Lassiter 2594 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2594 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Ein Blick aus himmelblauen Kinderaugen veränderte sein Leben.
Das kleine Mädchen tauchte unerwartet am Fuß der Treppe auf und schaute erst auf den rauchenden Revolver, dann in sein Gesicht. Kein Wort kam über seine Lippen, und das pausbäckige Antlitz zeigte kaum eine Regung - es verharrte in Schockstarre, schien dabei aber tief hinab in seine schwarze Seele zu schauen.
Er legte den Finger über die Lippen, schob das Schießeisen ins Holster und ging langsam rückwärts zur offenen Hintertür, während sich unter den reglosen Körpern der Toten das Blut träge auf den Bodenfliesen ausbreitete und draußen auf der Mainstreet von den Schüssen alarmierte Stimmen laut wurden.
Zurück blieben die letzten von über dreißig Opfern des Mietkillers, den man nur als den Bestatter kannte.


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Seitenzahl: 154

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Vorwort

Der Bestatter

Vorschau

Impressum

Liebe LASSITER-Fans!

Sie haben das neue Logo auf dem Umschlag/eBook sicher schon gesehen. Tatsächlich – die LASSITER-Romanhefte gibt es seit exakt 50 Jahren, und die Taschenbücher sogar noch zwei Jahre länger. Das erste Heft erschien am 7. April 1972 unter dem Titel »Da schlug Lassiter zurück« und war der Startschuss für eine Erfolgsstory, die bis heute anhält. Als härtester Mann seiner Zeit und später als Agent der Brigade Sieben erlebt der »große Mann« seitdem jede Woche knallharte Abenteuer im Amerikanischen Westen der Jahre zwischen 1870 und 1890, in denen fast immer Sex eine Rolle spielt. Der gehörte auch damals zum Leben dazu; warum also nicht? Letztlich war es dieses Konzept, das LASSITER zum Erfolg verhalf.

Um selbigen zu würdigen, haben wir 2022 kurzerhand zum »LASSITER-Jahr« ausgerufen und präsentieren nicht nur einen monumentalen Fünfteiler ab Band 2600, der am 17. Mai erscheint, sondern ab dem 23. August auch eine neue Serie: die LASSITER SONDER-EDITION mit den ungekürzten Nachdrucken der Taschenbücher auf 80 Seiten – und später im Jahr ein LASSITER-Jubiläumsbuch mit vielen Infos zur Person und Serie. Zudem wird es ab Band 2600 eine Neuerung geben, die jetzt noch nicht verraten wird, aber von vielen Fans oft und vehement seit Jahrzehnten gefordert wird.

Freuen Sie sich nun auf den aktuellen Roman und bleiben Sie uns und dem großen Mann von der Brigade Sieben gewogen!

Ihre LASSITER-Redaktion

DerBestatter

Ein Blick aus himmelblauen Kinderaugen veränderte sein Leben.

Das kleine Mädchen tauchte unerwartet am Fuß der Treppe auf und schaute erst auf den rauchenden Revolver, dann in sein Gesicht. Kein Wort kam über seine Lippen, und das pausbäckige Antlitz zeigte kaum eine Regung – es verharrte in Schockstarre, schien dabei aber tief hinab in seine schwarze Seele zu schauen.

Er legte den Finger über die Lippen, schob das Schießeisen ins Holster und ging langsam rückwärts zur offenen Hintertür, während sich unter den reglosen Körpern der Toten das Blut träge auf den Bodenfliesen ausbreitete und draußen auf der Mainstreet von den Schüssen alarmierte Stimmen laut wurden.

Zurück blieben die letzten von über dreißig Opfern des Mietkillers, den man nur als den Bestatter kannte.

Hansom Ridge, Pennsylvania, siebzehn Jahre später

»Malone? Wo zum Henker stecken Sie?«

Ungeduldig blickte sich der Mann im flaschengrünen Cutaway auf dem Hinterhof um und umklammerte den vergoldeten Griff seines Gehstocks. Er drehte sich mehrfach um die eigene Achse und versuchte dabei, die blank polierten Stiefel von den trüben Pfützen fernzuhalten.

