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Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2410, 2411 und 2412.
Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 425
Veröffentlichungsjahr: 2022
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln
Covermotiv: © Prieto/Norma
ISBN 978-3-7517-2994-9
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Lassiter 2410
Legenden sterben zweimal
Lassiter 2411
Drei Schritte bis zum Galgen
Lassiter 2412
Drei Kugeln ins Herz
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Contents
Legenden sterben zweimal
»Hast du das gehört?« Geraldine Knoxville fuhr hoch und griff nach der Schulter ihres Mannes. Der grunzte unwillig und drehte sich auf den Rücken. Benommen blinzelte er seine Frau an. »Was meinst du? Ich habe geschlafen, Herrgott noch mal …«
»Da war ein Geräusch auf der Treppe!«, flüsterte sie erstickt. »Ich bin mir sicher! Bitte, Herman, schau nach.«
Er runzelte die Stirn und strich sich dünne Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Es ist mitten in der Nacht, Weib. Und draußen halten vier Leute Wache. Wer sollte da wohl die Treppe hochkommen? Ein Geist vielleicht?« Doch er schwang sich seufzend aus dem Bett und stieg in seine Pantoffeln, weil er wusste, dass seine Frau sonst keine Ruhe geben würde. Als er zur Schlafzimmertür schlurfte und sie öffnete, klickte es leise, und er blickte in die Mündung eines Revolvers.
Entgeistert stolperte er rückwärts in das Schlafgemach zurück und hob langsam die Hände. Der Eindringling war ein schlaksiger, mittelgroßer Bursche, der sich sein Halstuch über Mund und Nase gezogen hatte. Der Revolver in seiner Faust glänzte matt im Mondlicht, das durch die Fenster ins Zimmer fiel, als er Herman Knoxville folgte und die Waffe sofort auf dessen Frau richtete.
»Keinen Laut, Ma’am. Sonst muss ich Sie beide töten!«, zischte er warnend, und Geraldine presste sich die Faust vor den Mund. Ihr Gesicht wurde aschfahl, während ihr Gatte kraftlos mit dem Hintern auf die Matratze sackte.
Der Einbrecher war nicht allein. Entsetzt erkannten die Eheleute, wie zwei weitere Männer durch die Tür kamen, deren Gesichter ebenfalls unter den Augen von Bandanas verhüllt waren.
»Wie … wie sind Sie … hier reingekommen?«, fragte Knoxville mit stockender Stimme. Verstohlen warf er einen Blick zum geöffneten Fenster hinüber und fragte sich, wofür er seine Nachtwächter bezahlte.
»Ab jetzt öffnen Sie Ihren Mund nur noch, wenn ich Ihnen eine Frage stelle, verstanden?« Der Maskierte starrte ihn an und hob dabei auffordernd die Augenbrauen, bis Knoxville nickte.
»Sehr vernünftig«, raunte der Mann und wandte sich seinen beiden Begleitern zu. »Na los!«, sagte er mit leiser Stimme.
Einer der beiden ging um das Bett herum und hielt zwei Seile in seinen Händen. Als er sich Geraldine näherte, riss die Frau die Augen auf, und ihre Lippen bildeten ein entsetztes »O«.
»Bleiben Sie still und machen Sie keine Zicken, Lady!«, befahl der Anführer. »Ihnen wird nichts geschehen, wenn Sie tun, was wir sagen.«
Ein leises Krächzen kam aus der Kehle der Frau, doch es gelang ihr, den Schrei, der hinauswollte, im letzten Moment zu unterdrücken.
»Wir werden Sie beide jetzt fesseln. Danach beantworten Sie mir ein paar Fragen zu Ihren Habseligkeiten, insbesondere zum Bargeld und dem Schmuck Ihrer geschätzten Gattin, Mr. Knoxville. Sollten Sie sich als kooperativ erweisen, sind Sie uns schneller los, als Sie morgens Zeit auf dem Abort verbringen.«
»Damit kommt Ihr nicht davon, Ihr Schweinehunde«, stieß Knoxville hervor und ballte die Fäuste. »Ich werde euch …«
Er erstarrte, als er die kalte Mündung des Revolvers auf seiner Stirn spürte. »Kein Wort ohne Frage, schon vergessen?«, knurrte der Maskierte. »Ich treibe keine Späße, alter Mann!«
»Jetzt sei doch ruhig, Herman«, wimmerte Geraldine leise, und er drehte sich halb zu ihr um, um zu sehen, wie sie von dem Banditen an das schmiedeeiserne Kopfteil des Bettrahmens gebunden wurde.
Herman Knoxville knirschte mit den Zähnen und schob voller Zorn das Kinn vor, doch er zwang sich zu schweigen.
Sie banden ihm die Hände auf dem Rücken zusammen und legten seiner Frau noch einen Knebel um, gingen dabei aber wenigstens einigermaßen glimpflich mit ihr um. Als Geraldine hilflos ans Bett gefesselt war, zog ihn einer der Männer auf die Beine. Erstaunt spürte er, wie kraftlos sich seine Beine plötzlich anfühlten. Die Muskeln unterhalb der Hüften schienen sich in Gelee verwandelt zu haben, und hätte ihn der maskierte Bandit nicht unter der Achsel festgehalten, wäre er wohl zu Boden gegangen.
»Sie haben Angst. Das ist keine Schande«, raunte ihm der Anführer zu, während er den Lauf seines Revolvers in Knoxvilles vorspringenden Bauch bohrte. »Halten Sie an ihr fest. Sie könnte Ihnen das Leben retten.«
Knoxville stieß scharf die Luft aus. Nur mit Mühe gelang es ihm, seine Blase unter Kontrolle zu halten.
»Wo ist Ihr Safe?«
Als Knoxville in die Augen über dem Tuch sah, die ihn schmal und fuchsartig fixierten, glaubte er für einen Moment, dass er diesen Blick irgendwo schon einmal gesehen hatte.
Der Bursche hob die linke Augenbraue. »Das war eine Frage, also dürfen Sie jetzt sprechen.«
Knoxville ließ die Schultern hängen, dann deutete er mit einer Kopfbewegung zu einem Gemälde an der Wand. »Er ist hinter dem Bilderrahmen dort«, brachte er leise hervor.
Der hochgewachsene Kumpan mit dem dunkelgrünen Halstuch vor seinem langgezogenen Gesicht ließ ihn los, und er blieb schwankend stehen, während der Mann das Bild von der Wand nahm und beiseitestellte.
Dahinter kam ein Wandtresor zum Vorschein, nach neuester Bauart mit drei Rädchen versehen, auf denen Zahlenkränze eingestanzt waren.
»Die Zahlen, Mr. Knoxville«, forderte der Anführer ihn auf, und der Rinderbaron nannte sie ihm.
Der Bandit vor dem Tresor drehte die Rädchen in die entsprechenden Positionen, legte den Hebel um und öffnete die Tür des Tresors. Seine Augen weiteten sich ein wenig, er griff hinein und holte ein paar Dollarbündel hervor, die er dem Anführer mit triumphierender Geste entgegenstreckte.
Der nickte zufrieden. »Einpacken«, befahl er seinem Kumpan und winkte dem anderen Mann zu, der immer noch neben Knoxvilles Gattin am Bett stand. »Hilf ihm dabei.«
Während die beiden Banditen Jutesäcke aus den weiten Taschen ihrer Langjacken zogen, wandte sich ihr Anführer wieder Knoxville zu. »Der Schmuck Ihrer Frau. Wo werde ich den wohl finden?«
Geraldine riss die Augen auf und wimmerte unter dem Knebel leise vor sich hin, doch der Maskierte zuckte nur die Schultern. »Die Dame wird es verschmerzen, Sir«, sagte er, und Knoxville war sich sicher, dass der Bastard unter dem Tuch hämisch grinste.
