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Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2251, 2252 und 2253.
Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!
2251: Jackpot für einen Toten
In der Carson Street hing ein Steckbrief: ein gelbes Stück Pappe, angeschlagen neben dem Eingang des Marshal's Office. Ein barfüßiger Junge in Latzhose stand davor und las laut vor: "Tausend Dollar Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung von Bill Mavis führen."
Ray Johnson hörte im Vorbeigehen die stockende Stimme und blieb stehen. Er studierte die Bekanntmachung und wollte eben weitergehen, da sagte der Junge: "Bill Mavis! Den habe ich heute gesehen." Mavis war ein Straßenräuber; seit Wochen machte er die Gegend zwischen Westfield und Dylan Grove unsicher.
Johnson gab dem Jungen eine Kopfnuss. "Mavis in Westfield?" Er lachte heiser. "Du bist ein Träumer, Amigo! Der Kerl wird es nicht wagen, eine Stadt zu betreten, wo seine Steckbriefe hängen."
Der Junge machte die Augen schmal. "Wer weiß?"
2252: Sterben für Melissa
Zum ersten Mal, seit er sich in Topeka niedergelassen hatte, beschlich Curt Westwood ein Gefühl der Unruhe, als er von der Veranda seiner Farm hinaus auf das weite Land blickte. Die Stille und der Frieden der Umgebung waren in diesen Sekunden verräterischer, als es ein Rudel aufgescheuchter Kojoten hätte sein können.
Westwood verengte die Augen und starrte auf die Hügelkette, die den Horizont verdeckte. Minutenlang verharrte er reglos, bis sich der Grund für seine innere Anspannung zeigte. Im flirrenden Licht der Sonne schob sich ein Reiter über die Hügelkuppen, blieb einige Augenblicke auf der Anhöhe stehen und setzte seinen Ritt zur Farm fort. Nur wenige Meter hinter ihm tauchten fünf weitere Reiter auf, die dem Mann an der Spitze in breiter Front folgten.
2253: Die Geiseln des Häuptlings
Der Häuptling thronte kopfüber auf dem Prunkstuhl. Das kunstvoll gearbeitete Möbelstück aus amerikanischer Eiche klebte mit den Beinen an der Zimmerdecke. Der Wald und das Dickicht begannen ihren Wuchs ebenfalls dort oben und ließen die Baumkronen wie große schwere Köpfe herabhängen.
So sah es allerdings nur auf der Mattscheibe aus.
"Eine Bitte noch, Chief White Raven", rief Jasper Cronin, der Fotograf, unter dem schwarzen Tuch.
"Falten Sie die Hände nicht, sondern legen Sie sie einfach nur übereinander. Ansonsten sehen Sie wunderbar majestätisch aus."
White Raven antwortete nicht. Er lächelte nur. Die Anweisung des Fotografen befolgte er mit stoischer Ruhe, indem er die Hände voneinander trennte und flach auf die Knie legte.
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Seitenzahl: 390
Veröffentlichungsjahr: 2018
Jack Slade
Lassiter Sammelband 1790 - Western
Cover
Impressum
Jackpot für einen Toten
Vorschau
Jackpot für einen Toten
In der Carson Street hing ein Steckbrief: ein gelbes Stück Pappe, angeschlagen neben dem Eingang des Marshal’s Office. Ein barfüßiger Junge in Latzhose stand davor und las laut vor: »Tausend Dollar Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung von Bill Mavis führen.«
Ray Johnson hörte im Vorbeigehen die stockende Stimme und blieb stehen. Er studierte die Bekanntmachung und wollte eben weitergehen, da sagte der Junge: »Bill Mavis! Den habe ich heute gesehen.« Mavis war ein Straßenräuber; seit Wochen machte er die Gegend zwischen Westfield und Dylan Grove unsicher.
Johnson gab dem Jungen eine Kopfnuss. »Mavis in Westfield?« Er lachte heiser. »Du bist ein Träumer, Amigo! Der Kerl wird es nicht wagen, eine Stadt zu betreten, wo seine Steckbriefe hängen.«
Der Junge machte die Augen schmal. »Wer weiß?«
»Warst du schon mal in dem neuen Spielcasino, Ray?«, fragte Dave Gropper.
Ray Johnson sah seinen Kumpel groß an. »Für Spielhöllen habe ich nichts übrig. Ich gebe mein Geld lieber für Frauen aus – für Frauen und Whiskey! Da weiß man, was man hat.«
Die zwei Männer standen an der klobigen Holztheke im Buckhorn-Saloon. Es war Nachmittag. Das Lokal war klein und mit Stühlen und Tischen Marke Eigenbau möbliert. An den Wänden hingen Bilder von Mädchen in Unterwäsche. Außer Johnson, Gropper und Randy, dem Bartender, befand sich nur noch ein alter Mann in Trapperkleidung im stickigen Gastzimmer. Sie nannten ihn Jacopo. Über sein leeres Bierglas gebeugt, döste der Alte vor sich hin.
»Im Casino verkehren die schärfsten Weiber«, sagte Gropper. »Neulich war sogar Joan Foster da.«
Johnson packte sein Glas fester. Joan Foster war die Schwägerin des Bürgermeisters, eine Frau mit Engelsgesicht und einer Figur, die einen um den Verstand bringen konnte. Manchmal, wenn Johnson an ihre Kurven dachte, bekam er aufsteigende Hitze. »Was zum Henker treibt ein Frauenzimmer wie Joan in eine Spielhölle?«, wollte er wissen.
»Moneten.« Gropper rieb den Daumen am Zeigefinger. »Es gibt noch mehr heiße Ladys dort. Manche kommen sogar per Kutsche aus Dylan Grove und El Paso, nur um hier Roulette zu spielen.«
Das hatte Johnson nicht gewusst. Bis eben glaubte er, dass man im Casino nur Glücksritter und ausgebuffte Gambler antraf. Schon die Vorstellung, dass sich seine Traumfrau dort aufhielt und er sie nach Herzenslust beobachten konnte, übte einen gewissen Reiz auf ihn aus.
Er schenkte Whiskey nach.
Der alte Jacopo hob lauschend den Kopf und beleckte seine spröden Lippen. Offenbar hatte ihn das Plätschern geweckt.
»Schieb dein Glas her, Oldtimer«, sagte Johnson. Ihm taten alte, hilflose Leute leid.
»Bist ein guter Junge«, krächzte Jacopo und reichte sein Glas rüber.
Johnson schenkte ein.
Da packte die knittrige Greisenklaue zu. »Zeig mal her, deine Griffel.« Jacopos Augen funkelten.
Nachdem er die Flasche beiseitegestellt hatte, hielt Johnson dem Alten die linke Hand hin.
»Handfläche nach oben«, murmelte der.
Johnson tat, wie ihm geheißen und drehte sein Gelenk. Nebenbei warf er seinem Zechkumpan einen amüsierten Blick zu. Gropper grinste und nuckelte an seinem Schnaps.
Der Alte glotzte eine Zeitlang auf die nach oben gekehrte Hand. Dann hielt er seinen Kopf schief und fuhr mit der Fingerkuppe über Johnsons Daumenballen.
Im Saloon herrschte Stille. Nur das Summen der Fliegen, die um die aufgehängte Petroleumlampe kreisten, war zu hören.
»Na, und?« Johnson wurde ungeduldig. »Alles in Ordnung mit meinem Patschhändchen?«
Jacopo schwieg.
Randy kicherte. »Du solltest sie öfter waschen, Ray.«
Mit einem Brummen ließ Jacopo die Hand los und fuhr sich schnaufend über das Gesicht. Dann langte er bedächtig nach seinem Glas und leerte es in einem Zug.
