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Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2407, 2408 und 2409.
Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!
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Seitenzahl: 375
Veröffentlichungsjahr: 2022
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln
Covermotiv: © Boada/Norma
ISBN 978-3-7517-2993-2
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Lassiter 2407
Du sollst nicht ehebrechen
Karte Washington D.C.
Lassiter 2408
Der Tod ist der Sünde Sold
Karte Washington D.C.
Lassiter 2409
Der Pfad der Gerechten
Karte Washington D.C.
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Contents
Du sollst nicht ehebrechen
Er verließ die Bank und lauerte nach allen Seiten. »Einen gesegneten Tag wünsche ich, Colonel Jenkins, Sir«, sagte der Bankdirektor.
Jenkins nickte nur. Über der rechten Schulter die Mochilla mit den Dollars, über der linken sein Gewehr, trat er auf die Straße. Seine Revolverhähne waren gespannt. Anders als schwer bewaffnet ging er nicht mehr unter Leute. Und er wusste, warum. Der Einachser hatte schon vor dem Hotel gestanden, als Jenkins die Bank betrat. Jetzt aber saßen zwei Männer auf dem Kutschbock, von denen einer sein Gewehr hob. Gleichzeitig trommelte von links Hufschlag heran.
Colonel Jenkins warf sich in den Staub und riss im Fallen beide Armeerevolver aus den Holstern …
» Denn der da gesagt hat: ›Du sollst nicht ehebrechen‹, der hat auch gesagt: ›Du sollst nicht töten.‹ So du nun nicht ehebrichst, tötest aber, bist du ein Übertreter des Gesetzes.«
Jakobus 2,11
Am Hotelfenster über dem Einachser sah Jenkins jetzt seine Lady aufgeregt winken und auf das Gespann deuten. Zu spät – der maskierte Kutscher peitschte es längst an. Und von der anderen Seite preschten maskierte Reiter auf ihn zu.
Mündungsfeuer blitzen, Schüsse krachten, Kugeln pflügten den Staub rechts und links von Jenkins auf. Die Drecksäcke nahmen ihn in die Zange – von rechts das Gespann mit dem Gewehrschützen, von links drei Reiter. Jenkins drückte zweimal ab, wälzte sich zur Seite, hob die Colts – nur noch ein Reiter saß im Sattel.
Jenkins wälzte sich wieder durch den Staub, feuerte, fluchte und schoss auf Kutsche und Reiter zugleich. Eine Gewehrkugel heulte an ihm vorbei, Revolverkugeln schlugen über ihm in den Pfosten des Vordaches und in der Bankfassade ein.
Vom Hotelfenster aus feuerte seine Lady aus einer abgesägten Schrotflinte. An der Hofeinfahrt gegenüber blitzte Mündungsfeuer auf; auch von dort aus schoss jemand auf die Angreifer. Der dritte Reiter kippte aus dem Sattel.
Das Gespann war schon fast auf seiner Höhe. Dem blonden Gewehrschützen war das Halstuch von der Nase gerutscht. Für einen Moment konnte ihm Jenkins, als er zielte, ins Gesicht sehen: Der kleine Mann hatte Glubschaugen. Jenkins drückte ab und traf.
Doch nicht den Schützen, sondern den Kutscher. Der stürzte auf die Mainstreet, überschlug sich ein paar Mal und blieb reglos liegen. Der Einachser rollte nach Süden davon und bog zweihundert Schritte weiter in Richtung Hafen ab. Offenbar hatte der blonde Schütze die Zügel übernommen.
Ein Reiter trieb sein Pferd aus der Hofeinfahrt gegenüber und jagte der Kutsche hinterher. Sein Hufschlag verklang und Stille trat ein.
Jenkins stemmte sich auf den Knien hoch, bekreuzigte sich und fluchte zugleich. Für die Leute, die jetzt an sämtlichen Fenstern zur Mainstreet erschienen, sah es aus, als würde er beten.
Der Staub senkte sich rund um ihn. Unten am Mississippi röhrte ein Schiffshorn. Zum ersten Mal an diesem Morgen fiel Jenkins auf, wie schwül die Luft bereits war. Sogar die verdammten Moskitos waren auf schon auf Blut aus.
Männer und Frauen traten aus dem Hotel und den Nachbarhäusern. Sie kamen auf die Straße und versammelten sich um die vier toten oder angeschossenen Banditen. »Mistkerle!«, schimpfte Jenkins. Von irgendwo her liefen zwei Sternträger herbei.
»Blacky!« Jenkins Lady rief es aus dem Hotelfenster. »Bist du in Ordnung, Blacky?«
»Ja, ja«, knurrte er und stand auf. Er klopfte sich den Staub von der Uniform, hängte sich das Gewehr um und warf die von Geldbündeln schwere Mochilla wieder über die Schulter. Dann stapfte er schräg über die Mainstreet dem Hoteleingang entgegen.
»Blacky« war der Kosenamen, den seine Lady ihm verpasst hatte. Ihr verstorbener Hengst hatte so geheißen. Jenkins hieß Xavier mit Vornamen, doch das verriet er in der Regel niemandem, hatte es schon in der Schule verschwiegen. Welcher Amerikaner, der noch bei Trost war, nannte seinen Sohn »Xavier«?
Jenkins’ alter Herr war ein deutscher Einwanderer, ein katholischer Priester aus Niederbayern, den sie exkommuniziert hatten und der danach mit seiner Haushälterin und den gemeinsamen Kindern über den Großen Teich gegangen war, weil er nicht verhungern wollte. Seine wenigen Freunde nannten ihn »Jenkins« oder »Colonel«. Und seine Lady eben »Blacky«.
Er stieg die Stufen zum Sidewalk hinauf. Der Townmarshal rief nach ihm; Jenkins tat, als hörte er es nicht. Die Leute vor dem Eingang bildeten eine Gasse, damit er ins Hotel gehen konnte.
Der fettleibige Salooner schaukelte ihm entgegen. »Gütiger Himmel, Colonel Jenkins, Sir!« Er blieb vor ihm stehen und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Das wäre ja um ein Haar ins Auge gegangen!«
Wie der Bankdirektor war der Mann bei der Army gewesen und wusste sich zu benehmen.
»Keine Sorge, Buddy«, sagte Jenkins, »Miss Reynolds hätte meine Rechnungen schon beglichen.«
Miss Reynolds – so hieß die junge Blondine, die jetzt die Treppe herunterpolterte. »O Gott, Blacky!« Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
»Gut geschossen, Lady. Danke.« Jenkins löste sich aus ihrer Umarmung. »Geh hoch, hol unsere Sachen. Ich spann die Pferde an. Keine Stunde länger halt’ ich’s hier aus.«
Miss Reynolds hieß eigentlich Judy. Sie war eine Edelhure und zwanzig Jahre jünger als Jenkins. Er liebte Huren und Weiber, die es mit der Treue nicht so genau nahmen. Bei ihnen brauchte er selbst es auch nicht so genau zu nehmen.
