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Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2362, 2363 und 2364.
Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!
2362: Lightning
Am Tag, als Mary Scott aus dem Gefängnis ausbrechen wollte, regnete es in Strömen. Sie lag auf ihrer Pritsche in der Zelle und starrte zur vergitterten Fensterluke. Immer wieder musste sie an den Mann denken, der sie in den Knast gebracht hatte. "Lightning", so nannte sich der Hurensohn. Sie fluchte lästerlich. Jamie und Kate, ihre Zellengenossinnen, achteten nicht auf sie. Die beiden saßen am Tisch und spielten Poker mit selbst gemachten Karten. "Full house!", meldete Jamie.
2363: Inferno in Idaho
Die Postkutsche der Northern Stagecoach fuhr mit hohem Tempo durch die grasbewachsene Ebene nördlich von Samaria. Sie war mit vier Warmblütern bespannt, die sich unter den Peitschenhieben des Kutschers abwechselnd gegen die Deichsel drängten. "Sie sind bald am Kanal", sagte Seth Rogers. Er folgte der Kutsche eine Weile mit dem Blick. "Vor der Brücke am Weiher schlagen wir zu." Die beiden anderen Männer in ihren Sätteln sprachen kein Wort.
2364: Im Tal der Ausgestoßenen
Träge löste sich der Frühnebel auf und ließ zaghaft die ersten Strahlen der Morgensonne hindurch. Unter ihren nackten Füßen spürte Keezheekoni den Raureif, als sie sich mit einem Flechtkorb aufmachte, um Beeren zu pflücken. Die Sträucher lagen nur einen Steinwurf von den letzten Tipis des Comanchenlagers entfernt, doch die junge Frau kam niemals dort an. Ein gellender Schrei ließ sie zusammenfahren und herumwirbeln.
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Seitenzahl: 399
Veröffentlichungsjahr: 2021
Jack Slade
Lassiter Sammelband 1827
Cover
Impressum
Lightning
Vorschau
Lightning
Am Tag, als Mary Scott aus dem Gefängnis ausbrechen wollte, regnete es in Strömen. Sie lag auf ihrer Pritsche in der Zelle und starrte zur vergitterten Fensterluke. Immer wieder musste sie an den Mann denken, der sie in den Knast gebracht hatte. »Lightning«, so nannte sich der Hurensohn. Sie fluchte lästerlich. Jamie und Kate, ihre Zellengenossinnen, achteten nicht auf sie. Die beiden saßen am Tisch und spielten Poker mit selbst gemachten Karten.
»Full House!«, meldete Jamie.
»Vier Neunen«, konterte Kate.
Jamie Prentiss, wegen Raubmordes zu zwanzig Jahren verurteilt, warf der Mitspielerin die Karten ins Gesicht. Kate Allen packte ihre Rivalin am Hals. »Miststück! Ich mach dich kalt!« Die beiden Frauen gingen aufeinander los. Erst als Blut floss, griff Mary ein. Sie schlug beide zu Boden.
Kate Allen rappelte sich als Erste auf. Stöhnend befühlte sie ihren Kiefer, der rasch anschwoll.
Mary rieb ihre schmerzende Faust. »Wenn du noch mehr willst, bitte sehr.«
»Nein, nein, Thunder, alles gut.« Kate wich einen Schritt zurück.
Mary wandte sich Jamie Prentiss zu. Die Raubmörderin lehnte an der Wand und schnappte nach Luft. Beide Hände hatte sie auf ihre Magengrube gepresst. Jamie war eine harte Nuss, aber ein Schlag auf den Herzmuskel war nicht jedermanns Sache.
Jamies dunkle Augen funkelten niederträchtig.
»Du verlierst nicht gern, was?« Mary stemmte die Hände in die Seiten. »Aber wenn du nicht verlieren kannst, lass die Finger von den Karten.«
Jamie sammelte Speichel und spuckte aus. »Leck mich, blöde Schlampe!«
Auf einmal war es im Zellentrakt still wie auf dem Meeresgrund. Kate Allen zog sich in den hintersten Winkel der Zelle zurück. Jamie Prentiss hob die Fäuste, als wolle sie angreifen.
Mary blieb kalt. »Sag das noch mal«, sagte sie.
Jamie, eine stämmige Frau mit kurzen Haaren, flachem Busen und dickem Hinterteil, mahlte mit den Zähnen, dass es knirschte. Sie hatte die Ärmel ihrer Jacke bis zu den Ellbogen hochgekrempelt. Auf ihren Unterarmen wimmelte es von Tätowierungen: Totenköpfe, Kreuze, magische Symbole, die Initialen von verflossenen Liebhabern.
»He, hat’s dir die Sprache verschlagen?« Mary war bereit, ihre Gegnerin k.o. zu schlagen, wenn die es darauf anlegte.
Für längere Zeit herrschte Schweigen. Jamie schien nachzudenken. Dann sagte sie: »Warum soll ich mich wiederholen? Du weißt genau, was ich gesagt habe.«
»Ich will’s aber noch mal hören«, versetzte Mary.
»He, Mädels, vertragt euch!«, tönte Kate aus der Ecke. »Wenn Johnson mitkriegt, dass es in unserer Bude Zoff gibt, ist das Wasser auf seine Mühlen. Der freut sich doch, wenn er uns eins auswischen kann. Gebt euch die Hand und vergesst den Streit.«
Lee Johnson war der Oberaufseher im Central Prison von Denver. Er schikanierte die gefangenen Frauen, wo es nur ging. Bei den geringsten Vergehen verfügte er drastische Strafen. Gestern hatte er Kates Pritsche aus der Zelle räumen lassen, weil sie nach dem Abendessen angeblich die Teller nicht sauber genug abgewaschen hatte. Kate hatte die Nacht auf dem kalten Steinboden der Zelle verbringen müssen.
Mary starrte ihre Widersacherin an. »Okay, vergessen wir das Ganze. Heb die Karten auf und leg sie hin, wo sie hingehören, Jamie.«
Die Mörderin blähte ihren Brustkorb. »Von dir lass ich mir gar nichts sagen. Wenn dir was nicht passt, dann mach’s doch selbst!«
»Karten aufheben!« Mary hatte die Stimme gehoben. »Ich rate dir, mich nicht zu reizen.«
Jamie zitterte das Kinn vor unterdrückter Wut.
»Wäre ich du, würde ich machen, was Thunder sagt«, warnte Kate aus der Ecke.
»Und wenn ich’s nicht tue?«
Mary betrachtete ihre langen, spitz zugefeilten Fingernägel. »Dann ritze ich dir ein Muster in deine Visage«, sagte sie kalt. »Was ist dir lieber? Ein Kruzifix oder ein Pentagramm?«
Jamie war sichtlich beeindruckt. »Das wagst du nicht«, keuchte sie.
»Doch«, erwiderte Mary. »Ich wage es. Wetten?«
»Mit dir wette ich nicht.«
Mary genoss das Machtspiel. Okay, Jamie war ein harter Brocken, aber sie, Mary »Thunder« Scott, war die Stärkere. Das hatte sie im Central Prison oft genug unter Beweis gestellt. Alle Mitgefangenen zollten ihr einen Heidenrespekt. Letzte Woche war sie beim Hofgang von der Schwarzen Lucy beleidigt worden. Lucy hatte ein Bordell in Dodge City besessen und »vergessen« die fälligen Steuern zu entrichten. Ein unzufriedener Freier hatte sie denunziert, es gab eine Gerichtsverhandlung, und Lucy landete im Frauengefängnis von Denver. Diese Lucy besaß eine verdammt lose Zunge und hatte Mary mit einer abfälligen Bemerkung bedacht, worüber sich die umstehenden Frauen und Wachleute köstlich amüsiert hatten. Mit einem kapitalen Uppercut hatte Mary die Spötterin zu Boden geschlagen. Lucy verlor einen Schneidezahn und wurde fortan hinter vorgehaltener Hand Spooky Tooth genannt.
