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Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2233, 2234 und 2235.
Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!
2233: Der Hölle ein Stück näher
Lassiter kam zu sich und sah den Toten.
Der Mann lag auf dem Bauch, mitten im Zimmer. Zwischen seinen Schulterblättern steckte ein Messer. Die Wunde blutete nicht mehr.
"All devils!" Lassiter wälzte sich aus dem Bett. Sein Schädel brummte wie eine Basstrommel. Sein Herz hämmerte wild. Seine Augen brannten, als hätte man sie mit Lauge verätzt. Er setzte sich auf, rieb die Beule an seinem Hinterkopf und versuchte zu begreifen, was passiert war.
Im Foyer des Hotels polterten Schritte. Die Stimme des Sheriffs erklang. "Das Haus ist umstellt!", rief er. "Kommen Sie raus, Lassiter!"
2234: Drei Bräute aus Newark
Ronny Phelps war ganz ruhig, als er die Schritte auf dem Gang hörte. Die Faust um den Stein gekrallt, wartete er neben der Kerkertür. Frei sein! Ich will frei sein!
In der Gefängniszelle war es dunkel wie in einer Totengruft. Phelps wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war. Letzte Woche hatte der Zuchthausdirektor verfügt, dass er in die Zelle ohne Fenster gebracht wurde, im untersten Gewölbe von Fort Yuma. Es war das Quartier für die Todgeweihten, der Vorhof zur Hölle.
Phelps hörte, wie der Wärter vor der Kerkerzelle mit den Schlüsseln klapperte. Der Schlüssel knirschte im Schloss. Der Bart drehte sich und knarrend öffnete sich die massive Zellentür. Trübes Licht fiel in den Raum.
"Ich will dich sehen, Phelps", sagte der Wächter.
2235: Lassiter und der gefallene Sheriff
Am Vormittag nahm Louis McNamara zwei Texaner fest, weil sie im Golden Hole Restroom einem Mädchen an die Titten gegrapscht hatten. Gegen Mittag hängte er in der Stadt die neuesten Steckbriefe der Donovanbande aus. Danach aß er mit Mary zu Mittag und stritt mit ihr wegen dem Hochzeitstermin. Anschließend ging er zur New Kansas Bank, wo er mit Will Carter die Sicherung eines Geldtransportes besprechen wollte. Durch die Hintertür betrat er die Bank - und dann lief der Tag aus dem Ruder. Sein ganzes Leben lief aus dem Ruder ab diesem Augenblick.
Drei Kunden warteten im Schalterraum. Einer zählte gerade das Geld, das Carter ihm über den Tresen geschoben hatte. Louis grüßte, ging ins Nebenzimmer und goss sich einen Whisky ein. Nebenan knarrte plötzlich die Eingangstür und irgendjemand brüllte: "Überfall!"
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Seitenzahl: 411
Veröffentlichungsjahr: 2018
Jack Slade
Lassiter Sammelband 1784 - Western
Cover
Impressum
Der Hölle ein Stück näher
Vorschau
Der Hölle ein Stück näher
Lassiter kam zu sich und sah den Toten.
Der Mann lag auf dem Bauch, mitten im Zimmer. Zwischen seinen Schulterblättern steckte ein Messer. Die Wunde blutete nicht mehr.
»All devils!« Lassiter wälzte sich aus dem Bett. Sein Schädel brummte wie eine Basstrommel. Sein Herz hämmerte wild. Seine Augen brannten, als hätte man sie mit Lauge verätzt. Er setzte sich auf, rieb die Beule an seinem Hinterkopf und versuchte zu begreifen, was passiert war.
Im Foyer des Hotels polterten Schritte. Die Stimme des Sheriffs erklang. »Das Haus ist umstellt!«, rief er. »Kommen Sie raus, Lassiter!«
»Das habt ihr ganz prima gemacht, Jungs«, sagte Lou Jeffries. »Will hoffen, dass die SternträgerLassiter den Hintern aufreißen.«
Ronny Phelps und Tom Marley sahen sich an und grinsten.
Sie standen an der Theke im Maverick Saloon. Cilla Breck, die Wirtin, kam. Sie setzte den Männern drei Bier vor die Nase. Wie gewöhnlich trug sie weder ein Mieder noch ein Korsett, und ihre zur Schau gestellte Oberweite quoll über den Rand ihres Blusenausschnitts.
Jeffries leckte sich die Lippen, während er die fraulichen Wonneproppen betrachtete. Er mochte es, wenn Frauen sich so freizügig zeigten. Wozu hatte ihnen der liebe Gott denn sonst so hübsche Rundungen spendiert? Jedenfalls nicht, damit sie diese unter weiten Kleidern und eng geschnürten Korsagen verbargen.
»Also, Jungs, stoßen wir an!« Jeffries nahm sein Bier in die Hand. »Auf den gelungenen Coup. Cheers!«
»Cheerio!«
Jeder rammte sein Glas gegen das des anderen. Dann pusteten sie den Schaum von ihren Gläsern und warfen die Köpfe in den Nacken.
Draußen auf der Mainstreet rumpelte ein mit Bauholz beladener Murphy-Wagen vorbei. Ein Luftzug fegte Staub in den Saloon. Es war bald Mittag. Die Sonne sengte vom Himmel. Außer Jeffries, Phelps und Marley befand sich noch ein weiterer Gast im Saloon: der alte Trapper Eli Judd. Er kauerte, eine dicke Brille auf der Nase, an dem kleinen Tisch neben dem Klavier und schmökerte in der neuesten Ausgabe der Clanton Review.
Ronny Phelps, der spitzbärtige Rotkopf, stellte sein Bier ab. »Wann ist Zahltag, Boss?«
Jeffries leckte seine Lippen. »Was?«
»Wann kriegen wir die Bucks, die du uns versprochen hast?«
Jeffries runzelte die Stirn. Er hasste es, im Beisein von Dritten über Geschäfte zu reden. »Später«, grunzte er. »Warte es ab, Ronny. Kommst schon nicht zu kurz.«
Phelps sah das anders. »Ich brauche den Zaster so schnell wie möglich. Nicht später.«
Tom Marley lachte. Er war ein großer Schwarzer mit Krauskopf und langen Koteletten. Früher hatte er als Pflanzer auf einer Tabakplantage in Virginia gearbeitet. Doch der Job als Revolvermann gefiel ihm besser. »Das Leben in Clanton ist nicht billig«, sagte er. »Ich kann Red Ronny verstehen. Die Preise in den Bordellen sind schon wieder gestiegen. Das dritte Mal in diesem Sommer.« Er rollte mit seinen großen Augen und lachte, dass seine Zähne blitzten.
Jeffries kam sich veralbert vor. Er packte Marley am Kragen. »Wann hier gelacht wird, bestimme ich! Klar?«
Marley drückte seine Brust heraus. »Fass mich nicht an, Lou! Hörst du! Nicht anfassen, sage ich!«
Jeffries ließ von dem Krauskopf ab.
»Tommy hat Recht«, sagte Phelps versöhnlich. »Die Preise in diesem Kaff steigen, dass einem schwindlig wird. Wo soll das bloß hinführen?«
Jeffries trank einen Schluck. »Noch nie was von Sparen gehört?«
»Sparen?« Phelps zündete sich eine Zigarette an. »Holyspirit! Glaubt ihr, ich gehe mit der erstbesten Pussy ins Bett, bloß weil sie mir einen guten Preis macht? Pah – das könnt ihr unter Ulk abbuchen. Wenn ich mir schon ein Girl genehmige, dann soll’s auch ein hübscher Käfer sein.«
Jeffries war angefressen. Er sah, dass Marley sich ein Grinsen verkniff. Am liebsten hätte er dem Kerl die Zähne eingeschlagen. Doch er ließ seine Fäuste unten. Marley und Phelps waren fähige Leute. Er durfte sie nicht vor den Kopf stoßen. Sonst heuerten sie bei der Konkurrenz an. »Okay«, sagte er. »Ich gehe morgen zur Bank. Dann kriegt ihr den Zaster.«
»Erst morgen?«, maulte Phelps.