»Zwei Häuser weiter hat einer aus der Toreinfahrt auf die Drecksäcke gefeuert«, wandte Jenkins sich an die Leute. »Er ist hinter dem Einachser hergeritten. Kennt einer den Mann?«
»Ein Fremder, Colonel Jenkins, Sir«, sagte der Salooner eifrig. »Nennt sich Blackwood, hat sich gestern Mittag hier eingemietet. Kurz nach Ihnen.«
Jenkins machte eine grimmige Miene und guckte zum Fenster hinaus. Die Sternträger und der Bankdirektor überquerten gerade die Mainstreet. »Schreib seine erste Übernachtung und ein Mittagessen für ihn auf meine Rechnung, Buddy«, sagte er schließlich. »Und eine Flasche Whisky. Aber vom besten.«
»Sind Sie in Ordnung, Colonel?« Der Townmarshal stürzte in den Hotelsaloon. Hinter ihm liefen sein Assistent und der Bankdirektor. Jenkins nickte. »Haben Sie die vier Männer gekannt?«
»Nein.«
»Sie sind alle vier tot.«
»Gut.«
»Wollen Sie sich nicht wenigstens ihre Gesichter anschauen?«
»Nein.« Jenkins marschierte schon zur Hintertür.
»Aber vielleicht kennen Sie ja doch einen von ihnen.« Der Townmarshal schlug einen flehenden Tonfall an. »Für meine Arbeit wäre es eine große Hilfe, das zu wissen.«
»Also gut.« Auf der Schwelle zum Hinterhof blieb Jenkins stehen und drehte sich noch einmal um. »Lassen Sie die Bastarde noch eine Weile liegen. Auf dem Weg aus der Stadt werden wir kurz mit dem Wagen neben den Leichen halten.«
Der Townmarshal schluckte erst und nickte dann resigniert.
»Sie haben ihr Geld noch, Colonel Jenkins, Sir?«, flötete der Bankdirektor. »Gratuliere!«
Jenkins schaute ihm ins Gesicht. Sein Blick war voller Mitleid und Verachtung zugleich. Auch den Townmarshal, den Salooner und alle anderen sah er so an. »Warum gratuliert mir eigentlich keiner von euch Schwachköpfen dazu, dass ich mein Leben noch habe?«
Er wandte sich ab und ging zum Pferdestall. Nein, wahrscheinlich kannte er keinen einzigen der räudigen Hunde, die ihn überfallen hatten. Doch dafür kannte er diejenigen, die sie geschickt hatten.
Und ja, er hatte seine zehntausend Doller noch. Doch auf die hatten es die Kerle auch nicht abgesehen gehabt. Die hatten ihn töten wollen.
Sein Geld ließ Jenkins dennoch nicht aus den Augen. Mit ihm wollte er ein neues Leben anfangen. An der Seite seiner Lady, auf der kanadischen Seite der Großen Seen. Er zog den Wagen aus dem Unterstand und holte die Pferde aus dem Stall.
☆
Zehn Pferde zogen die Straßenbahn um die Ecke. Die eisernen Räder rasselten in den Gleisen. Lassiter hätte zu Fuß gehen können; Colemans Uhrmacherladen lag nicht mehr als zehn Gehminuten entfernt von seinem aktuellen Hotel. Doch er liebte es, sich auf einer Holzbank von einem Pferdegespann durch Washington ziehen zu lassen.
Der Mann von der Brigade Sieben ließ seinen Bart sprießen und trug einen hellen, großkarierten Frack zu schwarzer Weste, weißem Hemd, schwarzen Stiefeln und schwarzem Stetson. Charly hatte ihm den Garderobenwechsel empfohlen. »Damit fällst du nicht so auf in der Hauptstadt«, hatte er gesagt. »Außerdem muss nicht gleich jeder sehen, dass du mit einem Remington an der Hüfte spazieren gehst.«
Charly – Charles Matthews – war Lassiters Boss und der einzige überlebende Direktor der Brigade Sieben. Auch den Bart und die moderne Sonnenbrille mit Gläsern aus Rauchglas hatte er seinem Agenten Lassiter empfohlen.
Die Leute rechts und links traten auf die Straße, jeder wollte zuerst in die Straßenbahn einsteigen. Das Gespann hielt, ein Dutzend Fahrgäste stieg aus, zwei Dutzend Fahrgäste stiegen ein.
Lassiter setzte die Sonnenbrille ab, kaufte ein Ticket, drängte sich durch die Menge im Mittelgang und fand noch einen freien Platz neben einem Zeitungsleser.
Eine Glocke ertönte, die Pferde zogen an, die Räder quietschten, und weiter ging es. Zu beiden Seiten der Straße zogen die Prachtfassaden der Stadthäuser vorüber. Um Lassiter herum plauderten die Leute. Ganz hinten schimpften ein paar Frauen, weil ein Gentleman sie mit dem Rauch seiner Zigarre einnebelte. Vermutlich waren diese Ladys noch nie in einem Saloon in Dodge City oder Cheyenne gewesen.
Lassiter sog prüfend die Luft ein. Ein wenig roch auch er den Rauch, weit deutlicher jedoch nahm er den Duft eines lieblichen Parfüms wahr. Er blickte nach rechts. Sein Sitznachbar war kein Zeitungsleser, sondern eine Zeitungsleserin. Viel mehr als ihre feingliedrige und gepflegte linke Hand und den Verlauf ihres Schenkels unter dem dunkelgrauen Stoff ihres Kleides bekam er nicht von ihr zu sehen. Schade.
Dafür las er eine Schlagzeile auf der ersten Seite ihrer Zeitung, der Washington Post. Hoher Offizier verteidigt zehntausend Dollar gegen Raubmörder.
Eine Glocke ertönte, eine Männerstimme rief einen Straßennamen, die Pferdebahn hielt. Etliche Leute stiegen aus, ziemlich viele ein. Das Gedränge im Mittelgang nahm erheblich zu. Lassiter kam sich vor wie in einer Postkutsche zwischen Wichita und Santa Fé.
Weil ein Mann mit einem Korb voller Hühner an seiner Seite den Mittelgang besetzte, blieb ihm gar nichts anderes übrig, als näher an die Zeitungsleserin heranzurücken. Die ließ ihre Zeitung ein Stück sinken, und über den Zeitungsrand hinweg musterte ihn ein Paar dunkelblaue Augen. Er zuckte bedauernd mit den Schultern und deutete auf den Hühnerkorb. Sie lächelte. Und versteckte sich wieder hinter der Washington Post.
Noch drei Stationen bis zur Seitenstraße, in der Nicholas Colemans Uhrmachergeschäft lag. Die Hühner stanken aufdringlicher als der Zigarrenrauch. Vor dem Führerstand scherzten Frauen mit dem Schaffner.
Für die Fahrgäste schien es das Selbstverständlichste der Welt zu sein, ihre Stadt mit einer Pferdebahn zu durchqueren. Westlich des Mississippis hatte Lassiter noch nie so ein Vehikel gesehen, nicht einmal in den Städten am Ostufer, Saint Louis, Memphis oder New Orleans. Hier an der Ostküste dagegen planten sie bereits eine Straßenbahn, die mit elektrischem Strom fahren sollte.
Das Lächeln und die blauen Augen der Frau neben ihm hatten dem Mann von der Brigade Sieben gut gefallen. Er hätte gern gewusst, ob der Rest seiner Sitznachbarin sich als ähnlich erfreulich erweisen würde.
