Lassiter Sammelband 1786 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1786 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2239, 2240 und 2241.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

2239: Trommeln am Seton Pass

Mahpee stand auf dem dunklen Platz hinter dem Saloon und spürte, wie der Schnaps in seinem Magen brannte. Durch die ungeputzten Scheiben des Fensters fiel ein Lichtviereck auf den Hinterhof. Im Innern des Hauses ertönten Stimmen. Füße stampften. Gläser klirrten. Manchmal erhob sich dröhnendes Gelächter. Lacht nur, dachte Mahpee. Lacht, so lange ihr's noch könnt!

Eine mächtige Vision überkam den Indianer. Die Bilder in seinem Kopf waren so plastisch, dass ihm der Atem stockte. Er sah sich selbst, wie er mit dem Schnellschussgewehr in den Saloon stürmte. Die weißen Männer erschraken, wandten sich entsetzt zur Flucht. Doch sie kamen nicht weit. Die Türen nach draußen waren versperrt.

Die Trugbilder erloschen. Mahpee trank noch einen Schluck aus der großen Flasche ...

2240: Sturm auf den Prairie Saloon

Der Schnösel tat schon beim Eintreten so, als ob der ganze Laden ihm gehörte. "Mach mal Platz", sagte er, nachdem er von der Schwingtür bis zur Theke stolziert war. Der schwingende Jackettaufschlag seines dunklen Anzugs ließ einen großkalibrigen Smith & Wesson erkennen. Blasiert dreinblickend, sah er sich kurz um. Nur wenige Gäste saßen an den Tischen, und an der zehn Yard langen Theke stand ein einzelner Mann.

"Lassiter", sagte der Schnösel. "Ich habe nicht den weiten Weg gemacht, um neben dir in einem Saloon stehen zu müssen." Er schob seinen linken Ellenbogen auf den Tresen, vier Schritte von dem Mann der Brigade Sieben entfernt.

Lassiter nickte, ohne den Kopf zur Seite zu wenden. "Du sagst, wie es ist, Ellwood", brummte er. "Für uns beide ist hier kein Platz."

"Also?", schnarrte der Schnösel herausfordernd.

"Musst du gehen", beschied ihn der große Mann kurz und knapp.

2241: Sündiges Vermächtnis

Das Warenhaus der Asian Food Trade Association roch nach Ingwer und gemahlenem Gelbwurz. Warren Priest hatte denselben Gestank schon Monate zuvor gerochen, als er den Handel mit dem Chinesen besiegelt hatte.

"Sechshundert Dollar", brummte Priest und griff in die Jackentasche. "Oder willst du mehr, Schlitzauge?"

Der Chinese mit dem goldenen Ring im Ohr verzog keine Miene. Er schüttelte langsam den Kopf und reichte dem Amerikaner den Jutesack mit den Ratten darin. Als Priest danach griff, schrien und tobten die Tiere.

"Alles ist wie besprochen", sagte der Chinese. "Möge Ihnen das Glück hold sein, Mr. Priest."

Der Angesprochene brachte die zappelnden Nagetiere mit einem Hieb zur Ruhe. Er warf sich den Sack über die Schulter und drückte dem Chinesen den Stapel Dollars in die Hand.

Glück konnte Priest gut gebrauchen.

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Seitenzahl: 377

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotive: Boada/Norma ISBN 978-3-7325-6222-0

Jack Slade

Lassiter Sammelband 1786 - Western

Inhalt

Jack SladeLassiter - Folge 2239Mahpee stand auf dem dunklen Platz hinter dem Saloon und spürte, wie der Schnaps in seinem Magen brannte. Durch die ungeputzten Scheiben des Fensters fiel ein Lichtviereck auf den Hinterhof. Im Innern des Hauses ertönten Stimmen. Füße stampften. Gläser klirrten. Manchmal erhob sich dröhnendes Gelächter. Lacht nur, dachte Mahpee. Lacht, so lange ihr's noch könnt! Eine mächtige Vision überkam den Indianer. Die Bilder in seinem Kopf waren so plastisch, dass ihm der Atem stockte. Er sah sich selbst, wie er mit dem Schnellschussgewehr in den Saloon stürmte. Die weißen Männer erschraken, wandten sich entsetzt zur Flucht. Doch sie kamen nicht weit. Die Türen nach draußen waren versperrt. Die Trugbilder erloschen. Mahpee trank noch einen Schluck aus der großen Flasche ...Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2240Der Schnösel tat schon beim Eintreten so, als ob der ganze Laden ihm gehörte. "Mach mal Platz", sagte er, nachdem er von der Schwingtür bis zur Theke stolziert war. Der schwingende Jackettaufschlag seines dunklen Anzugs ließ einen großkalibrigen Smith & Wesson erkennen. Blasiert dreinblickend, sah er sich kurz um. Nur wenige Gäste saßen an den Tischen, und an der zehn Yard langen Theke stand ein einzelner Mann. "Lassiter", sagte der Schnösel. "Ich habe nicht den weiten Weg gemacht, um neben dir in einem Saloon stehen zu müssen." Er schob seinen linken Ellenbogen auf den Tresen, vier Schritte von dem Mann der Brigade Sieben entfernt. Lassiter nickte, ohne den Kopf zur Seite zu wenden. "Du sagst, wie es ist, Ellwood", brummte er. "Für uns beide ist hier kein Platz." "Also?", schnarrte der Schnösel herausfordernd. "Musst du gehen", beschied ihn der große Mann kurz und knapp.Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2241Das Warenhaus der Asian Food Trade Association roch nach Ingwer und gemahlenem Gelbwurz. Warren Priest hatte denselben Gestank schon Monate zuvor gerochen, als er den Handel mit dem Chinesen besiegelt hatte. "Sechshundert Dollar", brummte Priest und griff in die Jackentasche. "Oder willst du mehr, Schlitzauge?" Der Chinese mit dem goldenen Ring im Ohr verzog keine Miene. Er schüttelte langsam den Kopf und reichte dem Amerikaner den Jutesack mit den Ratten darin. Als Priest danach griff, schrien und tobten die Tiere. "Alles ist wie besprochen", sagte der Chinese. "Möge Ihnen das Glück hold sein, Mr. Priest." Der Angesprochene brachte die zappelnden Nagetiere mit einem Hieb zur Ruhe. Er warf sich den Sack über die Schulter und drückte dem Chinesen den Stapel Dollars in die Hand. Glück konnte Priest gut gebrauchen.Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Trommeln am Seton Pass

Vorschau

Trommeln am Seton Pass

Mahpee stand auf dem dunklen Platz hinter dem Saloon und spürte, wie der Schnaps in seinem Magen brannte. Durch die ungeputzten Scheiben des Fensters fiel ein Lichtviereck auf den Hinterhof. Im Innern des Hauses ertönten Stimmen. Füße stampften. Gläser klirrten. Manchmal erhob sich dröhnendes Gelächter. Lacht nur, dachte Mahpee. Lacht, so lange ihr’s noch könnt!

Eine mächtige Vision überkam den Indianer. Die Bilder in seinem Kopf waren so plastisch, dass ihm der Atem stockte. Er sah sich selbst, wie er mit dem Schnellschussgewehr in den Saloon stürmte. Die weißen Männer erschraken, wandten sich entsetzt zur Flucht. Doch sie kamen nicht weit. Die Türen nach draußen waren versperrt.

Die Trugbilder erloschen. Mahpee trank noch einen Schluck aus der großen Flasche …

Lassiters Mission in Hot Springs war zu Ende.

Der Mann von der Brigade Sieben konnte es kaum erwarten, aus den Black Hills herauszukommen. Auf schnellstem Wege wollte er nach Texas, um Molly Grant wiederzusehen. Mit jeder Faser seines Körpers sehnte er sich nach der Weiblichkeit der betörend hübschen Barsängerin.