»Hallo? Wir waren verabredet!«

Er verengte die Augen und starrte in das Halbdunkel der Werkstatt, die unter einem windschiefen Vordach offen vor ihm lag. Ein halbes Dutzend Steinblöcke aus Schiefer, Granit und Basalt standen oder lagen dort herum, manche bereits bearbeitet, andere noch roh und formlos. Auf einer Werkbank waren unzählige Hammer, Meißel, Stichel und andere Werkzeuge verteilt, an der Rückwand darüber hingen Skizzen, die man, soweit der Anzugträger erkennen konnte, zum Teil schon eher als gekonnt ausgeführte Illustrationen bezeichnen mochte.

Ein niedriger Schemel stand mitten im halb offenen Raum, darauf lag ein Ledertuch. Der hellgraue Granitblock, der eine Armlänge davor gegen zwei Holzböcke gelehnt war, hatte bereits die Form eines Grabsteins; nach oben hin leicht breiter werdend mit abgerundetem Capitel, an deren Rand dornumkränzte Blüten herausgearbeitet worden waren. Oben in der Mitte war ein Symbol zu erkennen, darunter erste Buchstaben eines Namens, dessen Besitzer – so spekulierte der Anzugträger – wohl vor kurzem auf dem Boothill vor der Stadt zu Grabe getragen worden war.

Das leise Quietschen von Scharnieren ließ ihn seinen Kopf wenden, doch als er erkannte, dass die Tür des Aborts das Geräusch verursacht hatte, drehte er sich rasch wieder weg.

»Mr. Paragon.«

Milo Malone stapfte relativ gelassen über den vom nächtlichen Dauerregen immer noch matschigen Lehmboden und setzte eine entschuldigende Miene auf. »Sorry, Sir. In letzter Zeit bereiten mir Dinge Mühe, über die ich mir früher nicht einmal Gedanken machen musste.«

Emanuel Paragon verzog die Lippen unter dem penibel getrimmten Oberlippenbart und nickte widerwillig; offenbar wollte er dieses Thema ungern vertiefen.

»Schon gut. Haben Sie den Entwurf für den Grabstein fertig? Sie werden verstehen, dass wir Mutters letzte Ruhestätte keinesfalls länger als nötig ohne ein würdiges Mal lassen wollen.«

Malone unterdrückte ein Ächzen, stützte die Hände ins Kreuz und streckte sich. Er trug Latzhosen aus ausgebleichtem, fleckigen Denim, darunter ein zerschlissenes Flanellhemd, dessen Kragenspitzen sich nach oben rollten. Gut und gern fünf Fuß groß und bis auf Schultern und Arme, die seiner Tätigkeit als Steinmetz gemäß ein wenig mehr Muskeln als normal aufwiesen, eher drahtig, wirkte er auf Emanuel Paragon weitaus durchschnittlicher als erwartet. Vielleicht war es ein wenig naiv gewesen, sich Steinmetze als hünenhafte Wikinger mit langen Bärten und riesigen Fäusten vorzustellen.

Malones Alter war schwer zu schätzen, denn die markanten, scharf geschnittenen Gesichtszüge und das dunkle Haar ließen alles zu zwischen Ende dreißig bis Mitte fünfzig.

In jedem Fall hatte der Mann etwas Verschlagenes, Gefährliches an sich, wie Paragon beunruhigt feststellte.

Diese Schlitzaugen...

»Natürlich, Mr. Paragon.« Der Steinmetz wischte sich die Hand an der Hose ab, während er auf seinen Besucher zutrat und sie ihm dann entgegenstreckte. Paragon zögerte einen Moment, bevor er sie ergriff und schüttelte, wobei er fragend die Augenbrauen hob.

Malone kratzte sich am Kopf und wirkte, als fühle er sich nicht wohl in seiner Haut. »Also... ich habe zwar etwas zu Papier gebracht, Sir – allerdings sehe ich mich dennoch außerstande, Ihren Auftrag anzunehmen.« Bedauernd schaute er sein Gegenüber an.

»Es tut mir wirklich leid.«

»Was soll das heißen?« Paragon runzelte die Stirn. »Wenn es um Ihren Lohn geht, Malone, dann betrachte ich das als unverschämt! Wir waren bereit, Ihre exorbitante Honorarforderung zu akzeptieren – angesichts Ihrer bisherigen Arbeiten. Aber...«

Rasch hob Malone beide Hände und brachte sein Gegenüber damit zum Verstummen.