»Die Karten«, sagte Mary halblaut.
Jamie gab klein bei. Mit einem knurrigen Ton klaubte sie die Spielkarten vom Boden und legte sie auf die eine Tischkante.
Mary beobachtete sie dabei. Ich muss mich vorsehen, dachte sie. Jamie heckt was aus. Der Schlange traue ich alles zu. Vielleicht überfällt sie mich, wenn ich ihr mal den Rücken zudrehe.
Doch im Moment war die Mörderin nicht auf Rache aus. Ohne ein weiteres Wort legte sie sich auf ihre Pritsche und drehte sich mit dem Gesicht zur Wand.
Kate kam aus ihrer Ecke hervor. »Wollen wir ein Spielchen machen, Thunder?«
Mary schüttelte den Kopf. Auf Karten hatte sie jetzt keine Lust. Sie wollte sich wieder hinlegen und in ihren Fantasien schwelgen. Wenn alles gut ging, war sie in ein paar Stunden frei.
Mary hatte sich alles genau überlegt: Heute Abend, gleich nach dem Hofgang, sollte die Party steigen. Ein Sprung über die Mauer, dann ein Sprint in das nahe gelegene Waldstück, über den Fluss und dann hinauf auf die Yampa Hills, hinter denen die Eisenbahnstrecke Denver-Kansas City lag.
Egal wie, der Ausbruch musste gelingen.
In drei Tagen wollte man sie in das Zentralgefängnis nach Fort Leavenworth bringen. Das war der Vorhof zur Hölle. An Flucht war dort nicht mehr zu denken. Die Gefangenen in Leavenworth wurden besser bewacht als das Regierungsgold.
Also musste sie flitzen, solange es noch ging.
Mary spann den Faden weiter. Sobald sie in Freiheit war, würde sie versuchen, mit ihrem ehemaligen Partner Theo Hendrix Kontakt aufzunehmen. Er war vor vierzehn Tagen aus dem County Jail von Battle Rock getürmt. Auf der Flucht hatte er einen Wärter erwürgt und mit der erbeuteten Waffe einen zweiten Wachmann zum Krüppel geschossen. Die spektakuläre Aktion war in aller Munde. Inzwischen waren fünftausend Dollar auf Hendrix ausgesetzt, tot oder lebendig.
Ein hübsches Sümmchen.
Marys Gedanken wurden unterbrochen.
Schwere Schritte hallten auf den Gang hinter der Zellentür. Ein Aufseher kam. Metall klirrte, als er die schwere Verbindungstür aufschob. Mary hoffte, dass es nicht dieser Quälgeist Lee Johnson war. Seine Gemeinheiten waren das Letzte, was sie jetzt brauchte.
Die Schritte stoppten vor der Zellentür.
»Es ist Johnson«, raunte Kate. »Ich rieche das Schwein zehn Meilen gegen den Wind.« Sprach’s und warf sich schnell auf ihr Bett.
Jamie Prentiss lag da und rührte sich nicht. Sie tat, als ob sie schlief.
Mary nahm sich die Bibel von dem Bücherbrett, legte das dicke Buch auf den Tisch und schlug aufs Geratewohl eine Seite auf.
Ein Schlüssel drehte sich im Schloss.
Die Tür öffnete sich mit einem hässlichen Quietschton. Der massige Leib des verhassten Gefängniswärters schob sich in die Zelle.
Er ist allein, ging es Mary durch den Kopf. Seltsam. Was mag der Kerl von uns wollen?
Ein Streichholz wurde angerissen.
Mary sah zu, wie der Oberaufseher eine Kerze anzündete. Die Schatten des unsteten Lichts warfen spukhafte Figuren an die kahlen Zellenwände.
»Na, wie geht’s euch, meine Süßen?«, fragte Johnson und hielt die Kerze hoch.
Keine der Frauen gab Antwort.
Johnson holte tief Luft, dann brüllte er: »Alle nach hinten an die Wand!«, befahl er. »Ich will eine blitzsaubere Meldung sehen!«
Alarmstufe eins!
Die Frauen sprangen auf, eilten zur rückwärtigen Wand und nahmen nebeneinander Aufstellung.
Mary stand zwischen Kate Allen und Jamie Prentiss. Sie fixierte den Mann in der blauen Uniform und erkannte, dass Johnson betrunken war. Sein aufgedunsenes Gesicht glich einer reifen Tomate. Seine Ohren glühten wie Kohlestücke. Er bleckte sein lückenhaftes Gebiss und krauste fortwährend die Nase.
»Wo bleibt die Meldung, ihr Hühner?«, schnauzte er.
Mary nahm Haltung an. »Zelle neun vollzählig angetreten: Jamie Prentiss, Kate Allen und Mary Scott.«
Der Mann starrte sie an. »Das soll eine gottverdammte Meldung sein?« Er rollte mit seinen blau geäderten Säuferaugen. »Ich fasse es nicht. Das kannst du besser, Thunder! Also los, noch mal das Ganze, aber richtig! Comprende?«
Mary legte die gestreckten Finger an ihre Hosennaht. »Sir, Zelle neun vollzählig angetreten: Jamie Prentiss, Kate Allen und Mary Scott, Sir!« Die letzten Worte hatte sie besonders laut betont.
Das gefiel Johnson. Er rieb sein unrasiertes Doppelkinn und griente. »Heute ist euer Glückstag, Girls. Eine von euch hat Besuch bekommen.«
Besuch? Mary staunte. Es war das erste Mal, dass eine von ihnen Besuch bekam. Wer mochte das sein? Kate Allens Bräutigam? Jamie Prentiss’ Onkel?
Johnson legte eine Hand auf seinen großen Revolver, den er an der Hüfte trug. »Na, ihr Hühner? Was meint ihr? Wer von euch ist die Glückliche?«
Sie blickten einander an und zogen lange Gesichter.
»Keine Ahnung«, sagte Mary.
»Keine Ahnung, Sir«, berichtigte der Oberaufseher.
»Keine Ahnung, Sir!«, bellte Mary.
Johnson nickte. »Na also, klappt doch.« Er sah sie der Reihe nach an. Sein Blick blieb auf Mary hängen.
Sie hob fragend die Brauen.
Johnson löste die Handschellen von seinem Gürtel. »Streck deine Hände vor, Thunder«, sagte er.
Mary zögerte. »Heißt das, ich habe Besuch?«
Johnson zwängte die Eisenringe über ihre Handgelenke. »Genau, meine Süße. Da ist ein Gentleman, der dich zu sehen wünscht, eine sehr hochgestellte Persönlichkeit. Also benimm dich manierlich, Thunder.« Er ließ die Schellen zuschnappen. »Weiß der Henker, was er ausgerechnet von einem Teufelsbraten wie dir will!«
***
Lee Johnson machte die Tür hinter sich und Mary Scott zu.
»Hier ist die Gefangene, Sir«, sagte er mit fester Stimme.
»Danke, Johnson«, antwortete George Sutton, der Direktor.
Mary kam aus dem Staunen nicht heraus. Der Oberaufseher hatte sie in das Zimmer des Gefängnisdirektors geführt. Sutton saß an dem Konferenztisch einem kleinen Mann mit dunklem Gehrock gegenüber, der sie neugierig durch seine runde Brille musterte.
»Sie können gehen«, sagte Sutton zu dem Wachmann. »Aber bleiben Sie in der Nähe. Ich rufe Sie, wenn ich Sie brauche.«
»Zu Befehl, Sir.« Johnson salutierte wie ein Soldat auf dem Exerzierplatz und ging.
