Lassiter 2591 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2591 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Big John Potts spürte, dass es mit ihm zu Ende ging, aber da gab es noch etwas, das er vorher erledigen musste. Eine Sache, die keinen Aufschub duldete.
Potts saß in einem dick gepolsterten Ledersessel vor dem Kaminfeuer, auf seinem Schoß eine Wolldecke mit filigranen Stickereien. Obwohl im Raum eine Bullenhitze herrschte, wurde ihm nicht richtig warm.
Die Tür zur Veranda ging auf und Rick Jones trat in den Salon. Der stämmige Texaner mit der grässlichen Narbe im Gesicht war seit Jahren die rechte Hand des Immobilienhais. Mit seinen Navy-Revolvern hatte Jones mehr Männer unter die Erde gebracht als Billy the Kid und Doc Holliday zusammen.
Potts hob den Kopf. "Habt ihr den Kerl gefunden?"
Jones nickte düster. "Well, in zwei Stunden liegt er vor dem Kamin dort..."


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Seitenzahl: 134

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Honesty – der schnellste Weg ins Grab

Vorschau

Impressum

Honesty –der schnellsteWeg ins Grab

Big John Potts spürte, dass es mit ihm zu Ende ging, aber da gab es noch etwas, das er vorher erledigen musste. Eine Sache, die keinen Aufschub duldete.

Potts saß in einem dick gepolsterten Ledersessel vor dem Kaminfeuer, auf seinem Schoß eine Wolldecke mit filigranen Stickereien. Obwohl im Raum eine Bullenhitze herrschte, wurde ihm nicht richtig warm.

Die Tür zur Veranda ging auf und Rick Jones trat in den Salon. Der stämmige Texaner mit der grässlichen Narbe im Gesicht war seit Jahren die rechte Hand des Immobilienhais. Mit seinen Navy-Revolvern hatte Jones mehr Männer unter die Erde gebracht als Billy the Kid und Doc Holliday zusammen.

Potts hob den Kopf. »Habt ihr den Kerl gefunden?«

Jones nickte düster. »Well, in zwei Stunden liegt er vor dem Kamin dort...«

In Hefty's Saloon herrschte an diesem Abend eine besonders ausgelassene Stimmung.

Am Vortag waren einige Sidewalkdohlen aus Kansas nach Wells Breck gekommen. Sie absolvierten eine Rundreise durch die vielen kleine Boomstädte an den Trails. Die Lebedamen waren zu viert, und ihre Wortführerin hatte verblüffende Ähnlichkeit mit der berühmten Theaterdiva Lily Langtry.

Sie wurde Frannie genannt, und die Männer verschlangen die kurvenreiche Evastochter mit sehnsüchtigen Blicken.

Doch keiner wagte es, ihr zu nahe zu kommen.

Hefty, der Salooner, verstand keinen Spaß. Wer eine anwesende Frau in seinen vier Wänden nicht mit Respekt behandelte, wurde von ihm ohne Vorwarnung an die frische Luft expediert. Heftys Gesetz galt nicht nur für ehrbare Frauen, sondern auch für die Damen des horizontalen Gewerbes. Der Bartender hatte das Kapital für seinen Saloon als Preisboxer in Arkansas, Texas und New Mexico verdient. Auf dem langen Wandbrett neben dem Barspiegel funkelten die Pokale, die er in den meist blutigen Faustduellen errungen hatte.

»Ich hab' Durst!«, rief Frannie und knallte ihr leeres Glas auf die Theke.

»Champagner!«, grölte ein Mann, der sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. »Champagner für Frannie und ihre hübschen Ladys!«

»Du reißt dein Maul ganz schön weit auf, Larky!« Hefty rieb seine gebrochene Nase. »Kannst du den Schampus denn überhaupt bezahlen?«

Larker schob seinen Hut höher. Dann rülpste er und klopfte sich auf den Bauch. »Ruhe da drinnen«, grunzte er.

»Kannst du, oder kannst du nicht!«, drängte der Mann hinter der Bar.