»Drüben in der Lade des Schminktischs«, presste er hervor und warf Geraldine dabei einen bedauernden Seitenblick zu. »Eine grüne Schatulle. Aber bitte lassen Sie Ihr wenigstens den Goldring mit dem Smaragd. Er ist ein Erbstück meiner Großmutter und ihr Ehering.«
Der Maskierte drückte ihn mit der linken Hand zurück auf das Bett, bevor er zum Toilettentisch hinüberging und die Schublade darunter aufzog. Er nahm die Schatulle heraus, öffnete sie und warf einen langen Blick auf den Inhalt.
»Herrje, Herman«, brummte er. »Das muss wohl wahre Liebe sein. Sie haben sich ja richtig in Unkosten gestürzt, möchte ich meinen.« Mit dem Lauf seines Revolvers kramte er in der Schatulle herum, bevor er den Deckel wieder schloss und sie in seine Manteltasche gleiten ließ.
Seine beiden Begleiter hatten mittlerweile alles aus dem Tresor in ihre Beutel gestopft und sahen nun fragend zu ihrem Anführer.
»Der Ring. Bitte …«, rang sich Knoxville eine weitere Demütigung ab.
Vergeblich. »Wäre Ihr der Ring so wichtig, würde Sie ihn doch wohl am Finger tragen, denke ich«, entgegnete der Maskierte. »Nichts für ungut, Herman. Aber Leute wie Sie müssen lernen, dass zu viel protziger Reichtum den Charakter verdirbt. Sie haben ohnehin noch Unmengen an Geld auf der Bank und all diese Rinder auf Ihren Weiden, sodass sich die Verluste, die Sie heute verschmerzen müssen, dagegen wie ein Furz im Wind ausnehmen.«
Er trat vor das Bett und schlug Knoxville auf die Schulter. Eine Geste, die fast freundschaftlich hätte wirken können, wäre der Hieb dafür nicht deutlich zu kräftig ausgefallen. Der Rancher zuckte zusammen und blickte wütend zu dem Banditen auf.
»Sie werden nicht davonkommen, Sie Dreckskerl«, stieß er hervor, »Wie immer auch Ihr Name lautet, ich werde Sie jagen lassen, bis Sie am Galgen enden!«
Der Maskierte nickte langsam, dann wandte er sich zu seinen Männern um. »Knebeln und an das Bett binden«, befahl er, und die beiden gehorchten. Nur zwei Minuten später lehnte der Rancher genau wie seine Gattin zu Bewegungslosigkeit und Schweigen gezwungen neben ihr am Kopfende des Ehebettes.
»Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie unseren Besuch als eine Art ausgleichende Gerechtigkeit verstehen, Mr. Knoxville«, sagte der Anführer der Einbrecher, während seine Begleiter bereits zur Tür hinaus waren. »Obwohl ich Ihnen eine derart christliche Gesinnung ehrlich gesagt nicht zutraue.« Er griff nach dem Türknauf und schob dabei den Revolver ins Holster. »Und wenn Sie dem Sheriff einen Namen nennen wollen, habe ich einen Vorschlag: Sagen Sie einfach, Billy the Kid hätte seine Aufwartung gemacht, um Ihnen etwas von der Last des unverdienten Reichtums abzunehmen.«
Mit diesen Worten schloss sich die Tür vor dem Maskierten, und Knoxville benötigte eine Weile, um zu kapieren, was er gerade vernommen hatte.
☆
»Billy the Kid?«
Lassiter musterte sein Gegenüber sekundenlang aus verengten Augen, weil er an einen Scherz glaubte und an diesem Nachmittag absolut nicht in der Stimmung war, sich hinter die Fichte führen zu lassen.
Die malträtierten Rippen würden jedes Lachen sofort mit üblen Schmerzen beantworten, und das Pflaster über der Wange, das eine noch nicht ganz verheilte Schnittwunde verbarg, konnte nicht mal ein schmales Lächeln vertragen, ohne sich abermals von der Haut zu lösen.
Der letzte Auftrag hatte einige Spuren bei ihm hinterlassen, und eigentlich hatte er die Kanzlei von Douglas Kirk nur aufgesucht, um seinen Abschlussbericht abzugeben und sich danach für eine oder zwei Wochen in Albuquerque auszukurieren.
Doch Kirk war kein Mann, dem der Schalk im Nacken saß. Der Advokat mit dem hageren Raubvogelgesicht und den dünnen weißen Haaren, die sorgfältig von den Seiten über den kahlen Schädel gelegt waren, hatte in etwa soviel Sinn für Humor wie ein angeschossener Grizzlybär. Deshalb musste er davon ausgehen, dass der Mann auf der anderen Seite des Schreibtisches seine Behauptung ernst meinte.
Dennoch breitete Lassiter die Hände aus. »Ich bitte Sie, Kirk! Wir wissen beide, dass William Bonney vor knapp einem Jahr erschossen wurde und längst unter der Erde liegt. Jeder von hier bis oben nach Boston weiß das!«
»Weil keine Zeitung der Vereinigten Staaten es versäumt hat, darüber zu berichten«, entgegnete der Notar. »Pat Garrett ist seitdem eine Berühmtheit, und er kann es an Prominenz fast schon mit Wyatt Earp und Wild Bill Hickock aufnehmen.«
Lassiter zuckte nur die Achseln. Er war beiden Genannten schon begegnet und froh, nicht in deren Haut zu stecken. Ruhm gehörte zu den nicht greifbaren Errungenschaften, nach denen er noch nie gestrebt hatte.
Der Notar zupfte sich an seinem ausschweifenden Schnurrbart, mit dem er vermutlich die schrumpfende Haarpracht weiter oben ausgleichen wollte. »Aber das alles mag täuschen. Wir – beziehungsweise die Brigade Sieben – sind uns nach den neuesten Erkenntnissen nicht sicher, ob der Sheriff von Lincoln County wirklich der Held ist, für den ihn jedermann hält«, sagte Kirk und sah Lassiter dabei mit ernster Miene an.
Der Mann der Brigade Sieben erwiderte den Blick, dabei hob sich ein Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln. »Sie glauben, dieses Drama war einfach nur … Beschiss?«
Kirk lehnte sich mit indignierter Miene in seinen Lehnsessel zurück. »Zunächst einmal würde ich einen anderen Ausdruck wählen, Lassiter«, entgegnete er und schürzte die Lippen. »Eine Art Ablenkungsmanöver, vielleicht sogar ein geheimer Pakt unter Männern, die sich näher gekommen sind. Aber wir können uns darüber nicht sicher sein. Selbstverständlich ist es immer noch möglich oder gar wahrscheinlich, dass Garrett Bonney tatsächlich erschossen hat.«
»Dafür gab es schließlich eine ganze Reihe von Zeugen, oder?«, wandte Lassiter ein.
»Sicher.« Kirk nickte. »Aber mindestens ebenso viele Menschen bezeugen nun, dass ein Bursche, der sich als Billy the Kid ausgibt, sie überfallen hat. Darunter sind im Übrigen auch ein paar namhafte Persönlichkeiten.«
Lassiter wedelte abfällig mit der Hand. »Ein Strauchdieb, der sich mit glänzenden Federn schmückt, damit die Leute Angst vor ihm haben! Das und nicht mehr wird hinter dieser Geschichte stecken.« Er beugte sich vor. »Glauben Sie wirklich, das ist eine Aufgabe für die Brigade, Sir? Garrett wurde zum Sheriff gewählt. Wenn die Menschen, die dabei waren, als er William Bonney zur Strecke brachte, ihm vertrauen, wüsste ich nicht, warum wir das infrage stellen müssen.«
Kirk setzte ein schmales Lächeln auf. »Wenn es sich so verhält, wie Sie glauben, dürfte dieser Auftrag nur wenige Tage Ihrer Zeit in Anspruch nehmen. Aber die Brigade Sieben ist der Meinung, dass es einer Überprüfung bedarf. Schauen Sie Garrett auf die Finger und befragen Sie die Leute in der Gegend. Wenn sich alles als ein Sturm im Wasserglas herausstellt …« Er hob die Hände, »… umso besser.«
Lassiter lehnte sich zurück, und die Männer starrten sich für Sekunden in die Augen, bevor der Agent der Brigade Sieben ein Nicken andeutete.