Er packte seine Sachen, bezahlte die Hotelrechnung und wollte das Connor House gerade verlassen, da stürzte Logan ins Foyer. Der Rechtsanwalt Paul Logan war der Kontaktmann der Brigade Sieben für das Territorium Montana-West-Dakota. Logan wirkte gehetzt, als würde er von einem Rudel Wölfe verfolgt.

Als er Lassiter sah, entspannte sich seine Miene. »Ich dachte mir, bevor Sie Hot Springs verlassen, sollten Sie noch mal kurz einen Abstecher zu einem alten Freund machen.«

Lassiter schulterte seinen Reisesack. »Der Freund muss ohne mich auskommen. Ich bin auf dem Weg zur schönsten Frau der Welt.«

»Fürwahr, ein schwerwiegendes Argument.« Logan rang nach Luft. »Aber vielleicht überlegen Sie sich es noch einmal.«

»Aber warum?«

»Ihr Freund braucht Sie.«

»Mein Freund braucht mich?« Lassiter überlegte. Er konnte sich gar nicht erinnern, dass er in Hot Springs einen Freund hatte. Selbst seine Beziehung zu Logan war eher distanziert als freundschaftlich. Lassiter krauste die Stirn. »Von wem sprechen Sie, Paul?«

Mit einem sauberen Tuch wischte sich der Anwalt den Schweiß von der Stirn. Er war ein massiger Mann von gut zweihundert Pfund Lebendgewicht. Unter seinem Bowlerhut quoll langes, grau durchwirktes Haar hervor. Logan keuchte schwer. Offenbar hatte er die Strecke von seiner Kanzlei zum Connor House im Dauerlauf zurückgelegt. »Sein Name ist Mahpee«, brachte er hervor. »So viel ich weiß, hat er Ihnen neulich den Hintern gerettet.«

»Mahpee?«

»Der Indianer, der letzte Woche die durchgegangenen Ponys in die Quergasse lenkte.«

»Ah, jetzt entsinne ich mich.« Lassiter wechselte seinen Reisesack auf die andere Schulter. »Ein patenter Kerl, dieser Sioux.«

»So ist es.« Logan nickte. »Sie kamen gerade aus dem Drugstore, als die Gäule auf Sie zujagten. Mahpee hat die Gefahr blitzschnell erkannt. Nun, das wissen Sie ja selbst am besten. Jetzt braucht der Bursche selbst jemanden, der ihm aus der Patsche hilft.«

Lassiter beschlich ein ungutes Gefühl. »Worum zum Geier geht’s hier eigentlich?«

Logan kniffte das Tuch in der Mitte und steckte es in die Hosentasche. »Mahpee hat zu viel getrunken. In diesem Augenblick bedroht er gerade ein paar weiße Männer. Mit einer Winchester.«

»Wo?«

»In einem Saloon, nur einen Pfeilschuss von hier entfernt.«

Lassiter stutzte. »Wie ist das möglich? Der Mahpee, den ich kenne, verabscheut Alkohol. Ein gesetzestreuer Mann. Ein Mitbürger, wie er im Buche steht.«

»Das mag sein. Aber jetzt ist Mahpee nicht mehr der vorbildliche Mitbürger, jetzt ist voll wie eine Haubitze und sieht rot.«

Lassiter dachte an Molly Grant im weit entfernten Laredo. Er war im Zwiespalt. Wenn er jetzt in das Geschehen eingriff, würde er den Zug verpassen. »Soll sich der Marshal um die Sache kümmern«, sagte er. »So viel ich weiß, hat er zwei Deputies. Wozu bezahlt die Stadt drei Sternträger? Es ist ihr Job, Betrunkene zur Räson zu bringen.«

Logan hob die Brauen. »Heißt das, Sie lassen Ihren Freund im Stich?«

»Wieso Freund? Ich kenne diesen Sioux kaum.« Lassiter packte seinen Reisesack fester. »Und überhaupt: Ich glaube nicht, dass er gerade auf mich hören wird.«

»Oh doch, das wird er.« Logan nickte zu seinen Worten. »Ich weiß es, Lassiter. Sie sind der Einzige, der die Situation entschärfen kann.«

Lassiter schwieg. Die Vorstellung, dass der junge Sioux im Säuferwahn womöglich auf andere Menschen schoss, bereitete ihm Kopfzerbrechen. Vielleicht hatte Logan Recht, und er, Lassiter, war tatsächlich der einzige Mensch weit und breit, der Mahpee und die Männer im Saloon retten konnte.

Mit einem unwilligen Schnaufen ließ Lassiter den Reisesack auf den Boden sinken.

In Logans Augen blitzte Hoffnung. »Sie sind dabei?«

»Was ist, wenn Mahpee die Waffe auf mich richtet? Könnte doch sein, oder?«

»Sie sind doch nicht von gestern«, meinte Logan. »Sprechen Sie mit ihm, Lassiter. Ich weiß, dass er viel von Ihnen hält. Er wird auf Sie hören.«

»Ihr Wort und Gottes Ohr.« Lassiter rückte seinen Hut tiefer in die Stirn.

»Ich kümmere mich um Ihr Gepäck«, sagte Logan.

Lassiter schob die Pendeltür auf und trat hinaus auf die Mainstreet. Von der Bahnstation hörte er die Pfeife einer Lokomotive. Der Zug war bereits eingelaufen. Die Puffer der Waggons prallten gegeneinander. Lassiter sehnte sich danach, in einem komfortablen Abteil zu sitzen und von Molly zu träumen, die so leidenschaftlich zu küssen vermochte.

Doch es ging um Menschenleben.

Da musste das Vergnügen warten.

***

Larry’s Saloon befand sich im Amüsierbezirk von Hot Springs, der im Volksmund Lucky Hills genannt wurde. Neben dem Saloon lag das Spielcasino, und auf der anderen Straßenseite erstreckte sich die große, rosa angestrichene Baracke, in dem die Sidewalkdohlen ihre Freier empfingen. Dazwischen lag eine unbefestigte Sandpiste mit Zügelholmen und Plankensteigen für die Fußgänger.

In der Nähe des Saloons hatten sich ein paar Leute versammelt, die schwatzend die Köpfe zusammensteckten. Zwei Deputies mit Blechmarken auf der Hemdbrust versuchten, die Neugierigen von den Schwingtüren fernzuhalten.

»Erschießen!«, rief ein Mann mit Augenklappe. »Pustet den Roten um und schmeißt ihn den Schweinen vor!«

Jemand klatschte in die Hände. Doch niemand beteiligte sich an dem Applaus. Rasch verklang das Händeklatschen.

In einiger Entfernung hatte ein geschäftstüchtiger Händler einen Verkaufsstand aus dem Boden gestampft und bot Hurensohn-Stew, Maisbrot und Bier aus dem Fass an. Zwei stark angetuschte Frauen blieben vor der Theke stehen und stellten ungeniert ihre Reize zur Schau. Die Größere hatte sich einen Weißkopf-Adler auf den Busen tätowieren lassen. Die Kleinere trug gerüschte Unterhosen und knallrote Strumpfbänder.

Als Logan und Lassiter ankamen, zog der Mann mit der Augenklappe gerade seinen Colt und feuerte einen Schuss in die Luft. Die Leute, die neben ihm standen, hielten sich die Ohren zu. Der Einäugige zog ein Gesicht, als hätte er etwas furchtbar Wichtiges getan. Beifallheischend blickte er sich um.

Nur mit Mühe konnte sich Lassiter beherrschen. Er kannte den Rüpel vom Stadtbild. Der Typ nannte sich Wallace Wilde und lebte davon, ahnungslose Greenhorns beim Pokern zu betrügen.

Tom Nelson, einer der Deputies, erschien.

Lassiter musterte den Mann misstrauisch. Nelson sah aus, als wäre er eine Woche auf Sauftour gewesen: rote Nase, dunkle Ringe unter den glasigen Augen, Stoppelbart, schmuddeliges Hemd und ungeputzte Stiefel. Er schwenkte einen großen Peacemaker-Revolver.

»Das ist der Mann, der Mahpee zur Aufgabe bewegen kann«, sagte Logan und zeigte auf Lassiter.

