?«, wiederholte sie ihre Frage. »Falls du beim Löschen helfen willst, warte ein paar Minuten, und ich begleite dich.«

Paul schnaubte verächtlich. »Das fehlte noch. Die werden schon ohne unsere Hilfe zurechtkommen.«

»Wir könnten uns wenigstens blicken lassen und zeigen, dass wir...«

»Du gehst heute nirgendwohin!«, schnauzte Paul und zeigte dabei drohend mit dem Finger auf sie. »Ich verbiete dir, das Haus zu verlassen, bis ich zurück bin – haben wir uns verstanden?«

Hazel holte Luft zu einer erbosten Erwiderung, doch sein lodernder Blick bewog sie dazu, die Lippen zu schließen.

»Heute Abend komme ich wieder, und dann werde ich deine Neugier hoffentlich stillen können«, versprach er und schaute hinauf.

Sie hatte sich aufgerichtet und damit aus seinem Sichtfeld entfernt, deshalb deutete er ihr Schweigen als Gehorsamkeit und zuckte die Achseln.

»Bis dahin öffnet ihr niemandem die Tür. Gut möglich, dass jemand von Schaeffers Leuten auf ähnlich dumme Gedanken wie du kommt und hier auftaucht, um seiner Wut Luft zu machen. Deshalb schicke ich bald ein paar Männer, die auf dich aufpassen werden. Und jetzt geh zurück ins Bett.«

Hazel musste sich auf die Unterlippe beißen, um nicht aufzuschreien vor Wut. Sie umklammerte den Holm des Geländers, bis die Haustür hinter Paul ins Schloss fiel, dann stieß sie langsam die Luft aus.

Von ihrem Gatten war sie einiges gewohnt und hatte es sich auch meist klaglos bieten lassen: Seine Arroganz, die Art, mit ihr umzuspringen, als wäre sie noch ein Kind, das grobe Gebaren im Ehebett, die Unart, sie oft tagelang zu ignorieren, als wäre sie nur ein Möbelstück. Paul war fast dreißig Jahre älter als sie und ein äußerst wohlhabender Unternehmer – beides verlangte ein gewisses Maß an Respekt, auch von einer Ehefrau. So hatte sie es gelernt auf dem Mädchenpensionat in Bedford.

Und anfangs, als sie sich kennengelernt hatten, er ihr den Hof machte und selbst noch in den ersten beiden Jahren ihres Zusammenlebens war Paul durchaus charmant und liebevoll gewesen. Doch mittlerweile, im sechsten Jahr ihrer Ehe, war die Leidenschaft längst routinierter Langeweile gewichen. Und in ihr keimte die Erkenntnis auf, dass diese Beziehung gescheitert war.

Die Gefühle, die sie einmal für Paul gehabt haben mochte, waren erkaltet – das war ihr spätestens bewusst geworden, als sie sich dazu hatte hinreißen lassen, mit Nick, Herman Schaeffers Sohn, zu schlafen.

Es war über sie beide gekommen wie ein plötzliches Unwetter auf weiter Flur, als sie sich im Garten des Stadthauses der Schaeffers unterhalten hatten, gerade erst vor zwei Tagen. Und es war auf beängstigende Art atemberaubend gewesen. Seitdem plagten Hazel ein schlechtes Gewissen ebenso wie erotische Träume, die das Erlebnis auf dem Moosbett in verschiedenen, teils surrealen Kulissen wiederholten. Sie war hin- und hergerissen zwischen dem Pflichtgefühl einer Ehefrau und der Sehnsucht nach wahrer Liebe, nach dem jungen Mann, der ihr seine Liebe gestanden hatte, obwohl sie die Frau des Mannes war, den sein Vater zutiefst verabscheute: Nicholas Schaeffer.

Sie wünschte sich, ihn wiederzusehen, nichts mehr als das. Aber vielleicht hatte Paul recht: Wenn sie in Washaki Hill auftauchte, konnte das brenzlig werden. Die Mehrheit der Bürger in der Stadt war auf der Seite von Herman Schaeffer, und viele würden sofort den Verdacht hegen, dass Westergard seinem Kontrahenten den Stall hatte anzünden lassen.

Was auch dessen Frau nicht unbedingt beliebter machen würde. Und dass man ihr schon vor dem Brand mit Argwohn und Ablehnung begegnete, hatte sie nicht nur einmal erfahren müssen.

Doch davon durfte sie sich nicht abhalten lassen, beschloss Hazel. Sobald die Sonne aufging, würde sie in die Stadt reiten und herausfinden, was genau passiert war.

Denn Paul, davon ging sie jetzt schon aus, würde ihr nur seine Version der Ereignisse mitteilen – und die entsprach sicher nicht dem, was in Wahrheit hinter den Flammen am Nachthimmel über Washaki Hill steckte.