»Bis dahin wirst du schon nicht verhungern.«
»Verhungern nicht, aber es gibt noch mehr Dinge als Essen und Trinken.« Phelps hüllte sich in Rauch. »Wie sieht’s mit ’nem netten Vorschuss aus?«
»Meine Güte!« Jeffries donnerte seine Faust auf die Theke. »Du bist ja schlimmer als die Drückerkolonnen von der Heilsarmee.«
»Wieso? Ich verlange nur das, was mir zusteht. Nicht mehr und nicht weniger.«
Jeffries gab auf. Das Wortgeplänkel ermüdete ihn. »Also gut. Bin ja gar nicht so.« Er langte unter seine Jacke. »Wie viel willst du?«
»Zehner.«
Zwei grüne Scheine wechselten den Besitzer.
Phelps faltete die Dollarnoten zusammen und schob sie lässig in seine Westentasche.
Jeffries wandte sich ab. Mit blanken Augen sah er zu, wie die Frau hinter dem Tresen den Barspiegel abwischte. Rattenscharf! Wie immer ließ der Anblick der kurvenreichen Wirtin sein Herz schneller schlagen. Nur allzu gern hätte er die Busenlady mal im Evaskostüm gesehen. Schon die Vorstellung an ihre Nacktheit erregte ihn so sehr, dass ihm der Atem stockte.
Ich muss sie haben, dachte er. Und wenn es mich den letzten Penny kostet, ich muss sie haben.
Plötzlich meldete sich Eli Judd zu Wort: »Tod und Teufel, mich laust der Affe! Stellt euch vor: Nick Roberts ist tot.« Roberts war ein Handelsvertreter, der in Sachen Töpfe und Geschirr durch die Lande reiste. Wegen seiner Freigiebigkeit war er sehr beliebt in Clanton.
Judds Worte ließen die Wirtin herumfahren. »Was? Was hast du gesagt, Eli?«
»Nick Roberts ist tot, Cilla.«
»Mein Gott!« Sie starrte hilflos in den Saal. »Das kann doch nicht wahr sein!«
Lou Jeffries setzte eine betroffene Miene auf. »Wie ist er gestorben?«, fragte er Judd. »Soviel ich weiß, war er ja gerade mal vierzig. War’s ein Unfall oder war er krank?«
Der alte Trapper nestelte an seinem Kneifer. »Von wegen krank. Er wurde tot aufgefunden, mit ’nem Messer im Rücken.«
Cillas Augen sprühten. »Welches Scheusal hat ihm das angetan? Haben sie den Halunken schon gefasst?«
»Moment.« Der Veteran hob die Zeitung. »Ja, hier unten, da steht’s! Der Sheriff hat einen Tatverdächtigen in Gewahrsam genommen. Ein Zugereister, der seit einer Woche im Palace Hotel logiert. Der Sheriff hat ’ne Menge Schotter bei ihm gefunden.«
»Ein Raubmord also«, meinte Cilla. »Und wie heißt der Kerl, der Roberts auf dem Gewissen hat?«
»Lassiter.«
»Lassiter?« Cilla Breck machte eine ruckartige Bewegung. Dabei riss sie die Handglocke zu Boden, mit der sie jede Nacht den Ausschankschluss bekanntgab. Als sie die Glocke wieder auf den Tresen stellte, war alle Farbe aus ihrem Gesicht gewichen. »Lassiter, ein Killer? Das … das kann sich nur um eine Verwechslung handeln.«
»Nein, er ist der Tatverdächtige«, antwortete Judd. »In der Zeitung steht es schwarz auf weiß: Der Sheriff hat ihn auf frischer Tat erwischt.«
»Das … das ist unmöglich!« Cilla pumpte wie ein Maikäfer. »Den Unfug glaube ich nie und nimmer. Ich kenne Lassiter. Einen Mann hinterrücks ermorden? Ihn ausrauben? Dummes Zeug! Das würde Lassiter nie tun.«
Jeffries hatte den Dialog zwischen Cilla und Judd wortlos verfolgt. Er hatte Mühe, seinen Triumph im Zaum zu halten. Cillas Vorliebe für den eingebildeten Snob aus dem Palace Hotel war kein Geheimnis. Die Leute sagten, sie wäre seine Geliebte. Nächtelang hatte er, Lou, wach gelegen und gegrübelt, wie er den lästigen Rivalen aus dem Weg räumen konnte. Bis ihm endlich die Erleuchtung kam. Er hatte Phelps und Marley auf den Nebenbuhler angesetzt. Zuerst hatten die zwei den Vertreter umgelegt. Dann hatten sie den ahnungslosen Lassiter im Schlaf überrascht und ihm eine Leiche als Bettvorleger spendiert. Die Aktion war wie am Schnürchen verlaufen.
Jetzt hatte Lassiter einen Mord am Hals. Jeffries grinste. Der Kerl ist erledigt, dachte er. Lou, du bist ein Schlaufuchs!
Ein wohliges Gefühl durchströmte Jeffries. Dankbar wanderte sein Blick über seine willigen Vasallen. Jetzt gehörte die schöne Wirtin ihm. Er hatte freie Bahn. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er Cilla dazu bekam, das Höschen für ihn zu lüften. Steter Tropfen höhlt den Stein.
Er mimte den Bestürzten. »Das sieht nicht gut aus«, erklärte er. »Ich möchte nicht in Lassiters Haut stecken.«
»Wer wird schon gern gehängt?« Phelps tupfte achtlos die Asche ab.
»Gehängt?« Cilla Breck starrte von einem Mann zum anderen. »Seid ihr verrückt geworden? Man kann doch keinen Unschuldigen hängen?«
Die Angst in ihren weit aufgerissen Augen verzückte Jeffries. Er hütete sich aber, seine wahren Gefühle zu zeigen. Die schöne Wirtin war nicht auf den Kopf gefallen. Sobald sie merkte, dass er ein falsches Spiel trieb, würde sie ihm die kalte Schulter zeigen. Damit wären alle seine Sehnsüchte passé. Cilla würde eher sterben, als sich mit ihm einzulassen. Okay, es gab noch die Möglichkeit, sie mit Gewalt zu nehmen. Aber das würde er nur tun, wenn man ihn zum Äußersten trieb.
Mit gespieltem Interesse wandte er sich an den alten Fallensteller. »He, Eli, steht noch mehr über den Mord in dem Käseblatt?«
Judd schüttelte seinen Graukopf. »Nicht viel. Nur, dass sie Lassiter ins City Prison gesperrt haben. Dort soll er bis zur Verhandlung bleiben.«
Einen Moment war Stille.
»Ich werde zu ihm gehen«, entschied Cilla Breck. Sie griff nach der Handglocke und läutete. »Feierabend! Trinkt aus und sucht euch ’ne andere Quelle! Der Maverick Saloon ist geschlossen!«
Jeffries unterdrückte einen Fluch. Mit dieser Wendung hatte er nicht gerechnet. Cilla überraschte ihn immer wieder. Was hat Lassiter, was ich nicht habe?
Er riss sein Glas an die Lippen und leerte es in einem einzigen Zug. Von Phelps und Marley gefolgt, ging er hinaus auf die Straße.
***
»Ich will zu Lassiter«, sagte Cilla Breck.
Deputy Holmes zog eine Grimasse. »Das geht nicht, Ma’am. Der Sheriff hat ihm jeglichen Kontakt verboten.«
»Lass mich zu ihm, Jim. Bitte.«
Der Blick des Deputies rutschte eine Etage tiefer. Es war unschwer zu erkennen, was in ihm vorging. Er war ein gesunder, kräftiger Bursche von knapp zwanzig Jahren. Wahrscheinlich hatte er noch nie eine Frau unter dem Bauchnabel berührt. Wie gebannt starrte er auf ihre üppige Oberweite. Sein Kehlkopf bewegte sich auf und ab. Cilla ging jede Wette ein, dass der Adamsjünger gerade einen Ständer bekam.
»Jim, tu’s für mich«, sagte sie mit viel Gefühl.