»Willkommen bei Larry’s.« Nelson tippte sich mit dem Coltlauf an die Stirn. »Die Rothaut hat nicht mehr alle Pfeile im Köcher. Völlig verrückt, der Bastard. Er glaubt, Uncle Sam wolle ihm sein Land stehlen, um es an Immobilienhaie weiterzuverhökern. Deshalb ist er mit ’ner Knarre in den Saloon gestürmt.«

»Was fordert er?«, hakte Lassiter nach.

»Keine Ahnung.«

»Wie? Sie haben noch nicht mit ihm gesprochen?«

»Der Kerl ist besoffen. Voll wie ein Nachttopf. Der kapiert doch eh nichts.« Nelson betrachtete seinen Revolver. »Es gibt nur eine Sprache, die diese rote Brut versteht.«

Es entstand eine Pause. Der Hass, mit dem der Hilfsmarshal die Worte ausgestoßen hatte, war unüberhörbar. Es gab keinen Zweifel: Am liebsten hätte der Mann den Indianer sofort in die Ewigen Jagdgründe expediert.

Lassiter sah Logan an. »Stimmt es, dass die Regierung Mahpee das Land wegnehmen will?«

»Ach was! Fantasien eines Saufboldes«, mischte sich Nelson ein.

»Wie kommt er denn darauf?«

Der Anwalt seufzte. »Vermutlich hat der Sioux gar nicht so Unrecht. Seinen Leuten gehört ein kleines Areal in den Bergen, oben beim Seton Pass. Das Dorf ist bestimmten Leuten ein Dorn im Auge. Es gibt Gerüchte, dass es dort wertvolle Erze gibt.«

Lassiter biss sich auf die Lippe. Wenn es am Seton Pass tatsächlich wertvolle Bodenschätze gab, hatte Mahpee nicht die geringste Chance. Früher oder später würde man das Indianerdorf überfallen und die Bewohner vertreiben. So war es bisher immer gewesen.

Ein Schussknall unterbrach Lassiters Gedanken. Im Saloon hatte jemand eine Waffe abgefeuert.

Der Deputy, der am Eingang Posten bezogen hatte, duckte sich und brachte seinen Revolver in Schussposition. Unter den Zuschauern wurde Unmut laut.

»Abknallen!«, grölte der Einäugige. »Gehen wir rein und reißen dem Indsman die Kaldaunen aus dem Leib!«

»Das wäre das Dümmste, was man tun könnte«, sagte Lassiter so laut, dass es auch die anderen Beteiligten verstanden. »Soviel ich weiß, ist Mahpee ein begnadeter Schütze. Es würde ein Blutbad geben, wenn man ihn mit Gewalt zur Aufgabe zwingen wollte.« Lassiter hob die Stimme. »Stimmen wir ab! Wer von uns hier und heute sterben will, der hebe die rechte Hand.«

Alle Hände blieben unten. Man schaute woandershin, aber keiner ging weg. Der Einäugige stapfte zum Stand und ließ sich ein Bier einschenken.

»Ich gehe jetzt rein«, sagte Lassiter.

»Warten Sie!« Nelson streckte eine Hand aus. »Geben Sie mir Ihr Schießeisen. Wenn der Redneck sieht, dass Sie ’ne Plempe haben, könnte er durchdrehen.«

Lassiter überlegte kurz. Schließlich lupfte er seinen Remington aus dem Holster. Nelson steckte sich die Waffe in den Hosenbund und stieß einen scharfen Pfiff aus.

Der Sternträger an der Saloontür warf den Kopf herum.

»Es geht los, Max!«, rief Nelson.

***

Lassiter trat an Max vorbei in den Saloon. »Ich will dir helfen, Mahpee«, sagte er laut ins Dunkel. »Sag, was du für Forderungen hast.«

Aus dem Innern des Lokals drang das dumpfe Gemurmel von Stimmen. Lassiter strengte seine Augen an, konnte aber kaum etwas erkennen. Im Raum brannte kein Licht. Alle Lampen und Kerzen waren gelöscht. Man erkannte nur schemenhafte Umrisse. Von den Geiseln war nichts zu sehen. Auch Mahpee blieb unsichtbar.

Lassiter stellte sich an das untere Ende der Bar. »Mahpee, hörst du mich?«

»Ja«, kam es von irgendwo her.

»Du weißt, wer ich bin?«

»Ja, ich kenne Sie. Sie heißen Lassiter.«

Die Antworten kamen zügig, fast ohne Lallen. Lassiter atmete auf. Womöglich war der Sioux doch nicht so betrunken wie angenommen.

»Ich möchte mit dir reden, Mahpee«, fuhr er fort.

Keine Antwort.

»Aber zuerst musst du die Männer gehen lassen.« Lassiter wartete. »Mahpee?«

»Ich habe verstanden.«

»Heißt das, du gibst sie frei?«

»Nein.«

Lassiter schob seinen Hut höher. »Wie viele Leute hast du bei dir?«

»Sechs.«

»Wer sind die Männer?«

Stille. Nur das Atmen der Geiseln war zu hören. Irgendwo, in Bodennähe, hüstelte jemand. Lassiter war nicht sicher, aber er glaubte die Stimme von Jesse Bollinger, dem Schreiner, zu erkennen.

»Mahpee?«

»Ich will ein Dokument«, sagte der Indianer, »ein Papier, in dem steht, dass mir das Land am Seton Pass auf ewig gehört.«

Nach kurzem Zögern trat Lassiter ein Stück vor. »Ich werde das Problem zur Sprache bringen«, entgegnete er. »Im Büro für Indianerangelegenheiten und beim Gouverneur, wenn es sein muss.«

»Ist das wahr?«

»Ja, das ist mein voller Ernst.« Prompt verspürte Lassiter Druck in seinem Magen. Was er da versprach, war ziemlich hochgegriffen. Ein Gouverneur, der sich für die Belange von Indianern einsetzte? Lassiter spürte, dass er sich in eine Sackgasse manövrierte. »Ich werde dafür sorgen, dass dir und deinen Leuten Gerechtigkeit widerfährt«, verkündete er.

»Wie wollen Sie das anstellen?«, fragte Mahpee nach kurzem Zögern.

»Wo ein Wille ist, da ist ein Weg.«

»Pah – nichts als Worte. Leere Worte.«

»Vertrau mir, Mahpee.«

»Warum sollte ich das tun?«

»Weil ich auf deiner Seite bin. Ich will dir helfen. Dir und deinen Leuten am Seton Pass.« Lassiter hob die Stimme. »Aber du musst mir entgegenkommen. Versprichst du mir das?«

»Was soll mich tun?«

»Lass die Männer gehen. Alle.«

Eine Zeitlang blieb alles ruhig. Nur leises Getuschel, Waffenklirren und Füßescharren, irgendwo im hintersten Winkel des Raumes.

Alsbald schälte sich eine gedrungene Gestalt aus dem Dunkel: Jesse Bollinger, der Schreiner aus der Butcher Street. Er eilte, an Lassiter vorbei, durch die Pendeltür auf die Plattform vor dem Haus.

Draußen wurde er mit großem »Hallo!« empfangen.

»Das hast du gut gemacht, Mahpee«, lobte Lassiter. »Wenn du die übrigen Männer auch gehen lässt, können wir uns sofort zusammensetzen und beraten, was wir in deinem Fall unternehmen werden.«

»Ich bin ein Indianer«, antwortete Mahpee. »Wenn ich jetzt meine Waffe niederlege, gebe ich meinen letzten Trumpf aus der Hand. Man wird mich abknallen, und kein Hahn kräht danach.«

»Niemand wird auf dich schießen. Dafür verbürge ich mich.« Trotz seiner großen Worte nagte der Zwiespalt an Lassiter. Ihm fiel das hasserfüllte Gesicht von Deputy Nelson ein. Der Mann bekam es fertig und eröffnete das Feuer, sobald er Mahpee im Visier hatte.

Lassiter biss die Zähne zusammen.