»Nein, Sir, darum geht es nicht. Und Ihren Vorschuss erhalten Sie selbstverständlich zurück.« Resignierend zuckte er die Achseln. »Es sind private Gründe, die mich leider dazu zwingen, mein Geschäft aufzugeben.«

Paragons Miene wandelte sich binnen Sekunden von Empörung in Enttäuschung. »Das... ist ausgesprochen bedauerlich. Und Ihre Entscheidung ist endgültig? Sie sind der beste Steinmetz in der ganzen Region, Mr. Malone! Also... das wäre wirklich ein großer Verlust für die Stadt und das gesamte County.«

»Danke, Sir. Und auch mir tut es leid. Es war dumm von mir, nicht rechtzeitig damit begonnen zu haben, Nachfolger auszubilden.«

Malone hob die Achseln und fuhr sich mit der Hand durch das Haar, das über der Stirn allmählich dünner wurde. »Jeff Horn stellt sich ganz gut an, aber er ist wohl noch ein bis zwei Jahre entfernt davon, meine Stelle einzunehmen.«

Paragon legte den Kopf schief, kniff ein Auge zu und fixierte Malone mit dem anderen wie ein skeptischer Uhu. »Sagen Sie das, weil Sie's glauben, oder weil Jeff der älteste Sohn unseres verehrten Bürgermeisters ist?«

Malone lachte. »Nein, das war ehrlich gemeint. Deshalb werde ich Jeff auch die Obhut der Werkstatt überlassen.«

»Das hört sich an, als möchten Sie in absehbarer Zeit doch wieder zurückkommen.« Paragons Miene drückte Hoffnung aus, die Malone mit einem leichten Nicken nährte.

»Schon möglich, in ein paar Wochen vielleicht. Wenn ich die Dinge geregelt habe.«

Paragon rieb sich mit dem Daumen über das Kinn; eine nervöse Geste, die gemeinsam mit einem unruhigen Zwinkern verriet, dass in seinem Kopf verschiedene Gefühle miteinander stritten.

»Nun, ein paar Wochen... sind ein dehnbarer Begriff, nicht wahr?«

Malones Miene verriet Verständnis. »Ich würde Ihnen Mr. Kenneth Galbraigh in Huntington empfehlen. Der liefert wirklich gute Arbeit, und Huntington ist nur achtzehn Meilen entfernt.«

»Hmm«, brummte Paragon gedehnt und schürzte dabei die Lippen, bevor er zögernd fragte: »Dürfte ich dennoch einen Blick auf Ihren Entwurf werfen, Mr. Malone?«

Achselzuckend streckte der Steinmetz den linken Arm in Richtung der Werkstatt aus, und die beiden Männer gingen hinein. Paragon musste sich ducken, um nicht mit dem Kopf gegen die tiefhängenden Schindeln des Vordachs zu stoßen.

Im Vorbeigehen warf er einen kurzen Blick auf den Grabstein, den Malone gerade in Arbeit hatte. Und war überrascht, denn das Christus-Monogramm und die ersten Buchstaben des Vornamens wiesen auf einen Freimaurer hin, der aber durchaus noch am Leben war.

»Mr. Malone, handelt es sich hier etwa um...«

»Das ist vertraulich, Sir«, antwortete Malone, »und ich möchte Sie daher bitten, über alles, was Sie hier sehen, Stillschweigen zu bewahren.« Er drehte sich um und verengte den Blick, bis Paragon nickte.

»Jetzt kommen Sie, bitte.«

Paragon trat an die Werkbank, und Malone deutete fast beiläufig auf eine Kohlezeichnung, die in Kopfhöhe an die Paneele geheftet war. »Hatten Sie es sich so vorgestellt?«

Geräuschvoll stieß Paragon die Luft aus, bevor er ergriffen antwortete: »Nein, gar nicht. Es ist... so viel schöner, als ich es mir ausmalen konnte. Ganz... unbeschreiblich!«

»Das ehrt mich, Sir.« Malone neigte bescheiden den Kopf und schien einen Moment nachzudenken, dann nahm er die Zeichnung von der Wand und reichte sie kurzerhand Paragon.