Mitch Larker, ein krummbeiniger Geselle mit Kinnbart und abstehenden Ohren, lachte amüsiert auf. Mit einer Hand klammerte er sich an den Tresen, mit der anderen zog er einen Beutel aus Rohleder aus seiner Jackentasche. »Sag an! Wie viel kostet das Gesöff, Hefty?«

»Kein Gesöff«, knurrte der Ex-Boxer. »Das ist Dom Perignon, ein ganz edler Tropfen aus Übersee.«

»Okey, dokey.« Larker schob den Beutel zu Frannie, die in seiner Reichweite an der Bar stand. »Tu mir den Gefallen und gib dem Blutsauger, wonach er lechzt. Bin im Moment etwas unpässlich. Hm, hatte wohl ein verdammtes Gläschen zu viel.«

»Ich wünschte, es gäbe mehr solcher wunderbaren Gentlemen wie dich, Larky.« Mit spitzen Fingern öffnete die Frau den Beutel.

Plötzlich gab es einen lauten Knall!

Hefty hatte den Pfropfen aus der Flasche gedreht. Der Korken sauste wie ein Komet durch die Luft. Er prallte gegen die Decke, bekam neuen Schwung schoss nach unten – direkt ins Dekolleté der Frau, die wie Lily Langtry aussah.

Frannie kreischte, als hätte sie den Teufel unter dem Rock. Aber im Nu hatte sie sich wieder unter Kontrolle.

Sie betrachtete ihr Busenschaufenster.

Der Korken klemmte in dem engen Spalt zwischen ihren hoch geschnallten Wonneproppen.

Die Männer ringsum am hielten den Atem an. Auf einmal sahen alle in dieselbe Richtung.

»Tod und Teufel«, sagte ein Mann mit einer Adlerfeder an seinem Schlapphut.

»Verdammt, meine Kehle ist staubtrocken«, keuchte jemand. »Lass mal die Luft aus meinem Glas, Hefty.«

Auf Frannies rot angemalten Lippen erschien ein breites Lächeln. Sie genoss die Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwurde.

Ganz langsam drückte sie das Rückgrat durch.

Die Männer schwiegen.

Frannie schnippte kokett eine Locke aus ihrem Gesicht. »Na, was ist, Larky? Möchtest du einer Lady aus den Smoky Hills nicht einen kleinen Liebesdienst erweisen?«

»Yeah«, krächzte er. »Bei jedem Wetter! O ja, das... das möchte ich.«

Frannie sah ihm in die Augen. »Bitte, sei so lieb und nimm den Korken heraus, ja? Ich finde, er gehört da nicht hin.«

»Yeah, das finde ich auch«, lallte Larky.

Die Männer ringsum nickten beifällig.

Larker klammerte sich an den Tresen. Wenn er das Ding losließ, kippte er um. Das war klar wie Kloßbrühe. Er zerquetschte einen Fluch.

»Wenn Larky es nicht schafft, übernehme ich das, Lady«, sagte der Mann mit der Feder am Hut.

»Ich kenne mich auch mit Korken aus!«, rief ein Blondschopf mit Sommersprossen.

»Nein, die Lady hat mich gefragt!« Auf Verdacht nahm Larker die Hand vom Tresen. Sekundenlang schwankte er, wie eine Boje bei stürmischer See.

Dann verlor er das Gleichgewicht. Seine Beine knickten weg wie Streichhölzer, und er fiel Frannie laut krachend vor die Füße.

Sein Sturz löste allgemeine Heiterkeit aus.

Die Frau aus den Smoky Hills seufzte schwer. »Du machst mir Sorgen, Larky«, sagte sie. »Heute scheint nicht dein Tag zu sein.«

»Am besten, ich bleib gleich hier unten«, murmelte Larker und fluchte.

Zwei Männer sprangen hinzu und hievten ihn wieder auf die Füße. Larker lehnte sich an den Tresen und schnaufte wie ein Walross.

»Ich glaub, das mit dem Korken lass ich lieber«, erklärte er.

»Dann mach' ich's!«, rief der Adlerfeder-Mann und schob sich nach vorn.

Frannie hielt den Kopf schief und sah ihn an. »Sagst du mir deinen Namen, Fremder?«

»Joe. Joe Hawkins.«

»Du gefällst mir, Joe«, sagte sie.

»Du gefällst mir auch, Frannie.« Er fingerte an seinem Hutrand. »Bist ein verdammt heißes Teil!«

Sie kicherte. »Hast du Lust, mich mal zu besuchen, Joe?« Sie bewegte ihre Schultern. »Wir zwei machen es uns so richtig gemütlich. Du findest mich im Joybringer in der Angel Street. Weißt du, wo das ist?«

»O ja, Lady, die Angel Street kennt jeder hier.«

»Warte nicht zu lange«, fuhr sie fort. »Nächste Woche ziehe ich mit meinen Engelchen in eine andere Stadt.«

»Ich werde kommen, ganz bestimmt!« Der Mann, der Joe hieß, nahm seine Hand vom Hut.