»Bin ich noch zu retten?« Johnson grinste breit. Das Theater, das der selbsternannte Wahrsager veranstaltete, belustigte ihn.
»Red schon!«, drängte Randy hinter der Bar. »Was hast du gesehen, Jacopo?«
Der Alte starrte in sein Glas. »Nur Firlefanz«, sagte er gequält. »Nichts, worüber es zu reden lohnt. Bin wohl schon zu alt für diesen Humbug.«
Johnson war enttäuscht. Er hatte mehr erwartet. Trotzdem griff er noch einmal nach der Flasche. »Verrat mir wenigstens, ob ich in nächster Zeit eine scharfe Lady kennenlerne.«
Jacopo warf ihm einen verstohlenen Blick zu. »Ja, das wirst du«, sagte er dann.
»Echt?«
Der Wahrsager nickte. Mit beiden Händen deutete er die Umrisse einer Bassgeige an.
»Na, bitte!« Johnson strahlte. Er goss dem Alten noch einmal ein. »Cheerio! Trinken wir auf die Frauen und die Zukunft!«
Bald darauf verließen Johnson und Gropper den Saloon. Sie schlenderten die abendliche, menschengefüllte Carson Street entlang.
Das Casino tauchte vor ihnen auf, ein kleiner Palast wie aus dem Märchen. Etliche Lampen strahlten ihr helles Licht auf die mit Girlanden verzierte Fassade.
Der Einlasser in roter Livree riss weit die Tür auf.
Aus dem Innern quoll eine Menge Geräusche, aber eines übertönte all die anderen: das ansteckende Lachen einer Frau.
Johnson blieb vor dem Eingang stehen. Er dachte an Joan Foster.
Der Türsteher winkte ihm. »Mitspielen, mitgewinnen«, rief er mit hoher Stimme.
Gropper sagte: »Na los, gib deinem Herzen einen Stoß, Ray.«
»Schon passiert«, erwiderte Johnson.
***
»Nicht übel«, sagte Johnson, als er den großen Spielsaal betrat.
Das Licht der Kronleuchter brach sich in facettiertem Glas. Es roch nach Parfüm, Champagner und dem Rauch teurer Zigarren. Zwischen dem Stimmengewirr der Gäste hörte man die typischen Casinogeräusche: das Surren der Kugeln, das Klappern der Jetons und den Ausrufen des Croupiers.
Johnson und Gropper drängten sich durch die herumstehenden Menschen hindurch. Ihre Füße versanken in dicken Teppichen. Auf einem Podium in einer Nische spielte ein Mann auf einem weißen Klavier. Das Lachen einer Frau wehte durch den Raum.
Joan Foster? Johnson sah sich um. Die Frau, die gelacht hatte, war aufgedonnert wie eine Diva und trug eine Perlenkette auf ihrem Dekolleté. Sie saugte am Mundstück einer verzierten Zigarettenspitze. Als Johnson an ihr vorbeiging, blies sie ihm eine Rauchwolke ins Gesicht.
»Rien ne va plus!«, rief der Croupier.
Gropper gab Johnson einen Schubs. »Komm, da vorn, am Tisch, ist Platz.«
Sie schoben sich zum Roulette durch. Unterwegs kaufte Gropper an der Kasse eine Handvoll Zelluloidchips. Johnson blickte verwirrt auf das grüne Tuch. Zwischen waberndem Tabakrauch erkannte er viele Gesichter. Alle Augen starrten auf die Roulette. Rasend kreiste die kleine, weiße Kugel die Bahn entlang, hüpfte über einige Zahlenfelder und ließ sich in eins der Fächer fallen.
»Vingt-et-trois, impair, rouge, passe!«, rief der Croupier.
Heiliger Strohsack! Johnson sah staunend zu, wie der lange Rechen über das grüne Tuch glitt. Die vielen bunten Scheibchen auf den einzelnen Feldern verschwammen zu einem Meer roter, grüner, gelber, weißer und blauer Jetons. Mit unglaublicher Sicherheit griff der Croupier in die Masse der Spielmarken, reihte sie rasch zu bunten Rollen rund um den Kessel und formte Türmchen, die er den Gewinnern hinschob.
Das Spiel begann von vorn.
Der Croupier griff nach der weißen Kugel und schnippte sie ein. Wieder wandten sich ihr alle Köpfe zu, von dem leisen Surren magisch angezogen.
»He, Ray, willst du es auch mal probieren?«, fragte Gropper und setzte einen Jeton auf die Eins.
Johnson wackelte mit dem Kopf. »Findest du es nicht leichtsinnig, deine hart verdienten Dollars auf das Tuch zu legen, und dann ist es plötzlich weg?«
»Ach was! Ein bisschen Spaß muss sein.« Gropper warf einen Blick auf die kreisende Kugel. »Hier, ich gebe dir ein paar Chips. Probier’s mal, setz einfach mal einen auf Rot.«
Zögernd schob Johnson einen Spielchip auf ein Feld.
Plötzlich stand die Frau mit der Perlenkette neben ihm. Sie setzte ein Türmchen auf das gleiche Feld, das er gewählt hatte.
Er sah sie an.
»Ich bin Laura Langley«, sagte sie und tippte die Asche von ihrer Zigarette auf den Teppich.
»Ray Johnson.« Er tippte an seinen Hutrand.
Die Dame bedachte ihn mit einem hintergründigen Lächeln.
»Rien ne va plus!«, rief der Croupier.
Diesmal blickte Johnson nicht auf die im Kessel kreisende Kugel. Er starrte auf das Türmchen Jetons von Laura Langley. Im Stillen fragte er sich, was mit den Spielmarken passieren würde.
»Trois, impair, rouge, manque!«
Der Rechen flitzte über das Tableau.
Johnson blickte auf seinen Jeton.
Bunte Scheiben sausten durch die Luft. Der Croupier stand am Ende des Tisches. Geschickt raffte er alles zusammen.
Plötzlich lag auf Johnsons Chip ein zweiter – und Laura Langley war glückliche Besitzerin von zwei Türmchen.
»Wir haben gewonnen«, sagte sie und nahm ihre Jetons vom Tisch.
Johnson legte seine Marke auf eine Zahl, es war die einundzwanzig.
»Ganz schön mutig, Ray«, sagte die Dame und zwinkerte ihm zu.
Schon begann die nächste Runde. Die Kugel raste über die schwarz-roten Zahlenfelder. Dazwischen schimmerte Zero, grünlich wie das Auge eines Ungeheuers.
Atemlos verfolgte Johnson den Weg der Kugel. Zitternd blieb sie in einem der Zahlenfächer liegen.
»Einundzwanzig«, sagte Laura Langley.
»Mein Gott, was für ein Glück!« Gropper klopfte ihm die Schulter.
Der Croupier sah Johnson fragend an.
Johnson nickte.
Im nächsten Moment wurden ihm zwei kleine Türme bunter Jetons zugeschoben.
»Gratuliere«, sagte Gropper. »Wäre ich du, würde ich jetzt nicht aufhören. Du bist ein Glückskind. Nutze deine Chance.«
Johnson fingerte an den Jetons herum. Er war hin und her gerissen. Eine Stimme sagte ihm, er solle schleunigst von hier verschwinden, die andere riet ihm, zu bleiben und das Spiel fortzusetzen.
Er hörte auf den falschen Rat und blieb.
Die Zeit verging, längst hatte er Joan Foster und all die anderen schönen Damen vergessen. Es war, als hätte ihn ein böser Geist befallen.