»Hören Sie: Ich weiß nicht, ob Galbraigh sich darauf einlässt, aber Sie dürfen ihm den Entwurf gern geben – und nach dieser Zeichnung den Grabstein Ihrer Mutter fertigen lassen. Ihr Geld bekommen Sie dennoch zurück. Ich habe Mr. Lefton von der Goodwill Bank schon damit beauftragt, sämtliche Vorschüsse an meine Auftraggeber rückzuerstatten.«

Paragons Augen wurden feucht, während er das Papier in seinen Händen hielt wie ein kostbares Schmuckstück. »Ich danke Ihnen, Mr. Malone. Und wir alle beten darum, dass Sie schon bald zurückkehren mögen.«

Mit diesen Worten machte er kehrt und eilte durch den bereits wieder einsetzenden Regen davon.

Malone sah ihm nach, bis sich das Tor hinter Emanuel Paragon geschlossen hatte; danach warf er noch einen langen Blick in die Runde. Über die Steine, die Werkzeuge, die Skizzen an der Wand; das Unvollendete wie das, was er nicht mehr beginnen würde. Denn er hatte keineswegs vor, hierher zurückzukehren.

Vorhin, auf dem Abort, hatte er es zum ersten Mal seit drei Tagen wieder gewagt, auf seine Hinterlassenschaften hinab zu schauen.

Dunkelrot, glänzend, blutig. Wie die drei Male zuvor in den vergangenen vier Wochen, wenn er einen Blick riskiert hatte.

Nicht überraschend nach dem, was Doc Higgins ihm im Frühjahr offenbart hatte – und dennoch wieder ein Ausrufezeichen mehr hinter dem Befund des Arztes.

Er war dem Tode geweiht, und wenn der Schnitter erstmal jemanden ins Visier genommen hatte, war jeder Tag nur noch ein welkes Blatt an einem kargen Baum.

Noch fühlte er sich tüchtig und gesund genug. Doch wenn man Higgins glaubte – was er tat – würde sich das schneller ändern, als er es sich jetzt noch vorstellen mochte.

Oben in der kleinen Wohnung über der Werkstatt hatte er bereits das Wenige gepackt, was er für die Reise brauchte. Und hier in Hansom Ridge waren die Dinge geregelt.

Bis auf ein paar Buchstaben, die er in den Stein schlagen musste, der vor dem Schemel lehnte.

Malone seufzte, dann machte er sich an die Arbeit. Vier Stunden lang erklang das dumpfe Pochen und Hacken von Metall auf Granit, dann war er fertig. Deckte sein Werk mit einer Baumwolldecke ab. Zog sich um, holte seine Sachen von oben und schwang sich in den Sattel seines Pferdes, das schon ziemlich alt war, ihn aber möglicherweise dennoch überleben würde.

Die Sonne ging unter, als er Hansom Ridge verließ. Die Stadt sah ihren besten Steinmetz niemals wieder.

»Ich dachte schon, die Welt geht unter! Und stattdessen betritt dieser zauberhafte Mistkerl mein gesegnetes Etablissement!«

Der hochgewachsene Mann, der fast gleichzeitig mit flackernden Blitzen und einem ohrenbetäubenden Donnern von draußen durch die Schwingtüren hereingekommen war und derart enthusiastisch begrüßt wurde, schien davon nur wenig beeindruckt. Mit einem schmalen Lächeln schaute er sich um und antwortete: »Ich freue mich auch, Sie wiederzusehen, Madame Lorraine.«

Regenwasser tropfte ihm von der Hutkrempe, den Ärmeln und dem Saum seiner Lederjacke, und er schüttelte sich kurz.

Draußen zerfetzte ein weiterer Blitz den Gewitterhimmel, gefolgt von einem dunklen Grollen, welches die Fensterscheiben für einen Moment erbeben ließ.

Die Mädchen, die sich leicht bekleidet auf Sesseln und einer Chaiselongue räkelten, zuckten kurz zusammen, bevor sie den Ankömmling neugierig taxierten. Er warf ihnen einen beiläufigen Blick zu und trat an die Theke, während in seinem Rücken sofort eine erregte Diskussion darüber begann, um wen es sich wohl handeln mochte.