Frannie trat einen Schritt auf ihn zu und wackelte mit ihren Schultern, zuerst ganz langsam, dann etwas schneller. Es wirkte wie einstudiert, und vermutlich hatte sie das auch getan. Viele Sidewalkdohlen besaßen ein großes, schauspielerisches Talent. In Frannies Dekolleté war es lebendig geworden. Der Korken zwischen ihren Auslagen wippte wie eine Pose an einer Angelrute.

Die Männer reckten ihre Hälse.

»Wie ein Pudding«, sagte eine gepresste Stimme.

Joe Hawkins zögerte. Auf seinen Wangen prangten rote Flecken. Im Hintergrund kicherte eine von Frannies Liebesdienerinnen.

»Mach hin, Joe!«, sagte der Typ mit den Sommersprossen.

Joe Hawkins sah zu dem Barmann hinüber. Der goss gerade Champagner in hohe Sektkelche. »Sie hat mich darum gebeten«, sagte Joe. »Du hast es gehört, Hefty. Ich meine, nicht dass du mir die Knochen brichst, weil ich eine Frau unsittlich berühre und so.«

»Schon in Ordnung«, erwiderte der Salooner. »Reg dich ab, Joe! Wenn die Lady darum gebeten hat, ist das okay.«

Hawkins strahlte von einem Ohr zum anderen. Langsam hob er seine rechte Hand.

Die Frau lächelte. »Keine falsche Scheu, mein Junge! Frannie Snowfield ist nicht aus Watte. Fass nur zu, ich beiße nicht!«

In diesem Augenblick passierte es. Ein Mann aus dem Hintergrund drängte sich nach vorn. Er stieß Joe Hawkins zur Seite und grabschte Frannie mit hartem Griff in den Ausschnitt.

»He! Sie haben mir weh getan!«, rief sie entrüstet aus.

Der Neuankömmling lachte böse. Er warf den Korken über die Köpfe der Männer hinweg in eine Ecke.

Jetzt hatte Heftys Stunde geschlagen. Mit einem Satz sprang der Faustkämpfer über den Bartisch. Sein zerschlagenes Gesicht war vor Wut verzerrt. Seine Augen funkelten wie Bergkristalle. Er hob die Fäuste und ging in Kampfstellung.

Doch er war an den Falschen geraten. Sein Rivale hatte bereits sein Trumpf-Ass in der Hand: einen schussbereiten Smith & Wesson-Revolver. Die Mündung des Laufs zeigte auf Heftys Kopf.

»Keine Dummheiten, Freundchen!« Der Mann sah in die Runde. »Das gilt für euch alle. Okay?«

Niemand rührte sich. Es war still wie nachts auf dem Boot Hill.

Hefty schnaufte vor Zorn. »Was willst du von uns?«, knurrte er.

»Ich will wissen, wo Doc Weston ist«, sagte der Mann mit dem Sechsschüsser. »Mein Vater wünscht ihn zu sprechen – und zwar sofort!«

Hefty zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung, wo der Doktor steckt. Vielleicht hockt er irgendwo im Busch und denkt sich einen neuen Joke für die Magazine aus. Hab' ihn heute noch nicht gesehen.«

»Aber ich weiß, wo er ist«, meldete sich Joe Hawkins zu Wort. »Weston ist zu Mildred Palmer gefahren, auf ihre Ranch am Hollow Creek. Mildred hat sich den Fuß verknackst. Er will ihr ein Mittel gegen die Schmerzen bringen.«

Der Revolvermann starrte ihn an. »Ist das auch wahr, Sonnyboy?«

»Ja, Mister. Das hat er mir selbst gesagt.«

Der Gunman trat zurück. Ohne ein weiteres Wort schob er seinen Colt ins Holster und schritt zum Ausgang. Er gab der Pendeltür einen Tritt und war im nächsten Moment verschwunden.

Frannie Snowfield rückte ihren Busen zurecht. »Wer zum Henker war das denn eben?«

»Clem Potts«, keuchte Larker. »Der älteste Sohn von Big John.«

»Big John?« Frannie hob die Brauen.