»Nehmen Sie doch Platz, Miss Scott«, sagte der Direktor und rückte ihr einen Stuhl zurecht.
Mary war baff. In ihrem Schädel schwirrte es wie in einem Bienenkorb. Was hatte das alles zu bedeuten? Wer war der Winzling mit der albernen Brille?
In diesem Augenblick ging eine Seitentür auf. Die Ordonnanz brachte ein Tablett, auf dem drei große Becher Kaffee dampften. Fachgerecht setzte der Kellner die Getränke auf dem Tisch ab.
»Kondensmilch, Miss?« Sutton hob die kleine Dose mit dem bunten Etikett.
»Ja, sehr gern.« Sie hob die gefesselten Hände.
»Moment.« Der Direktor griff in seine Rocktasche, brachte einen Schlüssel zutage und öffnete die Schellen. Nachdem er Mary die Eisenringe von den Händen gestreift hatte, lächelte er. »Habe ich Ihr Versprechen, dass Sie keinen Fluchtversuch unternehmen?«
»Das haben Sie, Sir«, antwortete Mary.
Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Was führten der fremde Herr und der Direktor im Schilde? Sie rieb ihre entzündeten Gelenke, griff dann nach der Kondensmilch und goss einen Schluck in den Kaffee.
»Der Gentleman hier ist Paul Lawrence«, sagte Sutton, »der Assistent des Gouverneurs von Colorado.«
Mary war baff. »Freut mich, Sie kennen zu lernen«, sagte sie mechanisch.
»Sie sind also Mary Scott, genannt Thunder«, sagte der Kleine.
»Ja, das bin ich.« Mary nahm das Kaffeegefäß in beide Hände.
Lawrence wandte sich an den Direktor. »Und Sie haben ihr noch nichts über die Sache gesagt, George?«
»Nicht eine Silbe.«
»Okay«, sagte der Kleine und sah sie durch seine Gläser prüfend an. »Ich will nicht lange um den heißen Brei reden, Miss Scott. Die Sache eilt, deswegen komme ich gleich zum Punkt: Es gibt eine Chance, dass Sie Ihre Strafe nicht verbüßen müssen.«
Mary horchte auf, doch sie verbarg ihre Überraschung.
Für Sekunden herrschte Stille.
»Na, was sagen Sie dazu?«, forschte Lawrence.
Sie stellte den Becher auf den Tisch. »Habe ich das richtig verstanden? Sie sind im Auftrag des Gouverneurs gekommen?«
»Ganz recht.« Er lächelte dünn. »Ich habe alle Befugnisse.«
»Was sind das für Befugnisse?«
»Ich könnte, vorausgesetzt, wir beide kommen überein, dafür sorgen, dass Sie binnen kürzester Zeit aus dem Jail entlassen werden.«
Mary atmete schneller. Die Freiheit winkte. »Was ist mit meiner Reststrafe?«
»Wird Ihnen erlassen.«
Mary rang um Fassung. »Das hört sich ja großartig an. Wie der Jackpot bei der Lotterie. Aber die Sache hat sicher einen Haken. Nun, Mr. Lawrence, was muss ich tun, um frei zu sein.«
Er wechselte einen raschen Blick mit dem Direktor. Dann wandte er sich Mary zu. »Es geht um Ihren ehemaligen Komplicen – Theo Hendrix.«
Mary hielt den Atem an. »Was ist mit ihm?«
»Hendrix ist aus Battle Rock geflohen, vor zwei Wochen, aber das pfeifen ja inzwischen die Spatzen von den Dächern.«
»Ja, hab davon gehört.«
»Und dass er dabei zwei Wachleute umgebracht hat, wissen Sie das auch?« Lawrence lächelte nicht mehr.
Er starrt mich an wie eine Schlange das Kaninchen, dachte Mary. »Bis eben dachte ich, es gäbe nur einen Toten«, sagte sie. »Dass der zweite Wachmann auch gestorben ist, wusste ich nicht. Hm, und was zum Kuckuck habe ich damit zu tun?«
Lawrence kramte eine Schachtel Zigaretten hervor. »Rauchen Sie?«
»Gelegentlich.« Sie nahm sich ein Stäbchen und schob es zwischen ihre Lippen.
Lawrence hielt ihr ein flammendes Schwefelholz hin. »Wir wollen, dass Sie Hendrix aufstöbern und unschädlich machen.«
Fast wäre ihr der Glimmstängel aus dem Mund gefallen. »Wie? Was? Unschädlich machen?«
»Ihre Zigarette«, wies der Direktor sie zurecht.
Sie reckte den Hals und nahm einen tiefen Lungenzug. Von einem leichten Schwindel befallen, blies sie den Rauch in Richtung Decke.
»Und wieso glauben Sie, dass gerade ich Ihnen bei dieser Angelegenheit behilflich sein könnte?«, erkundigte sie sich.
»Eine kluge Frage.« Lawrence nahm sich auch eine Zigarette und zündete sie an. »Sie kennen Hendrix besser als jeder andere. Wenn eine Person es schafft, diesen Ausbrecher zu überlisten und kaltzustellen, dann Sie, Thunder.«
Mary nippte an ihrem Kaffee. Ihre Hand zitterte, aber nur ein wenig. »Was Sie da verlangen, geht mir nicht auf. Ich bin Theos Partnerin gewesen. Über längere Zeit. Und jetzt soll ich ihn über die Klinge springen lassen? Das wäre Verrat. Warum zum Geier sollte ich Hendrix aus dem Weg schaffen?«
»Um sich zehn Jahre Zuchthaus in Leavenworth zu ersparen«, entgegnete Lawrence. »Ein verlockendes Angebot, finden Sie nicht?«
Mary saugte gierig an ihrer Zigarette.
»Sie sind eine junge, gut aussehende Frau, Miss Scott«, fuhr Lawrence fort. »Noch sind Sie das. In zehn Jahren, da gebe ich Ihnen Brief und Siegel, werden Sie ein Wrack sein. Leavenworth ist kein Sanatorium. Begnadigungen sind seltener als Gürteltiere mit Cowboyhüten. Und so viel ich weiß, hat es dort noch nie einen erfolgreichen Ausbruch gegeben. Trübe Aussichten. Sie sind erledigt, Miss Mary. Ihr Leben ist im Eimer. Möchten Sie sich das wirklich antun? Jetzt, wo Sie die Wahl haben, das Ruder noch mal herumzureißen?«
Eine Weile sprach niemand ein Wort.
Mary rauchte ihre Zigarette, trank hin und wieder einen Schluck Kaffee und ließ ihre Gedanken kreisen. Was Lawrence da gesagt hatte, stimmte haargenau. In Leavenworth erwartete sie das Fegefeuer. »Ich brauche Bedenkzeit«, sagte sie schließlich.
»Abgelehnt«, erwiderte der Vertreter des Gouverneurs.
»Ich muss mich sofort entscheiden?«
Lawrence hüllte sich in Rauch. »Akkurat.«
Mary wog das Für und Wider ab. Die Sache kam ihr irgendwie unlogisch vor. »Wenn Sie mich frei lassen, könnte ich verschwinden, auf Nimmerwiedersehen. Ohne mich um das Versprechen, das ich Ihnen gegeben habe, zu kümmern. Sie gehen ein hohes Risiko ein.«
»Mit diesem Einwand habe ich gerechnet«, erklärte Lawrence. »Natürlich könnte es Ihnen gelingen, über die Grenze nach Kanada oder Mexiko zu flüchten. Amerika reicht von einem Ozean zum anderen. Aber wenn Sie Ihre Aufgabe zu unserer Zufriedenheit erfüllt haben, erwartet Sie nicht nur Ihre Freiheit, sondern auch eine fürstliche Belohnung. Geld spielt keine Rolle. Die Mittel sind bereitgestellt. Bis an Ihr Lebensende werden Sie mit der Prämie ein schönes Leben führen können.«
Mary rauchte hastig. Sie kam sich vor wie in einem Märchen, in dem eine gütige Fee Wünsche erfüllte. Es war zu schön, um wahr zu sein.