»Ich will das Dokument«, beharrte Mahpee. »Das Papier, das mir und meinen Stammesangehörigen alle Rechte auf das Land unserer Ahnen zusichert.«

»Du bekommst es, nachdem du die Männer frei gelassen hast.«

»Warum bekomme ich es nicht gleich?«

»Das wäre Erpressung.« Lassiter schnaufte. »Wo kämen wir hin, wenn jeder einen anderen bedroht, nur um zu bekommen, was er will?«

»Bin ich ein Erpresser, weil ich mein Recht einfordere?«

Ein Teufelskreis. Lassiter war nicht wohl in seiner Haut. »Lass noch eine Geisel frei, Mahpee«, sagte er halblaut. »Zeig deinen guten Willen.«

»Was ist, wenn ich es tue?«

»Dann hast du bewiesen, dass du ein ebenbürtiger Partner bist«, lautete die Antwort. »Ein Mann, mit dem man auf Augenhöhe verhandeln kann.«

Was rede ich da? Lassiter seufzte.

Drei Atemzüge später erschien die zweite Geisel, ein lang aufgeschossener Bursche in einem abgewetzten Gehrock, der als Gehilfe in der Apotheke neben dem Connor House arbeitete. Wie ein Wiesel flitzte er am Schanktisch vorbei, stieß die Schwingtüren auf und sprang hinaus ins Freie.

Erneut brandete Jubel auf.

Als er abschwoll, drang das Geräusch einer Dampfpfeife an Lassiters Ohr. Das Abfahrtssignal. Der Zug, der ihn zu Molly Grant nach Laredo bringen sollte, verließ gerade die Station.

Der nächste Zug fuhr in einer Woche.

Verdammt.

Derweil hatten sich Lassiters Augen an die Dunkelheit im Saloon gewöhnt. Er sah, dass die Geiseln hinter dem Billardtisch standen. Mahpee lauerte ein Stück weiter, hinter einer brusthohen Trennwand, an der Henkelgläser und gerahmte Fotografien hingen.

Drohend lugte die Spitze des Gewehrlaufs aus der Ecke.

Lassiter trat drei Schritte vor.

»Bleib, wo du bist!«, rief Mahpee. »Keinen Schritt weiter! Sonst knallt’s!«

Lassiter blieb stehen. Er spürte, wie sein Herz klopfte. Die Entscheidung nahte. Seine Augen durchdrangen die Dunkelheit. Er konnte den Sioux-Indianer jetzt gut erkennen.

Mahpee hatte die Deckung der Brustwehr verlassen. Jetzt stand er vor der Außenwand, die mit Ölbildern, Plakaten und Dekowaffen bedeckt war. Das Gewehr in seinen Händen zielte abwechselnd auf Lassiter und die Männer hinter dem Billardtisch.

»Das Dokument!«, keuchte Mahpee. »Ich will es sofort!«

Ehe Lassiter etwas sagen konnte, erklang eine Stimme hinter ihm. »Mahpee, du wirst das Dokument bekommen. Noch heute. Ich, Gerald Page, der Town Mayor von Hot Springs, werde persönlich dafür sorgen. Alles wird gut. Aber du musst jetzt vernünftig sein. Hast du mich verstanden? Lass deine Geiseln frei!«

Lassiter sah sich um. Der Bürgermeister hatte sich vor Deputy Nelson gestellt. Page zog ein Gesicht, als wäre Mahpee für ihn der wichtigste Mensch auf der Welt.

»Schwören Sie, dass Sie mich nicht reinlegen!« Mahpee klang zittrig, fast wie ein alter Mann. »Im Dorf leben zwei Dutzend Menschen, darunter Frauen und Kinder. Ohne das Papier verlieren sie alles, was sie haben.«

»Lass die Männer gehen und komm mit erhobenen Händen nach draußen.« Gerald Page trat an die Schwingtür. »Wir werden gemeinsam nach einer Lösung suchen.«

Lassiter war speiübel zumute. Gerald Page war bis über die Grenzen des Dakota-Territoriums hinaus als willfähriges Subjekt von skrupellosen Geschäftsmännern bekannt. Dass ausgerechnet er als Retter der Indianersiedlung am Seton Pass fungieren wollte, war so unglaubhaft wie die Existenz eines Coyoten mit Hochschulabschluss.

Auch Mahpee traute dem Frieden nicht. »Was sagen Sie dazu, Lassiter?«, fragte er. »Soll ich das Angebot annehmen?«

Draußen brüllte eine Stimme: »Worauf wartet ihr? Macht ihn kalt! Tötet den Indsman!«

Zu Lassiters Entsetzen brandete Beifallsgeschrei auf.

»Halt!« Er stellte sich mitten auf den Gang, zwischen Geiselnehmer und Bürgermeister. »Auf ein Wort, Mr. Page!«, rief er laut. »Ich möchte, dass Sie Mahpee freien Abzug gewähren.«

Gerald Page zog ein Pokergesicht. »Natürlich tue ich das!«, verkündete er. »Was für eine Frage! Ich bin ein Mann des Friedens. Ich werde alles tun, um Blutvergießen zu vermeiden.«

Lassiter hatte kein gutes Gefühl. Er stand zwischen zwei Fronten. Lange hatte er sich nicht mehr so machtlos gefühlt. Für ihn bestand nicht der geringste Zweifel, dass Mahpee über den Löffel balbiert werden sollte.

»Lass sie frei, Junge«, sagte Page mit süßlicher Stimme. »Wir beide finden einen Weg.«

Der Sioux-Indianer glaubte an das Versprechen des Bürgermeisters. Der Reihe nach ließ er die Geiseln gehen. Die Männer eilten nach draußen. Schließlich blieb der junge Rote allein im Saloon zurück.

Page setzte ein Lächeln auf. »Dein Gewehr! Lass es fallen!«

Der Indianer zögerte.

»Wirf es hin, roter Freund«, sagte Page und trat ein Stück zur Seite.

Hinter dem Rücken des Town Mayors gewahrte Lassiter das feindselige Gesicht von Wallace Wilde. Im gleichen Augenblick stieg ihm der Geruch verbrannten Schießpulvers in die Nase. Er ging jede Wette ein, dass Wilde seine Bleispritze in Anschlag hatte.

Mit mir nicht, ihr Halunken! Lassiter gab sich einen Ruck und bewegte sich auf den Billardtisch zu. »Hör mir zu, Mahpee, ich habe dir etwas zu sagen«, raunte er.

Der Indianer riss das Gewehr hoch. »Nicht näher. Bleiben Sie stehen, Lassiter!«

»Mischen Sie sich nicht ein!«, rief Page dazwischen. »Das Problem ist längst geklärt. Machen Sie, dass Sie wegkommen, Lassiter! Los, gehen Sie beiseite!«

Der Mann von der Brigade Sieben dachte im Traum nicht daran. Er ahnte, was hier lief: ein abgekartetes Spiel. Sobald er den Weg freimachte, würden Schüsse knallen. Das stand für ihn so fest wie das Halleluja bei der Sonntagsmesse. Vermutlich hatte der niederträchtige Town Mayor längst das Todesurteil für Mahpee gefällt. Wenn der gutgläubige Sioux im Kugelhagel umkam, würde er, Lassiter, Mitschuld an dem Mord haben, und das nicht so knapp.

So weit wollte er es nicht kommen lassen. »Page lügt«, sagte er zu dem Indianer. »Behalte dein Gewehr und mach dich aus dem Staub.«

Mahpee stand wie versteinert.

Lassiter stellte sich so hin, dass er mit seinem Körper die Sicht der anderen auf den Indianer verdeckte. »Letzte Warnung«, raunte er. »Rette dich, solange du’s noch kannst.«

»Aber …«

»Lauf, mein Junge!« Lassiter seufzte schwer. »Bring dich in Sicherheit.«

Auf Mahpees bronzefarbener Stirn erschien eine steile Falte, aber nur für einen kurzen Moment.

»Geh«, sagte Lassiter.