»Big John Potts ist der reichste Mann in der Gegend«, erklärte der Salooner. »Sein Wort gilt hier mehr als das Gesetz. Wer sich Big John in die Quere stellt, bekommt es mit seinen Revolverschwingern zu tun. Der Anführer der Bande ist ein Texaner namens Rick Jones.«

Frannie war sichtlich erschrocken. »Rick Jones – oh Gott! Von dem hab' ich schon im Wichita Eagle gelesen. Aber was da über ihn stand, hat mir gar nicht gefallen.«

Hefty war hinter seinen Schanktisch zurückgekehrt. »Es hat keinem von uns gefallen, Ma'am«, sagte er zerknirscht. »Das können Sie mir glauben. Aber gegen Big John Potts ist kein Kraut gewachsen. Sie haben es ja gerade erlebt.«

Frannie machte die Augen schmal. »Vielleicht ist es besser, wenn wir in Wells Breck nur ein kurzes Gastspiel geben«, überlegte sie. »Scheint hier ein verdammt heißes Pflaster zu sein.«

»Wie auch immer!« Hefty schob den leicht beschürzten Liebesengeln die Gläser hin. »Jetzt wird getrunken, Ladys! Auf euer Wohl – und speziell auf das Wohl der bezaubernden Frannie Snowfield, der schönsten Rose von den Smoky Hills!«

Frannie fühlte sich sichtlich geschmeichelt. »Ihr seid tolle Jungs«, sagte sie mit roten Wangen. »Ich liebe euch alle. Kommt uns Mädels doch mal in der Angel Street besuchen – aber bitte nicht alle zugleich. Comprende?«

»Comprende!«, brüllten die Männer im Chor.

Mildred Palmer fand ihren Vornamen scheußlich und furchtbar altmodisch.

Mildred!

So hießen Großmütter oder barmherzige Schwestern von der Heilsarmee. Milly klang viel spritziger, der perfekte Name für eine junge, lebenslustige Frau. Und dazu zählte sie sich, obwohl sie die dreißig längst überschritten hatte.

Milly stand am Fenster ihres großen Wohnzimmers im Hauptgebäude der Ranch und blickte hinaus auf den Hof. Sie wartete auf Doc Weston. Der Arzt hatte ihr zugesichert, heute nach ihrem verletzten Fuß zu sehen. Sie hatte ihm eine Nachricht zukommen lassen, in der sie behauptete, sie habe heftige Schmerzen.

Das stimmte aber nicht.

Der Fuß tat überhaupt nicht mehr weh, nicht ein bisschen. Es ging ihr nur um Doc Weston. Sie wollte, dass er zu ihr kam und – mit ihm allein sein.

Deshalb hatte sie heute allen Angestellten der Ranch einen freien Tag beschert. Nur Lucille, das Hausmädchen, war noch da. Die Achtzehnjährige bewohnte eine kleine Kammer im Anbau der Scheune.

Milly Palmer wurde ungeduldig. Wo der Doc nur blieb? Sie sehnte sich so sehr nach ihm. Insgeheim hoffte sie, ihn bezirzen zu können und zu sich ins Bett zu locken. Sie kannte sehr schöne Dinge, mit denen man einen Beischläfer erfreuen konnte.

Charles, ihr Ehemann, war mit seinen Freunden nach Kansas City gefahren. Dringende Geschäfte!

Eine billige Ausrede! Darüber konnte Milly nur lachen. Sie kannte ihren Charlie nicht erst seit gestern. Der Lustmolch war hinter den Weiberröcken aus den Rotlichtvierteln her. Und das war kein Geheimnis. Der Kerl fuhr auf Frauen ab, die es für Geld taten, warum auch immer. Im Joybringer in der Angel Street gab es nicht ein Playgirl, das er nicht vor seinem Blasrohr gehabt hatte. Sogar mit der Puffmutter, der künstlich erblondeten Madam Megan, hatte er sich eingelassen.

Milly wusste das von Lucille, deren Schwester Susan in der Angel Street Verkäuferin im General Store war. Selbst bei Susan hatte Charles es versucht, weil er dachte, dass sie nebenbei auf dem Strich ging. Doch das Mädchen hatte ihm eine deftige Abfuhr erteilt.

Milly Palmer seufzte schwer. Seit Monaten rührte Charles sie nicht mehr an. Das tat sehr weh. Sie war eine sehr leidenschaftliche Frau und sehnte sich danach, mit einem Mann ihre Liebe zu teilen.

Charles legte jedoch keinen Wert darauf.