»Und Sie wollen mich nicht hinters Licht führen?«, fragte sie. »Ich meine, kann ich mich auf Ihr Angebot verlassen?«
»Bei jedem Wetter, Miss. Dafür steht der Gouverneur persönlich ein.«
»Mir schwirrt der Kopf«, sagte sie. »Geben Sie mir wenigstens fünf Minuten.«
Die Männer tauschten einen kurzen Blick.
»Okay«, sagte Lawrence und saugte an seiner Zigarette, »Sie sollen die fünf Minuten haben.«
Es wurden die längsten fünf Minuten in Mary Scotts Leben. Die Zeit tröpfelte wie zähflüssiger Sirup dahin. Man forderte, dass sie ihren Ex-Partner Theo Hendrix umbrachte. Denn darauf lief es hinaus. Der Vertreter des Gouverneurs wollte sie als Henker einsetzen. Sie fragte sich, wie Theo an ihrer Stelle entschieden hätte. Wahrscheinlich hätte er dem finsteren Plan längst zugestimmt.
»Und? Nehmen Sie an?«, bohrte Lawrence.
»Sie setzen mir die Pistole auf die Brust«, meinte Mary. »Am liebsten würde ich das alles wenigstens eine Nacht überschlafen. Der Morgen ist klüger als der Abend. Sagt man nicht so?«
Lawrence drückte seine Zigarette aus. »Nein, kein Aufschub. Wir brauchen Ihre Entscheidung hier und jetzt. Also? Machen Sie mit?«
Mary starrte sekundenlang ins Leere. Dann blickte sie auf. »Okay, ich bin dabei«, sagte sie.
Die Männer waren sichtlich erleichtert.
Mary rieb ihre geröteten Handgelenke. »Wie geht es jetzt weiter?«, fragte sie. »Ich meine, muss ich wieder in meine Zelle zurück?«
»Nein, Miss.« Lawrence stand auf. »Ich werde Sie mitnehmen. Die Formalitäten sind bereits geklärt.«
»Meine Güte! Sie sind ja von der ganz schnellen Sorte«, staunte sie. »Wohin bringen Sie mich?«
»In ein kleines Boardinghouse, am östlichen Stadtrand von Denver. Dort besprechen wir die Einzelheiten.« Er schob die Schachtel Zigaretten, die neben seinem Becher lag, in seine Rocktasche. »Ihr Einsatz beginnt morgen, bei Sonnenaufgang.«
»Warum die Eile?«
Lawrence ging darauf nicht ein.
»Wissen Sie denn, wo Theo Hendrix steckt?«, hakte sie nach.
»Ja«, sagte er einsilbig.
»Aber was werden meine Mitgefangenen sagen, wenn ich so plötzlich von der Bildfläche verschwinde?«
Lawrence sah den Direktor an. »Mitgefangene?«
»Kate Allen und Jamie Prentiss, zwei Mädchenbanditen mit langen Haftstrafen.«
»Sie könnten Verdacht schöpfen, wenn ich nicht mehr zurück in die Zelle komme«, warf Mary ein.
Lawrence überlegte kurz. »Nein, das werden sie nicht«, antwortete er dann. »Morgen, beim Appell, wird es eine offizielle Mitteilung geben.« Er senkte die Stimme. »Mary Thunder Scott wurde beim Versuch, aus dem Central Prison zu fliehen, erschossen. Punkt und aus.« Er warf dem Direktor einen langen, viel sagenden Blick zu.
Sutton nickte bedächtig. »Ich denke, das lässt sich arrangieren.« Er ging zur Tür.
Mary hörte, wie er den Oberaufseher fortschickte.
Ohne Widerrede folgte Johnson dem Befehl. Seine Schritte verklangen.
Unglaublich! Mary konnte es kaum glauben. In wenigen Minuten würde sie das Central Prison verlassen. Nicht als Gefangene, sondern als freier Mensch. Sie hatte wieder eine Zukunft.
Yeah!
***
Die Frau hatte eine Figur wie ein Stundenglas: großer Busen, eng geschnürte Taille und ein rundliche, aber nicht allzu große Hüftpartie.
Lassiter lief das Wasser im Mund zusammen.
Er lehnte an der Theke vom Maverick Saloon in Hooker’s Bend, trank Bier und beobachtete die unbekannte Schöne. Je länger er sie ansah, desto größer wurde sein Interesse für sie.
Nach seiner Mission, die er in Arikaree zum Abschluss gebracht hatte, ließ die Zentrale der Brigade Sieben ihn in Ruhe. Die Jungs aus Washington meinten, er müsse sich eine Zeitlang von den Strapazen erholen. Okay, vielleicht hatten die Bürohengste im Hauptquartier gar nicht so Unrecht. Auch der stärkste Gaul brauchte mal eine Verschnaufpause. Hier, in Hooker’s Bend, einem beschaulichen Örtchen dicht an der Eisenbahnstrecke Denver-Kansas City, konnte man mal so richtig die Seele baumeln lassen.
Leider war es mit der Auswahl an Frauen in der Boomstadt nicht so gut bestellt, wie Lassiter es sich gewünscht hätte.
Es gab einfach zu wenig Auswahl.
Selbst die Mädchen in den Freudenhäusern waren nicht nach seinem Geschmack. Die meisten hatten die dreißig weit überschritten und hatten schon in den Rinderstädten Abilene, Wichita und Hays City angeschafft. Die Reize, die sie einst besaßen, waren längst verblichen. Bei Lichte besehen, gab es kein einziges Girl in der Stadt, das ihm so richtig gefiel.
Mit einer Ausnahme – die schöne Unbekannte, die ein Stück neben ihm an der Theke stand und mit abgespreiztem, kleinem Finger an einem Kelch Champagner nippte.
Neben ihr hatten sich zwei stämmige Männer aufgebaut, beide in adretten Gehröcken und Bowlerhüten. Der Größere von ihnen erzählte gerade einen Doc-Weston-Witz. Er kam aber mit der Pointe durcheinander und verhaspelte sich, was zur Folge hatte, dass niemand lachte.
Die Frau hob pikiert eine Augenbraue und trank einen Schluck von ihrem Schaumwein.
Bei ihrem Anblick hüpfte Lassiter das Herz im Leibe. Die gleichmäßigen Gesichtszüge der attraktiven Rothaarigen erinnerten ihn an die berühmte Theaterdiva Lily Langtry, die er sehr verehrte. Mit ihren grünen Augen, den hohen Wangenknochen und den kleinen Ohren, an denen schillernde Edelsteine befestigt waren, übte sie einen mächtigen Reiz auf ihn aus – von ihren aufreizenden Kurven ganz zu schweigen.
Nachdem sie an ihrem Getränk genippt hatte, stülpte sie ihre Lippen vor – und plötzlich blickte sie in seine Richtung.
Lassiter lächelte und hob sein Glas.
Die schöne Frau sah woanders hin, ohne die geringste Reaktion zu zeigen.
Er winkte Joe, den Barkeeper, heran.
»Ja, Mister?« Der Mann hinter dem Schanktisch beugte sich über die Barriere. »Noch ’n Bier?«
»Nein, ich hab noch.« Lassiter deutete zu der Frau am Ende des Tresens. »Ich würde gern wissen, wer diese Lady ist.«
Der Keeper hob die Achseln. »Keine Ahnung. Ich sehe sie zum ersten Mal.«
Lassiter musste sich mit der Antwort begnügen. Der Barmann wusste auch nicht mehr als er.
Doch seine Neugierde wuchs mit jedem Atemzug.