Sie stand vor dem klobigen Schreibtisch, hinter dem der junge Hilfssheriff auf einem Hocker saß. Sein Atem ging stoßweise. Als er seinen Blick hob und ihr in die Augen schaute, war sein Gesicht rot wie eine Chilischote.
»Ma’am«, keuchte er, »wenn ich Sie passieren lasse, wird Morris mir die Ohren vom Stamm reißen.«
»Ach was. Er wird überhaupt nichts merken.« Cilla trat einen Schritt vor, stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und bewegte leicht die Schultern. Sie spürte, wie sich ihre Vorbauten bewegten.
Holmes konnte kein Auge von ihr lassen. Er glotzte wie ein Ochsenfrosch.
»Nur fünf Minuten«, legte sie nach. Langsam beugte sie sich tiefer. »Fünf Minuten, Jim.«
Es wurde still. Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen gehört. Der Deputy hatte vor Spannung die Luft angehalten. Dann, ganz unvermittelt, atmete er aus.
Cilla kniff lauernd die Augen zusammen. Hatten ihre Argumente ihn überzeugt?
»Okay, fünf Minuten«, sagte er.
Im nächsten Augenblick schnellte Holmes in die Höhe. Er eilte um den Tisch und pflückte einen Schlüsselbund vom Brett über dem Gewehrständer. Auf einmal hielt er inne. Nach kurzem Zögern band er sein Halstuch ab. Er reichte es Cilla.
Sie hob fragend die Brauen.
»Im Jail sitzen ein paar schwere Jungs«, erklärte er. »Zwei Sittenstrolche und ein Zuhälter. Wir müssen an ihnen vorbei, wenn wir zu Lassiters Käfig wollen. Besser, Sie bringen die Halunken nicht in Versuchung.«
»Verstehe.« Cilla band sich das Tuch so um den Hals, dass es ihr großzügiges Busenschaufenster verdeckte. »So in Ordnung?«, fragte sie.
»O ja, Ma’am.« Holmes seufzte so tief, dass sie ihm am liebsten die Wange getätschelt hätte.
Der Zellentrakt befand sich im rückwärtigen Teil des Gebäudes. Durch die Verbindungstür gelangten sie in den fensterlosen Vorraum. Die Luft war stickig, es roch nach kaltem Rauch, Schweiß und verschüttetem Kaffee. Cilla rümpfte die Nase. Hinter den Gitterstäben erkannte sie mehrere Männer. Sie saßen um einen runden, grob gehobelten Tisch und spielten Karten. Jetzt blickten sie auf und glotzten.
Cilla kniff die Lippen zusammen. Bei einem der Typen handelte es sich im John Howard Banks, einem fiesen Geschäftemacher, der junge Mädchen für Bordelle rekrutierte. Er hatte das auch schon mal im Maverick Saloon versucht. Doch Cilla hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ein Wort von ihr hatte genügt, und zwei handfeste Cowboys hatten seinem Treiben ein rasches Ende bereitet. Seitdem hatte der Mädchenschreck den Saloon nicht wieder betreten.
»He, Cilla!« Banks fasste sich an den Hosenlatz. »Komm rein und mach es uns deinen Mamas!«
Seine Mitspieler jubelten vor Vergnügen.
»Ja, los, komm rein, Baby!«, brüllte ein Hänfling mit Hasenscharte. »Mach’s mir zuerst, dann steck ich dir was Hartes in deine Spardose!«
Die Gefangenen stampften grölend mit den Füßen.
Cilla bekam eine Gänsehaut. Sie hoffte, dass sie diesen Halunken nie im Dunkeln begegnete. Instinktiv befühlte sie die Derringer-Pistole, die sie in einem Spezialholster unterm Rock trug. Der unerfahrene Hilfssheriff hatte sie nicht kontrolliert.
Vor der Tür der hinteren Zelle machte Holmes Halt. »Wachen Sie auf, Lassiter«, rief er in den Käfig. »Sie haben Besuch.«
Durch die Gitterstäbe spähte Cilla ins Innere. Lassiter besaß eine Kammer für sich allein. An den gekalkten Wänden wimmelte es von ordinären Kritzeleien. Der Gefangene lag auf einem Feldbett, den Hut auf dem Gesicht, und schien zu schlafen.
Jetzt erhob er sich. »Cilla, Sie?«, rief er, als er sie sah. »Freut mich, Sie zu sehen.«
Cilla Breck lächelte matt. Ein Ring aus Draht spannte sich um ihr Herz. Die Vorstellung, diesen Mann aufs Schafott steigen zu sehen, entsetzte sie. Für einen Moment dachte sie darüber nach, ihm ohne große Vorrede ihre Zuneigung zu gestehen.
In letzter Sekunde verwarf sie den Gedanken. »Was ist geschehen?«, fragte sie stattdessen. »In der Zeitung stehen furchtbare Dinge. Es heißt, Sie wären ein Raubmörder. Ich begreife das nicht.«
Der Deputy räusperte sich. »Fünf Minuten, nicht länger.« Er wandte sich um.
»Schick uns Miss Titty rüber«, erklang Banks’ Stimme von nebenan. »Das Höllenweib ist gut in Schuss. Sie verkraftet uns alle drei.«
»Zur gleichen Zeit!«, krähte sein Zellengenosse.
Holmes hämmerte die Schlüssel gegen die Gitter. »Haltet euer Maul, ihr Galgenvögel!«, blaffte er. »Wenn ihr nicht spurt, lasse ich euch kastrieren.«
Höhnisches Gelächter ertönte.
»Kommt! Spielen wir weiter!«, rief Banks. »Smithee, du gibst!«
Endlich kehrte wieder Ruhe ein.
Cilla war froh, dass es eine gemauerte Trennwand zwischen den beiden Gefängniszellen gab. Sie krallte die Hände um zwei Stäbe. »Lassiter, erzähl mir, was wirklich passiert ist!« Sie atmete schwer. »Ich glaube kein Wort von dem Unfug in der Zeitung. Was war mit Nick Roberts? Wie kam er in dein Zimmer?«
Lassiter sah sie an. »Weißt du, dass du verteufelt sexy aussiehst, wenn du dich so aufregst?«
Sie schmollte. »Du nimmst mich nicht ernst.«
»Oh doch, das tu’ ich.« Er lächelte. »Entschuldige. Ich wollte dich nicht ärgern. Dabei bin ich so froh, dass du gekommen bist.«
Sie trat von einem Fuß auf den anderen. Der Wohlklang seiner Stimme erwärmte ihr Herz.
»Woher wusstest du, dass ich im Jail bin?«, erkundigte er sich.
»Eli Judd hat uns aus der Clanton Review vorgelesen.«
»Der gute Eli. Wie geht’s dem alten Zausel?«
»Gut. Nur mit dem Sehen hat er Schwierigkeiten. Seine Augen werden immer schlechter. Er braucht eine neue Brille, eher heute als morgen.«
»Sobald ich hier raus bin, fahre ich mit ihm nach El Paso. Dort gibt es einen erstklassigen Optiker.«
Sie seufzte. »Du glaubst, sie lassen dich frei?«
»Natürlich. Ich bin unschuldig.«
»Und was ist mit Nick Roberts?«
»Den haben sie mir tot vors Bett gelegt.« Lassiter fasste sich an den Kopf. »Vorher hat mir jemand eins auf den Schädel gegeben. Sieht so aus, als hätte da jemand eine Stinkwut auf mich.«
Cilla nickte. Das entsprach auch ihrer Vermutung. Jemand wollte Lassiter etwas ans Hemd flicken. Und diesem geheimnisvollen Unbekannten war jedes Mittel recht, er ging über Leichen. Erstaunlich, dass Lassiter dennoch so gelassen blieb. Immerhin drohte ihm der Galgen. »Ich hoffe, der Sheriff sieht seinen Irrtum bald ein«, sagte sie.