»Okay, Kirk«, knurrte er. »Wenn Sie so versessen darauf sind, einen Helden vom Thron zu stürzen …«
»Da unten an der Grenze ist Garrett nur noch für wenige Menschen ein Held, Lassiter«, widersprach ihm der Notar. »Das Kopfgeld musste er sich von den Ranchern mit Hilfe eines Anwalts erstreiten. Und es gab immer wieder Gerüchte darüber, dass er Billy mehrmals die Chance zur Flucht über die Grenze nach Mexiko angeboten hat.« Kirk lächelte, doch in der Bewegung seiner Lippen lag keine Spur von Humor. »Die Leute, die ihm vor zwei Jahren den Stern an die Brust hefteten, wären ihn heute vermutlich gern wieder los. Mit seiner Selbstherrlichkeit hat er sich ziemlich unbeliebt gemacht. Andererseits ist er offenbar kein Mann, der schnell klein beigibt.«
»Sie scheinen wirklich zu glauben, dass Bonney noch lebt«, stellte Lassiter fest und fuhr sich über die Bartstoppeln.
»Viele der armen Menschen dort unten im Grenzland halten Billy the Kid immer noch für eine Art Robin Hood«, gab Kirk statt einer Antwort zurück. »Deshalb sollten Sie vorsichtig sein und sich nicht zu erkennen geben, wenn Sie Ihre Ermittlungen anstellen.«
Lassiter schwang sich aus dem Sessel und grinste grimmig. »Schon klar, Kirk. Ich mache meinen Job nicht erst seit ein paar Wochen, wie Sie wissen.« Er deutete auf eine schmale Mappe, die vor ihm auf der polierten Mahagoniplatte des Schreibtisches lag. »Ist das für mich bestimmt?«
Kirk streckte die Hand aus und schob ihm das Dossier zu. »Selbstverständlich«, bestätigte er. »Ein paar Informationen über Garrett und Bonney, die so nicht in den Gazetten zu lesen waren. Vielleicht helfen Sie Ihnen.«
»Wir werden sehen.« Er langte nach den Papieren, rollte sie zusammen und ließ sie in der Innentasche seiner Lederjacke verschwinden, bevor er sich mit zwei Fingern an die Hutkrempe tippte und zur Tür wandte.
» Bonne chance , Lassiter«, rief ihm Kirk nach, als die Tür vor dem Agenten zufiel.
☆
Die Fremden sahen eindeutig nach Ärger aus.
Schon, als sie vor dem Sidewalk aus den Sätteln glitten und die Zügel ihrer Pferde nachlässig um den Hitchrack wickelten, wusste Milly, dass dieser Tag kein gutes Ende nehmen würde.
»Peter!«, fuhr sie den jungen Burschen an, der gerade den Besen zur Hand genommen hatte, um die Dielen des Schankraumes zu fegen, und er riss erschrocken die Augen auf.
»Was … issen?«, nuschelte er schuldbewusst in der Annahme, etwas verkehrt gemacht zu haben. Milly schüttelte den Kopf und nahm ihm den Besen ab.
»Geh nach hinten raus und lauf rüber zum Sheriff’s Office, hörst du?«, raunte sie ihm zu. »Sag Mister Dash, er soll in den Saloon kommen.« Sie überlegte kurz. »Aber besser nicht allein, klar?«
Peter rollte mit den Augen und blickte beunruhigt zum Eingang hinaus. Jetzt nahm auch er die Männer wahr, die sich anschickten, den Schankraum zu betreten. Er nickte eifrig und verschwand durch den Durchgang zur Küche nach hinten.
Die Flügeltüren knarrten, als die Männer sie passierten, und Milly O’Rourke rang sich ein Lächeln ab. Sie hoffte, dass es besser aussah, als es sich anfühlte.
»Messieurs, was kann ich für Sie tun?«
Der vordere der Vier trug einen weiten, sandfarbenen Mantel, der für die Jahreszeit viel zu schwer war, darunter eine offene Weste und zwei Revolvergürtel übereinander, in deren Holstern großkalibrige Sechsschüsser steckten. Sein Hut war mit einem schmalen Band verziert, dessen Stickerei von Navajoindianern stammen mochte. Die dunkelbraunen Haare waren nachlässig geschnitten und fielen ihm bis an den Kragen; seine leuchtend blauen Augen zuckten nervös hin und her, während er wachsam den Schankraum ausspähte.
Es gab nichts zu entdecken, weil Milly den Saloon erst vor zehn Minuten geöffnet hatte, deshalb schien der Bursche sich ein wenig zu entspannen, als er auf sie zukam.
Seine Begleiter – ein hochgewachsener, breitschultriger Kerl mit struppigem Vollbart über einem länglichen Pferdegesicht, ein ganz in Schwarz gekleideter untersetzter Kahlkopf, der stetig blinzelte, als hätte er etwas im Auge, und der älteste der Gruppe, ein Männchen von höchstens fünf Fuß mit einem grauen, lockigen Bart, der ihm bis zum Gürtel reichte – sahen sich unschlüssig um, bis der Oldtimer einen Stuhl ergriff und sich an den erstbesten Tisch neben den Schwingtüren setzte. Kurz darauf nahmen auch die anderen Platz.
»Wünsche einen schönen Tag, Ma’am«, knurrte der Mantelträger und stützte sich lässig auf der zerkratzten Platte des Tresens ab. »Was mich angeht, ist er jetzt schon gerettet … bei dieser unverhofften Augenweide.«
Er grinste frech, während seine Blicke unverhohlen über ihren Körper wanderten. Millys linke Hand legte sich unwillkürlich über ihr offenherziges Dekolleté, und im Geiste ärgerte sie sich darüber, dass sie die obersten Knöpfe ihrer Bluse wegen der Hitze nicht geschlossen hatte.
»Möchten Sie etwas trinken, Sir?«, fragte sie.
Der Mann wandte sich zu seinen Leuten um. »Sie fragt, ob wir etwas trinken wollen, Jungs.«
Dröhnendes Gelächter war die Antwort, und Milli schluckte, als sich der junge Bursche ihr wieder zuwandte. »Ich schätze, das war ein Ja«, sagte er leise und lächelte dabei anzüglich.
»Was möchten Sie?«
»Bier und doppelte Whiskeys für meine Jungs, ich nehme Tequila«, kam postwendend die Antwort.
Milly nickte mit gesenktem Kopf und war froh, sich hinter das Bierfass flüchten zu können und damit seinen Blicken zu entkommen.
»Setzen Sie sich, ich bringe Ihnen die Drinks an den Tisch«, rief sie über das Fass und schob dabei einen Krug unter den Zapfhahn.
Im nächsten Moment spürte sie eine Hand, die beherzt ihren Hintern umfasste. »Soll ich dir helfen, Schätzchen?«, fragte der Bursche und tätschelte ihren Po.
Sie stieß ihn von sich. »Finger weg, Freundchen«, rief sie laut und funkelte ihn an. Blitzschnell griff sie nach einem Messer, das unter der Theke bereitlag, umfasste es mit beiden Händen und stieß damit in seine Richtung. Er wich behände zurück und streckte abwehrend die Hände vor. »Nur die Ruhe, Mädchen!«, brummte er und grinste amüsiert. »Ich tue dir schon nichts. Jedenfalls nichts, was du nicht willst …« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und zwinkerte ihr vertraulich zu, bevor er sich zurückzog und an den Tisch seiner Kumpels ging.
Milly stieß scharf die Luft aus und legte das Messer an seinen Platz zurück. Sie warf einen kurzen Blick am Bierfass vorbei und sah, wie sich der Anführer der Gang auf einem Stuhl niederließ. Mit fahrigen Bewegungen füllte sie die Bierkrüge und schenkte die Schnapsgläser voll, stellte alles auf ein Tablett und atmete zweimal tief durch, bevor sie die Getränke zum Tisch hinübertrug.