Mit Groppers Hilfe setzte er auf Zahlen, Kolonnen, Transversalen und Zero. Die Kugel rollte und rollte. Immer mehr Jetons häuften sich vor Johnson.
Schließlich hatte er genug vom Spiel. Er raffte die Spielmarken zusammen und stand auf. Gropper nahm ihm eine Handvoll Chips ab. Von neidvollen Blicken verfolgt, gingen sie an die Kasse.
Der Kassierer ordnete die Werte mit traumwandlerischer Geschicklichkeit zu kleinen Türmchen, zählte sie ab und setzte sein Berufslächeln auf: »Bitte sehr, mein Herr, dreitausendsechshundert Dollar.«
»Danke.« Johnson nahm das Geld vom Schalter. »Für den Zaster hätte ich zehn Jahre lang hart arbeiten müssen«, sagte er zu Gropper.
Aber Gropper hörte nicht richtig hin. Er hatte sich der Dame zugewandt, die Laura Langley hieß. Mit sichtlichem Vergnügen betrachtete er ihre Auslagen.
»Lass uns abhauen, Dave«, sagte Johnson.
Gropper gab sich zerknirscht. »Tut mir leid, Kumpel. Ich habe Laura versprochen, mit ihr eine Partie Billard zu spielen.«
»Okay, dann bis später.« Johnson ging allein.
***
Der Wind hatte die Richtung geändert und wehte ihm genau ins Gesicht. Sand kribbelte auf seiner Haut, rieb auf seinen Lippen und knirschte ihm zwischen den Zähnen.
Bill Mavis spuckte aus und band sein Halstuch so hoch, dass es bis an die Nasenspitze reichte. Er lag eine Weile auf der Herzseite, die Augen fest verschlossen. Doch es war wie verhext: Er fand nicht in den Schlaf. Das verfallene Blockhaus, das er als Domizil gewählt hatte, war als Behausung kaum zu gebrauchen. Es gab weder Fenster noch Türen. Durch die Reste des verkohlten Dachgebälks konnte man den mit Sternen gespickten Himmel sehen. Und in den Wänden überall Löcher und Ritzen, durch die kühler Nachtwind eindrang.
Nach einer Weile hatte Mavis die Faxen dicke und rappelte sich auf die Füße.
Es war keine gute Idee gewesen, nach Westfield zu fliehen. Er hatte geglaubt, dass ihn hier niemand kennen würde und er sich in einer unauffälligen Herberge verstecken konnte.
Fehlanzeige.
In der Carson Street, an der Bahnstation und am Market Place hingen Steckbriefe mit seinem Konterfei. Wenn er sich bei Tageslicht in der Öffentlichkeit zeigte, musste er jederzeit damit rechnen, dass man sein Gesicht erkannte und nach dem Marshal schrie.
Trübe Aussichten.
Mavis zerquetschte einen Fluch. Vom Liegen auf den harten Bohlen taten ihm sämtliche Knochen weh. Und wie sein Rücken schmerzte! Nicht auszuhalten!
Er lockerte seine Glieder, schulterte dann seinen kleinen Reisesack und hängte sich das Gewehr über. Vorsichtig trat er an die Türöffnung. Im Dunkeln sah man nur die schemenhaften Umrisse der Holzgebäude auf der anderen Straßenseite. Nirgendwo brannte Licht. Es war lange nach Mitternacht.
Mavis zog den Kopf ein, um nicht an den niedrigen Türbalken zu stoßen. Der Wind strich leise über den Boden. Mavis ging zur Straße hinüber. Grober Sand knirschte unter seinen Sohlen. Etwas weiter hinten sah er die erleuchtete Einmündung zur Carson Street. Aus der Ferne hörte man Klaviermusik und dumpfes Stimmengewirr. Im Spielcasino ging es heiß her.
Gern wäre Mavis jetzt dort gewesen. Er liebte die einmalige Atmosphäre in diesen Etablissements: das Klimpern der Spielmarken, das Rascheln der schicken, seidenen Frauenkleider, das wohltönende Klingen der Sektkelche, den betörenden Geruch der raffinierten Duftwässerchen – nicht zuletzt den rauchigen Geschmack des edlen Whiskeys, den Barmixer in weißen Jacken kredenzten.
Mit einem Seufzer schob er die Erinnerungen beiseite. Er ging ein paar Schritte in Richtung Hauptstraße, nur so, ohne Ziel, um sich die Beine zu vertreten. Womöglich kam ihm beim Spazieren eine Idee, wie er seine belämmerte Lage verbessern konnte.
Als er nur noch wenige Yards von der Einmündung entfernt war, hörte er anschwellende Schritte.
Mavis eilte unter das Dach einer Veranda und presste sich mit dem Rücken an die Wand. Kaum hatte er sich unsichtbar gemacht, kam eine hochgewachsene, männliche Gestalt um die Ecke.
Ohne Eile ging der Mann vorüber.
Beim Anblick des nächtlichen Wanderers schlug Mavis’ Herz gleich ein paar Takte schneller. Er war Straßenräuber, und sein Jagdtrieb meldete sich. Sein untrüglicher Instinkt verriet ihm, dass der Mann leichte Beute war.
Mechanisch blickte er sich nach allen Seiten um.
Sie waren allein auf weiter Flur – er und der einsame Spaziergänger.
Doch Mavis hatte nicht vor, den Mann zu überfallen. Von seinem letzten Raubzug war noch genug Geld da. Sein Jagdfieber erlosch.
Aus schmalen Augen beobachtete er den Mann.
Plötzlich schoss wie ein Kobold eine gedrungene Gestalt aus dem Dunkel. Sie stieß mit dem Mann zusammen, und beide fanden sich auf dem Boden wieder. Ein kurzer, unterdrückter Schrei war zu hören. Der Angreifer und der Spaziergänger kugelten über die Straße.
Mavis rührte sich nicht vom Fleck. Er sah, wie etwas Metallisches im Mondlicht auffunkelte – die Klinge eines Bowiemessers!
»Du Teufel!«, keuchte der Überfallene.
Die kleine Gestalt versuchte, ihm das Messer in den Leib zu jagen. Doch die Attacke misslang. Der große Mann schlug dem Angreifer eine Faust gegen den Kopf. Es war ein verdammt harter Schlag gewesen, doch sein Rivale schien einen Schädel aus Eisen zu haben. Er taumelte ein Stück zur Seite, schüttelte sich und griff erneut an.
Die Klinge zischte durch die Luft.
Die Abwehr des Großen kam zu spät. Er war einfach zu langsam. Das Messer bohrte sich in seine Brust. Er stolperte über seine eigenen Füße und fiel mitten auf der Straße auf die Knie. Sein Gegner nutzte die Schwäche und brachte ihm erneut eine Stichwunde bei.
Laut drang das Stöhnen des Mannes an Mavis’ Ohr. Der Überfallene rappelte sich mühsam auf, sackte wieder zusammen und schraubte sich erneut in die Höhe.
Mavis überlegte, ob er einschreiten sollte. Seine Gedanken kollerten wild durch seinen Kopf. Er entschied sich gegen eine Einmischung. Wenn er dem Mann jetzt zur Hilfe kam, konnte es passieren, dass Neuhinzugekommene ihn für den Täter hielten. Am Ende würde er für das Verbrechen eines anderen büßen.
Unterdessen hatte der Kleine ein weiteres Mal zugestoßen. Der Überfallene fiel mit dem Gesicht auf die Straße. Er regte sich nicht mehr.