»Da bin ich sicher.« Lassiter streckte seine Hand durchs Gitter und streichelte ihre Wange. »Warum trägst du dieses scheußliche Tuch?«
»Der Deputy hat es mir gegeben. Er hatte Angst, mein Anblick könnte die Gefangenen durcheinanderbringen.«
Lassiter grinste. »Ein helles Köpfchen, dieser Holmes.«
Plötzlich verspürte Cilla den unstillbaren Drang, den Mann hinter den Eisenstangen zu küssen. Der Deputy hatte ihnen nur fünf Minuten bewilligt. Bestimmt waren schon zwei davon vergangen. Wenn man mit einem geliebten Menschen zusammen war, verging die Zeit doppelt so schnell wie gewöhnlich.
Cilla griff durchs Gitter, zog Lassiter gegen die Stäbe und presste ihm ihre Lippen auf den Mund. Prompt erwiderte er ihren Kuss. Sie spürte den Druck seiner Hände auf ihren Hüften. Die Berührung erregte sie so sehr, dass sie den Kuss abbrechen musste, weil sie befürchtete, ihren Körper nicht mehr kontrollieren zu können.
»Full house!«, rief ein Spieler aus der Nachbarzelle.
Cilla rang um Atem.
»Alles in Ordnung mit dir?« Lassiter drückte sacht ihre Hand.
»Ja, alles gut.« Mühsam brachte sie ein Lächeln zustande.
In diesem Augenblick überkam sie eine grässliche Vision. Sie erblickte eine Holzbühne mit einem Galgenbaum. Vom Querholz hing ein dicker Hanfstrick, der in einer Schlinge endete. Ein kleiner, schwarz gekleideter Mann in engen Röhrenhosen trat auf das Podium – Mr. Death, der Henker! Fachmännisch überprüfte er den Knoten an dem Seilende. Mit dem Ergebnis zufrieden, wandte er sich um und winkte zwei Sternträgern, die den gefesselten Lassiter an den Armen gepackt hielten. Sie geleiteten ihn über die in den Holzboden eingelassene Falltür zum Galgen. Dort angekommen, nahm Mr. Death dem zum Tode Verurteilten den Hut ab. Feierlich band er Lassiter eine schwarze Binde vor die Augen. Sie sah die laufenden Bilder so plastisch vor sich, dass sie vor Erregung zu zittern begann.
»Cilla?« Lassiter streichelte ihre Wange.
Sie schrak zusammen wie unter einem Peitschenhieb. Die Vision verblasste und verschwand. »Ich habe Angst um dich«, sagte sie gepresst. »Große Angst.«
Nebenan, im Sheriff’s Office, wurden Geräusche laut. Deputy Holmes. Er klapperte mit dem Schlüsselbund.
Die fünf Minuten waren um.
Cilla kam eine Idee. Sie griff in die verborgene Tasche ihres Rocks. Als sie die Hand wieder vorzog, schimmerte die Pistole darin.
Im Schloss der Verbindungstür knirschte der Schlüssel.
Cilla reichte den Derringer durch die Gitter. »Für alle Fälle«, flüsterte sie.
Lassiter griff blitzschnell zu. Die Waffe verschwand unter seinem Hemd. Einen Moment später sprang die Zwischentür auf.
Deputy Holmes trat in das Jail.
Cilla spürte, wie Lassiter sanft ihre Hand drückte. Sie erwiderte den Druck, kniff spitzbübisch ein Auge zu und lächelte zuversichtlich.
»Das werde ich dir nie vergessen, Cilla«, sagte er mit warmer Stimme.
Ich werde dich auch nie vergessen, dachte sie. Und wenn sie dich hängen, werde ich dich rächen, so war mir Gott helfe.
Als der Sternträger sie hinausbegleitete, blickte Cilla sich noch einmal um.
Lassiter streckte eine Hand durchs Gitter und winkte ihr.
Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Hand und blies ihn zu seiner Zelle hinüber.
***
Ein scharfer Ton riss den Gefangenen John Banks aus dem Schlaf.
Ganz in seiner Nähe hatte jemand ein Zündholz angerissen. Zwei Augen funkelten im Widerschein des unsteten Flämmchens. Stiefel scharrten über den ungefegten Steinboden. Es war mitten in der Nacht.
»Wer ist da?«
»Der Heilige Geist«, sagte die Stimme, die Sheriff Morris gehörte. »Muss mit dir reden, John.«
Banks hob den Kopf. »Jetzt? Hat das nicht Zeit bis morgen?«
»Nein.«
»Was gibt’s denn so Wichtiges?«
Morris zündete eine Kerze an. Über die Zellenwände huschten dunkle Schatten. Smithee und Carmichael, die Mitgefangenen, lagen in tiefem Schlummer.
Banks packte die Neugier. Anscheinend hatte der Sheriff ein krummes Ding vor.
»Es geht um den Windhund in der Nachbarzelle«, raunte Morris, »der Killer, der den armen Roberts abgemurkst hat. Morgen, nach dem Frühstück, verlege ich ihn zu euch in die Zelle.«
Banks starrte den Sheriff an. »Warum? Was hat das zu bedeuten?«
Morris hob die Kerze höher. »Der Maler kommt. Die Wände nebenan sind voller Kritzeleien. Sie brauchen einen neuen Anstrich.«
Ausflüchte. Banks war auf der Stelle hellwach. Sogleich witterte er ein Geschäft. Er kannte Morris nicht erst seit gestern. Der Sternträger war ein korrupter, gemeiner Kerl. Im Prinzip gehörte er auch hinter Gitter. Morris deutete die Gesetze, wie es ihm gefiel. Niemand begehrte gegen ihn auf. Die meisten Leute hatten Angst vor ihm und duckten sich. »Was haben wir mit der Sache zu tun?«, fragte Banks.
»Ihr könntet mir einen Gefallen tun.«
»Was ist das für ein Gefallen?«
Der Sheriff wies mit dem Kopf nach nebenan. »Euer Nachbar braucht ’ne Abreibung. Kriegt ihr das hin?«
Banks zierte sich nicht lange. »Ja, warum nicht? Smithee und Carmichael sind gut in Form. Die freuen sich, wenn sie sich mal austoben dürfen.« Banks zog ein Pokergesicht. »Nun ja, und was springt für uns dabei heraus?«
»An was denkst du?«
»Sie könnten uns laufen lassen, Chef.«
»Gott bewahre!« Morris hob abwehrend die linke Hand. »Unmöglich. Wenn ihr flitzt, stehe ich ja da wie ein Trottel. Nein, so läuft das nicht. Such dir was anderes aus, John.«
Der Gefangene überlegte kurz. »Wie wär’s mit ’nem Girl zum Verlieben?«
»Hm.« Morris rieb schnaufend sein Kinn.
»Für jeden von uns ’ne Sidewalkdohle, sagen wir, für eine Stunde, dann übernehmen wir den Job.«
Sekunden vertickten.
»Okay, genehmigt«, entschied Morris. »Ich besorge euch Trudie Gallover und ihre beiden Schwestern.«
Banks krauste die Nase. »Die Gallover-Schwestern wollen Sie uns andrehen?«
»Warum nicht? Das sind Frauen, die mitten im Leben stehen. Die pumpen euch Saukerlen den letzten Tropfen aus dem Leib.«
Banks zog ein Gesicht, als hätte er in einen Kuhfladen gebissen. »Die Gallover-Girls können Sie behalten, Chef. Trudie hatte ihre beste Zeit vor zwanzig Jahren, als Abe Lincoln noch in Theater ging. Und Nora hat seit letztem Winter ein gottverdammtes Holzbein. Weiber mit Holzbeinen sind nicht mein Fall.«
Morris lachte leise. »Was hast du gegen Holzbeine, John? Sei nicht so kleinkariert! Wie heißt es so schön: Einem geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul.«
Die Kerze flackerte stärker. Eine Windbö pfiff übers Dach und heulte im Schornstein. Der bullige Carmichael fantasierte im Schlaf. Smithee wälzte sich auf den Rücken und fing an zu schnarchen.