Mahpee warf einen Blick auf die versammelten Gaffer an der Vordertür. Für eine Sekunde legte er Lassiter die Hand auf die Schulter.

Im nächsten Augenblick verschwand er durch die Hintertür in der Dunkelheit.

***

Kaum war Mahpee außer Sicht, fiel es Bürgermeister Page wie Schuppen von den Augen. »Tod und Teufel! Ich fasse es nicht! Der Kerl hat den Roten abhauen lassen.«

Lassiter rückte seinen Gürtel zurecht. »Glauben Sie, ich sehe zu, wie hier ein Mord geschieht? So eine Schweinerei lass ich nicht zu!«

Page schnaubte vor Wut. Mit geballten Fäusten polterte er in den Saloon. »Das wird Sie teuer zu stehen kommen. Mit ihrer Gefühlsduselei haben sie einem Verbrecher zur Flucht verholfen.«

Spätestens in diesem Moment wusste Lassiter, dass er richtig gehandelt hatte. Page hatte nie vorgehabt, auf das Ansinnen des Indianers einzugehen.

Dieser Halunke! Der Gedanke an Pages niederträchtige Pläne erzürnte Lassiter. Männer wie dieser korrupte Town Mayor gehörten hinter Schloss und Riegel, nicht in ein politisches Amt.

Schon rannte Page an ihm vorbei zur Hintertür. Mit einem derben Fluch stieß er sie auf und stürzte auf den Platz hinter dem Haus.

Lassiter ließ den Wüterich laufen. Durch die Schwingtüren schob er sich auf den Sidewalk. Er bekam gerade noch mit, wie einige Männer um die Ecke trabten. Sie johlten und pfiffen. Wallace Wilde führte die enthemmte Schar an. Sie betrachteten den flüchtigen Indianer als Freiwild und wollten ihn zur Strecke bringen.

Paul Logan tauchte auf. »Hier, Lassiter, ich habe Ihren Feuerspucker«, sagte er.

Hinter dem Haus peitschten Schüsse auf. Der Mob hatte Blut geleckt.

Lassiter schob seinen Remington ins Holster. »Diese Schwachköpfe! Sie glauben, Mahpee wäre leichte Beute. Das könnte zum tödlichen Irrtum werden. Der Mann ist ein exzellenter Scharfschütze. Die Boys werden sich blutige Köpfe holen.«

Deputy Nelson warf ihm einen bösen Blick zu. »Wäre ich Sie, würde ich schnellstens aus der Stadt verschwinden, Mister. Mit der Aktion eben haben Sie sich keine Freunde gemacht.«

»Ich hatte keine Lust, tatenlos zuzusehen, wie im Saloon eine Hinrichtung vollzogen wird.«

Nelson ging nicht auf die Bemerkung ein. Er winkte wegwerfend ab und bedeutete seinem Spannmann Max, ihm zu folgen.

Die Sternträger entfernten sich.

Logan, der Anwalt, nahm seinen Bowler ab und fuhr sich prustend übers Haar. »Stellen Sie sich mal vor, wie die Sache ausgegangen wäre, wenn Sie in den Zug gestiegen wären.«

»Es hätte Mord und Totschlag gegeben«, brachte Lassiter die Sache auf den Punkt.

»Davon gehe ich aus.« Logan nickte bedächtig. »Für Ihre Courage haben Sie einen Orden verdient. Leben retten ist immer eine gute Sache.«

Irgendwo krachte ein Schuss.

Lassiter runzelte die Stirn. Er mochte es nicht, wenn man für ihn Selbstverständliches an die große Glocke hängte. »Fragt sich, für wie lange ich Leben gerettet habe?«

»Ich verspüre große Lust, die Sache der Zentrale zu melden. Die Jungs im Headquarter sollten wissen, was sie an Ihnen haben.«

»Das werden Sie hübsch bleiben lassen, Paul.« Lassiter zog eine Grimasse. »Was soll ich mit einem gottverdammten Orden? Das fehlte mir noch! Wann sollte ich den Klunker denn tragen? In einem Saloon, wenn mir ein Girl auf den Schoß hüpft?«

Logan lachte, dass sein Bauch auf und ab hüpfte. »Wissen Sie was?«, keuchte er. »Ich lade Sie ein! Was halten Sie von einem Absacker im Eden!«

Das Eden war ein exklusives Lokal, gleich hinter der Demarkationslinie. Die ansehnlichsten Mädchen der Gegend fanden sich hier ein, darunter die flachsblonde Netty aus Schweden, die Ballerina Macy aus Virginia und Charlene mit der Figur wie ein Stundenglas.

Die Männer setzten sich in Trab.

Vor dem Eden stand eine schlanke, brünette Frau und rauchte eine selbstgedrehte Zigarette. »He, ihr zwei. Ihr kommt wie gerufen. Zufällig habe ich gerade nichts vor. Wie wär’s mit uns?«

»Ein andermal, Schatz.« Lassiter bedachte die Prostituierte mit einem Lächeln. »Such dir jemand anderen. Wir möchten nur fix was trinken.«

Sie hängte sich an seinen Arm. »Dann gib mir wenigstens ein Bier aus.«

»Vielleicht später. Wie gesagt, im Moment würden wir lieber unter uns sein.«

»Okey-dokey, schon verstanden.« Sie blies den Rauch seitwärts. »Aber spendiert mir was, Jungs. Nur eine Kleinigkeit. Nichts Teures.«

Prüfend musterte Lassiter die dunkelhaarige Frau. Die Verzweiflung in ihren übernächtigten Augen rührte ihn. Bestimmt war die Frau noch jung, aber durch das liederliche Leben, das sie führte, sah sie abgewrackt und verbraucht aus. »Wie ist dein Name?«, wollte er wissen.

»Eigentlich Josepha, Josepha Baxter, aber alle, die mich kennen, sagen Joey zu mir.«

»Angenehm. Ich heiße Lassiter, und der da ist …«

»Paul Logan, der Advokat.« Sie schnippte die Kippe weg. »Ich geh jeden Tag an seiner Kanzlei vorbei, mindestens zweimal. – Was ist nun? Nehmt ihr mich mit?«

Lassiter zückte seine Geldbörse. Er wollte mit seinem Kontaktmann allein sein. Ein Zaungast mit langen Ohren war jetzt das Letzte, was er brauchte. »Ich spendier dir einen halben Dollar, Joey«, sagte er. »Und du genehmigst dir einen Drink und lässt uns ins Ruhe. Einverstanden?«

Sie schüttelte den Kopf. »Das ist sehr nobel von dir, großer Mann. Aber wenn du mir wirklich einen Gefallen tun willst, dann nimm mich mit rein.«

Der Vorschlag gefiel ihm nicht. »Hörst du nicht zu? Wir haben im Moment keinen Bedarf an einer Begleiterin.« Lassiter wandte sich zur Tür.

Die Augen der Frau füllten sich mit Tränen. »Er schmeißt mich raus, wenn ich keinen Anklang mehr finde.«

»Er? Wie meinst du das?«, fragte Logan.

»Na, wie ich’s gesagt habe: Er, Page jagt mich zum Teufel, wenn ich es nicht mehr schaffe, Freier ins Lokal zu locken.«

»Wie?« Lassiter horchte auf. »Mal langsam, zum Mitschreiben. Das Eden gehört Page? Gerald Page, dem Bürgermeister von Hot Springs?«

Joey nickte heftig. »Seit ein paar Wochen. Er hat die ganze Kaufsumme bar auf den Tisch geblättert.«

»Woher weißt du das?«

»Ein Vöglein hat’s mir gezwitschert.«

Lassiter und Logan tauschten einen raschen Blick.

»Bitte, lasst mich nicht hängen«, bat Joey. »Wenn Page mich feuert, kann ich mich begraben lassen.«

Dieser Gerald Page entwickelt sich ja zur reinsten Landplage, sagte sich Lassiter. Glaubte der Kerl, er wäre der liebe Gott? Allem Anschein nach arbeitete der Gauner mit den Immobilienhaien zusammen, die den Einheimischen das Land stahlen. So wie es aussah, hatte Page kürzlich einen großen Reibach gemacht. Um die ergaunerten Dollars gewinnbringend anzulegen, hatte er die Moneten in das Eden investiert.