Der Kleine zögerte keine Sekunde. Im Nu war er dabei und leerte dem Opfer die Taschen. Alles, was er fand, warf er in den Beutel, den er bei sich trug. Noch immer war weit und breit kein Mensch zu sehen. Ungestört verrichtete der Kleine seine schändliche Tat.
Mavis kam aus dem Staunen nicht heraus. Unglaublich, wie viel Moneten dieser arglose Spaziergänger mit sich herumschleppte. Wahrscheinlich war er im Spielcasino gewesen und hatte den Jackpot geknackt.
Doch das Glück hatte ihn im Stich gelassen.
Das Geld erwies sich als Fluch und tötete ihn. Er verblutete auf dem Heimweg in sein Quartier. Was für ein grausames Schicksal!
Der Mörder war immer noch dabei, die Beute in seinen Beutel zu füllen. Der Unhold hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Leiche des Opfers an den Straßenrand zu ziehen. Er schien sich sehr sicher zu fühlen. Wie es aussah, war der Ganove entweder ein Greenhorn oder so sehr von sich überzeugt, dass er keine Konkurrenz fürchtete.
Dass der kleine Teufel so einen Riesenreibach machte, ärgerte Mavis. Das hatte der Saukerl nicht verdient. Auf einen Schlag war der Messerschwinger zum reichen Mann geworden.
Mavis tastete nach seinem Colt. Ohne einen Laut zog er blank. Er ließ den Kobold nicht aus den Augen.
Irgendwo, nicht allzu weit weg, ertönten Stimmen.
Jemand lachte laut.
Der Mörder horchte kurz auf, dann packte er die Leiche an den Füßen und zerrte sie von der Straße.
Na warte! Mavis bewegte sich vorsichtig durchs Dunkel. Der kleine Killer hievte sein Opfer gerade über ein niedriges Gesträuch hinweg in eine Bodenmulde. Der Mond tauchte das flache Grab in fahles Licht. Die Leiche rollte in die Erdvertiefung. Verkrümmt blieb sie liegen. Der Mörder stand am Rand der Mulde und lauschte angestrengt.
Jetzt konnte Mavis ihn gut erkennen.
Der Kobold mochte etwa dreißig bis vierzig Jahre alt sein, war dunkelhaarig und hatte ein schmales, hageres Gesicht. Unter seinem Derbyhut sprossen ein paar Strähnen ungeschnittener Locken hervor. Seine Augen lagen dicht neben der Nasenwurzel und erinnerten an den Kopf einer Ratte.
Mavis hob seinen Revolver. Er kniff das linke Auge zu und zielte auf die Brust des kleinwüchsigen Raubmörders. Er wollte gerade abdrücken, als der Wicht aus dem Schussfeld verschwand.
Verblüfft rieb sich Mavis die Augen. Es war, als hätte sich der Erdboden aufgetan, um den mörderischen Kobold mit Haut und Haaren zu verschlingen.
»Verdammt«, knurrte Mavis.
Er ließ die Waffe sinken. Auf einmal war ihm ziemlich mulmig zumute. Ging hier etwas nicht mit rechten Dingen zu? Wo war der Killer geblieben?
Da raschelte es, ganz in der Nähe, im Gebüsch.
Mavis riss den Colt hoch. Er lauschte angestrengt.
Der Nachtwind hatte schon wieder die Richtung geändert. Jetzt wehte er Mavis den Geruch von Blut ins Gesicht.
***
Das trübe Licht der Ölfunzel schimmerte auf den Bildern mit den vornehm gekleideten Männern und Frauen.
Die Ölschinken hingen an der Wand neben dem Kamin im Hinterzimmer des Belvedere Hotels. Es war am Vormittag. Vor einer Stunde hatte der Postbote Lassiter ein Telegramm gebracht. Darin stand nur ein einziger Satz. Der Mann von der Brigade Sieben sollte einen Informanten treffen, der neue Instruktionen hatte.
Auf diesen Kurier wartete Lassiter.
Das rückwärtige Zimmer war wie die Wohnstube einer Ranch möbliert. Vor dem Kamin stand ein Sofa, auf dem ein halbes Dutzend Kissen lagen. Rechts und links daneben hatte man Ohrensessel aufgestellt. Im Hintergrund waren eine rundliche Truhe und eine Kommode mit zwei Türen und vier Schubladen zu sehen. Auf dem Boden lagen zwei Teppiche mit Blumenmustern und Fransen an den Rändern.
Lassiter hatte es sich auf einem Ohrensessel bequem gemacht. Er las einen Cowboyroman, den er aus dem Zeitungsständer neben dem Sofa gefischt hatte. In der Geschichte ging es um eine Indianerin, die es sich in den Kopf gesetzt hatte, ein Kind von Jesse James zu bekommen. Doch der berühmte Bandit zeigte wenig Interesse für die Rolle eines Vaters. Lassiter las gerade die Stelle, als die Squaw nachts in Jesse James’ Apartment schlich, um sich ihm hinzugeben, da öffnete sich die Tür, und ein dezent gekleideter Gentleman mit hochgezwirbeltem Schnauzbart trat ein.
Lassiter legte seinen Schmöker beiseite.
Die Männer schüttelten sich die Hände.
»Ich freue mich, Sie einmal persönlich begrüßen zu können«, sagte der Mann, der sich als Cliff Roblyn vorgestellt hatte. »Hab schon eine Menge über Sie gehört, mein Lieber. Sie genießen einen fast legendären Ruf in der Brigade.«
»Ehrlich?« Lassiter tat, als hörte er das zum ersten Mal. Er lächelte bescheiden. »Dass die Leute immer so furchtbar übertreiben müssen.«
Roblyn zog seine Bügelfalten hoch und setzte sich auf das Sofa.
»Wollen wir was trinken?«, fragte Lassiter.
»Wie ist das Bier hier?« Roblyn kämpfte mit den Kissen.
»Ganz gut. So viel ich weiß, kommt es aus einer deutschen Brauerei in Ellsworth. Der Wirt zapft es aus einem Eichenholzfass.«
»Prima. Fassbier schmeckt mir am besten. Ich nehme gleich ein Großes.« Roblyn deutete die Umrisse eines Wassereimers an.
Lassiter verließ den Raum, bestellte Bier und kam gleich wieder zurück.
Cliff Roblyn zwirbelte an seinen Bartspitzen und schlug ein Bein über das andere. »Haben Sie schon mal von dem Ort Westfield gehört?«, fragte er.
»Ein kleines Kaff irgendwo in der Walachei, an einem Seitenarm des Pecos, richtig?«
»Nicht ganz«, meinte Roblyn. »In letzter Zeit hat sich die Gegend ganz schön gemausert. In Dylan Grove und Westfield gibt es Bahnstationen und eine Menge neuer Gebäude. Das Spielcasino in Westfield – sie nennen es Crystal Palace – ist das größte und schönste im Umkreis von dreihundert Meilen.«
Das war Lassiter neu. »Wie sind die Frauen in Westfield?«, hakte er nach.
Roblyn musste lachen. »Ich wusste, dass das Ihre erste Frage sein würde. Man hat mich vorgewarnt. Deshalb habe ich schon einige Erkundigungen eingezogen.«
»Sehr löblich«, fand Lassiter.
»Meine Nachforschungen haben ergeben, dass es in diesem County sehr ansprechende Damen gibt. Leider ist ein Großteil von ihnen bereits unterm Hut. Aber, wie meine Quellen versichern, gibt es unter den verbliebenen noch einige vielversprechende Ladys.« Er machte eine kurze Pause. »Sie sehen, Sie brauchen auf nichts verzichten, Mr. Lassiter.«
Es wurde an die Tür geklopft. Ein Bursche in weißer Jacke servierte zwei große Henkelbecher Bier. Bevor er ging, verbeugte er sich höflich.