»Wir wollen andere Mädels«, erklärte Banks. »Keine, die so alt sind wie unsere Mütter. Wenn Sie uns mit Mumien abspeisen wollen, kommen wir nicht ins Geschäft.«
Morris steckte zurück. »Nun gut, werde sehen, was sich machen lässt.«
Banks legte sich wieder hin. Er hoffte, dass der Traum weiterging, aus dem er aufgeschreckt worden war. In seiner Fantasie war die Saloonbesitzerin Cilla Breck in seine Zelle gekommen und hatte sein Gewürm zwischen ihre Ballermänner genommen. Dabei hatte sie fortwährend seinen Namen geflüstert.
Morris stapfte schwerfällig zur Zellentür. Bevor er die Kerze ausblies, warf er noch einen Blick über die Schulter. Er grinste schief.
Der Gefangene reckte seinen gestreckten Daumen in die Höhe.
Der Sheriff entfernte sich. Banks machte die Augen zu und seufzte. Er hoffte, dass ihm Cilla Breck noch einmal erschien.
Doch er träumte von Nora Gallover.
***
Lassiter marschierte in seiner Zelle auf und ab.
Fünf Schritte bis zur Gittertür. Umdrehen. Fünf Schritte bis zur Wand mit den Kritzeleien.
Nachdem er die Strecke etwa ein Dutzend Mal absolviert hatte, blieb er vor dem Klapptisch stehen, auf dem das Tablett mit dem Geschirr vom Frühstück stand. Er nahm den verbeulten Becher und trank den letzten Rest Kaffee. Das Zeug sah aus wie Spülwasser und schmeckte grauenhaft. Aber es löschte den Durst.
Lassiter überlegte, was er tun konnte, um seine Lage zu verbessern. Jemand hatte ihm übel mitgespielt. Alle, außer Cilla Breck, hielten ihn für den Mörder des allseits beliebten Nick Roberts. Wenn ihm nicht schleunigst etwas einfiel, landete er vor Gericht. Die Jury würde bis zum letzten Mann aus Einheimischen bestehen. Ihre Sympathien galten dem toten Roberts. Lassiter machte sich nichts vor. Wenn nicht ein Wunder geschah, würde man kurzen Prozess mit ihm machen. Wenn’s gut lief, zwanzig Jahre Zuchthaus im berüchtigten Fort Yuma; wenn’s schlecht lief, Tod durch den Strang.
Trübe Aussichten.
Er fragte sich zum hundertsten Mal, wer ihm das alles eingebrockt hatte. Bis gestern hatte er geglaubt, dass er in Clanton keine Feinde hatte. Er war hierher gekommen, um auf den nächsten Auftrag der Brigade Sieben zu warten. Die Zentrale wollte ihm einen Kurier schicken, sobald es etwas Neues gab. Doch jetzt war er in diesen Hotelmord hinein geschlittert. Das konnte böse Folgen haben. Von Seiten seiner Organisation war keine Hilfe zu erwarten. Sie operierte im Untergrund. Nur wenige wussten von ihrer Existenz. Er musste zusehen, wie er klarkam. Allein.
Lassiter trat ans Gitter und rüttelte an den Stangen. »He, Sheriff! Ich muss Sie sprechen!«, rief er. »He, Sheriff Morris!«
Der Angerufene erschien nicht.
»Halt dein großes Maul, Nachbar!«, knurrte es aus der Nebenzelle. »Wir wollen unsere Ruhe. Kapiert?«
Der Mann von der Brigade Sieben ignorierte den Einspruch. Er rüttelte an den Eisenstangen, dass es laut klirrte. Immer wieder rief er nach dem Hüter des Gesetzes. Doch der Polizeichef des Countys zeigte sich nicht.
Stattdessen erschien sein Gehilfe, Jim Holmes, gefolgt von einem Mann mit beklecksten Latzhosen, der einen Eimer Farbe und einen Quast bei sich trug. Beide blieben vor der Gittertür stehen.
»Wo ist Morris?«, fragte Lassiter den Hilfssheriff.
»Nicht da.« Holmes langte nach seinem Revolver und bog mit dem Daumen den Hahn zurück. »Legen Sie sich auf den Fußboden, Lassiter. Hände auf den Rücken.«
»Was soll das?«
»Ihr Apartment bekommt einen neuen Anstrich. Deshalb muss ich Sie umquartieren. Also, runter mit Ihnen. Ich muss Ihnen die Schellen anlegen. Vorschrift.«
Lassiter schwieg. Die Aussicht, zu den Ganoven nach nebenan zu müssen, missfiel ihm. Doch wie es aussah, hatte er keine Wahl.
Holmes schloss auf. Die Gittertür quietschte in den Angeln. Er griff nach den Messingringen, die ihm am Gürtel baumelten. »Machen Sie schon, Mann! Hinlegen, habe ich gesagt! Hinlegen und Hände nach hinten!«
»Nein!«
»Nein?« Holmes zog eine Grimasse. »Legen Sie sich nicht mir an, Lassiter. Wenn Sie Ärger machen, hetze ich Ihnen den Chef auf den Hals. Morris wird Ihnen die Ohren vom Stamm reißen.«
»Mir egal.« Lassiter streckte die Hände vor. »Wenn Sie mich schon fesseln wollen, dann wie es sich gehört, mit den Händen nach vorn.«
Holmes kaute unschlüssig auf seiner Lippe. Der Lauf seines Colts zielte auf den Bauch des Gefangenen.
»Ich habe nicht ewig Zeit«, sagte der Mann mit dem Farbeimer ungeduldig.
Endlich gab der Deputy nach. Er legte Lassiter die Schellen an, und zwar vorn. Dann piekste er ihm den Coltlauf in die Rippen. Lassiter setzte sich in Bewegung. Holmes blieb auf Tuchfühlung.
Nach ein paar Schritten standen sie an der vorderen Zellentür.
Banks, Smithee und Carmichael erwarteten ihren neuen Mitbewohner bereits. Sie standen nebeneinander, die Arme über der Brust verschränkt. Ihre Mienen verhießen nichts Gutes.
Lassiter war auf der Hut. Er hoffte, dass ihm der Deputy die Handschellen sofort wieder abnahm, sobald er hinter Gittern war.
Er sollte sich irren.
Holmes schubste ihn in die Zelle, rammte die Tür hinter ihm zu und verriegelte sie.
»He, Holmes, Sie haben da was vergessen!«, protestierte Lassiter. »Ihre Schellen! Wollen Sie sie gar nicht wiederhaben?«
Der junge Sternträger grinste. »Strafe muss sein. Sie hätten vorhin auf mich hören sollen, Mann.«
»Nehmen Sie mir die Schellen ab, sofort!« Lassiters Stimme klang scharf wie ein Skalpell.
Holmes winkte ab. »Sie können mich mal.«
Die drei anderen Gefangenen lachten schadenfroh.
»Hab dich nicht so jungfernhaft, Lassie«, griente ein Hänfling mit Hasenscharte. »So ein hübsches Armband hat nicht jeder. Du solltest dich freuen.«
Am Rande seines Blickfeldes nahm Lassiter wahr, dass der Mann neben dem Kleinwüchsigen ein Stück Metall über seine Hand streifte.
Holmes bemerkte den Schlagring, sah aber schnell woanders hin. »Ich komme in einer Stunde wieder«, sagte er zu dem Maler. »Schaffst du es bis dahin, Phil?«
»Klar doch.« Der Handwerker verschwand in der hinteren Zelle.
Der Deputy ging steifbeinig hinaus. Die Verbindungstür klappte zu.
»Jetzt sind wir unter uns«, sagte Banks zu Lassiter. Er hob seine rechte Faust und tat, als rieche er an dem Schlagring. »Wie das duftet, einfach köstlich. Willst du auch mal riechen, Großer?«
Der riesenhafte Carmichael und der kleine Smithee grinsten belustigt.
Lassiter sah von einem zum anderen. Er wusste, was ihm blühte, wenn er jetzt nachgab. Die Kerle hielten ihn für einen aufgeblasenen Stutzer, mit dem sie leichtes Spiel hatten. Er musste ihnen klarmachen, dass sie sich irrten. Wenn es sein musste, auf die harte Tour.