Er nippte an seinem Bier und überlegte, was er tun konnte. Womöglich war einer der Herren ihr Ehemann, dann waren für ihn alle Messen gesungen. Verheiratete Frauen waren für ihn tabu. Nur im absoluten Ausnahmefall brach er diese Regel.
»Joe?«
Der Bartender kam.
Lassiter spielte ihm eine Münze zu. »Finden Sie heraus, ob einer der Gents der Ehemann der Lady ist«, raunte er leise.
Joe steckte das Geld ein und grinste.
»Was gibt’s da zu feixen?«, fragte Lassiter.
»Weil ich das, was Sie wissen wollen, nicht mehr herausfinden muss: Ich weiß es schon.«
»Na gut, raus mit der Sprache.«
»Nein«, sagte Joe.
Lassiter runzelte die Stirn. »Wie? Sie wollen es mir nicht sagen?«
»Nein«, gab der grienenden Mann hinter der Bar zurück. »Die Antwort auf Ihre Frage lautet: NEIN.«
Lassiter hatte verstanden. Von den Männern, die bei seiner Favoritin standen, war keiner ihr Gatte. Er grinste. »Geben Sie mir noch ein Bier, Joe.«
»Kommt sofort.« Joe marschierte zu dem aufgebockten Holzfass und drehte den Zapfhahn auf.
Derweil sandte Lassiter der rotblonden Augenweide einen unauffälligen Blick. Sie unterhielt sich gerade mit dem kleineren ihrer Begleiter, einem Mann um die Vierzig, mit grauen Schläfen und einem sorgfältig beschnippelten Kinnbart. Ihr Gespräch drehte sich um die Auslieferung der Versandhauskataloge aus St. Louis.
Plötzlich geschah das Unerwartete: Die Frau blickte über die Schulter ihres Nachbarn hinweg und sah Lassiter scheinbar gleichgültig an.
Dann blinzelte sie mit dem einen Auge.
Lassiter durchfuhr es siedendheiß. Narrte ihn ein Spuk oder hatte die Schöne ihm tatsächlich ein geheimes Zeichen gegeben?
»Ihr Bier, Mister.« Joe stellte das Glas hin.
Lassiter ließ es unbeachtet. Er hatte nur Augen für die Frau. Inzwischen hatte sie ihren Blick wieder abgewendet. Zwanglos plauderte sie mit den Gents, die sie in die Mitte genommen hatten.
Eine fast unerträgliche Spannung durchfuhr Lassiter. Seine Gefühle für die Unbekannte wurden so heftig, dass sein Herzschlag sich verdoppelte.
Er langte nach seinem Bier und trank.
Wenig später verspürte er den Drang, vor die Tür zu gehen. Er nickte dem Mann hinter dem Schanktisch zu und trat durch den hinteren Ausgang auf den rückwärtigen Platz des Saloons.
Es war ein angenehm lauer Abend im Oktober. Die Blätter der umstehenden Schwarzeichen rauschten in der Krone. Vögel zwitscherten. Dumpf klangen aus dem Saloon die Stimmen der Gäste. Auf der Holzmiete neben dem Holzschuppen saß eine gelbe Katze und döste träge vor sich hin.
Die Hintertür knarrte in den Angeln.
Er sah sich um und erblickte die Rotblonde. Mit geschürzten Röcken trat sie vor die Tür.
Lassiter nahm überrascht den Hut vom Kopf.
Die Frau schloss die Tür, hielt nach allen Seiten Umschau und kam näher.
»Ma’am.« Er schaute sie an.
Ohne ein Wort nahm sie seine Hand und legte sie auf ihre großen Brüste.
Lassiter war baff. Er spürte, wie das Herz der Frau klopfte.
»Gehen wir hinter den Holzstoß«, sagte sie.
Er rang um Fassung. Offenbar war er da an eine Vertreterin ihres Geschlechts geraten, die nicht lange fackelte und sich nahm, was sie wollte.
Sekunden später fand sich der Mann von der Brigade Sieben hinter der der Holzmiete wieder. Die Katze fauchte ihn an und bekam ein struppiges Fell. Dann sprang sie auf das Dach des Schuppens und verschwand.
Die Frau lachte kurz auf, hob ihre Röcke und sah ihn durchdringend an.
Lassiters Hände ruhten auf ihren rundlichen Wonneproppen. Er staunte über das Tempo, das sie vorlegte. Wer zum Teufel war diese geheimnisvolle Frau?
»Hurry, hurry«, sagte sie.
Die frivole Erotik gefiel ihm. Er öffnete seinen Hosenlatz. Die Rotblonde hob einen Fuß und stellte ihn auf den Hauklotz, der neben der Miete stand. Lassiter erblickte ihr feuerrotes Schamhaar.
»Schnell«, sagte die Frau halblaut.
Der Klang ihrer Stimme ging ihm durch Mark und Bein. Ehe er wusste, wie ihm geschah, griff sie ihm in die Hose. Sein Rammdorn war längst zum Entern bereit. Sie nahm ihn in die hohle Hand und rieb ihn von der Wurzel bis zum Pilzkopf.
»Wie heißen Sie?«, fragte er.
»Unwichtig«, antwortete sie. »Komm zur Sache, Fremder.«
Nach diesen Worten umschlang sie ihn mit beiden Armen. Er spürte den Druck ihrer üppigen Oberweite in seiner Bauchgegend. Eine Welle grenzenloser Begierde überrollte ihn.
Die Rotblonde schmiegte sich eng an ihn. Sein Glied touchierte ihren Venushügel, glitt tiefer und bohrte sich ruckweise in die schlüpfrige Spalte zwischen ihren geöffneten Schenkeln.
Prompt bekam die Frau rote Wangen.
Lassiter legte die Hände um ihre Wespentaille und gab den Takt vor. Es dauerte kaum eine Minute und seine Gespielin stöhnte vor Lust.
»Zeig’s mir«, keuchte sie. »Na los, mach mich glücklich!«
Der Anblick ihres verzerrten Gesichts steigerte seine Lust. Er spürte, wie ihre Lenden sich gegen seine drängten. Immer wieder. Immer fester.
»Gott im Himmel«, schnappte sie.
Er ließ seine Hände höher wandern. Genussvoll knetete er ihre vom Mieder eingeengten Brüste durch den festen Stoff der Kostümjacke hindurch. Als er die Jacke öffnen wollte, schüttelte die Frau den Kopf.
»Dafür ist keine Zeit!«
Das war bedauerlich. Er hätte gern ihre üppigen Prachtstücke in die Hände genommen. Aber er folgte ihrem Wunsch. Stattdessen schob er seine Hände unter ihren Röcken hindurch und grub sie in ihre nackten Pobacken.
»Einen hübschen Hintern haben Sie«, murmelte er. »Den würde ich mir gern mal aus der Nähe anschauen.«
»Hurry, hurry«, keuchte sie.
Er variierte das Tempo und beobachtete, wie sie lustvoll die Nasenflügel blähte. Die Liebelei schien ihr gut zu gefallen. Ihr Atem ging stoßweise. Immer wieder musste sie ihr Stöhnen unterdrücken.
Auch Lassiter genoss den Zauber des Augenblicks. Also hatte sich der Aufenthalt in Hooker’s Bend doch noch gelohnt. Gottes Wege waren unergründlich.
Die Fremde krallte ihm plötzlich die Finger in sein Halstuch. Sie verdrehte die Augen, dass nur noch das Weiße darin zu sehen war. Dabei presste sie die Lippen so fest zusammen, als müsste sie gerade einen unerhörten Schmerz aushalten.
Sie kommt, dachte Lassiter.