Die Männer prosteten sich zu.
Lassiter nippte nur etwas am Schaum.
Roblyn hingegen nahm einen kräftigen Zug. Er hatte mächtig Durst. »Lässt sich trinken«, sagte er mit Kennermiene und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Bartspitzen.
»Worum geht es bei der Aktion in Westfield?«, wollte Lassiter wissen.
»Um einen unserer Kundschafter, der auf scheußliche Weise ums Leben gekommen ist. Sein Name ist Ray Johnson.«
»Ermordet?«
Roblyn nickte. »Mit einem Messer. Der Killer hat die Leiche gefleddert und dann in eine Erdmulde geworfen, nur ein paar Yards von der Straße entfernt.«
Lassiter überlegte. »Gibt es Vermutungen über ein Motiv?«
»Raubmord.«
»Wie konnte das geschehen?«
Roblyn erzählte bereitwillig: »Johnsons Kumpel, ein gewisser Dave Gropper, hat ihn mit ins Crystal Palace geschleppt. Sie haben da neuerdings ein Roulette mit allen Schikanen. Johnson wollte zuerst nicht, aber dann hat er doch gesetzt und dabei irrsinnig viel Bucks gewonnen.«
»Wie viel?«
»Schätzungsweise dreitausend.« Roblyn trank und fuhr dann fort. »Johnson hat das Casino allein verlassen. Gropper wollte noch eine Partie Billard spielen, mit einer Dame. Johnson stiefelte also los und kam gerade mal bis in die nächste Quergasse. Da war’s passiert. Man fiel über ihn her, brachte ihm eine tödliche Wunde bei und verschwand mit seinem Roulette-Gewinn. Der arme Kerl hatte nicht einen Penny mehr bei sich, als man ihn fand.«
Lassiter blickte in den kalten Kamin. Es war immer wieder schrecklich zu hören, zu was Menschen fähig waren, wenn es um Geld ging. »Zeugen?«, fragte er.
»Fehlanzeige.«
»Wer hat die Leiche gefunden?«
»Ein Indianerjunge, der mit seinem Bastardhund durch die Gegend streunte.«
»Wie heißt der Bursche?«
»Little Jim.«
Lassiter trank einen Schluck. »Hat Johnson Angehörige?«, fragte er. »Ich meine, gibt es in Westfield Leute, die ihm nahe stehen, außer seinem Kumpel, wie hieß er gleich?«
»Dave Gropper.« Roblyn hob ein Kissen auf, das zu Boden gefallen war. »Nein, Ray Johnson hatte keine Angehörigen in der Gegend. Er lebte allein, in einer kleinen Bude irgendwo auf dem Hinterhof. Mal hier und da eine lose Bekanntschaft, aber nichts Festes. Doch er war auf der Suche. So sagte es zumindest sein Kumpel.«
Lassiter verspürte Mitleid mit dem Toten. Glück und Unglück lagen oft so dicht beieinander. Hätte Johnson nicht diese gottverdammte Glücksträhne gehabt, wäre er mit Sicherheit heute noch am Leben.
Roblyn sagte: »Gott sei Dank haben wir einen Mann in unseren Reihen, der in der Lage ist, Licht in das Dunkel zu bringen.«
Lassiter hob die Brauen. »Wer, bitte schön, soll das sein?«
»Na Sie, Mr. Lassiter.« Roblyn griff nach seinem Glas und trank. »Ich wette zehn zu ein, dass Sie den Übeltäter ausfindig machen.«
»Das ist also mein Auftrag?«
»Ja, die Zentrale möchte, dass Sie sich umgehend nach Westfield begeben, die Ermittlungen aufnehmen und den feigen Mörder unschädlich machen.«
»Gibt es in Westfield einen Kontaktmann?«, fragte Lassiter nach einer Weile. »Jemand, der sich im County auskennt und Verbindungen knüpfen kann?«
»Nein, leider nicht. Ray Johnson wäre der Einzige gewesen.«
»Der steht ja nun nicht mehr zur Verfügung.«
»Sie müssen allein zurechtkommen.«
Lassiter rieb den Daumen am Zeigefinger. »Ehe ich’s vergesse: Ich brauche Nachschub. Meine Ersparnisse sind so gut wie erschöpft.«
Roblyn trank von seinem Bier, stellte das Glas dann beiseite und griff in die Innentasche seines Gehrocks. »Okay, ich schreibe Ihnen einen Scheck aus. Kommen Sie mit dreihundert Dollar über die Runden?«
»Viel zu wenig.« Lassiter rollte mit den Augen. »Ich brauche wenigstens tausend. Allein die Fahrkarte kostet mich ein Vermögen.«
Roblyn ging zur Kommode hinüber, auf der eine zierliche Schreibgarnitur stand. Er nahm die Feder, tunkte sie in das Tintenfass und schrieb.
Lassiter nahm den Scheck entgegen und wedelte ihn durch die Luft. Als die Schrift getrocknet war, schob er das Papier in seine Brieftasche. Er gab Roblyn die Hand und ging.
Auf dem Korridor traf er den Burschen mit der weißen Jacke. »Bringen Sie dem Gent im Hinterzimmer noch ein großes Bier«, sagte Lassiter zu ihm.
Der Kellner grinste. »Aye aye, Sir.«
***
»Wach auf!«, sagte die Stimme. »Wach auf, Faulpelz!«
Bill Mavis kam zu sich. Sofort hatte er das Gefühl, dass etwas unerhört Schreckliches geschehen sein musste. Sein Herz hämmerte wild. Eine Faust ballte sich in seiner Magengegend.
Wo bin ich?
Er schlug die Augen auf. Das schmutzige Licht einer Funzel blendete ihn. Er zog die Lider auf Halbmast und versuchte, etwas zu erkennen. Doch im Gegenlicht sah er nur unförmige, schwammige Konturen.
»Du bist Bill Mavis«, sagte die Stimme hinter dem Licht.
Mavis erschrak. Jetzt ist alles aus, schoss es ihm durch den Kopf. Jetzt haben sie dich am Haken und du schmorst hinter Gittern, bis du schwarz wirst. »Was ist geschehen?«, röchelte er. »Wo bin ich? Und wer zum Henker sind Sie?«
»Wer ich bin, willst du wissen?«
In der Stimme schwang eine unverhohlene Drohung mit, und Mavis biss sich auf die Lippe. Er holte tief Luft, ließ den Atem stoßweise entweichen und versuchte, sich zu beruhigen. In seinem Schädel wirbelte es wie bei einem Blizzard in den Rocky Mountains. Er lag auf hartem Untergrund, einer Planke oder einer Tür. Ihm war speiübel zumute. Der Kerl, der ihn hierher gebracht hatte, hatte ihm eins über den Schädel gegeben.
»Ich bin Bobo«, sagte die Stimme.
»Bobo?« Mavis wiederholte das Wort mechanisch. »Das ist aber ein merkwürdiger Name.«
Sogleich spürte er einen stechenden Schmerz in der Seite. Er stieß einen gequälten Laut aus, riss die Augen auf und schnappte nach Luft.
Der Schmerz verging. Offenbar hatte Bobo ihn mit einer Nadel gestochen.
In diesem Augenblick setzte die Erinnerung ein. Vor seinem inneren Blickfeld erschien die koboldhafte Gestalt, die den Mann aus dem Casino beraubt hatte. Mavis stemmte sich auf einen Ellbogen. Ein unangenehmer Geruch stieg ihm in die Nase. Feuchte Lumpen, Moder, fauliges Fleisch. Eine widerliche Mixtur.