Auf die ganz harte Tour.
Er sah Banks an, den er für den Anführer hielt. »Wenn du mich anfasst, bist du im Eimer.«
Smithee und Carmichael grinsten nicht mehr. Sie schoben sich ein Stück vor.
Banks hielt sie zurück. Er kniff die Augen zusammen und taxierte Lassiter von Kopf bis Fuß. Sein Blick blieb auf den Handfesseln haften. »Was hast du da eben gesagt?«, sagte er leise. »Hab’s nicht richtig verstanden, Großer.« Er legte eine Hand hinter sein Ohr.
Stille. Man hörte nur, wie der Quast des Malers über die Wand ratschte.
Lassiter spannte seinen Bizeps. »Du wirst es verstehen, wenn du mich angefasst hast«, sagte er hart.
Banks schien beeindruckt. Er schluckte, als hätte er einen Kloß im Hals.
Der Mann mit der Hasenscharte übernahm. Großkotzig baute er sich vor Lassiter auf. »Hau hier nicht so auf den Putz. Hörst du? Du hast Nick Roberts kaltgemacht. Das werden wir dir nicht durchgehen lassen. Old Nicky war unser Freund.«
Lassiter sagte nichts. Jedes Wort an diese Kerle war ein verschwendetes Wort. Sie wollten ihm an die Wäsche. Das spürte er genau.
»Er spricht nicht mit uns«, krähte Smithee. »Wie findet ihr das, Jungs?«
In diesem Augenblick flog Banks’ Metallfaust durch die Luft. Lassiter hatte den Braten gerochen und wich dem Schlag aus. Die Faust sauste über seine Schulter hinweg. Banks geriet ins Taumeln. Lassiter riss seine Fäuste hoch und donnerte Banks die geballte Ladung unters Kinn. Banks hob sich ab. Mit einem Schrei auf den Lippen krachte er gegen die Wand.
Jetzt ging Carmichael auf Lassiter los. Lassiter ließ ihn ins Leere laufen. Im nächsten Augenblick ging er zum Gegenangriff über. Mit dem Knie traf er die Weichteile des Riesen. Als der sich vor Schmerz krümmte, drosch Lassiter ihm das andere Knie gegen den Unterkiefer. Jäh klappten Zähne aufeinander. Carmichael hatte sich auf die Zunge gebissen und veranstaltete einen Veitstanz. Smithee, der Dritte im Bunde, kam ihm zu Hilfe. Er sprang Lassiter an und versuchte, ihm die Luft abzudrücken.
Der Mann von der Brigade Sieben tänzelte rückwärts, stieß den Tisch um und packte den Zwerg an den Haaren. Smithee brüllte vor Wut und Schmerz. Er gebärdete sich wie eine Wildkatze. Doch all sein Sträuben half ihm nichts. Lassiter schleuderte ihn gegen das Gitter.
Inzwischen hatte sich Banks wieder erholt. Mit wutverzerrter Miene stürmte er auf Lassiter los. Seine Metallfaust landete einen schweren Körpertreffer. Lassiter japste nach Luft. Banks deckte ihn mit einem Hagel von Schlägen ein. Lassiter blockte die meisten ab. Doch zwei, drei Hiebe fanden ihr Ziel.
Zum Glück kam er schnell wieder zu Atem. Ihm gelang es, Banks an das Gitter zu pressen. Mit ein paar wuchtigen Hieben zwang Lassiter ihn in die Knie. Banks Gesicht war eine Maske des Grauens, als Lassiter sich seinen anderen Gegnern zuwandte.
Smithee stand da, mit aufgehaltener Hand, und spuckte Blut und Zähne hinein. Der baumlange Carmichael lehnte in der Ecke, beide Hände in sein Gemächt gepresst. Er atmete schwer vor Schmerz und Erregung.
Lassiter trat an das vordere Gitter. Der Kampf war zu Ende. Seine Gegner sahen nicht so aus, als wären sie auf eine Fortsetzung scharf.
Jenseits des Gitters ertönte Applaus.
Phil, der Maler, klatschte in seine beklecksten Hände. »Mein lieber Schwan«, sagte er. »Das war eine bühnenreife Vorstellung, Mister. Sie haben den dreien ja mächtig eingeheizt.«
Lassiter bedachte ihn mit einem flüchtigen Blick, dann spähte er über Phils Schulter hinweg zur hinteren Zelle, deren Tür weit offen stand.
Im Schloss steckte ein Schlüssel.
Da war es – das Wunder, auf das er gewartet hatte.
Beidhändig griff er nach dem Derringer unter seinem Hemd. Der Maler fuhr zusammen, als er auf einmal eine Waffe auf sich gerichtet sah.
»Schließ mir die Tür auf, Phil«, sagte Lassiter.
Der Mann stand wie in Stein gehauen.
»Schließ auf!«
»Aber …«
Lassiter schnitt ihm das Wort ab. »Du willst doch nicht den Helden spielen, oder?«
»Nein, Mister, ich bin Handwerker, kein Revolvermann.«
»Eben. Also tue, was ich sage.«
Endlich erwachte Phil aus seiner Erstarrung. Er tat, wie ihm geheißen. Der Schlüssel ratschte im Schloss. Die Tür sprang auf.
Lassiter gelangte ungehindert ins Freie.
***
Ungefähr zur gleichen Zeit trat Cilla Breck aus ihrem Haus, das in einer unbelebten Seitengasse von Clanton lag. Die Sonne schien, und sie hatte vor, die Fenster zu putzen. Sie trug ein altes Kattunkleid und klobige Holzpantinen. Das dunkle Haar hatte sie am Hinterkopf zum Pferdeschwanz gebunden.
Da erblickte sie Hank Stone.
Der stadtbekannte Trunkenbold ritt auf seiner klapprigen, rotbraunen Stute Trudie, offenbar war er auf dem Weg zu einer Trinkstube in der Mainstreet. Wie immer trug er seine grüne, abgewetzte Jacke und den erdbraunen Filzhut, dessen Krempe mit einem Stück Stacheldraht an der Krone befestigt war. Als er Cilla bemerkte, zügelte er sein Pferd und hielt an.
»Guten Morgen, Miss Breck.« Er tippte mit zwei Fingern gegen seine Schläfe. »Haben Sie es schon gehört?«
»’n Morgen, Hank.« Cilla rillte die Stirn. »Was soll ich gehört haben?«
»Aus dem Jail ist ein Killer entwischt, ein übler Bursche.«
»Ach ja?« Sofort musste sie an Lassiter denken. Sie hatte ihm ihre Pistole zugesteckt und gehofft, dass ihm die Flucht gelang.
Schon bestätigte sich ihr Verdacht. »Der Mann, der Nick Roberts getötet hat, ist heute Morgen getürmt«, fuhr Stone fort. »Sein Name ist Lassiter.«
»Lassiter?«
Stone nickte. »Ich weiß es genau. Phil Kerry, der Maler, hat’s mir brühwarm erzählt. Er war dabei, als der Bursche sich empfahl.«
Lassiter ist frei! Ein Gefühl der Erleichterung durchfloss die Saloonbesitzerin. Doch im nächsten Moment packte sie Furcht. »Was ist mit dem Sheriff? Hat er ein Aufgebot zusammengestellt?«
»Wie denn?« Stone hob die Schultern. »Er weiß noch gar nichts von Lassiters Flucht. Er ist wieder mal drüben in Junction Hill.«
Cilla dachte sich ihr Teil. Man munkelte, der Sheriff hätte eine Affäre mit der Wirtschafterin der MT-Ranch. Wie auch immer, Hauptsache, Lassiter war in Sicherheit. »Was ist mit Holmes, dem Deputy?«, fragte sie. »Will er nichts unternehmen?«
Stone winkte müde ab. »Pah – Jimmy Holmes hat doch nur ein großes Maul. Ich nehme an, Morris wird ihn zum Teufel jagen, sobald er wieder da ist. Phil Kerry sagt, Holmes habe den Schlüssel zur Zellentür nicht abgezogen. Deswegen konnte Lassiter verduften. – Ma’am?«
»Ja?« Cilla wischte sich ein Haar aus dem Gesicht.