Er hatte sich nicht geirrt. Auf einmal zitterte die Frau der Fahnenmast auf dem Bahnsteig, wenn der Denver Express vorbei rollte. Ihre Augen weiteten sich, ihr Mund wurde zu einem großen, klaffenden Loch. Sie drückte Lassiter so fest an sich, als wolle sie mit ihm für alle Zeiten verschmelzen.
Er spürte, wie es ihm kam.
Aus einem inneren Impuls heraus stoppte er der Neigung, den Gipfel der Lust zu erklimmen.
Das Zittern seiner Gespielin hielt an. Inzwischen war sie im Gesicht puterrot geworden. Von ihren Schläfen perlten glänzende Schweißperlen.
Lassiter fing an, sich Sorgen zu machen. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
Die Frau gab keine Antwort. Noch immer stöhnte und zitterte sie. Lassiter wurde klar, dass ihr Höhepunkt noch immer nicht zu Ende war. Lieber Himmel, das hatte er noch nie erlebt. Diese Rotblonde war ein Phänomen. Sie schien auf dem Gipfel ihrer Gefühle zu verharren.
Doch dann stand sie plötzlich still. Auf einen Schlag war das Zittern beendet.
Sie atmete tief durch, nahm ihren hochgestellten Fuß von dem Klotz und glättete ihre gerafften Röcke.
Ihr Busen bebte noch immer.
Lassiter presste seine Hände darauf. Am liebsten hätte er der Schönen die Kleider vom Leib gerissen und sie zu Boden geworfen. Doch er rang seinen unbefriedigten Trieb nieder und begnügte sich damit, beide Hände auf ihren Busen zu pressen.
Sie blickte ihm in die Augen. »Es reicht«, sagte sie knapp.
»Okay.« Er nahm die Hände weg. »Verraten Sie mir Ihren Namen, schöne Maid?«
»Wozu?«
»Weil ich gern wissen möchte, mit wem ich es zu tun habe.«
Sie zog die Mundwinkel nach unten. »Mein Name tut nichts zur Sache.«
Das sah Lassiter anders. »Wir können doch nicht auseinandergehen, ohne dass wir wissen, wer der andere ist«, gab er zu bedenken.
»O doch, das können wir«, versetzte sie.
Er legte die Hände um ihre Wespentaille. »Ich möchte Sie wiedersehen. Schon bald.«
»Falsche Antwort.« Sie zog ein Gesicht als hätte er ihr ein Schimpfwort an den Kopf geworfen. »Lassen Sie mich los, mein Herr, sonst werden Sie was erleben.«
»Was denn?«
»Ich schreie um Hilfe!«
»Das würden Sie tun?«
Sie lächelte böse. »Ja, das würde ich.«
Er runzelte die Stirn. »Das ist Erpressung.«
»Und wenn«, sagte sie. »Hauptsache, ich bekomme, was ich will. Also, Stranger, Finger weg, sonst erzähle ich jedem im Saloon, dass Sie mich mit Gewalt genommen haben. Was Ihnen dann blüht, brauche ich wohl nicht näher zu erklären, oder?«
Was für eine Teufelin! Lassiter war schwer beeindruckt. Die Dame bekam es fertig und ruinierte seinen Ruf. Mit einer solchen Drohung war nicht zu spaßen. Die Leute würden ihrer Lüge glauben und versuchen, ihm das Fell über die Ohren zu ziehen.
Das war nicht in seinem Sinne. Er war nach Hooker’s Bend gekommen, um sich zu entspannen. Eine Anzeige wegen Vergewaltigung einer Lady war das Letzte, was er jetzt brauchte.
Er nahm seine Hände von ihr.
Die Rotblonde lachte freudlos. Sie schnippte sich eine Korkenzieherlocke aus dem Gesicht, warf den Kopf in den Nacken und stolzierte hoch aufgerichtet zur Hintertür des Saloons.
Lassiter blickte ihr mit gemischten Gefühlen hinterher. Die Frau war ein Rätsel. Er wurde aus ihr nicht schlau. Sie kam, nahm sich, was sie wollte, und ging.
Die Neugier brannte wie eine Fackel in ihm.
Ich muss wissen, wer sie ist, dachte er, und ich werde es herausfinden, und wenn es das Letzte ist, was ich in meinem Leben tue.
***
Mary »Thunder« Scott schlief schlecht.
Sie lag in dem schmalen Bett in der Dachkammer von Jodie’s Boardinghouse. Im Zimmer war es dunkel wie in einem Ofenrohr. Es gab nur eine kleine Luke, und die war von außen mit einem Holzverhau verkleidet. Durch die Ritzen der Bretter drangen nur winzige Lichtstifte.
Mit offenen Augen starrte Mary gegen die unsichtbare Zimmerdecke.
Nachdem der Assistent des Gouverneurs sie aus dem Central Prison geholt hatte, war er mit ihr in einer Kutsche zur entgegengesetzten Seite der Stadt gefahren. Außer ihnen befand sich noch eine dritte Person in dem Wagen: ein wortkarger Mexikaner, den Lawrence Pedro nannte. Pedro entpuppte sich als Leibwächter des Politikers. Mary hatte auf den ersten Blick erkannt, dass mit diesem Greaser nicht zu spaßen war. Auf ein Zeichen seines Patrons würde Pedro jeden niederschießen, der ihnen in die Suppe spucken wollte.
Mary fielen die Augen zu.
Im Halbschlaf erblickte sie ihr schwarzes Pferd, das sie in Arikaree Station hatte zurücklassen müssen. Mit mörderischem Tempo jagte das edle Tier einem Felsabhang entgegen. Der Hengst floh vor einem Rudel Wölfe, das ihm dicht auf den Fersen war. Die gierigen Räuber kamen immer näher. Sie trieben den Rappen direkt auf die Felsklippen zu. Da sah Mary sich selbst. Sie rannte neben dem Pferd her und fuchtelte mit den Armen. Doch der Rappe missachtete ihre Warnung. Mit unvermindertem Tempo galoppierte er seinem Verderben entgegen. Mary stellte sich den Wölfen in den Weg, hob ihr Gewehr und feuerte. Der Leitwolf stürzte mit einem Loch im Kopf zu Boden und überschlug sich mehrmals. Die anderen Tiere brüllten vor Wut. Mary schoss und schoss, bis ihr Magazin leer war. Als der Pulverrauch sich verzog, sah sie, dass von dem Wolfsrudel keine Gefahr mehr ausging. Die Tiere lagen tot oder sterbend auf dem Boden, die übrig gebliebenen suchten ihr Heil in der Flucht. Mary hielt Ausschau nach ihrem Rappen. Sie fuhr erschrocken zusammen, als sie das Pferd nirgendwo sah. Die Felsklippe?
Mit einem Ruck schlug sie die Augen auf.
Es dauerte einige Sekunden, bis sie realisiert hatte, wo sie sich befand. Der Traum von dem schwarzen Pferd verblasste und erlosch.
Mary setzte sich auf. Morgen, bei Tagesanbruch, begann ihre Mission. Sie sollte ihren Ex-Partner Theo Hendrix aufspüren und ihm den Hals umdrehen. Nach erfüllter Aufgabe würde sie frei sein und im Geld schwimmen. So lautete die Abmachung. Der Assistent des Gouverneurs hatte ihr sein Wort darauf gegeben.
Wahrlich ein Grund, guter Dinge zu sein.
Doch Mary plagte ein ungutes Gefühl. Alles klang zu schön, um wahr zu sein. Freiheit! Eine gesicherte Zukunft ohne Geldsorgen.
Was für paradiesische Aussichten!
Die Frage war: Konnte sie dem Vertreter des Gouverneurs vertrauen?
Eine innere Unruhe beschlich sie. Sie sehnte sich nach frischer Luft. Die Demse in der Dachkammer war ja nicht mehr auszuhalten. Leider ließ sich die kleine Luke nicht öffnen.