Hinter der Lampe erkannte er die Umrisse einer gedrungenen Gestalt: das unheimliche Geschöpf, das sich Bobo nannte.
»Was hast du mit mir vor?«, keuchte Mavis.
»Ich bin noch am Überlegen«, versetzte Bobo. »Einerseits kann ich tausend Dollar Belohnung für dich einkreisen, andererseits könntest du verraten, dass ich diesen Goldesel aus dem Casino auf dem Gewissen habe. Ich weiß, dass du alles gesehen hast.« Er legte eine Pause ein. »Sag du mir, wie du an meiner Stelle handeln würdest.«
»Ich?«
»Mach einen Vorschlag, Bill.«
Mavis schwieg. Sein Leben stand auf der Kippe, das spürte er genau. Dieser Bobo war ein Killer, wie er im Buche stand. Mavis hätte sich ohrfeigen können. Wie konnte er nur so unvorsichtig sein, während er diesen kleinen Mistkerl beobachtet hatte! Wie ein blutiger Anfänger hatte er sich benommen. Das Monstrum hatte ihn überwältigt, ohne dass er sich an den Angriff erinnern konnte. So einen Fehltritt hatte sich Mavis noch nie geleistet.
Plötzlich nahm Bobo das Licht weg.
Jetzt konnte Mavis seinen Entführer erkennen. Bobo war ein kompakter, stämmiger Bursche, aber nur knapp fünf Fuß groß. Er hatte ein rattenhaftes Gesicht, von braunen Locken umrahmt. Bekleidet war er mit einem dunklen Anzug, auf Maß gearbeitet. Der Rock saß wie angegossen. Seine Hände steckten in dünnen Handschuhen aus edlem Leder.
»Was glotzt du so?«, knurrte Bobo. »Noch nie einen Menschen gesehen?«
Mavis setzte sich auf. Er befand sich in einem geräumigen Schuppen von der Größe einer Scheune. Durch die Ritzen zwischen den Balken fiel Licht ins Innere. Der Boden war mit Brettern bedeckt, auf die man allerlei Unrat geschüttet hatte.
Allmählich beruhigte sich Mavis.
Vielleicht war es gar nicht so schlimm, wie er dachte. Bobo hatte ihn nicht gefesselt, und mit einer Waffe wurde er auch nicht bedroht.
»Was muss ich tun, damit du mich gehen lässt?«, fragte er.
Der kleine Mann fuhr sich durch den Schopf. »Ich kann dich nicht gehen lassen«, antwortete er.
»Warum nicht?«
»Du würdest mich anschwärzen, denn du hast gesehen, wie ich den Typen in der Gasse mit meinem Messer gekitzelt habe.«
»Ich kann schweigen«, erklärte Mavis. »Nie werde ich ein Wort darüber verlieren.«
Bobo lachte heiser. Wie durch einen Zauber hielt er plötzlich eine kurzläufige Derringer-Pistole in der Hand. »Nur wenn ich dich umlege, kann ich sicher sein, dass du mich nicht verpfeifst«, verkündete er.
Mavis bekam es mit der Angst zu tun. »He, Bobo, das kannst du nicht machen! Wenn ich jemandem etwas verspreche, dann halte ich es auch.«
»Das tue ich nie«, sagte der Kleine lakonisch.
Von draußen ertönte Pferdegetrappel. Mavis zuckte es in den Beinen. Wenn er jetzt aufsprang und die Flucht ergriff, könnte er es vielleicht bis auf die Straße schaffen. Das Tor des Schuppens stand offen. Im Beisein von Zeugen würde Bobo es nicht wagen, auf ihn zu schießen.
Bobo hielt die Pistole auf ihn gerichtet. »Vergiss es, Bill!« Er lachte spöttisch.
Die Hufschläge verklangen. Mavis wurde der Kerl immer unheimlicher. Konnte der etwa Gedanken lesen? Ein weiteres Mal verfluchte er sich selbst. Wieso hatte er sich ausgerechnet Westfield als Zufluchtsort erwählt?
Der nächste Schock folgte auf dem Fuße. Bobo nahm eine Feldflasche, zog den Stöpsel aus dem Hals und legte ihn beiseite. Aus seiner Jackentasche holte er einen Flakon, entfernte den Verschluss und tröpfelte eine glitzernde Flüssigkeit in die Fasche. Mit leiser Stimme zählte er die Tropfen ab.
Mavis starrte ihn ungläubig an.
Bobo hielt ihm die Flasche hin. »Trinken!«, befahl er.
»Wie?«
»Trinken, sag ich!«
Mavis zierte sich. »Hab keinen Durst, verdammt nochmal!«
»Du trinkst das jetzt, kapiert?«
Mavis schwankte. »Was ist da drin?«
»Wasser.«
»Und was ist das für ein Zeug, das Sie aus dem Flakon beigemischt haben?«
»Ein Beruhigungsmittel«, behauptete Bobo.
»Ein Beruhigungsmittel?« Mavis hatte Angst, dass der fiese Zwerg ihn vergiftete. »Das kannst du deiner Grandma erzählen. Ich glaub dir kein Wort.«
»Mich interessiert nicht, was du glaubst oder nicht glaubst. Du wirst das Zeug jetzt trinken, und zwar ein bisschen flott!«
Mavis schluckte. »Was ist, wenn ich mich weigere …«
Bobo zeigte mit dem Daumen nach unten. »Dann ist Feierabend für dich. Du fährst in die Hölle.«
Mavis beugte sich dem Druck und nahm Bobo die Flasche aus der Hand. Sekundenlang betrachtete er die Öffnung. Ein scharfer Geruch strömte aus dem Gefäß. Wahrscheinlich war es ein Rauschmittel, wie es die Indianer benutzten. Mavis sah Bobo an. Der hielt noch immer die Pistole auf ihn gerichtet. Besser eine Weile berauscht als tot. Mavis setzte die Flasche an die Lippen.
Bobo nickte beifällig.
Jetzt! Plötzlich ging ein Ruck durchs Mavis’ Körper. Er ließ die Flasche los und packte seinen Peiniger mit beiden Händen am Hals. Die Flasche fiel zu Boden. Bobo fing an zu schreien. Er riss den Derringer herum und schoss. Doch Mavis hatte aufgepasst und ihm rechtzeitig einen Schlag auf das Handgelenk versetzt. Die Kugel zischte über ihn hinweg. Mit einem trockenen Laut bohrte sie sich in den Eckpfeiler, der den Dachboden stützte.
Bobo wand sich wie ein Aal. Mit zwei, drei ruckartigen Bewegungen hatte er sich von dem Festhaltegriff befreit. Wieselflink brachte er die Pistole erneut in Anschlag und zog den Abzug durch.
Nur eine Handbreit über Mavis’ linker Schulter summte die Kugel hinweg. Das war knapp. Mavis versuchte, Bobo zu packen. Seine Hände griffen ins Leere. Der Zwerg war flink wie ein Puma und rechtzeitig zur Seite geglitten. Mitten im Sprung gab er einen Schuss ab – und diesmal landete er einen Treffer.
Mavis spürte, wie das Geschoss seinen Oberarm streifte. Verdammt! Der Arm fühlte sich an, als wolle er jeden Moment abfallen. Mit der Kraft der Verzweiflung warf sich Mavis auf seinen bewaffneten Gegner.
Der gelenkige Kobold rollte zur Seite. Mavis knallte bäuchlings auf die Planke, auf der er vorhin zu sich gekommen war. Eine Wolke Staub nahm ihm die Luft zum Atmen. Er hustete, und seine Augen tränten. Ehe er sich aufrappeln konnte, spürte er die Mündung des Pistolenlaufs auf seiner Stirn.