Madame Lorraine, Besitzerin des Goodys Crest, blickte von ihrer Seite der Theke huldvoll auf Lassiter hinab. Dunkelrot geschminkte Lippen verbreiterten sich zu einem vorsichtigen Lächeln, als sie fragte: »Unglaublich, dich hier in der Pampa wiederzutreffen. Wann haben wir uns noch einmal zuletzt gesehen, mein Bester? Hilf einer jung gebliebenen Dame in den besten Jahren doch bitte mal auf die Sprünge.«

Lassiter schwang sich auf den Barhocker und blickte kurz nach links und rechts, obwohl er an diesem regnerischen Nachmittag eindeutig der einzige Gast war.

Mit leicht zur Seite geneigtem Kopf beugte er sich vor und senkte vertraulich die Stimme: »Das war vor vier Jahren in Buffalo, als einer eurer Rausschmeißer mir eine Kugel in die linke Schulter verpasst hat.«

Er grinste humorlos. »Der Laden war allerdings deutlich schäbiger, und wenn ich mich recht entsinne, hast du damals selbst noch die Beine breit machen müssen. Deshalb sieht's ganz danach aus, als hättest du dich verbessert, Madame.«

Lorraines Lächeln verlor nur um eine Nuance an Strahlkraft.

»Ich hoffe, du bist nicht nachtragend, Lassiter. War nicht meine Schuld, ich schwör's dir. Bourbon, wie immer?«

»Aber sicher doch. Mit Eis, ist ein heißer Tag.«

Lorraine zuckte die Achseln; dabei hob sich ihr üppiger Busen über dem viel zu engen, tief ausgeschnittenen Dekolleté des smaragdgrünen Taftkleids. »Es regnet seit drei Tagen, und ich find's eher kühl, aber wenn du meinst...«

Sie drehte sich um und warf Eiswürfel in ein Glas, während hinter ihnen die Mädels tuschelten. Lassiter förderte einen verbeulten Zigarillo aus den Tiefen einer seiner Taschen, schob ihn sich zwischen die Lippen und zündete ihn an der Kerze an, die vor ihm auf der Theke stand.

»Willst du nachher noch hochgehen aufs Zimmer mit einer der Damen?«, fragte Lorraine. »Du bist doch hoffentlich nicht nur zum Trinken gekommen?«

Als sie sich wieder umwandte und ihm den Drink auf den Tresen stellte, schüttelte er den Kopf.

»Nein.« Durch den Spiegel zwinkerte er einer attraktiven Blondine zu, was mit einem koketten Lächeln beantwortet wurde. »Und ich komme später gern darauf zurück. Aber zunächst einmal bin ich wegen der Bande von Gordon Payne hier.«

Das Gewisper hinter ihm verstummte so plötzlich, als wäre den Mädchen schlagartig die Luft zum Atmen genommen worden.

Madame Lorraine erblasste, was die Farbe auf ihren Lippen umso deutlicher zum Leuchten brachte.

»Von wem redest du?«, fragte sie tonlos.

Lassiters Mundwinkel hoben sich um eine Nuance, bevor er antwortete. »Verkauf mich nicht für dumm, Lorraine. Jeder in der Stadt kennt Gordon Payne und seine Galgenvögel. Und du mit Sicherheit im Besonderen. Ich weiß bereits, dass er bei dir und auch in den meisten anderen Läden und Etablissements der Stadt abkassiert. Wer nicht zahlt, dem wird die Fresse poliert oder die Einrichtung in Stücke geschlagen. Ganz Widerspenstigen brennt dann nachts auch mal der Dachstuhl ab.«

Er deutete mit dem Daumen hinter sich, was vage die Richtung angab, in der der abgebrannte Mietstall von Barney Holbrooke lag.

Lorraine schürzte die Lippen. »Gerade hatte ich mich noch über das Wiedersehen gefreut, Lassiter«, sagte sie, »aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.«

Der Agent der Brigade Sieben grinste schmal, griff nach dem Glas und nahm einen kräftigen Schluck, ohne Lorraine aus dem Blick zu nehmen. Er spitzte die Lippen und stieß anerkennend die Luft aus.