Als sie sich zwischen zwei der Kerle hinabbeugte, um das Tablett abzustellen, starrte ihr der freche Bursche mit dem Navajo-Hut schamlos in den Ausschnitt und wackelte dabei vielsagend mit den Augenbrauen. Sie machte sich nicht die Mühe, das Tablett abzuräumen, sondern schob es einfach in die Tischmitte und wollte sich zurückziehen, als der große Bärtige ihr Handgelenk packte.
»Nicht so hastig, Süße«, krähte er, drehte sich auf seinem Stuhl seitwärts und zog sie mit einer schwungvollen Bewegung auf seinen Schoß. »Leiste uns doch ein bisschen Gesellschaft.«
Die anderen beiden Kerle lachten, ihr Anführer grinste nur und griff nach seinem Tequilaglas, um es auf einen Zug zu leeren.
Milly wollte sich losreißen, doch der Mann hatte bereits seinen Arm um ihre Taille gelegt und hielt sie eisern umklammert.
»Lass mich sofort los, du Widerling«, presste sie hervor und versuchte mit beiden Händen, den Arm des Burschen zu lösen, doch er war viel zu stark. Sie spürte sein krauses Barthaar in ihrem Nacken, als er seine Lippen auf ihre nackte Haut presste und lautstark die Luft durch die Nase zog.
»Was für ein himmlischer Duft«, seufzte der Mann. »Das weckt richtige Frühlingsgefühle in mir, Leute!«
Der Schwarzgekleidete kicherte und streckte die Hand aus. Ohne zu zögern, grabschte er nach ihrer linken Brust und drückte sie grob. Milly schlug die Hand weg und spuckte ihm ins Gesicht.
Der Dicke riss überrascht die Augen auf, dann holte er aus, um Milly zu schlagen.
»Stopp!«, rief der Anführer scharf, und sein Kumpan verharrte mitten in der Bewegung.
»Die Schlampe hat mich angespuckt, Billy«, tönte er empört. »Das kann ich ihr ja wohl nicht durchgehen lassen.«
»Du hattest es verdient, Bucky«, gab Billy ungerührt zur Antwort. »Jos, lass sie los. Sofort.«
Er starrte den Burschen an, der Milly immer noch auf seinem Schoß festhielt, und der zögerte ein paar Sekunden, bevor er schließlich gehorchte und beide Hände hob. Milly sprang auf, zog sich ihre derangierte Bluse zurecht und beeilte sich, Abstand zu gewinnen.
»Sorry, Ma’am«, rief ihr der Anführer, der Billy genannt wurde, nach, als sie sich hinter die Theke flüchtete. »Ich möchte mich wirklich entschuldigen für das ungehobelte Benehmen meiner Freunde.«
Milly furchte die Stirn und lächelte humorlos. Der Idiot schien bereits vergessen zu haben, dass er ihr vor ein paar Minuten selbst an den Hintern gegriffen hatte.
Sie starrte am Bierfass vorbei zum Tisch. »Es wäre besser, wenn Sie jetzt gehen«, sagte sie, um eine feste Stimme bemüht.
Billy zog eine Banknote aus der Innentasche seines Mantels und winkte damit. Überrascht weiteten sich Millys Augen. Das waren …
» Zehn Dollar, Ma’am. Als Entschädigung für Ihre Unannehmlichkeiten.« Er legte den Schein auf das Tablett. »Sehen Sie?« Er lächelte, und sein entschuldigender Hundeblick sorgte tatsächlich dafür, dass sie sich etwas entspannte.
Er schien es zu bemerken, denn sein Lächeln verbreiterte sich. »Wissen Sie was? Wenn Sie etwas zu Essen für mich und meine Freunde hätten, wäre das wunderbar. Dann lege ich noch fünf Dollar drauf! Es muss nichts Besonderes sein, und ich verspreche, wir werden uns ab sofort am Riemen reißen.«
»Nun übertreib’s mal nicht, Billy«, knurrte Buck missmutig, doch sein Anführer ignorierte ihn. Stattdessen sah er weiter erwartungsvoll zu Milly hinüber, bis diese schließlich zögernd nickte.
»Ich habe nicht mehr viel da«, sagte sie. »Nur noch etwas kalten Hackbraten, Mais, Bohnen und Speckkartoffeln.«
»Das hört sich doch großartig an«, gab Billy enthusiastisch zurück und warf einen Blick in die Runde. »Nicht wahr, Männer?«
Seine Kumpane brummten zustimmend, und er nickte Milly zu. Sie wollte sich gerade abwenden, um nach hinten in die Küche zu gehen, als ein Knarren auf den Dielen des Sidewalks sie innehalten ließ.
Sheriff Lester Dash stieß die Schwingtüren zum Schankraum auf und trat, gefolgt von zwei Deputies, in den Saloon. Er nickte Milly kurz zu und tippte sich dabei mit zwei Fingern an die Krempe seines hellbraunen Stetsons, bevor er sich, die Daumen hinter den Revolvergurt gehakt, vor der Tischrunde aufbaute.
»Gentlemen«, brummte er und dehnte das Wort wie einen Satz, während sein Blick über Millys Gäste wanderte und dabei jeden von ihnen eindringlich musterte.
Billy lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schob sich den Hut in den Nacken. »Sheriff …«
Dashs Deputies gingen ein paar Schritte um den Tisch herum, bis sie gemeinsam mit dem Sheriff einen Halbkreis bildeten. Ihre Hände ruhten dabei entspannt auf den Kolben ihrer Colts.
Dash deutete auf die Bierkrüge und Schnapsgläser auf dem Tisch. »Ziemlich früh am Tag für Alkohol, meinen Sie nicht?« Er starrte Billy an, den er sofort als den Anführer des Quartetts ausgemacht hatte.
Der Angesprochene wog seinen Kopf hin und her. »Wir haben einen langen Ritt durch die Prärie hinter uns«, entgegnete er. »Dieser Staub da draußen macht durstig.«
»Darf ich fragen, woher Sie kommen?«
Billy grinste. »Dürfen Sie, Sheriff. Das ist das Land der Freien, nicht wahr?«
Josh lachte leise und strich sich über den Bart. Er warf einem der Deputies, dem milchgesichtigen Bradley Smith, einen herausfordernden Blick zu.
Dashs ausladender, stahlgrauer Schnurrbart, der so perfekt geschwungen war wie der Kopfschmuck eines Longhornbullen, hob sich um ein paar Millimeter, als der Sheriff ein Lächeln andeutete.
»Wie wäre es mit einer Antwort, Mister …«
»William, Billy für meine Freunde«, gab der junge Bursche zurück. »Woher wir kommen?« Er breitete die Hände aus. »Von überall und nirgendwo, Sir. Wir sind Nomaden und folgen dem Wind, der Sonne oder einfach nur unserer Nase, verstehen Sie?«
Der Sternträger nickte leicht und wandte sich zum Tresen. »Haben diese Gents dir Ärger bereitet, Milly?«
Sie zögerte nur kurz. Die Spannung im Raum war mit Händen zu greifen. »N-nein, Sheriff«, brachte sie schließlich heraus. »Es ist alles in Ordnung.«
»Tatsächlich?« Dashs eisblaue Augen schienen sie durchbohren zu wollen. Milly nickte hastig.
»Okay«, brummte Dash gedehnt und sah wieder Billy an. Er beugte sich etwas vor und deutete auf die Hüften des jungen Mannes. »Hübsche Kanonen haben Sie da, William«, sagte er. »Und gleich zwei davon.«
Billy zuckte gleichmütig die Achseln. »Hält einen im Gleichgewicht. Und ist doch nicht verboten, oder?«
»Nein, ist es nicht«, gab Dash zu. »Es passt mir nur nicht, wenn Fremde in meiner Stadt herumrennen, die bis an die Zähne bewaffnet sind. Dafür gibt es meistens einen Grund, und selten einen guten. Nabisco ist ein friedlicher Ort, und so soll es auch bleiben.«
»Was Sie nicht sagen, Sheriff«, brummte Billy und verzog spöttisch die Lippen.