Überraschende Gedanken waren das für Lassiter, denn seit zwei Wochen nahm er Frauen praktisch nicht mehr wahr. Seit Jennifer Fergusons Tod. Der Verlust seiner Geliebten bedrückte ihn mächtig. Seit er aus dem Golf von Mexiko zurückgekehrt war, ging er nur noch jeden zweiten Tag unter Menschen. Immer, wenn er das Hotel wechselte.
Charly hatte ihm empfohlen, das alle zwei Tage zu tun. Wer als Agent der Brigade Sieben zu lange an einem Ort verweilte, lief in diesen Monaten Gefahr, von den Jägern der Supreme Society aufgespürt und erledigt zu werden.
Die weitgehend unbekannten Köpfe der Geheimorganisation wollten um jeden Preis verhindern, dass deren Existenz bekannt wurde. Und weil die Agenten der Brigade Sieben ihr auf die Schliche gekommen waren und herausgefunden hatten, dass sie die Regierung von Präsident Harrison stürzen wollte, wurden sie gejagt. Gnadenlos. Alle. Überall.
Lassiter wandte sich wieder seiner Sitznachbarin zu. Diese blauen Augen! Dieses Lächeln! Vielleicht würde es ihn ja ein wenig trösten, wenn er sich wieder intensiver weiblicher Schönheit widmete. Doch die Frau neben ihm zeigte ihm nur die Zeitung.
Sein Blick fiel wieder auf die Schlagzeile der ersten Seite: Hoher Offizier verteidigt zehntausend Dollar gegen Raubmörder. Der Überfall hatte sich in Baton Rouge ereignet, und Lassiter war wie elektrisiert, als er den Namen der Stadt las.
Baton Rouge – dorthin würde ihn sein nächster Auftrag führen. Übermorgen schon wollte er in den Zug nach Westen steigen.
Er beugte sich näher an die Zeitung heran und las aufmerksamer. Ein Colonel der US-Kavallerie hatte zehntausend Dollar von seiner Bank geholt und war fünf Bewaffneten in die Arme gelaufen. Vier davon waren jetzt tot, der Colonel selbst unverletzt und die Dollars nach wie vor in seinem Besitz.
Alle Achtung , dachte Lassiter, und dann las er die Personenbeschreibung des einzigen Räubers, der entkommen war: klein, drahtig, blond, Glubschaugen. Lassiter musste tief durchatmen: Es war noch nicht lange her, dass ihm ein solcher Mann über den Weg gelaufen war.
»Ich bin fertig.« Ganz plötzlich hatte die Frau die Zeitung sinken lassen. »Wenn Sie mögen, überlasse ich Ihnen das Blatt, Sir.«
»Lassiter.« Der Mann von der Brigade Sieben tippte sich an den Hut. »Einfach nur Lassiter.« Er betrachtete ihr langes schwarzes Haar und das schmale Gesicht mit den feinen, um den Mund etwas herben Zügen. Und sie lächelte ihr wunderbares Lächeln. Er erwiderte es, und so saßen sie zwei oder drei Atemzüge lang und sahen einander in die Augen. Beinahe schmerzlich wurde es Lassiter in diesen Sekunden bewusst, wie sehr er die Liebe einer Frau vermisste.
»Mein Name ist Bell«, sagte sie, »Suzanne Bell.« Sie deutete aus dem Bahnfenster. »Ich wohne in diesem Hotel dort.«
Lassiter nickte und konnte sich nicht von ihrem Anblick lösen. Er merkte kaum, wie sie die Zeitung zusammenfaltete und ihm in die Hand legte. Dann meinte sie: »Ich muss jetzt aussteigen.«
Lassiter sprang auf, drückte den Kerl mit den stinkenden Hühnern zur Seite und ließ sie vorbei. Er schaute ihr hinterher. Am Ausstieg drehte sie sich noch einmal nach ihm um und winkte. Dann stieg sie aus.
Die Pferde zogen an, die Bahn rollte weiter. Lassiter sah Miss Bell auf der Straße entlang in Fahrtrichtung gehen und rieb sich nachdenklich den Bart. Statt wieder Platz zu nehmen, drängte er sich nach vorn und zum Ausstieg. Was sollte Jennifer eigentlich dagegen haben, wenn er sich ein wenig mit der Gegenwart einer schönen Frau tröstete? Immerhin hatte sie ihn geliebt und gewollt, dass er sich glücklich fühlte.
»Wenn Sie aussteigen wollen, müssen Sie bis zur nächsten Haltestelle warten!«, blaffte der Schaffner ihn an, doch Lassiter schwang sich aus der Bahn und auf die Straße hinaus. Mit der Zeitung winkend lief er der schönen Miss Bell entgegen.
»Ich habe Ihnen die Zeitung gar nicht bezahlt«, sagte er.
»Ich bitte Sie, Lassiter – die habe ich Ihnen doch geschenkt.«
»Nun, Miss Bell, dann lassen Sie sich wenigsten zu einem Kaffee von mir einladen.«
Sie lächelte und hakte sich bei ihm unter. »Sehr gern. Und nennen Sie mich bitte Suzanne.«
☆
Der Blick aus den Fenstern seines Hauses zeigte Charles Matthews patrouillierende Marinesoldaten und einige Uniformierte des Metropolitan Police Departments. Ob er über diese Sicherheitsvorkehrungen glücklich sein konnte, wagte der Senator zu bezweifeln. Doch County-Sheriff Benjamin F. Newcomer hatte sich auf keine Diskussionen eingelassen, als Matthews an ihn herangetreten war. Nicht, um ihn einzuweihen, sondern um seine Loyalität zu prüfen. Die Supreme Society war derart gut organisiert, dass selbst die Polizei-Distrikte in Washington D. C. unterwandert sein mochten. Ob Newcomer davon wusste oder gar selbst ein Teil der Verschwörung war, die den Präsidenten zu stürzen gedachte, ließ sich nur im unmittelbaren Kontakt herausfinden.
Die geheimen Häuptlinge der Supreme Society kannten Charles D. Matthews’ Identität. Sie wussten, dass er nicht einfach nur ein Senator war, sondern ein ehemaliger Direktor der geheimen Regierungsorganisation Brigade Sieben. Vor allen Dingen aber wussten sie, dass er der Einzige war, der dem Sprengstoffanschlag auf die Kongress-Bibliothek entkommen war.
Seufzend wandte Matthews sich vom Fenster seines großen Arbeitszimmers ab und ging zum Schreibtisch. Viel zu viele seiner Agenten hatte die Supreme Society bereits ermordet. Der Tod war zum treusten Begleiter des Senators geworden. Noch nie zuvor in seinem Leben hatte er das so deutlich empfunden.
Es klopfte. »Komm rein, Darling.« Seine Frau Aubrey drückte die Tür mit dem Ellenbogen auf und trug ein Tablett mit Kaffee und Kuchen herein. »Wunderbar!« Matthews rieb sich die Hände und versuchte, sich seine Bedrückung nicht anmerken zu lassen.