Er erstarrte zur Salzsäule. Nicht mal zu atmen, wagte er. Eine winzige Krümmung von Bobos Triggerfinger, und alle Messen waren gesungen. Mit einer Kugel im Kopf sah die Zukunft nicht sehr rosig aus.
»Aus!«, keuchte der Zwerg. Es klang, als hätte er einen Hund vor sich. »Aus, sage ich!«
Mavis rührte kein Glied. Er spürte den kalten Atem des Todes.
»Entweder du trinkst – oder du stirbst!« Bobos Stimme ließ keinen Zweifel an seinem Vorhaben.
Doch Mavis atmete auf. Er hatte also noch eine Wahl. Er wollte nicht hier, in dieser dreckigen verlassenen Scheune, jämmerlich krepieren. Der Bastard, der ihn bedrohte, gewährte ihm eine Galgenfrist.
Bobo starrte ihn an. »Wie lautet deine Antwort?«
»Ich trinke«, sagte Mavis gepresst.
»Endlich bist du zur Vernunft gekommen.« Die Mündung des Derringers zielte auf Mavis’ Hemdbrust, dann auf seinen Unterleib. »Also los! Pulle aufheben!«
Mavis angelte die Flasche vom Boden und schüttelte sie prüfend. Das Gefäß war zu etwa einem Viertel gefüllt. Mavis warf Bobo einen fragenden Blick zu.
»Es reicht«, sagte der Kleine. »Cheers!«
Mavis setzte an und spürte, wie ihm die Flüssigkeit über den Gaumen lief.
Bobo grinste. »Austrinken, bis zum letzten Tropfen.«
Mavis gehorchte aufs Wort. Er saugte an der Flasche, bis er Luft spürte. Dann setzte er sie ab und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß vom Gesicht.
»Warum nicht gleich so, Bill?«, sagte Bobo und nahm den Derringer herunter.
***
Bevor er nach Westfield fuhr, wollte sich Lassiter von Mary Poolman verabschieden.
Er hatte die reizende Brünette mit der Wespentaille und dem hübschen Hintern im Arztzimmer von Doc Summers kennengelernt. Sie ging dem Landdoktor zur Hand, verband Wunden, verabreichte Pillen, stellte Rezepte für die Apotheke aus und mixte Tinkturen aus Heilkräutern. Er hatte die Praxis aufgesucht, um seinen rechten Zeigefinger behandeln zu lassen. Das Nagelbett war vereitert, und das oberste Fingerglied war entzündet und geschwollen.
Mit einem rasiermesserscharfen Skalpell schnitt der Arzt die Wunde auf und ließ den Eiter ablaufen. Während der schmerzhaften Prozedur erzählte er etwas Heiteres, um seinen Patienten abzulenken. Es war ein Doc Weston-Witz, den Lassiter noch nicht kannte:
Doc Weston hatte eine Erbschaft gemacht und auf Geheiß seines Finanzberaters ein frivoles Lokal eröffnet, in dem eine Nackttänzerin auftrat. Eines Abends legt sie einen Strip vor eine Gruppe Kavalleristen hin, die schon lange keine Frau mehr gesehen haben. Während der Show gibt es tosenden Applaus. Als die letzte Hülle fällt, herrscht plötzlich Totenstille. Die Tänzerin ist enttäuscht: »Was ist los, Soldiers? Gefalle ich euch etwa nicht?« – Eine keuchende Stimme antwortet: »Natürlich, aber versuch doch mal, mit einer Hand zu klatschen.«
Während Lassiter sich die Pointe bildhaft vorstellte, hatte Summers den Schnitt ausgeführt.
Bei dem Gedanken an die Quälerei bekam Lassiter prompt eine Gänsehaut. Dabei war die Operation schon ein paar Tage her. Rasch schob er die Erinnerung beiseite und ließ stattdessen die schöne Arztgehilfin vor seinem inneren Auge auftauchen.
Auf Anordnung des Doktors hatte sie ihm nach der schmerzhaften Prozedur eine bläulich schillernde Flüssigkeit auf den Finger gepinselt und die Wunde mit einer sterilen Binde verbunden. Dabei war sie ihm sehr nahe gekommen. Ihr Anblick ließ ihn alle Schmerzen vergessen. Der Funke sprang über. Bevor er ging, hatte er sich erkundigt, wann sie frei habe, und nach kurzem Zögern hatte Mary es ihm gesagt.
Jetzt war Lassiter auf dem Weg zur Arztpraxis. Er musste Mary mitteilen, dass er die nächste Verabredung nicht einhalten konnte.
Es dämmerte bereits. Die rot glühende Sonne hing tief über den westlichen Ausläufern der Rockies. Es war bei weitem nicht mehr so heiß wie am Vormittag.
Lassiter trat an den Rand des Bohlensteigs. Eine vierspännige Concord-Kutsche rumpelte heran. Der Fahrer trug eine blaue Uniform und einen breitkrempigen Hut mit dem Emblem der Rolls & Dunham Overland Mail. Aus der Gondel schaute das blasse Gesicht eines bärtigen Lockenschopfes, der eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Schriftsteller Mark Twain besaß.
Die Kutsche fuhr vorüber.
Als die Straße frei war, setzte sich Lassiter in Bewegung. Kaum hatte er die andere Seite erreicht, erschien Mary Poolman.
»Hallo, Lassiter.« Sie lächelte. »Das nenne ich Zufall.«
Er küsste sie auf die Wange. »Ich freue mich, dich zu sehen. Hast du schon Feierabend?«
»Ja, der Doktor braucht mich heute nicht mehr. Er wurde zu einem Farmer nach Chilcot gerufen. Vor morgen Mittag ist er nicht zurück.«
Lassiter sah sie an. »Hör zu, Mary, da gibt es etwas, das du wissen solltest«, begann er.
Ihre Stirn umwölkte sich. »Was ist los? Was nicht in Ordnung mit deinem Finger? Zeig her!« Sie griff nach seiner Hand.
»Nein, es ist nicht der Finger.« Er lächelte matt. »Damit ist alles in Ordnung. – Ich muss abreisen.«
»Abreisen?«
Er nickte langsam.
»So plötzlich?«
Lassiter legte einen Arm um ihre Taille. »Meine Firma hat eine neue Aufgabe für mich, in einer neu gegründeten Stadt irgendwo am Pecos. Meine Bosse wollen, dass ich mich in den nächsten Zug schwinge und in einem Ort namens Westfield aufschlage.«
»Von Westfield habe ich schon gehört. Es soll dort ein erstklassiges Spielcasino geben. Crystal Palace heißt der Laden. Die Zocker kommen von überall her, um hier ihr Glück zu machen.« Mary senkte den Blick.
Lassiter drückte sie fester. »Mein Zug geht um Mitternacht. Wir haben nur noch drei Stunden.«
Sie blickte auf. »Ein Abschied für immer?«
»Quien sabe? Wer weiß?«
Sekundenlang sprach niemand ein Wort. Lassiter schaute die Straße entlang. Zwei struppige Hunde jagten um die Ecke. Dem vorderen fehlte ein Stück vom Schwanz, der hintere hatte nur ein Ohr. Gehetzt rannten sie über die Straße. Da krachte ein Schuss. Der Hund, dem ein Ohr fehlte, stürzte zu Boden, überschlug sich mehrmals und blieb blutend am Bordholz liegen. Der andere Flüchtling entkam durch ein Loch im Zaun. Ein Mann mit rauchendem Colt erschien, gab dem einohrigen Vierbeiner den Gnadenschuss und warf ihn auf einen Handwagen, auf dem schon zwei andere Hundeleichen lagen.