Dashs Augen verengten sich für einen Moment, dann hob er den Arm und zeigte zum Fenster hinaus. »Von Westen kommt ein kräftiger Wind auf. Ich würde Ihnen und Ihren Nomaden-Freunden raten, sich davon aus der Stadt tragen zu lassen, und zwar bald. Meine Jungs werden Sie im Auge behalten, und bei Sonnenuntergang sind Sie verschwunden. Ist das klar?«
Billy hob die Augenbrauen und spitzte die Lippen. Er sah auf seine Hände hinab und schwieg.
Der Sheriff nickte Milly zum Abschied zu und verließ den Schankraum. Seine Deputies folgten ihm, und die Ordnungshüter überquerten die Straße. Gegenüber stand eine Bank unter dem Vordach eines geschlossenen Liquor Stores. Die Deputies ließen sich darauf nieder.
Billy schmunzelte und warf Milly einen ergebenen Blick zu, der so etwas wie » Womit habe ich das nur verdient?« bedeuten mochte.
»Scheint, als müssten wir uns bald wieder trennen, Milly«, sagte er und zwinkerte verschmitzt. »Könnten wir vorher noch unser Essen bekommen?«
☆
»Sind Sie satt? Ansonsten kann ich Ihnen gern noch einen Teller bringen, es ist genug da! Ein kräftiger Bursche wie Sie braucht bestimmt noch einen Nachschlag.« Die dralle Kellnerin beugte sich mit breitem Lächeln zu ihm hinab, und ihr Gesicht war so offenherzig wie ihr Dekolleté.
Lassiter winkte ab. Es war bereits sein zweiter Teller Chili gewesen. »Danke, Ma’am. Wirklich nett von Ihnen, aber mehr geht beileibe nicht. Einen Kaffee würde ich allerdings nicht ablehnen.«
Das Mädchen nickte fröhlich und nahm den leeren Teller mit, während sie hüftschwingend zur Theke zurückschlenderte. Er sah ihr für einen Moment nach, bevor er die Akte hervorzog und vor sich auf den Tisch legte.
Er schlug sie auf und fuhr sich gedankenverloren über den verschorften Strich, der über die Wange am Mundwinkel vorbei bis zum Kinn verlief. Die Wunde war gut verheilt, und in ein paar Tagen würde kaum noch etwas davon zu sehen sein, doch das leichte Jucken erinnerte ihn daran, dass er Gevatter Tod wieder einmal nur knapp entgangen war.
Er schenkte der Kellnerin ein freundliches Lächeln, als sie den Kaffee vor ihm abstellte. Sie zwinkerte einladend, doch dieses verlockende Angebot würde er ablehnen müssen.
Es hatte ohnehin schon zu lange gedauert, von Albuquerque aus in die Einöde des Südostens von New Mexiko zu gelangen. Und bis nach Lincoln County lag noch etwa ein Tagesritt vor ihm. Sein Wallach wartete im Mietstall auf ihn, wo er den Rappen im Morgenrauen untergestellt hatte, damit das Tier ein paar Stunden Ruhe, anständiges Futter und etwas Pflege bekam. Die Zugreise im überladenen Viehwaggon war eine Tortur für das Pferd gewesen, und von Fort Sumner aus waren sie die halbe Nacht durch die Prärie geritten, bis sie bei Sonnenaufgang Blainsdale erreicht hatten.
Die Zugfahrt hatte er zum Schlafen genutzt, sodass sich bisher noch keine Gelegenheit ergeben hatte, das Dossier über seine Mission genauer zu studieren. Nun nahm er sich die Zeit dafür.
Der Mann, der sich Billy the Kid nannte, war erstmals vor knapp vier Monaten in Erscheinung getreten. Ein Viehdiebstahl in der Abenddämmerung. Die Cowboys, die der Bursche mit seiner Bande überrumpelt hatte, ohne dabei jemanden ernsthaft zu verletzen, hatten behauptet, dass es William Bonney gewesen sei, der sie überfallen hatte. Das begründeten die Tagelöhner damit, dass der Anführer von seinen Kumpanen »Billy« gerufen wurde und sie das Gesicht wiedererkannt hätten, das von den unzähligen Steckbriefen immer noch in Erinnerung geblieben war.
Einige von ihnen sagten aber auch aus, dass der Anführer der Banditen mit einem Halstuch maskiert gewesen war, was sämtliche Behauptungen in Lassiters Augen mehr als nur zweifelhaft erscheinen ließ.
Ähnlich verhielt es sich bei dem Überfall auf ein Warenkontor an der Cheyenne Route , einem Overland-Trail, der nach Süden in Richtung der Staatsgrenze zu Texas verlief. Auch hier wieder abenteuerliche Aussagen, die sich teils widersprachen.
Danach hatte sich die Bande gen Westen gewandt und offenbar darauf spezialisiert, nachts die Häuser wohlhabender Rancher zu überfallen, deren Anwesen abseits von Städten lagen, sodass ihnen genügend Zeit blieb, zu verschwinden, bevor ein Sheriff gerufen werden konnte.
Die Outlaws gingen dabei offenbar äußerst dreist und geschickt vor; obwohl die meisten der Rancher und Farmer private Wachleute beschäftigten, war die Bande in den meisten Fällen unbehelligt in die Häuser eingedrungen, hatte Beute gemacht und war wieder verschwunden, ohne dass die Wächter sie überhaupt bemerkt hatten. Nur zweimal war es zu einer Konfrontation gekommen, dabei waren vier Bewacher leicht verletzt worden, ein weiterer schwer. Doch bisher hatte es noch keinen einzigen Toten gegeben. Die ausgeraubten Gutsbesitzer waren gefesselt und geknebelt worden, hatten darüber hinaus aber nur geringfügige Blessuren davongetragen.
Lassiter schüttelte den Kopf. Das passte nicht in das Bild des schießwütigen William H. Bonney, dem man nachsagte, dass er knapp zwei Dutzend Männer auf den Boothill geschickt hatte.
Andererseits war er sich durchaus darüber im Klaren, dass sein Wissen über Billy the Kid größtenteils aus der Sensationspresse stammte. Und deren Umgang mit Fakten war ihm hinlänglich bekannt.
Was er wusste, war, dass Bonneys kriminelle Karriere wohl auch durch widrige Umstände ins Rollen gekommen war. Ein Weidekrieg, dem der väterliche Freund des Jungen zum Opfer gefallen war, hatte ihn auf die schiefe Bahn gebracht, weil die Ordnungskräfte das Verbrechen nicht ahndeten und dem jungen Billy damit das Gefühl gaben, das Recht in die eigenen Hände nehmen zu müssen.
Eine Geschichte, die Lassiter auf unangenehme Weise an seine eigene Vergangenheit erinnerte. Er war etwa so alt wie Bonney gewesen, als er von der Wells Fargo so lange drangsaliert worden war, bis sein Partner und väterlicher Freund keinen Ausweg mehr wusste und Selbstmord beging. Vom Gesetz im Stich gelassen, hatte er sich schließlich auf einen Rachefeldzug begeben gegen die allmächtige Transportgesellschaft und wäre wohl irgendwann am Galgen gelandet, wenn ihn nicht wohlmeinende Männer noch rechtzeitig wieder in die Spur gebracht hätten.
Er wusste, wie fatal sein Weg damals gewesen war, konnte aber nicht umhin, Verständnis für den Outlaw aufzubringen, der es als Billy the Kid zu zweifelhaftem Ruhm gebracht hatte. Und nichtsdestotrotz seit Monaten unter der Erde lag – davon war er nach wie vor überzeugt.
Über Sheriff Pat Garrett verriet die Akte der Brigade Sieben außer einer Beschreibung seines Äußeren und ein paar biografischen Daten nicht all zu viel, doch er kannte den Stil dieser Dossiers und war daher in der Lage, zwischen den Zeilen zu lesen.