Nach kurzem Überlegen entschied sie, für eine Weile vor die Tür zu gehen. Die frische Nachtluft würde ihr gut tun. Nach einem kleinen Spaziergang würde sie bestimmt schlafen können.
Sie stand auf und tastete nach der Kerzenlaterne auf ihrem Nachttisch.
Als das Licht brannte, schlüpfte sie in ihre Schuhe. Dann warf sie sich den Umhang über, der am Haken über dem Waschgestell hing. Um diese Jahreszeit waren die Nächte in Colorado bereits ziemlich kalt. Die Gipfel der Bergmassive waren mit Schnee gekrönt.
Sie knöpfte das Mäntelchen zu, band sich einen Schal um den Hals und schob die Tür auf.
Die Angeln knarrten leise. Das Kerzenlicht beleuchtete den langen Gang auf der gespenstisch wirkenden Dachetage. Hier oben gab es noch drei andere Fremdenzimmer, doch im Moment war keines von ihnen bewohnt. Lawrence und sein Leibwächter logierten im Erdgeschoss, gleich neben der Gaststube.
Mary trat an den Absatz der Treppe.
Kaum hatte sie die erste Stufe betreten, hörte sie den dumpfen Klang einer Stimme.
Die Laute kamen aus der Gaststube.
Auf Zehenspitzen schlich sie die Stufen hinunter. Die Tür zum Gastraum war nur angelehnt. Ein Lichtstreifen fiel durch den Schlitz auf den Vorplatz.
Mary hatte das untere Ende der Treppe erreicht. Um nach draußen zu gelangen, musste sie die Gaststube durchqueren. Als sie vor der Tür stand, zögerte sie.
Die Stimme von Paul Lawrence war zu vernehmen. »Lass uns zu Bett gehen, Pedro«, sagte er mit schwerer Zunge. »Morgen früh ist die Nacht zu Ende.«
»Nur noch ein Glas«, antwortete der Mexikaner.
Mary hielt den Atem an. Sie hörte, wie eine Flüssigkeit in zwei Gläser plätscherte.
»Aber das ist das Letzte«, sagte Lawrence.
»Si, Señor.«
Mary hob die Hand, um die Klinke zu berühren, doch auf halbem Weg hielt sie inne.
»Eine schöne Frau, diese Mary Thunder«, sagte Pedro.
»Eine gefährliche Frau«, versetzte Lawrence. »Ich hoffe, sie erledigt ihren Job und fällt nicht vorher um.«
»Keine Sorge, Patron. Sie ist scharf auf die Dollars, die Sie ihr versprochen haben. Viele Dollars ziehen mehr als viele Pferde.«
Lawrence hustete, als hätte er sich verschluckt. Offenbar rauchte er gerade eine Zigarette.
Mary widerstand dem Drang, durch den Türspalt zu spähen. Sie fürchtete, dass man sie entdeckte. Mit angehaltenem Atem lauschte sie.
»Wie hoch wird ihre Belohnung sein?«, erkundigte sich der Mexikaner.
»Was glaubst du, Pedro?«
»Fünftausend Dollar?«
Zu Marys Verwunderung lachte Lawrence leise. Vermutlich hatte er einen leichten Schwips.
Pedro sagte: »Noch mehr als fünftausend?«
»Gott bewahre!« Lawrence lallte schon ein wenig. »Der Gouverneur würde doch nicht so viel Geld zum Fenster hinaus werfen, für eine Kriminelle, die eigentlich ins Zuchthaus gehört.«
»Also weniger als fünftausend?«
Lawrence ließ sich Zeit mit der Antwort.
Mary war gespannt wie eine Harfensaite. Was ihr Wohltäter da von sich gab, gefiel ihr überhaupt nicht. Spielte der Kerl ein falsches Spiel?
Bei diesem Gedanken verhärtete sich ihr Herz.
»Viel weniger als fünftausend«, erklärte Lawrence und lachte leise. »Nicht einen Penny wird er lockermachen.«
»Por dios!«, entfuhr es Pedro. »Das wird Miss Mary aber gar nicht gefallen.«
Die Männer in der Gaststube lachten amüsiert.
Mary stand da wie angenagelt. Das höhnische Gelächter hämmerte wie ein Gewitter in ihren Ohren. Auf einen Schlag war ihr klar geworden, dass man sie nur ausnützen und dann um ihren Lohn betrügen wollte.
Vor Wut ballten sich ihre Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte sie die Tür aufgestoßen und wäre in die Wirtsstube gestürzt, um Lawrence und Pedro die Hölle heißzumachen. Hätte sie eine Schusswaffe besessen, hätte sie das auch getan. Aber ihre Ausrüstung sollte sie erst morgen, bei ihrem Aufbruch, erhalten.
»Jetzt aber ab in die Kiste!«, sagte Lawrence.
In der Gaststube schurrten Stühle über die Dielen.
Mary wandte sich um. So schnell sie konnte, lief sie die Treppe hinauf. Oben angekommen, verschwand sie in ihrer Kammer.
Diese Saukerle, dachte sie, diese gottverdammten Saukerle!
***
Als Mary am nächsten Morgen aufwachte, stand ihr Entschluss fest:
Sie würde Lawrence einen Strich durch die Rechnung machen.
Sollte der Kerl doch sehen, wo er einen Dummen herbekam, der Theo Hendrix unschädlich machte. Warum schickte er nicht seinen Terrier Pedro in die Spur? Warum sollte ausgerechnet sie die Kastanien für den Gouverneur aus dem Feuer holen?
Fragen über Fragen.
Mary zwang sich zur Ruhe. Auf keinen Fall durfte Lawrence merken, dass sie Lunte gerochen hatte. Wenn er erfuhr, dass sie das Gespräch, das er mit Pedro führte, belauscht hatte, waren alle Messen gesungen. Der Mexikaner würde ihr eine Kugel geben, wenn sie nicht spurte.
Doch jetzt war sie gewappnet.
Sie verließ ihre Kammer und stieg die Treppe zur Gaststube hinunter.
Der Raum war noch nicht gelüftet und roch nach kaltem Rauch. Mary durchquerte ihn und trat durch die Vordertür ins Freie.
Es war ein kühler Morgen. Von den Rockies zogen graue, bizarr geformte Wolken herüber. Mary fröstelte, aber die frische Gebirgsluft tat ihr gut.
Zeb Jodie, der Gastwirt, erschien. Er war ein mittelgroßer Mann um die Vierzig, mit Halbglatze und einem Schnauzbart, der sie an General Grant erinnerte. »Guten Morgen, Miss Mary«, sagte er. »Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen.«
»Ja, danke, kann nicht klagen.« Mary kramte nach einer Zigarette. »Haben Sie mal Feuer?«
Jodie brachte ein Schwefelholz zum Vorschein und riss es an.
Mary inhalierte tief. Von einem leichten Schwindel befallen, schloss sie für einen Moment die Augen. Bei der ersten Zigarette am Morgen wurde ihr immer etwas schummrig im Kopf.
»Möchten Sie schon mal ’nen Kaffee als Zungenanfeuchter?«, fragte Jodie. »Oder möchten Sie warten, bis die Gents erscheinen.«
»Ich warte«, antwortete sie.
»Bis gleich.« Jodie ging ins Haus.
Mary paffte hastig. Gleich würden Lawrence und Pedro auftauchen, um ihr die Ausrüstung auszuhändigen, die sie für ihren Einsatz brauchte.
Sie konnte es kaum erwarten, wieder ein Schießeisen in der Hand zu halten. Vor Aufregung schlug ihr Herz ein paar Takte schneller.
Ganz plötzlich musste sie an den Kerl denken, der sich Lightning nannte.