Der Mann auf dem Pferd bedachte sie mit einem Dackelblick. »Könnten Sie mir vielleicht mit ein paar Cents aushelfen? Bin gerade etwas knapp bei Kasse. Ich geb’s Ihnen zurück, so bald ich kann.«
Cilla ging ins Haus. Nach kurzer Zeit kam sie mit einigen kleinen Münzen zurück.
Stone freute sich, als sie ihm das Geld auf die ausgestreckten Hände schüttete. »Maria und Josef! Das ist ja ein ganzer Dollar.«
»Trinken Sie auf mein Wohl!«
»Ihr Wunsch ist mir Befehl.« Der Vagabund lüftete den Hut und entblößte eine Halbglatze, die wie die Tonsur eines Klosterbruders aussah. Dann gab er dem Rotfuchs die Sporen und ritt langsam weiter.
Cilla putzte das Fenster und pfiff munter vor sich hin. Die Nachricht von Lassiters geglückter Flucht stimmte sie froh. Sie schüttete das Schmutzwasser fort und ging ins Haus.
Die Arbeit in der gleißenden Sonne hatte sie zum Schwitzen gebracht. Sie zog Kleid und Unterrock aus. Im Schlüpfer trat sie vor den großen Bodenspiegel in der Stube. Während sie den Knoten öffnete, der ihr langes Haar zusammenhielt, begutachtete sie ihren Körper.
Selbstverliebt drehte sie sich um die eigene Achse. Ihr Busen schlenkerte hin und her. Scharf! Kein Wunder, dass die Männer Stielaugen bekamen, wenn sie ein tiefes Dekolleté trug. In ihrem Geist ließ sie alle Frauen aufmarschieren, die sie kannte. Das dauerte eine Weile. Schließlich stand Cillas Entscheidung fest. Sie war die Attraktivste von allen. Nicht mal Julie LeGrand, die berühmte Schauspielerin aus Laredo, konnte es mit ihr aufnehmen.
»Du bist der heißeste Feger weit und breit«, dachte sie laut.
Der Gedanke erfüllte sie mit Stolz.
Sie füllte ihre Lungen mit Luft, zog den Bauch ein und drückte die Schultern zurück. Während sie prüfend ihre wohlgeformten Rundungen beäugte, dachte sie an die Männer, die ihr ganzes Hab und Gut für den Anblick ihrer Nacktheit geboten hätten.
Cilla berauschte sich an diesem Gefühl.
Aus einem Impuls heraus berührte sie ihre Brüste, zuerst die linke, die eine Idee tiefer lag, dann die rechte, mit dem Leberfleck über der Warze.
Cilla stöhnte und rieb die Innenseiten der Schenkel gegeneinander. Irgendwie war sie heute besonders empfänglich für Berührungen. Ob es an der guten Nachricht lag, die Hank Stone ihr übermittelt hatte?
Sie wusste es nicht. Jedenfalls überkam sie plötzlich ein brennendes Verlangen. »Cilla«, sagte sie zu der Frau im Spiegel. »Böses Mädchen, was fällt dir ein? Du willst doch nicht etwa an dir herumspielen, oder was?«
Die Spiegelfrau kniff verschwörerisch ein Auge zu. Mit der Zungenspitze feuchtete sie Daumen und Zeigefinger an und rieb an ihrer linken Brustwarze.
»Meine Güte, tut das gut«, sagte sie.
»Mach unten weiter, Liebes«, antwortete die Spiegelfrau. »Es wird dir gefallen. Du wirst staunen, wie gut das tut.«
»Aber ein anständiges Mädchen tut so etwas nicht«, sagte Cilla zu ihrem Spiegelbild.
»Doch, alle tun es«, kam es zurück »Auch die Anständigen, wie du sie nennst. Sie reden bloß nicht darüber.«
»Na ja, wenn man es so sieht.« Cilla zitterte vor Verlangen, als sie ihren Slip abstreifte.
Zum ersten Mal in ihrem Leben streichelte sie sich selbst zwischen den Beinen. Schon nach knapp einer Minute legte sie eine Pause ein. Ihr Atem ging stoßweise. Ihr Herz schlug so schnell, als hätte sie die letzte Minute unter Wasser verbracht. Sie war jetzt so erregt, dass sie es sogar mit Hank Stone oder einem Besenstiel getrieben hätte.
Sie wartete, bis sie sich etwas beruhigt hatte. Dann leckte sie ihre Fingerspitzen erneut an.
Ganz plötzlich hörte sie die lose Diele in der Küche knarren. Das Geräusch war kurz und trocken. So klang es, wenn ein menschlicher Fuß darauf trat.
Alarmiert fuhr sie herum.
Die Verbindungstür stand halb offen.
Cilla horchte angespannt.
Stille. Nichts regte sich. Hatte sie sich getäuscht? Wahrscheinlich war ihre Wahrnehmung im Moment übermäßig sensibel, weil sie so heftig an sich gespielt hatte.
Cilla sah zu dem Stuhl hinüber, auf den sie das durchgeschwitzte Kleid und ihre Unterwäsche gelegt hatte. Dann blickte sie über die Lehne hinweg, zu dem Vertiko, in dem ein großer, mit sechs Patronen bestückter Peacemaker-Revolver lag.
Mit drei Schritten war sie dort, öffnete die Lade und zog den Colt hervor. Vorsichtig spannte sie den Hahn. Mit der schussbereiten Waffe in der Hand wähnte sie sich auf der sicheren Seite. »Wer ist da?«, rief sie. »Hallo, melden Sie sich!«
Stille, aber nur einen Moment.
»Nicht schießen«, sagte dann eine Stimme.
Der Wohlklang bescherte Cilla ein Kribbeln unter der Haut.
»Lassiter«, hauchte sie.
***
Er schob die Tür ganz auf und erblickte die nackte Frau mit dem großen Revolver. »Wow, das ist ein Empfang, wie ich ihn liebe«, verkündete er.
Cilla ließ die Waffe sinken. Sie starrte ihn an, als wäre er ein Geist. Dann wischte sie sich über die Augen. Sie seufzte schwer.
Lassiter zeigte ihr seine gefesselten Gelenke. »Ich hoffe, du hast Werkzeug im Haus.«
Sie flog ihm um den Hals und drückte ihn.
Wegen der Handschellen konnte er sie nicht umarmen und musste die Hände unten lassen. Krauses Schamhaar kitzelte ihn an den Fingern. Auf Verdacht griff er zu und fand ihre schlüpfrige Spalte. Mit gekrümmten Fingern massierte er die zarten Fältchen.
Da sprang sein Gürtel auf. Cillas emsige Finger hievten seinen Stößel aus der Hose. Mit sichtlicher Wollust rieb sie daran. Dabei blickte sie Lassiter fest in die Augen.
Der Mann grub seine Hände in das wippende Brustfleisch. Cilla warf den Kopf in den Nacken. Ihr langes Haar peitschte ihm ins Gesicht. Er packte sie um die Taille und hob sie auf den Esstisch. Cilla spreizte die Beine und schlang sie ihm um den Hals. Während sie ihr Becken vor und zurück bewegte, legte Lassiter seine Hände um ihren Hintern und drückte fest zu.
»Himmel und Hölle!«, keuchte sie. In ihren braunen Augen schillerte die blanke Lust.
Er hob die Frau hoch und trug sie zur Schlafecke hinüber. Rücklings sank sie auf das Strohpolster. Das Holzgestell quittierte die Last ihres Körpers mit einem kurzen Quietschton.
Lassiter setzte sich auf das Bett. Er drückte Cillas Beine zu einem offenen Dreieck in die Luft. Ruckweise schob er sich an ihr Becken. Den Pint im Anschlag, zupfte er hier und da herum. Cilla verdrehte die Augen, dass nur noch wenig Weiß darin zu erkennen war.
»Mein Gott, was machst du mit mir?«, keuchte sie.