Aubrey Matthews schenkte ihm Kaffee ein und stellte ihm den Teller mit dem selbstgebackenen Marmorkuchen hin. Die Vierzigjährige war zierlich und trug ihr dunkles Haar zu einem voluminösen Dutt hochgebunden. Sie hatte große grüne Augen und einen energischen Zug um die Mundpartie.
Auch Aubrey Matthews hielt ihren Gatten ausschließlich für einen Senator. Niemals durfte sie erfahren, was für ein gefährliches Geheimamt er führte. Sie würde sterben vor Sorge.
Und niemals durfte sie erfahren, dass ihr Gatte sich eine Woche zuvor auf eine Romanze mit einer Dolmetscherin eingelassen hatte. Auf dem Weg in den Golf von Mexiko war das geschehen, an Bord des Panzerkreuzers USS Washington. Die Chancen, den Seitensprung geheim zu halten, standen gut, denn Carla, die Dolmetscherin, war tot.
»Danke, Darling.« Matthews nahm die Zeitung und ein Kuvert vom Tablett. »Du bist wirklich ein Schatz, Aubrey.«
»Finde ich auch.« Sie beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn. »Bis später.« Sie ging zur Tür. »Die Kinder werden dich rufen, wenn das Abendessen fertig ist.«
Matthews winkte und widmete sich Kaffee und Marmorkuchen. Dabei schlug er die Washington Post auf. Schon bei der Schlagzeile über der rechten Spalte blieb ihm der Bissen im Hals stecken: In Baton Rouge war ein Offizier überfallen worden, ein Colonel.
Mit jedem Satz, den der Senator las, bestätigte sich sein erster Verdacht: Xavier Jenkins war angegriffen worden. Und das nicht von irgendwelchen Banditen, sondern von Agenten der Supreme Society.
Die letzte und stärkste Bestätigung: die Personenbeschreibung des einzigen entkommenen Angreifers. Dieser kleine drahtige Mann mit dem blonden Haar und den Glubschaugen konnte nur Ruben Potter sein – Carlas Mörder.
Matthews sank in seinen gepolsterten Drehstuhl zurück und schloss die Augen. Eine lähmende Schwäche drohte ihn zu überwältigen, und die schlimmsten Bilder der vergangenen Wochen waren plötzlich wieder gegenwärtig: die Rauchwolken über den brennenden Schiffen, Carla mit durchgeschnittener Kehle in ihrem blutigen Bett, das fliehende Beiboot mit Ruben Potter, dem blonden Chefdolmetscher.
So schnell hatte Potter also wieder zugeschlagen? Matthews las erneut die Personenbeschreibung. Ohne Zweifel – Potter hatte zumindest versucht, wieder zuzuschlagen.
Ob wieder Howard Devon, der gefährlichste Killer der Supreme Society, im Hintergrund die Fäden gezogen hatte? Wie auch immer: Sie würden es erneut versuchen, daran zweifelte Matthews nicht. Sie würden alles auf eine Karte setzen, um Colonel Jenkins zu beseitigen.
Matthews öffnete die Augen und atmete tief durch. Er griff nach der Tasse, ging zum Fenster und schlürfte den schwarzen Kaffee. Der tat ihm gut, und seine Energie kehrte nach und nach zurück.
Jenkins war ein Führungsmann der Supreme Society gewesen. Er hatte sich der dunklen Geheimorganisation entfremdet, nicht zuletzt wegen ihrer harten Indianerpolitik. Wahrscheinlich hatte für ihn das Massaker am Wounded Knee den endgültigen Ausschlag gegeben, mit der Supreme Society zu brechen und Kontakt mit der Brigade Sieben aufzunehmen.
Natürlich galt er deren Dunkelmännern nun als Verräter. Mit anderen Worten: Jenkins war ein Todgeweihter.
Durch seine geschiedene Frau Carla hatte der Colonel Matthews einen Brief zukommen lassen. Kernsatz: Ich werde Ihnen sämtliche Namen der führenden Supreme-Society-Männer nennen . In zwei Tagen wollte Lassiter zu ihm an den Mississippi fahren.
Matthews hastete zu seinem Schreibtisch. In zwei Tagen konnte es zu spät sein, Lassiter musste noch heute in den Zug nach Baton Rouge steigen! Und Jenkins musste auf Lassiters Ankunft vorbereitet werden. Der Colonel brauchte irgendein Codewort, schließlich kannte er den besten Mann der Brigade Sieben nicht.
Der Senator ließ sich in seinen Drehstuhl sinken und langte nach dem noch ungeöffneten Kuvert, um einen Telegrammtext für Nicholas Coleman und einen für Jenkins darauf zu notieren.
Er stutzte – ein Telegramm steckte in dem Kuvert. Matthews riss es auf. Der Text war verschlüsselt, doch Matthews kannte den Code auswendig. Er las. Überfall auf Jenkins – Stopp – Habe ihm beim Überleben geholfen – Stopp – Potter entkommen – Stopp – Verstärkung dringend erforderlich – Stopp – Iron Manitou.
Warum kam das Telegramm erst heute? Matthews fluchte und griff zur Feder. Iron Manitou war der Codename des Brigade-Sieben-Agenten Blackwood. Wenigstens ein Mann in Jenkins’ Nähe, der ein Auge auf ihn hatte. Dennoch musste Lassiter noch heute nach Baton Rouge aufbrechen.
Minuten später steckte der Senator den Kopf aus der Tür. »Lass den Einachser anspannen, Aubrey!«, rief er. »Ich muss noch mal zum Telegrafenamt!«
☆
Suzanne Bell gehörte nicht zu den Frauen, die viele Worte brauchten, um ihr Ziel zu erreichen. In der Bar ihres Hotels bestellte Lassiter zwei Kaffee, danach sprachen sie wenige Sätze miteinander, und dann legte sie ihm die Hand auf den Arm und sah ihm ins Gesicht. »Ich weiß, was du willst.«
Lassiter hob verblüfft die Brauen. »So?« Der hellwache Blick ihrer dunkelblauen Augen bezauberte ihn. Es störte ihn nicht im Geringsten, dass sie ihn offensichtlich durchschaute.
Über ihre Tasse hinweg beugte sie sich zu ihm und flüsterte: »Du willst mich vögeln.«
So viel Unverblümtheit verschlug Lassiter erst einmal die Sprache. »Das trifft sich gut«, fuhr Suzanne fort, »ich nämlich will von dir gevögelt werden.« Dann lehnte sie sich zurück und leerte ihre Tasse. »Zimmer zwölf«, sagte sie, stand auf und ging. Und ließ einen einigermaßen perplexen Mann zurück.
Lassiter sah ihr nach, beobachtete, wie sie an der Treppe ihr Kleid über die Knöchel raffte und dann mit wiegenden Hüften die Stufen hochstieg. Ein schöner Anblick.
Suzanne täuschte sich. Nicht mit ihr, mit Jennifer wäre er gern ins Bett gegangen. Wie hätte er kaum zwei Wochen nach dem Tod der Geliebten eine andere Frau anrühren können?
Das fragte er sich allen Ernstes – doch als er Suzannes schöne Gestalt die Treppe hinaufsteigen sah, ihre wiegenden Hüften, ihre Knöchel, die Wölbungen ihres Hinterns unter dem dunkelgrauen Stoff ihres Kleides …
Nun ja, da kamen ihm Zweifel. Oder besser: Da gewann das Verlangen doch die Oberhand über seine Sehnsucht nach Jennifer.