»Bitte«, flehte die Frau. »Lasst mich nicht hängen. Nehmt mich mit!«

»Nur unter einer Bedingung«, erklärte Lassiter. »Du erzählst uns noch mehr über den Herrn Bürgermeister.«

»Ja, warum nicht?« Mit dem Absatz drückte Joey die glimmende Kippe aus. »Ihr geht doch nicht hausieren damit, oder?«

»Wo denkst du hin?« Lassiter schüttelte den Kopf. »Wir verraten keinem ein Wort.«

Logan trat an die Tür und riss sie auf. »Nun denn, rein in die gute Stube!«

***

Die Frau hinter der Bartheke hatte rote Haare und einen Ausschnitt, der mehr zeigte als verbarg. Jedes Mal, wenn sie sich bewegte, wackelte ihr Busen wie ein gestürzter Pudding.

»Die Gents laden mich zu einem Drink ein«, sagte Joey, als sie sich an den Tresen stellte.

»Schön für dich, Joey.« Die Barfrau lächelte dünn. »Auch ein blindes Huhn rennt mal gegen einen Kornsack«, fügte sie garstig hinzu.

Lassiter hatte das Eden schon häufig besucht. Gleich beim ersten Mal hatte er hier ein reizendes Girl namens Claire kennengelernt. Sie hatte ihm auf Anhieb gefallen. Leider war es nur zu einem einzigen Rendezvous gekommen. Claire war anderntags abgereist, ohne ein Wort des Abschieds zu hinterlassen.

Sie stellten sich ans äußerste Ende der Bar. Im Schein der Petroleumlampen wirkte der mit zierlichen Möbeln ausgestattete Raum wie aus einem Bilderbuch entsprungen. Es gab ungefähr ein halbes Dutzend Tische, von denen aber nur zwei mit Gästen besetzt waren. In der Nische neben der Treppe schmuste ein bärtiger Mann mit einer Frau, die mit einer Hand tief in seine Hose abgetaucht war. Beim genauen Hinsehen bemerkte Lassiter, dass in der Nische noch eine zweite Frau saß. Sie bewegte sich rhythmisch, aber was sie da eigentlich tat, war nicht auszumachen.

Logan bestellte drei Bier.

»Bier ist alle«, verkündete die Barfrau. »Ich bekomme erst morgen frische Ware.«

»Dann nehme ich Mint Julep«, sagte Lassiter.

Die hagere Prostituierte entschied sich für ein Glas Portwein, und Paul Logan wählte einen Whiskey mit Zitrone.

Lassiter dachte an Mahpee. Er hoffte, dass der Sioux seinen Häschern entkommen war. In Gedanken sah er zu, wie die Barfrau Zitronen schnitt. Ihre Brüste wippten wie zwei Bälle im Netz. Der erfreuliche Anblick verscheuchte seine sorgenvollen Gedanken.

Joey berührte seinen Arm. »Sie gefällt dir, was?«

»Kann schon sein.«

»Die Lady heißt Rhonda. Page senior hat ein Auge auf sie geworfen. Ganz wild ist er auf sie. Aber sie lässt ihn zappeln wie einen Hampelmann.«

»Und wenn.« Lassiter hatte keine Lust, mit Joey über die Liebschaften der rothaarigen Barfrau zu fachsimpeln. »Wir wollten uns über deinen Boss unterhalten«, erinnerte er.

Joey kicherte plötzlich.

»Was ist nun schon wieder?«

»Deine Pupillen«, erwiderte sie. »Sie sind groß wie Murmeln. Gib zu, die Busenlady hat mächtigen Eindruck auf dich gemacht.«

»Unsinn.« Er legte eine Hand auf die Theke. »Ich hab sie nur flüchtig angesehen. Rhonda interessiert mich nicht im Geringsten.«

Joey kicherte lauter. Die Barfrau wurde aufmerksam und schaute neugierig zu ihnen herüber.

Lassiter fing den Blick auf. Obwohl Rhonda Haare auf den Zähnen hatte, fand er sie ziemlich sexy. Je länger er sie anschaute, desto unruhiger wurde er. Er spürte, wie sich Schweiß auf seiner Stirn sammelte. Sein Herz wummerte wild. Er riss sich zusammen. Mit einem unterdrückten Seufzer lockerte er sein Halstuch und füllte seine Lungen mit Luft, die von Tabakrauch, Whiskey und Zitrone erfüllt war.

Rhonda servierte die Drinks.

Als sie Lassiters Mint Julep abstellte, beugte sie sich weit nach vorn. Herausfordernd bewegte sie ihre Schultern. Lassiter täuschte Teilnahmslosigkeit vor. »Danke, Ma’am«, sagte er knapp.

»Bitte sehr, der Herr.« Rhonda strich sich kokett übers Haar und entfernte sich.

Aus der Nische kam unterdrücktes Stöhnen. Es klang, als wenn eine der Frauen mit zusammengepressten Zähnen zum Höhepunkt kam. Szenen wie diese gehörten im Eden zum Alltag. Niemand störte sich daran.

»Du wolltest uns was erzählen«, sagte Logan zu ihrer Begleiterin.

»Zuerst muss ich mich stärken.« Sie griff nach ihrem Portwein. Logan und Lassiter folgten ihrem Beispiel. Sie hoben ihre Gläser und tranken.

Joey fingerte aus ihrem Handtäschchen eine zerdrückte Zigarettenschachtel. Dabei stieß sie einen gequälten Laut aus. »Ich wünschte, die Männer sähen mich auch so an wie Rhonda«, bekannte sie.

»Wie sehen wir Rhonda denn an?«, fragte Lassiter.

»So als wenn ihr sie am liebsten auf der Stelle umnieten wolltet.«

»Üble Nachrede.«

»Hab doch Augen im Kopf.«

Lassiter sah zu, wie Joey an ihrer Zigarettenschachtel zupfte. »Vielleicht solltest du deinem Leben eine andere Richtung geben«, meinte er.

»Was meinst du damit?«

»Halte dich von Dingen fern, die schädlich für dich sind.«

»Ach so? Was für Dinge sind das?«

»Zu viel Alkohol, zu viel Tabak«, Lassiter nippte an seinem Drink, »zu wenig Schlaf. Dein Job trägt nicht gerade zu deinem Wohlbefinden bei.«

Sie wischte einige Tabakkrümel von der Theke. »Du hast gut reden, Großer. Ich habe keinen Mann, der mich aushält. Von was soll ich leben? Von guten Worten? Davon ist noch keine Frau satt geworden.«

Logan fragte, ob sie die Schneiderstube in der Butcher Street kannte.

»Klar kenne ich die.« Joey steckte die Zigaretten zurück in die Tasche. »Soviel ich weiß, gehört der Laden der flinken Phoebe.«

»Ganz recht«, sagte Logan. »Phoebe Hackett sucht gerade eine fähige Näherin. Sie hat Aufträge ohne Ende. Die Arbeit wächst ihr über den Kopf.« Logan sah Joey an. »Nähen, das wäre doch was, oder?«

»Vielleicht?« Die verhärmte Joey sah auf ihre zittrigen Hände. »Aber im Moment könnte nicht mal einen Faden einfädeln«, bekannte sie.

»Na und? Das ist doch keine Hürde. Du könntest es lernen.« Nach einem raschen Seitenblick auf Rhonda richtete Lassiter seine Augen wieder auf Joey. »So, und jetzt Themawechsel, Stichwort Gerald Page.«

Joeys Augen wurden schmal wie Türritzen. »Das ist das größte Schlitzohr im Umkreis von tausend Meilen.« Ihre Stimme klang gepresst. »Ich habe da zufällig ein Gespräch mit angehört. Unglaublich, um was es da ging. Page ist ein Schurke durch und durch. Bei ihm dreht sich alles nur um Geld – um Geld und um Macht. Er hat es sich in den Kopf gesetzt, Gouverneur von Montana zu werden.«

»Das ist nicht strafbar«, warf Logan ein. »Wir leben in einem freien Land.«

In Lassiters Kopf hallten Joeys Worte nach. Page als Gouverneur – ein Albtraum vom Feinsten.