Seine Auftraggeber schienen dem Sternträger nicht über den Weg zu trauen, wie es Douglas Kirk ja bereits angedeutet hatte. Garrett war nach seiner Wahl zum Sheriff auf die Jagd nach Billy the Kid und seiner Bande gegangen, und dabei war er sehr erfolgreich gewesen. Er hatte mehrere der Bandenmitglieder zur Strecke gebracht und Bonney verhaftet. Nachdem diesem aber unter mysteriösen Umständen die Flucht aus dem Gerichtsgebäude gelungen war, schienen sich Garretts Ambitionen, den rechtskräftig zum Tode Verurteilten seiner Vollstreckung zuzuführen, auf einmal in engen Grenzen zu halten.
Zeugen berichteten, dass der Sheriff Billy the Kid recht schnell wieder aufgespürt hatte, Garrett dem Banditen aber die Möglichkeit zur Flucht nach Mexiko anbot. Erst als Bonney sich weigerte, diese Chance wahrzunehmen und stattdessen sogar wieder in Fort Sumner auftauchte, als könne ihn kein Wässerchen trüben, sah sich Garrett offenbar gezwungen, den Outlaw zu erschießen.
Hatte Garrett nach dem Prozess die Fronten gewechselt? Lassiter wusste, dass sich Billy damals nur hatte festnehmen lassen, weil Gouverneur John Chisum, der Bonney persönlich kannte, ihm eine Amnestie in Aussicht gestellt hatte, von der er nichts mehr wissen wollte, nachdem Billy erst einmal hinter Gittern saß.
Ein Betrug, der für Garretts Gerechtigkeitsempfinden ein Tiefschlag gewesen sein mochte und den Sheriff möglicherweise zum Umdenken gebracht hatte.
Lassiter blätterte zurück, um die Karte zu betrachten, auf der die Überfälle der Bande mit Pfeilen und Daten markiert waren.
Die Outlaws hatten vor knapp zwei Wochen zum letzten Mal zugeschlagen – auf einer Ranch, die Herman Knoxville gehörte. Sie lag rund vierzig Meilen westlich zwischen Carrizozo, in dem sich das County-Sheriffbüro von Pat Garrett befand und einem kleinen Nest namens Nabisco.
Obwohl der Anführer der Banditen, der sich Billy the Kid nannte, offenbar mit seinem Namen nicht weiter hinter dem Berg hielt (ein weiterer Grund dafür, dass Lassiter ihn für einen Gernegroß hielt), würden die Gesetzlosen wohl nicht so kühn sein, nach ihrem Überfall ausgerechnet in Richtung des County-Sheriffs abzuhauen. Deshalb hielt Lassiter es für keine schlechte Idee, in Nabisco mit der Spurensuche zu beginnen, zumal er das Kaff bereits am frühen Nachmittag erreichen konnte, wenn er sich sofort auf den Weg machte.
☆
Das verlassene Farmhaus stand in einer langgezogenen Senke ein paar Meilen westlich des Pecos River; vor Urzeiten mochte sich hier einmal ein Flussarm erstreckt haben, der längst ausgetrocknet war. Auch die ehemaligen Bewohner der Gebäude mussten die Farm schon vor Jahren verlassen haben, was angesichts des kargen Bodens nicht weiter überraschend war.
Für Billy und seine Bande hingegen war der Unterschlupf, den sie einige Wochen zuvor entdeckt hatten, nahezu ideal. Im Norden erstreckten sich die Berge, die ab und an eine kühlende Brise brachten, der Brunnen vor dem Haupthaus lieferte immer noch ausreichend Wasser, und die Farm lag weit genug entfernt von den Poststraßen und Siedlungen, aber nahe genug, um nach ihren Raubzügen ohne Halt hierher zurückkehren zu können.
Bucky und Josh führten die Pferde zur Tränke, während Billy mit Ambrose die Satteltaschen und Beutel zum Haus schleppte. Der Alte ächzte unter dem Gewicht der Vorräte, die sie in Nabisco eingekauft hatten. »Das wäre nicht nötig gewesen, William«, bemerkte er keuchend, als er sich die Stufen zur Veranda hinauf quälte.
»Was meinst du, Alterchen?«, fragte Billy gut gelaunt, obwohl er die Antwort kannte.
»Du weißt genau, was ich meine!«, presste Ambrose Dinkel hervor und ließ die schweren Taschen auf die Veranda fallen. Polternd landeten sie auf den Brettern, und einer der Beutel fiel um, wobei ein paar Büchsen mit Bohnen heraus kollerten.
»Warum sind wir in den Saloon gegangen? Das war ein Spiel mit dem Feuer – vor allem, wenn Bucky dabei ist.«
Billy zuckte die Achseln und sah zum Brunnen hinüber. Bucky und Josh zogen die Sättel von den Pferden und schienen dabei guter Dinge zu sein. »Die Burschen brauchen ab und zu mal etwas Spaß«, brummte er. »Die Einsamkeit hier draußen macht Ihnen zu schaffen, Ambrose.«
»Dann lass uns die Zelte abbrechen und rüber nach Mexiko reiten. Wir haben genug Dollars eingesammelt, um es uns auf der anderen Seite des Rio Grande für eine Weile gut gehen zu lassen. Ein bis zwei Tage, dann sind wir an der Grenze«, schlug der Alte vor und blickte seinem Anführer hoffnungsvoll in die Augen.
Doch der enttäuschte ihn mit einem entschiedenen Kopfschütteln. »Wir sind hier noch nicht fertig, Ambrose«, brummte Billy.
Dinkel hob zu einer Erwiderung an, doch dann flog die Tür des Farmhauses auf, und eine junge Frau trat hinaus auf die Veranda. Sie sprang Billy entgegen und umarmte ihn stürmisch. Als die beiden jungen Leute sich leidenschaftlich küssten, wandte sich Ambrose Dinkel augenrollend ab und schüttelte den Kopf.
Die Frau strich Billy zärtlich über das Gesicht, bevor ihr Blick auf den umgekippten Beutel und die Büchsen fiel, die herausgefallen waren. Ihr Lächeln verblasste ein wenig. »Schon wieder nur Bohnen? Herrgott, Billy, gab es denn nichts anderes? Ich kann das Zeug nicht mehr sehen, und der Gestank der Fürze nimmt mir den Atem. Ganz zu schweigen von den Geräuschen …«
»Reg dich nicht auf, Judith.« Billy grinste und öffnete die Tasche, die er selbst über der Schulter trug. Er zog eine lange Hartwurst hervor und winkte damit, bevor er die Tasche vor sich abstellte. »Außerdem haben wir frische Tomaten, eingelegte Pilze, Mais, einen Bund Chilischoten, Trockenfleisch, Kartoffeln und …« Er griff etwas tiefer und förderte einen kleinen Beutel zutage, »… es gibt Reis, Baby!«
Ihre Augen weiteten sich überrascht, dann fiel sie ihm um den Hals. »Du hast wirklich daran gedacht? Ich liebe dich, Billy!«
Sie trugen die Taschen gemeinsam in das halb verfallene Haus, das für die heimatlosen Outlaws mittlerweile fast schon zu einem Heim geworden war.
Die Jackson-Brüder lagen in der Ecke neben dem Kanonenofen auf zerschlissenen Matratzen und hoben träge die Hand zum Gruß, als Billy, Ambrose und Judith in den Raum traten. Ihre trüben Blicke verrieten, dass sie bereits wieder besoffen waren, obwohl die Sonne noch hoch am Himmel stand. »Hast du was zu Trinken mitgebracht?«, fragte Saul, der ältere der beiden, mit schwerer Zunge.
»Würde ich doch nie vergessen, Kumpel!«, gab Billy zur Antwort und zog zwei Flaschen Brandy aus einer der Satteltaschen. Als er sie auf dem großen Tisch in der Mitte des Raumes abstellte, leuchteten Sauls Augen postwendend auf und er kam schneller auf die Beine, als man es ihm angesichts seines Zustands zugetraut hätte. Mit leichter Schlagseite marschierte er zum Tisch, griff sich eine der Flaschen und zog den Korken mit den Zähnen aus dem Hals, bevor er ihn zu Boden spuckte.
Judith warf Billy einen missbilligenden Blick zu, während sie die Büchsen aus den Taschen nahm und in die Regale über der Kochstelle reihte. »Wann kommt endlich der Tag, an dem du diesen Holzköpfen ein Mindestmaß an Manieren beibringst, Billy?«, fragte sie, und über ihrer Nase wurde eine steile Falte sichtbar.