Und als Suzanne Bell sich dann auf halber Treppe auch noch umdrehte und ihm kokett zulächelte, war es endgültig vorbei mit seiner Zurückhaltung.
Er konnte es doch wenigstens probieren, oder? Er konnte schließlich nicht den Rest seines Lebens einen Bogen um alle schönen Frauen machen. Wann sollte er dann noch zu seiner Arbeit kommen?
Lassiter stand auf und folgte ihr. Ja, er würde sie einfach nehmen und sich dabei vorstellen, sie wäre Jennifer. Das sollte ihm schon gelingen, oder? Wo er doch sowieso Tag und Nacht an Jennifer dachte.
Auf der Treppe ins zweite Obergeschoss holte er Suzanne ein und legte den Arm um sie. Vor ihrem Zimmer blieb sie stehen, schaute nach allen Seiten und küsste ihn dann. So zart und weich, dass die Lust ihm bis hinunter in die Zehenspitzen schoss und bis hinauf in die Haarwurzeln.
Kaum hatte Suzanne die Tür hinter sich und ihm geschlossen, riss er sie an sich und küsste sie. Und stellte sich vor, es wären Jennifers Lippen, die er küsste, Jennifers Haar, das er zerwühlte, ihr Hals, an dem er sich festsaugte.
Suzanne löste sich aus seinen Armen und schnappte nach Luft. »Meine Güte, du bist ja ein ganz Wilder!« Ehe sie sich recht versah, hatte er ihr das Kleid über die Schultern gestreift, das Mieder vom Busen gezogen und sich an ihren Brüsten festgesaugt. Er stellte sich vor, es wären Jennifers Brüste.
»Himmel!«, keuchte Suzanne. »Wann hattest du denn zum letzten Mal eine Frau?«
»Viel zu lange her«, flüsterte er und streifte ihr Hemd und Mieder bis zu den Hüften hinunter. Dann packte er Suzannes Brüste, knetete sie durch und biss zärtlich hinein.
»Du bist ja ein ganz Leidenschaftlicher!« Mit einer schnellen Drehung entwand Suzanne sich ihm. Bekam sie Angst vor der eigenen Courage? Leichtfüßig tänzelte sie zum Schrank. »Ich muss erst einmal etwas trinken, bevor wir weitermachen.«
Lassiter legte Frack und Waffengurt ab, öffnete Hose und Hemd und stieg aus seinen eleganten Kleidern. Sein sehnsüchtiger Blick klebte förmlich an Suzannes nacktem Rücken. Das graue Kleid und die Träger ihres Hemdes hingen ihr von der Taille über die Hüften herab.
Er hörte, wie sie eine Flüssigkeit in ein Glas füllte. Sie stellte es auf den Tisch. »Bei mir geht es stilvoll zu, weißt du?« Sie lachte, und irgendwie klang es gekünstelt. »Vor der Liebe wird erst einmal ein gepflegter Whisky genommen.« Wieder schenkte sie ein Glas voll. Diesmal aus einer anderen Flasche.
Lassiter registrierte es nur beiläufig. Die Lust hatte ihn bereits vollkommen beschlagnahmt, und seine Gedanken kreisten um die halbnackte Frau dort am Tisch. Und um den nackten Körper der toten Jennifer.
Splitternackt stellte er sich hinter Suzanne, drängte sich an ihren Rücken und griff von hinten nach ihren Brüsten. Er knetete sie durch und rieb dabei seinen harten Liebesstab gegen ihren Hintern. Er biss ihr in ihren Nacken und fuhr mit den Händen zu ihren Lenden hinab.
Mit einem Glas in der Hand drehte Suzanne sich zu ihm um. Sie nahm das zweite Glas vom Tisch und reichte es ihm. »Schön, dir begegnet zu sein. Lass uns darauf anstoßen.«
Er nahm ihr das Glas ab. Seine Blicke flogen über ihre Brüste und ihren weißen Bauch. Sein Atem flog, sein Blut siedete. Zwischen seinen Lenden wippte pochend und hart sein bestes Teil. Sie schaute es an und biss sich auf die Unterlippe. »Lass uns trinken«, sagte sie, und wieder war da dieses merkwürdig gezwungene Lächeln.
Lassiter stellte sein Glas auf den Tisch. »Zuerst trinke ich dich – und zwar bis zur Neige. Und nach dir trinke ich vielleicht deinen guten Whisky.« Er machte einen großen Schritt, und schon stand er wieder bei ihr. Die Wärme ihres Atems streifte seine Brust.
Er nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es über sie auf den Schrank. Die Schranktür stand halb offen und im oberen Fach sah Lassiter ein braunes Fläschchen mit der Aufschrift Klofelin . Wahrscheinlich eine Medizin, die Suzanne einnehmen musste.
Lassiter achtete nicht weiter darauf, ging in die Knie und leckte und küsste dabei ihren Bauch und ihre Schenkel. Er packte Suzanne an der Taille und hob sie ein Stück an, sodass ihr Kleid von den Knöcheln rutschte. Dann legte er sich die nackte Frau über die Schulter und trug sie zum Bett
»Du hast es aber eilig.« Sie strampelte und kicherte. »Das ist mein Zimmer und mein Bett! Hier sag ich, wann es richtig losgeht.« Das klang halbherzig, und Lassiter lachte.
»Erst holst du dir einen liebeshungrigen Mann aufs Zimmer und dann willst du ihm Zügel anlegen?« Er warf sie aufs Bett. »Du kommst mir vor, als hättest du es bis jetzt nur mit dressierten Männern zu tun gehabt.« Genüsslich betrachtete er sie und stellte sich vor, Jennifer würde dort vor ihm nackt auf dem Bett liegen.
»Lass uns erst einmal etwas trinken, bitte, bitte!«, rief sie, und es klang beinahe verzweifelt.
Lassiter lachte erst recht. »Gehört das zu deiner Art des Vorspiels?« Grinsend schüttelte er den Kopf. »Oder macht die Lust dich so durstig?« Er kniete sich aufs Bett und wollte sich auf sie legen. Doch Suzanne drehte sich um und entwischte ihm. Auf der anderen Seite des Bettes glitt sie auf den Teppich.
Lassiter ließ sich einfach hinter ihr her aus dem Bett kugeln, und schon lag er auf ihr, küsste sie und wand sich auf ihr. »Du fühlst dich verdammt gut an«, flüsterte er.
Suzanne schob ihn von sich. »Ich will erst einen Whisky trinken«, keuchte sie. Auf allen Vieren kroch sie ums Bett herum.
Lassiter gefiel das Spielchen, er kroch hinterher. »Mir schmeckt der Whisky nach der Liebe aber viel besser.« Er umfasste sie von hinten und richtete ihren Körper auf, sodass sie vor ihm kniete. Wieder tastete er nach ihren Brüsten und knetete sie durch. Das Verlangen überwältigte ihn.
»Nicht so fest«, stöhnte sie. Doch er zog sie noch stärker an sich, hörte nicht auf, ihren Busen zu massieren, und rieb ihre Brustwarzen zwischen seinen Fingern. Sie stöhnte lauter – verging ihr endlich die befremdliche Lust auf einen Drink? Er rieb sein Becken gegen ihren Hintern.