Mary wandte sich angewidert ab. »Lass uns irgendwo anders hingehen, Lassiter.«
Sie schlenderten ein Stück nebeneinander her. Als sie an der Arztpraxis vorbeikamen, blieb Lassiter stehen. »Hier fing alles an«, sagte er.
»Mir ist, als wäre das schon eine Ewigkeit her.« Mary betrachtete die Eingangstür, auf der mit Kreide das Wort Closed geschrieben stand.
Lassiter hatte eine Idee. »Gehen wir rein«, sagte er spontan.
»Und dann?«
Er neigte den Kopf und biss ihr sacht ins Ohrläppchen. »Dann werden wir sehen, was passiert.«
Sie trat von einem Bein aufs andere. »Doc Summers hat mir verboten, die Praxis zu betreten, wenn er nicht in der Stadt ist.«
»Warum das denn?«
»Er ist ein sehr verantwortungsbewusster Mann. Mit den Mittelchen, die er im Schrank lagert, kann man das ganze County ausrotten.«
»Das Gift interessiert mich nicht. Was ist? Hast du einen Schlüssel?«
Sie zog eine Grimasse.
»Mary, ob du einen Schlüssel hast?«
»Natürlich.«
Lassiter lächelte. »Dann schließ auf. Ich verspreche dir, dass ich außer dir nichts anrühre.«
Sie zögerte.
Eine Frau mit Witwenhaube kam über die Straße. Sie grüßte freundlich, während sie am Eingang der zugesperrten Arztpraxis vorbeiging. Als die Passantin in dem Gemischtwarenladen am Ende des Häuserblocks verschwand, packte Mary Lassiter am Ärmel.
»Komm mit!«, keuchte sie. »Beeil dich!«
***
Sie schlüpften in das leere Haus.
Mary zitterte vor Lust, während sie die Tür hinter sich verriegelte. Der Geruch von Karbol lag in der Luft. Die weiß gestrichenen Wände waren mit Bildnissen berühmter Ärzte bedeckt: Hippokrates, Paracelsus, Avicenna, Pasteur, Xavier Bichat. Neben der Tür zum Behandlungszimmer stand ein Kleiderständer, an dem ein blassgrüner Regenschirm hing.
Mary spürte Lassiters Hand auf ihrem Hintern. Sie blieb stehen und schloss die Augen.
Nach wenigen Augenblicken begann die Hand zu wandern. Sie glitt unter ihren Rock und schob sich höher.
Auf einmal fiel Mary das Luftholen schwer.
Auch Lassiters Atem ging jetzt schneller.
Mary spürte, wie seine Finger die Innenseiten ihrer Schenkel streichelten. Sie stellte die Füße breiter und angelte nach seinem Hosenlatz.
»Warte«, sagte er.
Das Schloss des Gürtels klirrte. Dann polterten Stiefel auf die Dielen. Mary lotste den harten Rammsporn in Freie. Er lag wie ein auf Maß gearbeiteter Messergriff in ihrer Hand. Als sie die Vorhaut rieb, drang Lassiter mit zwei Fingern in sie ein.
Sie stöhnte vor Verlangen. Lassiter war der erste Mann in ihrem Leben, der sie zum Höhepunkt gebracht hatte. Im Vergleich mit ihm waren ihre früheren Männerbekanntschaften nur großmäulige Anfänger, die nur auf ihr eigenes Wohlsein aus waren. Dass Lassiter schon heute die Stadt verließ, erfüllte sie mit Wehmut.
Eine Träne rollte über ihre Wange, als sie seinen Pint in den Mund nahm.
»O Mary«, stöhnte er.
Sie blickte zu ihm auf und sah, wie er sein Gesicht verzog. Ihr Liebesspiel gefiel ihm, das war unverkennbar. Mary freute sich darüber. Sie dehnte ihre Lippen und ließ die Zunge wirbeln.
Als Lassiter zu ihr auf den Boden sank, freute sie sich noch mehr. Er öffnete ihre Bluse, schob das Mieder herunter und hob nacheinander die kugeligen Wonneproppen hervor. Sie drückte das Rückgrat durch und hoffte, dass er ihre Nippel in den Mund nahm.
Schon erfüllte sich ihr Wunsch.
Mary quiekte leise, als Lassiter an ihren Warzen knabberte. Sie hielt inne und beobachtete, wie er ihr zartes Brustfleisch massierte. Nebenbei rieb sie seinen Schaft, ganz langsam, von der Wurzel bis zum Pilzkopf.
Beide keuchten nun um die Wette. Lassiter legte sich auf den schmalen Flurteppich. Ohne Umschweife streifte Mary ihre Röcke von den Hüften und setzte sich rittlings auf sein Becken. Dann beugte sie sich vor und glitt geschmeidig auf seinem Bauch auf und ab.
»Du bist fantastisch, Mary«, raunte er.
Das stachelte ihre Wollust noch mehr an. Mary Poolman fühlte sich so gut wie noch nie. Beide Fäuste auf die harte Männerbrust gestützt, brachte sie ihr Becken über den steil aufgerichteten Mast. Ihr Herz schlug wie eine Turmglocke.
Lassiter musterte sie erwartungsvoll.
Mary ließ ihn noch etwas zappeln. Dann ließ sie sich in mehreren Etappen auf den aufgestellten Speer sinken. Dabei sah sie ihrem Geliebten starr in die Augen. Lassiters Augen leuchteten wie Sterne am Firmament. Er stieß ein wohliges Grunzen aus. Dabei umklammerte er ihre Taille, als wolle er sie nie wieder loslassen.
Langsam stieg Mary wieder in die Höhe. Sie verhielt zwei, drei Sekunden in der Schwebe, dann sackte sie wieder auf den Pfahl hinab.
Lassiter stieß ein unartikuliertes Röcheln aus.
Mary blies eine Locke, die ihr in die Stirn gefallen war, beiseite und lächelte. Immer wieder bewegte sie sich auf und ab. Innerhalb kürzester Zeit hatte sich Lassiter dem Rhythmus angepasst. Sein Gesicht glühte vor Hitze. Manchmal hob er den Kopf, um sie zu küssen. Dann beugte sich Mary vor, ließ ihre Brüste über ihn baumeln oder biss ihm sacht in das Kinn oder die Lippen. Das lusterfüllte Stöhnen, das Lassiter ausstieß, erwärmte ihr Herz.
Ihr Höhepunkt kam ganz plötzlich.
Lassiter war gerade dabei, ihre wippenden Twins zu kneten, als eine Welle von prickelnden Schauern sie überrollte. Sie kannte die Symptome bereits von den vormaligen Schäferstündchen mit ihm und stöhnte vor Entzücken.
Es war ein so wundervolles Gefühl, dass sie meinte, vor Wonne ihren Verstand zu verlieren. Es dauerte nicht lange, und alles krampfte sich in ihr zusammen, und sie kam sich vor, als schwebte sie auf einem fliegenden Teppich über die Dächer der Stadt hinweg.
Sie riss die Augen auf und schrie.
Wie bei den Malen davor, hielt Lassiter ihr den Mund zu. Sie warf den Kopf von einer Seite auf die andere und biss ihrem Geliebten in den Finger. Im gleichen Moment merkte sie, wie sich sein Körper ebenfalls verkrampfte.
Mary spürte, wie er sich stoßweise in sie entlud. Bei jedem Krampf drückte sie ihr Becken gegen ihn, so lange, bis es vorbei war.
»All devils