»Das wird ein Sonntag sein«, antwortete Curt Ringslow, der in diesem Moment die Stiege herunterkam. Seine hellblauen Augen leuchteten schalkhaft, als er an Saul Jackson vorbeiging und Billy auf die Schulter klopfte. »Wenn die Trompeten vom Himmel erschallen und wir alle wissen, dass uns nur noch ein paar Stunden bis zum Jüngsten Gericht bleiben. Nicht wahr?«
Billy lachte, während Saul hinter ihnen einen tiefen Schluck aus der Pulle nahm und danach einen herzhaften Rülpser ausstieß.
»Donnerwetter«, brummte er. »Verdammt guter Stoff!« Er taumelte in die Ecke zurück, in der sich sein Bruder Hector mühsam aufrichtete und die Hand ausstreckte, um das Urteil des Älteren zu überprüfen.
Curt und Billy nahmen am Tisch Platz, und Judith brachte Gläser und die Flasche Wein, die Billy mitgebracht hatte. Ambrose half der jungen Frau dabei, das Abendessen zuzubereiten, und als Josh und Buck sich etwas später an den Tisch setzten, ertönte bereits lautes Schnarchen aus der Ecke, in der die Jacksons lagen.
»Es wird Zeit, dass wir die Brüder loswerden, Billy«, brummte Buck Hinkley unwillig und griff nach seinem Weinglas. »Sie sind zu nichts mehr nutze außer zum Saufen, Fressen und Scheißen.«
»Wo du es erwähnst«, bemerkte Josh. »Der Abort ist voll bis zum Rand! Vorhin krochen mir die Fliegen bereits über den Arsch, kaum dass ich mich niedergelassen hatte.«
»Wenn man diese wandelnden Schnapsfässer sonst schon nicht mehr brauchen kann, dann lass sie wenigstens eine neue Grube ausheben«, schlug Ambrose vor, der die Teller auf dem Tisch verteilte und einen Korb mit Brot in die Mitte des Tisches stellte. »Außerdem könnten sie Judith hier im Haus ein bisschen zur Hand gehen.«
»Herzlichen Dank, darauf kann ich verzichten«, sagte Judith und stellte die Schüsseln mit dem Abendessen auf den Tisch. »Die beiden Hornochsen wachen morgens auf und sind noch besoffen, während sie schon wieder zur Flasche greifen. Ich habe keinen der beiden in den letzten zwei Wochen verkatert erlebt, von nüchtern ganz zu schweigen.« Sie sah Billy kurz von der Seite an und verzog die vollen Lippen. »Keine Ahnung, warum du ihnen sofort wieder Schnaps in die Hand drückst, William.«
»Aus demselben Grund, aus dem ich dir den Reisbeutel mitgebracht habe, Honey«, antwortete er und legte ihr einen Arm um die Hüfte. »Ihr seid meine Familie, und ich sorge dafür, dass alle glücklich sind. So gehört es sich, oder nicht, Curt?«
Der Mann mit den auffallend leuchtenden hellblauen Augen, der am Ende des Tisches saß, als würde er nicht so richtig dazugehören, fuhr sich durch die weißblonden Haare, bevor sich seine Mundwinkel unmerklich nach oben bewegten. »Klingt hübsch, Billy«, entgegnete er. »Hast du das in der Bibel gelesen oder in einer der Poesiefibeln, die du immer mit dir herumträgst?«
Billy starrte den Blonden an, und seine eben noch so entspannte Miene veränderte sich. Judith spürte, wie sein Griff um ihre Hüfte sich versteifte. »Weder noch, Curt. Das stammt von mir und kommt von Herzen. Hast du ein Problem damit?«
Curt erwiderte den Blick des Anführers unumwunden, und auf einmal hatte sich die Stimmung am Tisch verändert. Alle verstummten, und Ambrose hielt sein Brot in der Hand über dem Teller, als wäre die Zeit eingefroren. Die Blicke wanderten zwischen Billy und Curt hin und her, bis der Blonde sich gelassen über die dünnen Bartstoppeln auf seinem spitzen Kinn strich und langsam den Kopf schüttelte.
»Wieso sollte ich, Billy«, brummte er, beugte sich vor und langte nach der Schüssel, die ihm am nächsten stand. »Du bist schließlich der Boss. Darf ich, Judith?«
Als niemand einen Einwand erhob, nahm er den Holzlöffel und schaufelte sich eine große Portion auf seinen Teller.
Die anderen starrten ihn an, als würden sie befürchten, dass er im nächsten Moment röchelnd vom Stuhl fiel. Oder seinen Revolver zog und sie allesamt in die Hölle schickte.
»Lecker, Judith! Es schmeckt köstlich«, brummte Curt mit halb vollem Mund, und in diesem Moment schien der Bann gebrochen. Nun griffen alle beherzt zu, nur Billy hielt sich noch zurück.
Er starrte Curt an und wollte dessen Blick einfangen, doch der Blonde widmete sich beharrlich seinem Teller, ohne dabei den Kopf zu heben.
☆
Keine Wolke war am indigofarbenen Himmel zu entdecken, als der einsame Reiter über die Mainstreet von Nabisco trabte. Die Hitze war zu dieser Tageszeit so mörderisch, dass außer einem Straßenköter, der sich träge in die Schatten unter dem Sidewalk des Drugstores schleppte, kein Zeichen von Leben zu entdecken war.
Der Fremde trug einen breitkrempigen Stetson, dessen dunkle Farbe vom Staub der Prärie in ein undefinierbares Braun verwandelt worden war. Der leichte sandfarbene Staubmantel lag hinter ihm über dem Sattel wie ein Umhang, und die Brise ließ ihn flattern, als er vor dem Sheriff’s Office elegant wie eine Raubkatze aus dem Sattel glitt.
Er sah sich aufmerksam um, doch in diesem Kaff gab es weit und breit nichts, was einen zweiten Blick lohnte. Er verzog die Lippen, spitzte sie und spuckte zu Boden, bevor er die Stufen zum Sidewalk hinaufstieg.
Als er die Hand hob, um an die Tür des Büros zu klopfen, wurde sie bereits geöffnet, und um ein Haar hätte seine erhobene Faust die Stirn des Mannes berührt, der ihm nun entgegen starrte.
Lassiter senkte den Arm und nickte dem Sheriff zu. »Howdy.«
Lester Dash tippte sich an die Hutkrempe. »Was kann ich für Sie tun, Mister?« Er musterte den Ankömmling aufmerksam.
»Können wir drinnen reden?« Lassiter sah sich gelassen auf dem Sidewalk um, bevor sich seine Mundwinkel ein wenig hoben. »Es ist ziemlich heiß hier, Sheriff.«
Dash trat einen Schritt zurück, öffnete dabei die Tür und breitete einladend die Hand aus.
Die Männer setzten sich, und der Sheriff betrachtete Lassiter eingehend. »Müsste ich Sie kennen, Mister …?«, brach er schließlich das Schweigen.
»Wohl kaum, Sheriff«, gab der Mann der Brigade Sieben zurück. »Mein Name ist Lassiter. Ich bin auf der Suche nach …«, er zögerte einen Moment, bis er den Satz mit einem fast entschuldigenden Lächeln vollendete, »… nach Billy the Kid.«
»Aber sicher.« Dash erwiderte Lassiters Lächeln, wirkte dabei aber nicht besonders amüsiert. »Haben Sie etwas getrunken? Ich hätte damit kein Problem, ist nur etwas früh am Tag dafür, würde ich meinen.«
Lassiter richtete sich auf seinem Stuhl auf und schüttelte leicht den Kopf. »Mir geht’s gut, Sir. Und ich weiß genau wie Sie, dass Bonney schon vor Monaten erschossen wurde. Allerdings gibt es hier in der Gegend jemanden, der das Gegenteil behauptet. Ein junger Outlaw, der mit einer Bande Rancher überfällt und sich als Billy the Kid ausgibt. Haben Sie davon etwa noch nichts gehört?«
Dash legte die Stirn in Falten. »Um ehrlich zu sein, nein. Wir leben hier ziemlich abgeschieden, Mr. Lassiter. Zeitungen gibt es nur ein, zweimal im Monat zu lesen. Von dem Überfall auf die Knoxville-Ranch habe ich gehört.« Er kratzte sich am Kopf. »Steckt etwa diese Bande dahinter, von der Sie reden?«
»Unter anderem«, bestätigte Lassiter. »Vermutlich war das nur einer von einem knappen Dutzend Beutezügen.«
Er musterte den Sternträger, der ihm gegenüber ins Grübeln geriet. »Sie haben etwas bemerkt, oder?«, brachte er seine Vermutung zur Sprache.