»Wenn ich einen Whisky intus hab’, bin ich doppelt so wild«, seufzte sie.
»Und ich halte es schon kaum mehr aus vor Wildheit«, lachte er und strich ihre Brüste nach oben. Schließlich fuhr er ihr mit der Hand zwischen die Schenkel und öffnete ihre Liebeslippen.
Er hörte sie seufzend einatmen. »Du wilder Mann, du.« Suzanne streckte ihm ihren Hintern entgegen. Endlich schien Sie ihren Whisky zu vergessen.
Lassiter fasste ihren Nacken und drückte ihren Oberkörper nach unten. Willig beugte sie die Stirn bis zum Teppich. Ihr Hintern schwebte zwischen seinen Händen. Er schob sich in sie hinein.
Suzanne stöhnte auf, ließ ihren Hintern kreisen und stemmte sich Lassiter entgegen, als er anfing, sie zu stoßen, und sie schrie hemmungslos, als sie kam. So hatte auch Jennifer geschrien. Doch er war noch lange nicht so weit.
Suzanne griff hinter sich und hielt seine Hüften fest. Er stieß sie, bis sie zum zweiten Mal kam, danach erst erreicht er selbst den Gipfel der Lust. Befriedigt ließ er sich auf sie sinken.
So lagen sie eine Zeitlang – bis Suzanne sich unter ihm räkelte. Natürlich verlangte sie schon wieder nach ihrem Whisky. Lassiter stand auf und zog sich an. Jetzt, als er wieder klarer denken konnte, schöpfte er Verdacht: Warum um alles in der Welt war sie so scharf drauf, mit ihm zu trinken? Irgendwie wollte ihm das nicht recht zu Suzanne passen. Er lugte nach der nur halb angelehnten Schranktür und dachte an das braune Fläschchen dahinter.
Suzanne schob sich aus dem Bett und ging zum Tisch. Für einen Moment wandte sie ihm den Rücken zu, um nach den Gläsern zu greifen. Blitzschnell langte Lassiter durch den Spalt der Schranktüren, erwischte das Fläschchen auch sofort und versenkte es in seiner Hosentasche.
Suzanne reichte ihm eines der Gläser. Lassiter schlüpfte in den Frack und nahm den Whisky. Die nackte Frau stieß mit ihm an und trank. Irgendwo auf der Straße schlug eine Kirchturmuhr.
Lassiter stutzte. »Schon drei Uhr?« Er stellte sein Glas ab. »Verdammt, ich hab die Zeit vergessen. Um zwei Uhr war ich mit einem Kollegen verabredet!«
Er griff nach seinem Hut und ging zur Tür. »Ich komme heute Abend wieder zu dir. Dann darfst du bestimmen, wie wir es machen. Und dann trinken wir so viel Whisky, wie du willst.«
Er küsste sie auf die Lippen. Täuschte er sich oder lag ein wütender Ausdruck auf ihrem Gesicht? Lassiter setzte seine Sonnenbrille auf, winkte und huschte aus der Tür.
☆
Nicholas Coleman stand am Schaufenster seines Uhrmacherladens, zwirbelte an den Spitzen seines Schnurrbarts herum und blickte auf die Straße hinaus. Das Licht der Nachmittagssonne brach sich in den Fensterscheiben der gegenüberliegenden Fassade.
Ein wenig Sonne täte ihm jetzt gut, wahrhaftig – Sonne und frische Luft. Leider erwartete er wichtigen Besuch und musste im Laden bleiben.
Ein Vierspänner zog einen Wagen voller Bierfässer vorüber. Ins Gespräch vertiefte Passanten eilten vorbei. Eine arg untersetzte Frau führte einen bizarr frisierten Riesenpudel aus einem Hauseingang. Ein Buchhändler, den Coleman kannte, verlangsamte seinen Schritt auf Höhe seines Schaufensters und nickte grüßend.
Coleman versäumte es, zurückzugrüßen, war viel zu tief in seine sorgenvollen Gedanken versunken. Charles Matthews hatte eine dringende Nachricht für Lassiter geschickt, und eine Agentin aus dem Umfeld hoher Militärkreise hatte Neuigkeiten telegrafiert, die ein sofortiges Handeln erforderten.
Zum dritten Mal innerhalb der letzten Viertelstunde zog er seine Taschenuhr aus der Weste. Schon nach drei – wo um alles in der Welt blieb Lassiter?
Er machte kehrt, schlenderte ins Hinterzimmer zu seinem mit Uhren, Lupen, Lampen und Werkzeug vollgepackten Arbeitstisch und ließ sich auf seinem Polstersessel nieder. Allmählich begann er sich Sorgen zu machen. Lassiter war doch hoffentlich nichts zugestoßen? Er wäre nicht der erste Agent, den die Killer der Supreme Society in einen Hinterhalt lockten und töteten.
Nicholas Coleman seufzte schwer und griff nach den Papieren, die vor ihm auf den Uhren lagen, die er heute noch reparieren wollte. Die Telegramme las der Uhrmacher sicher zum vierten Mal.
Die Supreme Society hatte versucht, den Überläufer Jenkins zu eliminieren, und Lassiter sollte noch heute zu seiner Plantage am Mississippi aufbrechen. Und die Neuigkeit der Agentin: Ein hoher Militär namens Zachary West gehörte mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Supreme Society. Einiges sprach dafür, dass er sich in naher Zukunft mit der Führungsriege der Geheimorganisation treffen wollte.
Draußen ging die Ladentür auf, und das Glockenspiel über ihr klimperte. Na endlich! Coleman stand auf und ging nach vorn, um Lassiter zu begrüßen.
Doch Fehlanzeige – nicht Lassiter, sondern Kundschaft stand im Laden. Zwei Männer, unauffällig gekleidet und höchstens Anfang dreißig. »Was kann ich für Sie tun, Gentlemen?«
Plötzlich schlug sein Herz schneller. Irgendetwas stimmte nicht mit diesen Besuchern. Ein großer Schritt und Coleman stand dicht vor der Ladentheke. Er langte in die immer geöffnete Schublade unter der Kasse und berührte den Revolver mit dem allzeit gespannten Hahn.
Schlagartig begriff er, dass er das keinen Augenblick zu früh getan hatte. Vor dem Schaufenster standen noch einmal zwei auffällig unauffällige Männer. Und die beiden auf der anderen Straßenseite, die so gemütlich hin und her schlenderten, als würden sie auf jemanden warten, gehörten vermutlich ebenfalls zu ihnen.
Ein Kloß schwoll ihm im Hals, den er herunterzuschlucken versuchte. Die Supreme Society hatte das Nachrichtenbüro der Brigade Sieben entdeckt! Und sechs Killer geschickt. Mindestens. Oder wollten sie ihn entführen und verhören? Noch schlimmer!
Colemans Mund wurde trocken; unter den Achseln brach ihm der Schweiß aus. Im selben Moment hielt eine Droschke auf der Straße vor dem Schaufenster. Eine junge Frau mit langem schwarzen Haar stieg aus. Sie hatte ein schmales Gesicht mit schönen, doch um den Mund eigenartig harten Zügen. Sie sprach die beiden Männer vor dem Schaufenster an, als wären es Bekannte von ihr.