Auf dem Bahnsteig in Arikaree hatte der Hurensohn sie und Hendrix binnen einer einzigen Sekunde außer Gefecht gesetzt. Mary hatte noch nie einen Shooter erlebt, der so schnell und sicher zwei Gegner über den Haufen schoss. Der Kerl kam von einem anderen Stern. Im Jail hatte sie Jamie Prentiss, Kate Allen und einige andere Mitgefangene gefragt, ob sie schon mal einem Scharfschützen namens Lightning begegnet wären, doch alle hatten nur kopfschüttelnd mit den Achseln gezuckt. Keine von ihnen hatte je seinen Weg gekreuzt.
Seltsam.
Mary saugte noch einmal an ihrem Glimmstängel, dann ließ sie ihn fallen und trat die Glut aus.
In der Gaststube erklangen Stimmen.
Mary war auf der Hut. Lawrence und Pedro hatten das Lokal betreten. Sie pumpte ihre Lungen noch einmal voll frische Gebirgsluft, dann machte sie kehrt und trat in den Gastraum.
Lawrence stand am Tresen und putzte die Gläser seiner Brille. Pedro hatte seinen Hut in der Hand und drückte eine Beule aus der Krone.
»Ach, Miss Mary«, sagte Lawrence und grinste schief. »Na, wie war die erste Nacht in Freiheit?«
»Gemischt«, gab sie zurück. »Hab von meinem Pferd geträumt, das vor meinen Augen in den Abgrund gestürzt ist.«
»Träume sind Schäume«, philosophierte der Assistent des Gouverneurs. »Heute beginnt ihr neues Leben, meine Liebe. Sind Sie schon aufgeregt?«
»Ja, ein bisschen.«
Zeb Jodie trat ein, und Lawrence bestellte ein großes Frühstück für drei Personen.
»Schon in Arbeit.« Der Wirt zwirbelte seinen Schnauzer und blickte von einem zum anderen. »Alle einen großen Pott Arbuckle’s zum Wachwerden?«
Die Gefragten nickten zustimmend.
Als der Wirt in der Küche verschwunden war, gab Lawrence seinem Leibwärter ein Zeichen.
Pedro stellte einen großen, prall gefüllten Sack aus Segeltuch auf einen Stuhl.
»Darin finden Sie alles, was Sie brauchen, Thunder«, sagte Lawrence. »Auch eine Brieftasche mit dreihundert Dollar in Banknoten und Münzen. Für die Ausgaben, die sie unterwegs haben werden. Ich hoffe, Sie sind sparsam und kommen damit aus.«
Mary nickte. »Na klar. Wenn’s drauf ankommt, kann ich von Luft und Liebe leben.«
Als Nächstes hängte Pedro einen mit Patronen gespickten Revolvergürtel über den Reisesack. Im Holster steckte ein nagelneuer Smith & Wesson mit Rankengravur und rotbraun poliertem Griffstück.
Mary pfiff leise durch die Zähne.
»Will hoffen, ich hab die richtige Wahl getroffen«, sagte Lawrence.
»Alles im Lot.« Mary nahm den Sechsschüsser aus dem Futteral und streichelte verzückt über die Verzierungen am Lauf. Dann überprüfte sie, ob die Trommel mit Patronen bestückt war.
Das Magazin war leer.
Mary schob eine Patrone aus der Schlaufe und wollte sie in die Trommel schieben, doch Lawrence legte die Hand auf die Waffe. »Nicht so eilig, meine Liebe«, sagte er. »Bevor Sie sich rüsten, müssen wir noch ein paar Dinge besprechen.«
»Einverstanden.« Mary schob den Colt ins Holster zurück.
Aus der Küche drang der appetitliche Geruch von gebratenen Zwiebeln an ihre Nase.
Sie hob das Kinn und schnupperte. »Okay, Mr. Lawrence«, sagte sie. »Schießen Sie los!«
»Zuerst sollen Sie erfahren, wo unser gemeinsamer Freund Hendrix sich derzeit aufhält.« Lawrence setzte seine Brille auf und rückte sie zurecht. »Wie Sie es anstellen, ihn unschädlich zu machen, überlasse ich Ihnen. Sie haben völlig freie Hand.«
»Tot oder lebendig?«, warf Mary ein. »Überlassen Sie das auch mir?«
Lawrence machte die Augen schmal. »Ich will keine Komplikationen. Sorgen Sie dafür, dass er für immer von der Bildfläche verschwindet.«
»Verstehe.«
»Am besten, Sie erledigen ihn in aller Öffentlichkeit«, fuhr Lawrence fort. »Aber sehen Sie sich vor. Nicht, dass man Sie einkassiert und hinter Gitter zerrt.«
»Alles klar. Ich tue meinen Job und mache mich aus dem Staub, bevor es brenzlig wird.«
»Das wollte ich hören.« Lawrence lehnte sich an die Theke. »Laut neuester Information ist Theo Hendrix derzeit in Topeka zu finden. Sobald Sie Ihre Arbeit erledigt haben, Thunder, kommen Sie hierher zurück, in Jodie’s Boardinghouse. Der Wirt weiß Bescheid. Er wird mich benachrichtigen, sodass wir den Deal zum Abschluss bringen können.«
Mary nickte. Sie werden mich umlegen, wenn ich hier auftauche, dachte sie und schulte zu Pedro hinüber. Wahrscheinlich wird er es sein, der mich zu meinen Ahnen ins Jenseits schickt.
»Alles verstanden, Thunder?« Lawrence sah sie durchdringend an.
»Ja. Aber ich brauche ein Pferd«, meinte sie.
»Finden Sie im Stall, Jodie hat es schon für den Ausflug präpariert.«
»Hervorragend.« Sie legte sich den Revolvergürtel um. »Ein komisches Gefühl, nach so langer Enthaltsamkeit wieder eine Bleispritze zu tragen«, sagte sie und wandte sich zur Tür.
Pedro verstellte ihr den Weg. »Wo wollen Sie hin?«
Mary rieb die Innenseiten ihrer Schenkel gegeneinander. »Muss mal für kleine Tigerinnen. Bin sofort wieder da.« Mit diesen Worten schob sie ihn zur Seite und steuerte die Hintertür an.
Zeb Jodie erschien. »Laufen Sie nicht zu weit weg, Miss«, sagte er aufgeräumt. »Jetzt gibt’s erstmal was Feines zwischen die Kiemen. Eier mit Speck und Zwiebeln, Weizenbrot und Chili-Tomaten á la Zeb Jodie. Ich wette meinen linken Hoden, dass Sie sich alle Finger lecken werden.«
Mary war sich da nicht so sicher.
Sie war an der Tür angekommen. Jetzt blickte sie sich um. Der Wirt stellte die Teller und Platten auf den Tisch. Lawrence und Pedro zogen sich Stühle heran und nahmen Platz. Beide hatten nur Augen für die lecker angerichtete Mahlzeit.
Im nächsten Augenblick stand Mary vor der Tür.
Eine Krähe flog über sie hinweg und krächzte laut. Mary wünschte sich ein Paar Flügel, damit sie dieses unselige Wirtshaus möglichst weit hinter sich lassen konnte.
Doch es gab noch eine andere Möglichkeit, den beiden Verrätern in der Gaststube zu zeigen, dass sie nicht auf den Kopf gefallen war.
Sie zog den Colt, knickte den Lauf und stopfte Patronen in das Magazin. Als alle sechs Kammern gefüllt waren, atmete sie tief durch.
Die Krähe verschwand hinter einer Anhöhe, auf der einige verkrüppelte Kiefern wuchsen. Mary wandte den Blick ab und starrte sekundenlang auf die Tür.
Ihr Herz machte einen Sprung, schlug aber danach wieder ganz ruhig. Mary schob den Smith & Wesson nicht wieder ins Holster zurück.
Sie hielt ihn im Hüftanschlag.