Joey kniff die Lippen zusammen. Sie hatte sich in Rage geredet und holte nun tief Luft, um mit Details aufzuwarten, doch Logan legte warnend einen Finger auf die Lippen.

»Leise«, raunte er.

Lassiter fragte: »Wer waren die Leute, mit denen sich Page getroffen hat?«

»Gutsituierte Gentlemen«, erwiderte Joey gedämpft, »Yankees, Geschäftsleute aus New York, St. Louis und Baltimore.«

»Fällt dir ein, wie sie hießen?«

Sie blickte sich misstrauisch um. »Nicht hier«, flüsterte sie. »Keine Namen. Aber ich hab mir Notizen gemacht. Eine Menge Notizen« Sie lächelte düster. »Das Büchlein habe ich in Minor’s Drugstore deponiert. Falls mir etwas zustoßen sollte. Die Idee dazu habe ich aus ’nem Schmöker von Johnny Casher.«

»Gibt es ein Kennwort?«

»Na klar. Ohne Kennwort rückt Jake Minor das Buch nicht heraus. Er hat’s mir fest zugesichert.«

»Gut gemacht, Joey.« Lassiter nickte anerkennend.

Im nächsten Augenblick spürte er Joeys warmen Atem am Ohr. »Das Kennwort ist Little Bighorn«, hauchte sie. »Hast du es verstanden?«

Lassiter nickte. »Danke für dein Vertrauen. Ich weiß das zu schätzen.«

Sie lächelte. »Und ich weiß, dass du ein guter Mensch bist. Du und dein Freund. – Warum gibt es nicht mehr von euch?«, fügte sie nach einem Stoßseufzer hinzu.

»Die gibt es, ganz bestimmt.«

»Aber nicht hier, in Hot Springs.« In Joeys Augen trat ein träumerischer Glanz. »Vielleicht ist es das Beste, wenn ich fortgehe: irgendwo hin, wo die Leute anders sind als hier.«

Ehe Lassiter antworten konnte, stand Rhonda vor ihm, beide Hände auf die Hüften gestemmt. »Wie wär`s? Soll ich nochmal die Luft aus den Gläsern lassen?«

»Ich nehme ’nen Portwein«, sagte Joey hastig.

Logan wollte noch einen Whiskey, Lassiter hingegen hob abwehrend die Hände. »Für mich reicht’s. Nicht mein Tag heute.«

Rhonda zwinkerte ihm zu und schob ab.

»Du bist ihr nicht einerlei«, sagte Joey zu Lassiter. »Ich habe einen Blick dafür.« Sie trat von einem Bein aufs andere. »Muss mal auf ’nen Sprung vor die Tür. Wir reden nachher weiter.«

»Bis gleich«, sagte Lassiter.

Joey griff nach ihrer Tasche und eilte hinaus.

***

Eine junge Frau mit zerwühlter Turmfrisur und knallroten Wangen trat aus der Sitznische neben der Treppe. Sichtlich verlegen strich sie sich Rock und Bluse glatt. Dann schnippte sie sich eine herabbaumelnde Haarsträhne aus dem Gesicht. Unsicheren Schrittes stakste sie zur Tür, die auf den Hinterhof führte.

Die Zeit verging.

Lassiter zerkaute das Minzeblättchen seines Drinks. Wo Joey nur blieb?

Logan brachte seine Taschenuhr zum Vorschein. »Mittlerweile ist sie fast ’ne Viertelstunde weg.«

Rhonda, die gerade in der Nähe war, hatte zugehört und lachte spöttisch. »Vielleicht hat das Schätzchen draußen ’ne neue Bekanntschaft gemacht. Sie hat keine große Wahl. Wenn man so abgewrackt ist wie sie, muss man nehmen, was man kriegt. – Noch’n Whiskey?«

»Nein.« Logan schüttelte den Kopf.

Lassiter schaute zur Seitentür hinüber. Er überlegte, ob er nach Joey sehen sollte. Dass sie einfach weggegangen war, glaubte er nicht.

Plötzlich ertönte ein Schrei.

Lassiter fuhr herum. Der Schrei kam von draußen. Der Schreckensruf einer Frau. Aber es war nicht Joeys Stimme. Er rannte zur Tür, warf unterwegs einen Stuhl um und gelangte auf den rückwärtigen Hof der Bar.

Das Mädchen mit der Turmfrisur stürzte ihm entgegen. Weinend fiel sie ihm in die Arme.

»Was ist passiert?« Er drückte sie behutsam. »Was haben Sie gesehen, Miss?«

»Es ist so schrecklich …«

»Ganz ruhig. Ich bin ja bei Ihnen. Was ist schrecklich?«

»Sie liegt da, im Schuppen«, keuchte das Mädchen. »Und überall ist Blut.«

»Blut?«

»Joeys Blut!« Das Mädchen grub ihr Gesicht in seine Hemdbrust, dann brach sie in Tränen aus.

Inzwischen war auch Paul Logan zur Stelle. Er übernahm die junge Frau. Lassiter lief über den Hof zum Schuppen. Die Tür war nur angelehnt. Er riss sie auf und entdeckte vor sich eine Gestalt auf dem Boden.

Mit hämmerndem Herzen kniete er sich hin.

Joey Baxter lag auf dem Rücken, in einer Blutlache, die ständig an Umfang zunahm. Sie hatte die Augen geschlossen. Lassiter beugte sich über sie und kontrollierte, ob die Verletzte noch atmete.

Plötzlich schlug Joey die Augen auf. »Little Bighorn«, hauchte sie.

Lassiter schob eine Hand unter ihren Kopf und stützte ihn. Erst jetzt bemerkte er die schreckliche Stichwunde unterhalb der Schulterblätter. Jemand hatte Joey heimtückisch ein Messer in den Rücken gerammt.

Die Niedergestochene rang qualvoll nach Atem. Blut quoll aus ihrem Mund und tropfte Lassiter auf das Hemd. Ihre Augen waren starr auf ihn gerichtet. Sie schien zu ahnen, dass er der letzte Mensch war, den sie ihrem Leben zu Gesicht bekam.

»Little Bighorn«, flüsterte sie. Ihre Lippen zitterten vor Anstrengung. »Little Bighorn.«

»Wer war es?« Lassiter spürte, wie das warme Blut sein Hemd nässte. »Wer hat das getan, Joey?«

Sie starrte ihn an, ihre Finger krallten sich in sein Hemd, das letzte Aufbäumen eines sterbenden Menschen. Immer wieder sickerte Blut aus ihrem Mund. Sie brachte kein Wort mehr heraus. Schließlich entspannte sich ihre Hand. Schlaff fiel sie zur Seite.

Joey Baxter atmete nicht mehr.

Vorsichtig ließ Lassiter den Kopf der Toten zu Boden gleiten. Als er sich in die Höhe stemmte, traten die anderen Leute auf dem Hof. Sie blieben an der Tür stehen und blickten ihn fragend an.

Rhonda, die Barfrau, nagte nervös an ihrer Lippe. »Was ist mit ihr?«, fragte sie gepresst.

»Tot.« Er hob hilflos eine Achsel. »Ermordet, mit einem Messer.«

Rhonda ließ ihren Blick über das düstere Gelände schweifen. »Der Killer muss noch in der Nähe sein«, sagte sie. »Soll ihn der Blitzschlag treffen!«

Lassiter brannte ein Streichholz an. Er beleuchtete den Vorplatz des Holzhäuschens. Der Boden bestand aus gestampfter, mit Kies vermengter Erde. Einige vereinzelte Stiefelabdrücke waren zu sehen. Man konnte sie aber nicht unterscheiden. Eine Verfolgung des Mörders war zwecklos. Der Typ war längst über alle Berge.