»Können Sie auch eine Uhr wie diese hier reparieren?«, sagte einer der beiden, die gerade hereingekommen waren. Die Miene des anderen schien eingefroren zu sein. »Ich habe Sie von meinem Großvater geerbt und kann mich nicht von ihr trennen.«
Der Mann griff in die Innentasche seiner Anzugjacke, und Coleman erkannte die Ausbeulung des Revolvers unter dem Jackenstoff, noch bevor er die Waffe selbst zu sehen bekam. Und das war gut so, denn es verschaffte ihm die überlebenswichtige halbe Sekunde, die er brauchte, um seinen eigenen Revolver aus der offenen Schublade unter der Kasse zu reißen – und noch vor dem anderen abzudrücken.
Der Lärm zweier Schüsse dröhnte durch den kleinen Laden. Colemans Kugel fuhr dem Fremden in die Brust und schleuderte ihn nach hinten weg. Die Kugel des Fremden knallte gegen die eiserne Kasse und schwirrte als Querschläger durch den Laden.
Coleman sah nicht mehr, wie der Mann aufschlug, hörte es nur. Da lag er selbst schon am Boden und robbte zum Hinterzimmer. Wie der andere eine Waffe zog, sah er allerdings noch, und auch, wie die beiden Kerle draußen zum Eingang stürmten.
Einen Wimpernschlag, bevor er im Hinterzimmer am Boden liegend die Beine anzog, um die Tür zuzutreten, ragte plötzlich einer hinter der Ladentheke auf und zielte auf ihn. Coleman trat mit aller Macht zu. Die Tür krachte ins Schloss, der Schuss ins Türblatt.
Der Uhrmachermeister stemmte sich auf die Knie hoch, schloss die Tür ab und schob dann schnaufend seinen hüfthohen Aktenschrank davor. Schon warf sich von der anderen Seite jemand dagegen. Schüsse krachten, Kugeln durchschlugen oberhalb des Aktenschranks das Türblatt. Verschossen sie jetzt Kugeln mit größerem Kaliber? Feuerte da einer aus einem Gewehr?
Colemans Kreuz und Knie taten ihm weh; der Uhrmacher war ja nicht mehr der Jüngste. Er wagte nicht aufzustehen, robbte zur Schmalseite des Hinterzimmers, wo ein Sekretär stand. Er zerrte eine Schublade heraus und entnahm ihr seine Ledertasche mit den wichtigsten persönlichen Papieren. Aus einer zweiten holte er die Telegramme des Direktors. Auch die jüngsten Benachrichtigungen auf dem Arbeitstisch stopfte er sich in die Tasche.
Eine Kugel schlug in die Glastür des Waffenschranks ein. Die Tür zum Laden sprang aus dem Schloss und öffnete sich eine Handbreite weit. Coleman robbte zum Waffenschrank, holte seinen Waffengurt und seinen Sharps-Karabiner heraus.
Er kroch zur Tür, die zu Küche und Hof führte. An ihr hing seine Jacke. Mit dem Gewehr angelte er sie vom Haken. Am Boden liegend zog er sie an.
Und wenn nun auch im Hinterhof Jäger der Supreme Society auf der Lauer lagen? Siedend heiß schoss ihm der Gedanke durch den Kopf. Sie hatten ihn! Andererseits war er 73, und an irgendwas musste er ja in absehbarer Zeit sterben. Besser an einer Kugel als nach einer Krankheit mit langem Siechtum.
Schwer atmend lauschte er. Mindestens zwei Männer stemmten sich ächzend gegen die Ladentür. Ihm fiel ein, dass er die Torflügel zum Hinterhof von innen mit einem schweren Vorhängeschloss verriegelt hatte, und beruhigte sich sofort wieder.
Plötzlich sprang die Tür zum Laden ein Stück weit auf und kippte den Aktenschrank um. Der Kopf eines schwarzhaarigen Mannes erschien im Türspalt, und darunter ein Arm mit einem Revolver. In der Deckung seines Arbeitstisches kroch Coleman zur Küchentür. Doch der Schütze an der Tür zum Laden feuerte einen Schuss nach dem anderen ab und zwang ihn so, sich flach auf den Boden zu drücken. Inzwischen stemmten seine Komplizen die Tür immer weiter auf.
Coleman zählte die Schüsse mit. Nach dem sechsten machte es Klick und der Schütze zog den Arm in den Laden zurück. Wahrscheinlich, um den Revolver zu wechseln. Coleman griff nach der Küchentürklinke, doch viel zu langsam – der Schütze zwängte sich durch den mittlerweile verbreiterten Türspalt ins Hinterzimmer hinein und hob seinen Revolver.
Im selben Moment stieß jemand die Küchentür auf. Das Türblatt traf Coleman und warf ihn zurück auf den Boden. Sie hatten das Tor zum Hinterhof aufgebrochen! Wie ein scharfer Schmerz bohrte sich die Einsicht in sein Hirn und durch seine Brust in seine Eingeweide. Panik ergriff ihn.
Doch dann erschien ein Gewehrlauf an der Tür, Mündungsfeuer blitzte auf und ein Schuss explodierte. Der Schütze an der Ladentür ließ den Revolver fallen, riss die Arme hoch und prallte gegen die Wand. Er zog eine senkrechte Blutspur über die Tapete, während er mit dem Rücken an der Wand auf den Boden rutschte.
Der Gewehrschütze in der Küche feuerte weiter, durchlöcherte die Ladentür, um Coleman Feuerschutz zu geben. Der Uhrmacher kroch über die Schwelle und um seinen unverhofften Retter herum. Der trug einen Bart und eine dieser modernen Sonnenbrillen mit großen Rauchglasgläsern.
Coleman erkannte ihn erst auf den zweiten Blick: Es war der Mann, auf den er seit über einer Stunde gewartet hatte.
Lassiter zerrte die Tür zu und verriegelte sie. Wortlos rannte er zur Hintertür und winkte Coleman hinter sich her. Der presste die Tasche an die Brust, hielt seinen Karabiner fest und hetzte an Lassiters Seite über den Hinterhof.
Zu Colemans Verblüffung war das Hoftor verschlossen. Fragend schaute er den anderen an. Der deutete zur Mauer vor dem Nachbarhof. Sie liefen zu ihr. Aus dem Haus hörte man es krachen und poltern – die Häscher der Supreme Society brachen die Küchentür auf.
Lassiter lehnte mit dem Rücken gegen die Hofmauer und formte mit verschränkten Händen eine Räuberleiter. Coleman setzte den Fuß hinein, kletterte auf die Mauer und hinüber in den Nachbarhof. Er war völlig außer Atem.
Mühelos erklomm Lassiter die Mauer, setzte seine Sonnenbrille ab und sprang herunter. »Wohin?«, flüsterte er, als er sich neben Coleman wieder aufrichtete. »Auf die Straße können wir nicht. Sie haben mindestens sieben Agenten geschickt.«
Coleman musste nicht lange überlegen. »Komm mit.« Er lief zur Mauer vor dem nächsten Hinterhof.