Zum Glück gab es noch einen anderen Mann, der sich für sie zu interessieren schien.

Dr. Benjamin Weston!

Als der Doc sie wegen ihres verstauchten Fußes behandelte, hatte sie in seinen Augen gesehen, dass sie ihm nicht gleichgültig war. Als Frau hatte sie einen sechsten Sinn dafür. Ben mochte sie, da gab es keinen Zweifel. Und sie mochte ihn auch, sehr sogar. Einmal hatte sie nachts von ihm geträumt. Es war ein sehr schöner Traum gewesen. Ben Weston und sie hatten nackt am Ufer des Hollow Creek gelegen und sich geliebt. Er war sehr einfallsreich dabei gewesen.

Sie war furchtbar enttäuscht, als sie aufwachte und feststellte, dass alles nur der Fantasie einer einsamen Frau entsprang.

Milly stieß einen langen Seufzer aus, dann horchte sie auf und hielt den Atem an.

Von draußen drang das Getrappel von Pferdehufen an ihr Ohr.

Er kam!

Sie flitzte in den Korridor und betrachtete sich im Spiegel. Du siehst umwerfend aus, Milly, dachte sie.

Rasch noch ein bisschen Rouge auf die Wangen und einen Tupfer Parfüm unter die Achseln.

Perfekt! Jetzt konnte es losgehen!

Doc Weston brachte seinen Kutschwagen vor dem Haus zum Stehen. Er zog gerade die Handbremse an, als Milly aus dem Haus humpelte. Sie zog ein Gesicht, als hätte sie mit Lauge gegurgelt.

»Gut, dass Sie da sind, Doc«, sagte sie gequält. »Die Schmerzen bringen mich noch um den Verstand.«

»Oh, das tut mir leid, Ma'am.« Der Arzt war ein kaum mittelgroßer Mann, sehr schlank, mit einer runden Brille auf der Nase, einem mausgrauen Gehrock und einem breitkrempigen Stetson auf dem Kopf. Er trug einen Kinnbart, mit grauen Haaren meliert. Sie wusste, dass Westons Frau vor Jahren auf tragische Weise ums Leben gekommen war. Ein Eisenbahnunglück unweit von Omaha. Westons erwachsene Tochter war weggezogen und lebte in Washington.

Hastig griff der Arzt nach seinem zerschrammten Hebammenkoffer und folgte Milly ins Haus.

Millys Herz klopfte wie das einer Maus. Allein die körperliche Nähe ihres Traummannes versetzte sie in Hochstimmung.

Sie hatte Mühe, ihren leidenden Gesichtsausdruck beizubehalten.

»Wo ist Ihre Gehhilfe, Ma'am?«, fragte Weston. »Ich hatte Ihnen doch ans Herz gelegt, den Fuß mit einer Stütze zu schonen.«

Milly erschrak, aber schnell hatte sie eine Antwort parat. »Oh, die habe ich in der Scheune stehen lassen, als ich nach Lucille gesehen habe.«

Weston sah sie prüfend an. »Bitte, Ma'am, setzen Sie sich hin und ziehen Schuhe und Strümpfe aus. Ich möchte den Verband abnehmen und ihren Knöchel untersuchen.«

»Ja, sofort.« Milly ließ sich auf der Chaiselongue nieder und hob den Rocksaum.

Sie trug diese sündhaft teuren schwarzen Strümpfe, die ihre schlanken Beine so hervorragend in Szene setzten. Am liebsten hätte sie den Rock bis zur Taille hochgerafft. Der Strapsgürtel, den sie trug, stammte aus einem exquisiten Modehaus in New York.

Aber sie wollte nichts überstürzen.

Steter Tropfen höhlt den Stein, sagte sie sich und bückte sich nach ihrem Schuh.

»Oh, warten Sie!« Weston stellte seine Arzttasche ab und kniete sich vor das Liegesofa. »Ich werde Ihnen den Schuh vorsichtig vom Fuß streifen.«

»Das ist sehr freundlich«, antwortete sie.

Im nächsten Augenblick fuhr sie zusammen. Der Arzt berührte gerade ihr Fußgelenk, während er mit der anderen Hand die Schnalle ihres Schuhs öffnete.

»Sie haben so schön weiche Hände«, sagte Milly.

Er verbiss sich ein Grinsen. »Aber sagen Sie das ja nicht weiter, Ma'am. Ich fürchte, wenn das die Runde macht, wird man mich verspotten.«