Lassiter rammte ihr die Spitze seines Sporns zwischen die Schenkel. Cilla stöhnte auf. Sie reckte die Hände über den Kopf. Mit den Fingerspitzen stemmte sie sich an der Wand ab. Auf diese Weise holte sie immer wieder neuen Schwung, um den harten Stößen ihres Partners Paroli zu bieten.
Nach einiger Zeit hatte ihr Gesicht eine rote Färbung angenommen. Sie keuchte schwer und Lassiter drosselte sein Temperament.
Intuitiv passte Cilla sich an. Wie aufs Stichwort hielten beide plötzlich inne.
Cilla kniff ein Auge zu. »Liebst du mich?«
»Ja.«
»Lügner.«
»Ich lüge nicht.«
Mit ihrem Becken massierte sie sein Glied, dessen oberes Ende immer wieder in sie glitt. »Du brauchst mir nichts vorzumachen«, sagte sie. »Du bist ein Mann. Ich weiß, dass du mit mir nur ins Bett gehst, weil du auf meinen Körper scharf bist.«
Er lächelte. »So stimmt das nicht. Ich mag viel mehr an dir als deinen Busen und deinen Hintern.«
»Das sagst du nur, um mich …«
»Nein, es ist wahr.« Er kniff ihr sacht in die Brust, die etwas tiefer lag. Seine Lippen suchten ihren Mund. »Dass du mir den Derringer zugespielt hast, werde ich dir nie vergessen«, sagte er nach dem Kuss.
Cilla lächelte. Da fiel ihr Blick auf die Metallringe, die Lassiters Gelenke umschlossen. »Warte, bin gleich wieder da.«
Er sah, wie sie aufstand und in der Küche verschwand. Eine Weile hörte er sie darin rumoren. Schubladen klappten. Metall klirrte. Ein Stuhl schurrte. Dann lugte Cilla durch den Türspalt. Sie lächelte. »Rate mal, was ich eben gefunden habe?«
»Eine Feile?«
»Fast richtig.« Sie hob die Hand, die sie hinterm Rücken verborgen hatte. Eine Eisensäge mit Bügel kam zum Vorschein.
Lassiters Miene hellte sich auf. »Alle Achtung! Für eine Frau bist du gut ausgerüstet.«
Nach knapp einer halben Stunden emsigen Feilens plumpsten die zerteilten Messingreifen auf das Laken.
Cilla räumte die Ringe beiseite und setzte sich auf die Bettkante.
Vom Feilen war Lassiter etwas außer Puste. Sein mächtiger Brustkorb hob und senkte sich wie der Blasebalg in einer Hufschmiede.
Cilla hob eine Hand und streichelte ihn. »Du bist in Gefahr, Lassiter«, sagte sie. »Das macht mir Angst. Alle halten dich für einen abscheulichen Mörder.«
»Du auch, Cilla?«
»Unsinn. Natürlich nicht. Würde ich sonst Angst um dich haben?«
»Auch wieder wahr.« Er rieb seine Handgelenke. Die aufgescheuerte Haut hatte sich entzündet und tat weh. »Vielleicht ist es besser, wenn ich die Stadt verlasse«, gab er zu bedenken.
»Und der Mörder von Nick Roberts? Immerhin läuft er noch frei herum.«
»Du meinst, ich sollte ihn jagen?«
Sie überlegte kurz. »Nein, das ist Bullshit. Du bist der Gejagte. Du musst dich um dich selber kümmern. Niemand kann von dir verlangen, dass du unter diesen Umständen einen Mordfall aufklärst.«
Es entstand eine Pause.
»Der Mord an Roberts darf aber nicht ungesühnt bleiben«, nahm Lassiter den Faden auf. »Ich muss mir etwas einfallen lassen.«
Cilla hob ihre Brauen. »Heißt das, du bleibst hier? Trotz alledem?«
»Ja.« Seine Augen wanderten durchs Zimmer. »Was ich brauche, ist ein sicherer Unterschlupf.«
»Fürs Erste könntest du bei mir bleiben.«
»Zu gefährlich, besonders für dich.«
»Ach was. Ich schaff das schon.«
»Nimm das nicht auf die leichte Schulter. Wenn jemand sieht, dass ich aus deinem Haus komme, landest auch du am Pranger.«
»Meinst du?«
Er nickte. »Und ob! Jemand will mich vernichten. Wenn du mir beistehst, gerätst du auch in den Strudel.«
Sie schwiegen lange.
»Ich hab’s!«, platzte Cilla heraus. »Ich bringe dich im Theater unter. Unterm Dach gibt es einen Verschlag, da findet dich kein Mensch.«
Lassiter wollte Einspruch erheben, doch Cilla gab ihm keine Gelegenheit dazu. Sie warf ihn auf den Rücken und schwang sich auf seinen Schoß.
Sie ritt ihn so lange, bis er kam.
***
Lou Jeffries saß gerade beim Barbier, um sich eine Rasur verpassen zu lassen, als plötzlich die Tür aufflog.
Tom Marley stürmte in den Laden. »Verduftet«, sagte er und riss sich den Hut vom Kopf. »Holmes, dieser Idiot, hat den Kerl entkommen lassen.«
Jeffries ballte die Fäuste. »Wie? Was? Lassiter ist frei?« Die Nachricht war für ihn wie ein Schlag ins Gesicht.
Marley nickte zerknirscht.
»Verdammt!« Jeffries rang nach Luft. »Sind denn jetzt alle verrückt geworden? Spazieren die Herren Gefangenen neuerdings aus dem Jail rein und raus, wie es Ihnen gefällt? Ich … ich fasse es nicht!«
Rex Boppard, der Friseur, hob das lange Rasiermesser. »Meine Güte, sitzen Sie still, Jeffries. Ich schlitze ihnen ja sonst die Kehle auf.«
»Unterstehen Sie sich!« Jeffries, dessen Unterkiefer mit einer dicken Schicht Rasierschaum bedeckt war, rutschte auf dem gepolsterten Frisierstuhl hin und her. »Ich begreife das nicht. Zum Geier, wie konnte das passieren, Tom?«
»Lassiter soll sich wie ein Berserker aufgeführt haben«, antwortete der Schwarze. »Der Deputy hat ihn zu seinen Mitgefangenen verlegt, weil seine Zelle gestrichen werden sollte. Die drei Jungs wollten Lassiter einen heißen Empfang bereiten, aber die Aktion ging nach hinten los. Ein Schuss in den Ofen sozusagen. Lassiter hat die armen Teufel halbtot geschlagen. Der Kerl hat einen Schlag wie ein totes Pferd. Seine Gegner sind ins Lazarett gewandert. Besonders der lange Carmichael hat ’ne Menge abgekriegt.«
»Bill Carmichael, das Kraftpaket?«
»Genau. Umgefallen wie ein Sack Hafer.«
Jeffries schloss die Augen, während sich seine Hände in die Lehnen krallten. Der Mann, den er abservieren wollte, war aus dem Jail ausgebrochen. Starker Tobak. Wenn der Typ herausbekam, wer ihm den toten Roberts in die Bude geschmuggelt hatte, wurde es brenzlig, und wie! Banks, Carmichael und Smithee waren keine Weichlinge. Sie konnten hart zulangen, wenn es drauf ankam.
Aber Lassiter hatte sie windelweich geprügelt.
»Kann ich weitermachen?«, fragte Boppard und hob das Messer.
Jeffries setzte sich wieder in Positur. Er starrte auf die großen, bunten New York-Plakate, auf denen frisch frisierte Gentlemen vor historischen Gebäuden in Manhattan und Brooklyn posierten. Boppards Messer schabte ihm über den Kehlkopf. Der Barbier wischte den Schaum an dem Lappen ab, der ihm über der linken Hand baumelte, und setzte das Messer erneut an. Die Klinge glitt über die eingeschäumte Haut.
Im Spiegel beobachtete Jeffries Boppards sichere Bewegungen. Für einen Moment bewunderte er die ruhige Hand des Friseurs. Wenn Boppard mit dem Colt genauso gut umging wie mit Wetzstahl und Rasiermesser, war er ein todsicherer Schütze.