☆
Sie saßen am runden Tisch im Kaminzimmer: Jenkins, sein Anwalt, dessen Sekretär und Jenkins’ jüngere Schwester Kathrin. Kathrin verwaltete die Baumwollplantagen des Colonels, und nur noch wenige Augenblicke, dann würde sie seine Teilhaberin sein.
Der Anwalt nahm die Reinschrift des Vertrags von seinem Sekretär entgegen, setzte seinen Zwicker auf und las Seite für Seite des Vertragstextes. Jedes Blatt, das er gelesen hatte, reichte er an Kathrin und Xavier Jenkins weiter. Die Geschwister lasen gemeinsam.
»Alles bestens«, sagte Jenkins, als der die letzte Seite aus der Hand legte. Fragend sah er seine jüngere Schwester an. Die nickte. »Dann her mit Tintenfass und Federhalter.« Mit herrischer Geste wandte er sich an den Anwaltssekretär. Der schob ihm das Gewünschte über den Tisch.
Jenkins und seine Schwester unterschrieben die Verträge. Danach stand Jenkins auf und holte Gläser und eine Flasche Cognac aus dem Barschrank. Der Anwalt lehnte sich zurück, grunzte zufrieden und zog eine Zigarre aus seiner Brusttasche.
»Jetzt kann ich beruhigt alles hinter mir lassen.« Jenkins schenkte ein und verteilte die Gläser. Der Sekretär bekam Apfelsaft. »Ich bin wirklich erleichtert. Danke, Kathrin.«
Der Vertrag verpflichtete seine Schwester, ihm jährlich die Hälfte der Erträge ihrer nun gemeinsamen Plantagen abzutreten. Nach seinem Tod würden Land und Plantagen dafür je zur Hälfte an Kathrin und an die Tochter des Colonels übergehen.
»Gratuliere, Ma’am.« Der Anwalt riss ein Schwefelholz an und hielt die Flamme unter seine Zigarrenspitze. »Sie haben einen wirklich guten Deal gemacht.«
»Von meiner Schwester lass ich mich jederzeit übers Ohr hauen.« Zufrieden grinsend hob Jenkins sein Glas. Sie stießen an und tranken. Das Kaminzimmer füllte sich bereits mit Zigarrenrauch.
Der Sekretär nippte an seinem Apfelsaft. Jenkins wusste, dass der bedauernswerte Mann Mormone war und keinen Alkohol anrühren durfte. Dafür durfte er allerdings mehrere Frauen haben.
»Was für ein edler Tropfen«, sagte der Anwalt anerkennend.
»Verflucht guter Tropfen, würde ich sagen.« Jenkins klappte ein silbernes Etui auf und nahm eine Zigarette heraus. Seine Schwester gab ihm Feuer.
»Ich werde niemals verstehen, wie ein Mensch, der am Mississippi groß geworden ist, diesem schönen Stück Welt den Rücken kehren kann.« Der Anwalt schüttelte seufzend den Kopf.
»Man muss nicht alles kapieren, Buddy.« Jenkins schenkte sich nach.
»Und darf man fragen, wohin es Sie zieht, Colonel Jenkins?« Der Anwalt blies Rauchringe in die Luft.
»Nein, darf man nicht.« Jenkins wechselte einen verstohlenen Blick mit seiner Schwester. Nur sie wusste, an welchem der Großen Seen und in welcher kanadischen Stadt Jenkins und seine Lady künftig leben würden. Und so sollte es bleiben. Jedenfalls so lange, bis seine Tochter Carla-Magdalena groß genug sein würde, um danach zu fragen.
Ohne anzuklopfen trat Judy ins Kaminzimmer. Seine Lady durfte das; sie durfte so ziemlich alles. »Ein Bote steht mit einem Brief für dich auf der Vortreppe«, sagte sie.
»Na, dann drück ihm einen Dollar in die Hand und bring mir den Brief.«
»Geht nicht, Blacky. Es ist einer dieser Briefe, die ein Bote nur dem Empfänger persönlich aushändigen darf.«
»Moderner Bullshit.« Jetzt erst fiel Jenkins auf, dass ihre Miene ungewohnt ernst wirkte. Er knallte sein Glas auf den Tisch. »Zum Henker damit!« Jenkins nickte dem Anwalt zu und folgte seiner Lady durch die kleine Empfangshalle seines Gutshauses zu Haustür und Vortreppe.
Der Bote streckte ihm den Brief entgegen. »Ich darf dieses Schreiben nur Ihnen persönlich überreichen, Colonel.«
»Schon gut, mein Freund.« Jenkins riss ihm das Kuvert aus der Hand und bedeutete Judy mit einer knappen Kopfbewegung, dem Boten Trinkgeld zu geben. Sie machte kehrt und verschwand im Haus.
Jenkins schaute sich das Kuvert näher an. Schlagartig verfinsterte sich seine Miene, und seine Gestalt straffte sich. Der Brief kam aus Mexico City von der Familie seiner Exfrau. Und das Kuvert war seltsam schwarz umrandet. Der Boden unter Jenkins’ Füßen schwankte auf einmal.
Angst befiel ihn, denn er dachte sofort an seine kleine Tochter. Das Kind lebte in Mexico City bei seinen Großeltern mütterlicherseits. Jenkins’ Knie waren plötzlich so weich, dass er sich auf die Treppe setzen musste.
Seine Lady kam aus dem Haus zurück und drückte dem Briefboten eine Dollarmünze in die Hand. Der Mann strahlte, stieg die Stufen hinunter und schwang sich auf sein Pferd.
»Wer schreibt?« Judys Stimme klang heiser. Jenkins riss das Kuvert auf, entnahm ihm zwei Briefbögen und reichte es dann seiner Freundin. Langsam entfaltete er die Papiere und las.
Im ersten Augenblick spürte er grenzenlose Erleichterung: Seiner Tochter Magdalena war nichts zugestoßen, sie lebte. Doch sofort wich die Erleichterung der Bitterkeit: Seine Exfrau war tot.
Jenkins’ Miene wurde noch härter und kantiger, als sie sowieso schon war. Aus schmalen Augen starrte er zum offenen Tor seines Anwesens, hinter dem der Briefbote durch die Buchenallee aus dem Park ritt.
Jenkins’ Exfrau Carla und er waren noch nicht lange geschieden. Und sie waren gute Freunde geblieben. Sehr gute Freunde.
»Was ist los, Blacky?« Seine Lady ging neben ihm in die Hocke und legte ihren Arm um seine Schulter. »Schlechte Nachrichten?«
»Sie haben Carla ermordet.« In seine Bitterkeit mischten sich Schuldgefühle. Er hatte seine Exfrau, eine Dolmetscherin, mit einem Brief zum Direktor der Brigade Sieben geschickt. »Einer dieser verfluchten Drecksäcke hat ihr die Kehle durchgeschnitten.«
Judy wusste, von wem er sprach. Jenkins hatte sie restlos eingeweiht.
»Das ist ja grauenvoll!« Sie sank neben ihm in die Knie und umarmte ihn. »Ob sie deinen Brief noch überbringen konnte?«
»Das weiß nur Gott im Himmel.«
»Was wird nun aus der Kleinen?«, flüsterte seine Geliebte.