Das Streichholz erlosch.

»Ich sorge dafür, dass sie die Leiche wegschaffen«, sagte Rhonda tonlos.

Lassiter trottete in das Haus zurück. Logan stand an der Bar und tröstete das Mädchen mit der aufgelösten Turmfrisur. Die Nische an der Treppe lag verwaist.

»Es tut mir so leid um Joey«, wimmerte das Mädchen. »Vor kurzem habe ich noch mit ihr gesprochen. Warum gerade Joey?« Sie schmiegte ihr Gesicht an Logans Brust und weinte bitterlich.

Lassiter trat zu ihm. »Wissen Sie, wo Jake Minor wohnt?«

»Jake Minor?« Logan runzelte verwundert die Stirn. Offenbar vermisste er den Zusammenhang.

»Wo finde ich ihn?«, bohrte Lassiter.

Das Mädchen an Logans Brust hob ihr verweintes Gesicht. »Butcher Street, er wohnt in dem Haus gleich neben dem Geschäft.«

***

Es war stockdunkel, als Lassiter in der Butcher Street ankam.

Das Gebäude neben der Verkaufsstelle war eine einstöckige Blockhütte mit überdachter Veranda und einer Sitzbank neben dem Eingang.

Lassiter klopfte an die Tür. Lange Zeit tat sich nichts. Erst als er den Namen des Storekeepers rief, regte sich etwas.

Endlich ließ sich von innen eine Stimme vernehmen: »Welcher Idiot macht da so einen Radau?«

»Der Idiot heißt Lassiter, und es geht um Mord. Machen Sie auf, Mr. Minor.«

Kurzes Schweigen. »Lassiter? Nie gehört. Sind Sie ein Constable oder ein Deputy?«

»Keines von beiden, ich bin Privatmann.«

»Meine Güte, Sie haben vielleicht Nerven!« Hinter der Tür scharrten Schritte. »Fast Mitternacht. Hat das Ganze nicht Zeit bis morgen früh?«

»Nein, es eilt. Ich muss Sie sprechen, sofort.«

»Okay«, knurrte Minor und schloss um.

Ein bulliger Mann, barfuß und mit rutschenden Hosen, öffnete. Auf seiner breiten, vernarbten Brust kringelten sich schwarze Haare. In der rechten Hand hielt er einen kurzläufigen Pocket-Revolver.

»Sind Sie Jake Minor?«, vergewisserte sich Lassiter. »Der Besitzer des Gemischtwarenladens?«

»Das möchte wohl sein.«

»Mein Name ist Lassiter, aber das wissen Sie ja schon. Ich bin wegen den Papieren da, die bei Ihnen hinterlegt sind.«

»Papiere?«

»Joey Baxters Aufzeichnungen.«

Jake Minor musterte Lassiter aus zusammengekniffenen Augen. Dann spähte er auf die nachtdunkle Straße hinaus. »Okay, kommen Sie ins Haus.« Mit diesen Worten schob er die Waffe in seinen Hosenbund.

Lassiter trat ein. Gleich neben der Tür, auf einer Konsole, brannte eine blakende Petroleumlampe. Minor nahm sie, drehte den Docht höher und geleitete seinen Besucher zu einem Einbeintisch, an dem zwei Stühle mit Samtpolstern standen.

»Wollen Sie Platz nehmen? Im Sitzen spricht’s sich besser.«

»Danke. Ich steh lieber.« Lassiter holte tief Luft. »Um es kurz zu machen: Ich will Joeys Aufzeichnungen abholen. Es ist sehr dringend.«

Minor war misstrauisch. »Woher zum Geier wissen Sie von den Papieren?«

»Woher schon? Von ihr.«

»Sie hat’s Ihnen gesagt? Einfach so?«

»Ja.«

»Hm, wann soll denn das gewesen sein?«

»Heute.«

»Heute?« Minor kniff mit den Augen. »Da brat mir einer ’nen Storch. Wo ist Joey? Was zum Henker ist mit ihr passiert?«

Lassiter zögerte. »Sie ist tot«, sagte er dann.

»Wie? Was? Tot?«

»Sie lebt nicht mehr, Mr. Minor«, antwortete Lassiter. »Vor einer Stunde wurde sie tot aufgefunden, auf dem Hof hinter der Eden Bar.«

»Mein Gott!« Minor wurde bleich. »Ist sie … ist sie ermordet worden?«

Es entstand eine Pause.

»Ja«, erwiderte Lassiter. »Es war Mord. Jemand hat sie hinterrücks erstochen.«

Minor war sichtlich schockiert. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen und starrte auf den Boden. Nach einer Weile sah er auf. »Sagen Sie mir das Kennwort!«

»Little Bighorn.«

»Okay.« Minor nickte düster. »Wer sind Sie, Mister? Joey hat nie den Namen Lassiter erwähnt. Wie haben Sie sie dazu gebracht, Ihnen das Kennwort zu verraten?«

»Sie hat es freiwillig getan. Offenbar, weil sie mir vertraute.« Eine gerahmte Fotografie auf dem Tisch fiel Lassiter auf. Er sah genauer hin und erkannte eine schmalgesichtige Frau mit einem Kind in den Armen. »Wer ist das?«

Minor schluckte schwer. »Meine Frau und Georgie, mein Sohn.«

Lassiter fragte nicht weiter. Wahrscheinlich war Minors Familie gestorben. Er bewohnte das Haus allein. »Ich würde jetzt gern die Unterlagen sehen«, sagte Lassiter, »die Aufzeichnungen, die Joey Ihnen überlassen hat.«

»Okay, natürlich.« Minor stemmte sich vom Stuhl. Er tappte zu einem Vertiko mit Aufsatz, zog in Brusthöhe eine winzige Schublade auf und entnahm ihr ein dünnes Heft, das er sekundenlang fixierte, als wolle er es verhexen.

»Haben Sie darin gelesen?«, fragte Lassiter.

Minor seufzte. »Nicht alles. Hab nur mal ’nen Blick reingeworfen.«

»Und?«

»Was da drinnen steht, ist wie Sprengöl. Es kann uns alle den Kopf kosten.«

Lassiter verspürte den Anflug von Spannung. Minor kannte Joeys Notizen. Das konnte gefährlich für den Keeper werden. Sobald bestimmte Dinge ans Tageslicht kamen, würden Leute mit viel Einfluss sehr nervös werden. Es ging um viel Geld. Der Bürgermeister von Hot Springs war nur ein kleiner Fisch in diesem Gefüge.

Minor kam näher, zögernd hielt er Lassiter das Heft hin. »Noch haben wir die Wahl. Wir können die Notizen ins Feuer werfen. Manchmal ist es gut, von nichts zu wissen. Wer nichts weiß, lebt länger.«

»Das mag sein«, entgegnete Lassiter. »Aber wenn wir das Büchlein verbrennen, wäre das nicht im Sinne der Toten, meine ich.«

Das Schriftstück wechselte den Besitzer.

»Was haben Sie vor?«, erkundigte sich Minor. »Auf wessen Seite stehen Sie?«

Lassiter schlug das Heft auf und studierte einige Zeilen. Als er den Namen eines besonders skrupellosen New Yorker Immobilienhais las, klappte er das Heft rasch wieder zu. Minor hatte Recht. Das war Sprengstoff pur. Man wollte sich das Gebiet am Seton Pass einverleiben.

Lassiter rollte das Heft zusammen und schob es in seine Jacke. »Ich stehe auf der Seite des Gesetzes«, beantwortete er nun Minors Frage.

»Das hoffe ich.« Der Ladenbesitzer kratzte sich seine Brust. »Was wollen Sie unternehmen?«

»Ich weiß es noch nicht. Zuerst muss ich mir einen Überblick verschaffen.«

Minor seufzte. »Sie wissen, dass Sie mit einem Bein im Grab stehen, oder?«