»Auch der Schnaps hat mehr Klasse als das Zeug, was ihr in Buffalo ausgeschenkt habt.«

Er drehte sich zu den Mädchen um, die auf der Sitzgruppe hinter ihm versammelt waren und bedachte die aparte Blondine mit einem freundlichen Lächeln. »Verrätst du mir deinen Namen?«

»Holly«, erwiderte die Dirne mit professionellem Augenaufschlag, wobei Lassiter nicht entging, wie sie kurz an ihm vorbei zu Lorraine schaute. »Aber du darfst mich nennen, wie du willst, Großer.«

»Warum? Holly ist doch hübsch.« Er holte eine Silberspange mit Banknoten aus der Tasche seiner Lederjacke, zählte ein paar Greenbucks ab und legte sie neben sein Glas auf die blankpolierte Tresenplatte.

»Bekommt man bei dir auch etwas zwischen die Zähne, Madame Lorraine?«

Die Bordellchefin rang sich ein Lächeln ab. »Natürlich. Steak, Bratkartoffeln, gebackenes Gemüse, Hackbraten... Unsere Köchin ist aber noch nicht da.«

»Es eilt nicht.« Lassiter nickte Holly zu, die bereits am Fuß der Treppe stand, die zu den Zimmern hinaufführte. »In einer guten Stunde wäre ein saftiges Steak sehr nett – lässt sich das einrichten?«

»Kein Problem.« Lorraine unterdrückte ein Seufzen. »Dann viel Spaß euch beiden.«

Die Zimmer des Goodys Crest waren eher Kammern; neben dem Bett, das immerhin King-Size-Abmessungen aufwies, blieb kaum genug Platz, um sich ohne blaue Flecken seiner Kleidung zu entledigen. Es gab weder einen Schrank noch Stühle, lediglich zwei Schemel links und rechts des Betts und ein Holzbrett mit eisernen Kleiderhaken an der Wand.

Immerhin existierte ein Fenster, durch das man hinaus blicken konnte auf einen trostlosen Hinterhof.

Während Lassiter die Schnalle seines Revolvergurts öffnete und ihn mitsamt des Remington auf den Schemel legte, ließ Holly sich auf dem Bett nieder.

Sie trug ein knappes Bustier aus glänzendem, violetten Brokat, darunter ein ledernes Röckchen, dass auch als etwas zu breit geratener Gürtel bezeichnet werden konnte. Ihr Haar war schulterlang und umrahmte in Wellen ein herzförmiges Gesicht mit einer kerzengeraden Nase, dunkelbraunen, ein wenig melancholisch blickenden Augen und vollen, sinnlichen Lippen.

Holly sah zu, wie er seine Jacke an einen der Kleiderhaken hängte und aus den Stiefeln stieg. Sie schien zu zögern, und als er die Augenbrauen hob, fragte sie: »Soll ich mich ausziehen, oder möchtest du das lieber tun?«

Er grinste schief. »Nur zu, Honey. Und entspann dich.«

»Ein Schluck Wein oder so hätte dabei helfen können«, sagte sie mit einem Hauch von Vorwurf in der Stimme.

»Oh, sicher.« Er schaute zur Tür. »Soll ich bei Madame noch etwas bestellen...?«

Holly winkte ab. »Nein, schon gut.«

Sie löste die Bänder, die das Bustier vor ihrem Busen zusammenhielten, und fragte dabei: »Du kennst Madame Lorraine also von früher?«

»Kann man so sagen«, brummte er, während er sein Hemd aufknöpfte. »Obwohl ›kennen‹ wohl übertrieben ist. Wir sind uns über den Weg gelaufen, mehr nicht.«

Ihr skeptischer Blick verriet, dass sie das wiederum für untertrieben hielt. Aber sie entschied, das Thema bis auf weiteres fallen zu lassen.

Sein Blick weitete sein, als Holly ihr Oberteil abstreifte und dabei zwei perfekt geformte Brüste enthüllte. Sie schaute zu ihm auf und erkannte, dass sie ihm gefiel. Was schnell nicht nur am Ausdruck in seinem Gesicht offenkundig wurde.

»Na, komm schon her, Cowboy«, ahmte sie Lassiters raue Stimme nach und streckte die Hände nach ihm aus. »Die Reise war lang und einsam, habe ich recht?«