Dash zuckte die Achseln, bevor er nickte. »Ich fürchte schon. Nicht etwas, sondern jemanden. Ein paar verdächtige Galgenvögel waren gestern bei uns im Saloon. Milly O’Rourke hatte mir Peter geschickt, damit ich nach dem Rechten sehe, und ich bin mit meinen Deputies hingegangen. Aber, nun ja …« Der Sheriff hob die Arme und verstummte.
Lassiter starrte ihn fragend an, bis Dash fortfuhr. »Die Burschen sahen nicht koscher aus, und ich habe ihnen zu verstehen gegeben, dass sie die Stadt verlassen sollen. Das haben sie getan. Eine Stunde später sind sie in Richtung Westen davongeritten.«
»Aus den Augen, aus dem Sinn«, murmelte Lassiter.
»Ich konnte doch nicht wissen, dass diese Kerle …«
»Milly, sagten Sie?«, unterbrach ihn Lassiter. »Ist das die Frau, der der Saloon gehört?«
Dash schüttelte den Kopf. »Nein, sie arbeitet dort. Eigentümer des Saloons ist Geoffrey Van Humburg. Der Bürgermeister, dem auch fast alle Geschäfte hier in Nabisco gehören.«
»Okay.« Lassiter nickte und erhob sich. Er hatte nicht das Gefühl, dass der Sheriff ihm noch groß weiterhelfen konnte. »Gibt es Zimmer drüben im Saloon? Ich würde gern hier in Nabisco übernachten, bevor ich weiter reite.«
»Klar«, gab Dash bereitwillig Auskunft. »Aber glauben Sie wirklich, dass diese Burschen gestern … dass der Anführer … Billy the Kid war?«
»Nicht wirklich. Wie gesagt halte ich ihn eher für einen Aufschneider, der den Namen nur benutzt, um sich aufzuspielen, vielleicht auch, weil er glaubt, die Leute hätten dann sofort die Hosen voll. Vergessen Sie unser Gespräch, Sheriff«, knurrte Lassiter, öffnete die Tür des Büros und ließ sie hinter sich zufallen, bevor jedes weitere Wort aus seinem Mund die Gerüchteküche in diesem ereignisarmen Nest hochkochen ließ.
Er löste die Zügel vom Hitchrack und führte sein Pferd hinüber zum Mietstall. Ein junger Bursche, dessen Gebiss dem Wallach an Lassiters Seite Konkurrenz machte, grinste ihm breit entgegen.
»Wünsche `nen guten Tag, Sir«, nuschelte er zwischen den riesigen Zahnreihen hindurch. »Ein schönes Tier haben Sie da! Zwanzig Cents pro Tag, plus Verpflegung, wenn’s recht is’.«
Lassiter fingerte einen Dollar aus der Jackentasche und schob ihn dem Stallburschen in die Brusttasche seines Hemds. »Kümmere dich gut um ihn. Er ist in bisschen sensibel«, ermahnte er den Jungen und klopfte ihm auf die Schulter, bevor er mit ausgreifenden Schritten in Richtung Saloon marschierte.
Immerhin. Er war dem Gesetzlosen, der sich für Billy the Kid ausgab, offenbar dicht auf den Fersen. Und das Mädchen im Saloon würde ihm vermutlich mehr erzählen können als der Sheriff.
☆
Judith schlug die Kissen auf, bevor sie Billy mit einem Lächeln entgegensah. »Curt schläft also wieder unten heute?«, fragte sie mit einem koketten Augenaufschlag, als er sich neben sie legte.
»Er übernimmt die erste Wache«, antwortete Billy. »Alles gerecht verteilt, wie immer.«
»Freut mich zu hören«, gab sie zurück und küsste ihn. »So lange du mich nicht damit meinst.«
»Wie soll ich das denn verstehen?«, fragte Billy, während sie sein Hemd aufknöpfte. »Hat er dich etwa angemacht?«
Sie streichelte sein spärliches Brusthaar. »Unsinn. Curt weiß sich zu benehmen, er ist nicht wie die anderen. Er würde mir nie zu nahetreten, wenn ich das nicht will.«
»Ach so. Dann bin ich ja beruhigt.« Seine gefurchte Stirn verriet das Gegenteil.
Judith streifte ihm das Hemd vom mageren Oberkörper und grinste hintergründig. »Sag bloß, du bist eifersüchtig?«
»Natürlich bin ich das!« Billy streichelte ihr dunkelblondes Haar und musterte sie dabei argwöhnisch. »Du bist viel zu oft allein mit den Männern. In Zukunft sollte ich dich wohl besser im Auge behalten.«
Sie knöpfte seine Hose auf und zuckte mit einer Schulter. »Du hättest mich ja mitnehmen können in die Stadt«, erwiderte sie. »Ich würde auch gern mal unter Leute kommen.«
»Du weißt, warum das nicht geht, Schätzchen«, brummte er. »Dich erwartet eine wichtige Aufgabe, schon vergessen …?« Das letzte Wort ging in ein leises Keuchen über, weil Judith seine Hose heruntergezogen hatte und sich nun mit Hingabe seinem besten Stück widmete.
Er schloss die Augen und streichelte ihren Kopf, der sich über seiner Körpermitte vor und zurück bewegte. Sein Puls nahm rasch an Fahrt auf, und er spürte, wie sich die Hitze in ihm ausbreitete. »Jesus, Baby, du bist wirklich ein Geschenk Gottes!«
Aus naheliegenden Gründen war sie nicht in der Lage, ihm zu antworten, doch ihre Hände, die sich in seinen festen Hintern krallten, waren beredt genug. Billy legte den Kopf in den Nacken und genoss ihren kunstfertigen Liebesdienst in vollen Zügen.
Er hatte Judith vor ein paar Wochen in Fort Sumner aufgegabelt. Sie hatte dort als Animiermädchen gearbeitet – in einer heruntergekommenen Kaschemme, die sie nicht verdient hatte. Doch obwohl sie in diesem Rattenloch einer erniedrigenden Tätigkeit nachgehen musste, war sie nicht leicht zu erobern gewesen. Judith hatte sich ihren Stolz bewahrt, und er hatte alle Register seiner charmanten Talente ziehen müssen, bis sie sich schließlich bereitfand, mit ihm zu gehen.
Natürlich hatten auch seine gut gefüllte Börse und die Bereitwilligkeit, deren Inhalt unter die Leute zu bringen, dabei eine Rolle gespielt. Er machte sich keine Illusionen über Judiths Charakter; Sie liebte die Männer – aber nur, wenn sie Geld hatten. Echte Gefühle spielten dabei nur eine untergeordnete Rolle. Deshalb konnte er ihr auch nicht wirklich vertrauen, doch was machte das schon aus? Sie war ein Wirbelsturm im Bett, nur das zählte.
Sie ließ von ihm ab und schaute zu ihm auf, während sie sich rücklings auf das Bett fallen ließ. Aufreizend langsam löste sie die Schnüre ihres weißen Mieders, streifte die Träger ab und zog den Stoff auseinander, bis ihre spitzen Brüste enthüllt wurden.
»Na los, mein stolzer Hengst«, flüsterte sie und steckte sich lasziv einen Finger zwischen die vollen Lippen. »Bespring mich endlich! Mach es mir richtig hart!«