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Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2413, 2414 und 2415.
Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!
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Seitenzahl: 374
Veröffentlichungsjahr: 2022
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln
Covermotiv: © Boada/Norma
ISBN: 978-3-7517-2995-6
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Lassiter 2413
Die Peacemaker-Lady
Lassiter 2414
Zu hoch gepokert, Lassiter!
Lassiter 2415
Lektion für Lady Luisa
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Contents
Die Peacemaker-Lady
Rick Strider lachte, als er aus dem Valley in die weite Prärie ritt. Er zügelte sein Pferd und warf einen letzten Blick zurück in die Schlucht.
Keiner von denen, die ihm aufgelauert hatten, war noch am Leben. Sie hatten geglaubt, leichtes Spiel zu haben, doch jetzt waren sie Futter für die Geier.
Kaum drehte sich Strider wieder herum, gefror ihm das Grinsen im Gesicht. Einen Steinwurf entfernt war eine Frau hinter dem Stamm eines Mesquitebaums hervorgetreten. Mit beiden Armen hielt sie ihren Revolver vorgestreckt und machte ein paar Schritte auf Strider zu.
»Wer zuletzt lacht …«, sagte sie nur. Dann zog sie den Abzug ihres Sechsschüssers durch.
Die Kugel traf den Oberschenkel des Reiters, ließ ihn aufschreien und zur selben Zeit zusammenzucken. In einem Reflex schoss seine Linke hinab zur Wunde und presste sich darauf. Während das Blut zwischen seinen Fingern hindurchlief, heftete sich sein Blick hasserfüllt auf die Brünette. »Wer bist du?«, zischte er bösartig. »Du gehörst nicht zu der Rotte, die im Canyon verfault.«
»Nein«, kam die lapidare Antwort. »Ich habe andere Beweggründe.« Die Frau spannte erneut den Hahn ihres Revolvers. »Ich suche Grossman. Und du weißt, wo ich ihn finde.«
Ein kehliges Lachen entrang sich Striders Kehle. »Alle suchen Grossman, aber keiner hat ihn je aufgespürt. Wieso glaubst du, dir würde es gelingen?«
Auf den Zügen der Dunkelhaarigen zeigte sich keine Regung, als sie den Stecher ihrer Waffe durchzog und Strider heißes Blei in die Hüfte jagte. »Weil du es mir sagen wirst, du Bastard!«
Rick Strider verlor den Halt und rutschte röchelnd aus dem Sattel. Auf dem linken Bein versuchte er sich abzufangen, knickte jedoch ein und stürzte zu Boden, als der Schmerz der Schussverletzung durch seinen Oberschenkel raste. Das Leben floss aus seinem Körper wie Wein aus einem angestochenen Fass. Abwehrend hob er den rechten Arm. »Verdammt noch mal! Was habe ich dir denn getan? Wenn du nicht zu den Vigilanten gehörst, was willst du dann von mir?«
»Ich sagte es schon«, erwiderte die Frau. Beim erneuten Spannen ihres Colts drehte sich die Trommel mit leisem Klacken. »Vielleicht sollte ich deinem Gedächtnis aber ein bisschen auf die Sprünge helfen, denn meine Tochter Alicia war damals genauso überrascht wie du jetzt. Mehr noch als mein Mann Burt …«
Das Aufblitzen der Erkenntnis spiegelte sich in Striders Augen. »Burt?«, stieß er hervor. »Burt Fairfax? Du bist seine Frau?«
»Dana Fairfax«, bestätigte sie. »Du warst dabei, als ihr unsere Farm überfallen habt. Ich sehe noch eure grinsenden Gesichter vor mir und höre euer teuflisches Lachen. Da waren Burt und Alicia bereits tot. Und ihr dachtet, ihr hättet auch mich erwischt.«
»Der Hurensohn hat den Boss bestohlen!«, entfuhr es Rick Strider. Er wollte weitersprechen, wurde aber von Dana rüde unterbrochen.
»Und das gab euch das Recht, eine ganze Familie auszulöschen?«, schrie sie. Der Colt in ihrer Hand zitterte. »Ihr hättet meinen Mann erledigen können. Ihn allein! Das hätte mir ebenso wenig gefallen, wäre aber nachvollziehbar gewesen. Aber meine Tochter? Ein unschuldiges, siebenjähriges Ding, das für ein paar lausige Dollars von widerlichen Killern in Stücke geschossen wurde?« Sie rang nach Luft; ihr Zeigefinger spannte sich um den Abzug.
»Zwanzigtausend Dollar!«, krächzte Strider. »Fairfax hätte wissen müssen, wie die Antwort auf diesen Diebstahl aussieht. Er kannte Grossman.«
Unter dem peitschenden Knall eines Schusses krachte Strider aus seiner Seitenlage auf den Rücken. Blut quoll aus seiner Schulterwunde und durchnässte sein Hemd.
»Sag mir, wo sich Grossman versteckt«, raunte Dana, »und du wirst nicht länger leiden.«
»Ich weiß es nicht!«, spie Rick Strider die Worte aus und krümmte sich unter Schmerzen. »Er hat die Bande aufgelöst und ist irgendwo untergetaucht!«
Dana Fairfax verzog ihre Mundwinkel zu einem gefährlichen Lächeln. »Dann hat es wohl keinen Zweck mehr, dass wir uns unterhalten.« Sie kam näher und beschrieb einen Halbkreis um Strider. Zwei Armlängen vor ihm blieb sie stehen und senkte ihren Colt hinab zu seinen Beinen. »Welche Kniescheibe willst du behalten? Ich mache keine Witze. Du darfst dir eine aussuchen.«
»Du verrücktes Weibsbild!«, kreischte Strider. »Ich habe keinen Schimmer, wo Grossman sich aufhält!«
Danas Miene verfinsterte sich. »Such dir eine aus!«, forderte sie unnachgiebig.
Strider schloss seine Augen. Sein Atem ging keuchend. Innerlich schien er sich auf ein qualvolles Ende vorzubereiten.
Das Donnern des Revolvers blieb jedoch aus. Und als er seine Lider wieder hob, hatte die Frau mit dem Peacemaker bereits sein Pferd erklommen.
»Du … du glaubst mir?«, presste Strider hervor.
Verhalten schüttelte Dana Fairfax ihren Kopf. »Das ist nicht mehr wichtig. Du wirst verrecken, und ich werde weitersuchen.« Sie trieb den Hengst an und ritt in die Schlucht hinein.
Strider stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und streckte seine Gliedmaßen von sich. Abwesend stierte er in den Himmel und sammelte seine Kräfte. Er hatte nicht vor zu sterben, doch es würde eine Weile dauern, bis er wieder auf dem Damm war. Und wenn dieser Fall eintrat, würde er Dana Fairfax bis ans Ende der Welt hetzen.
Es war noch nicht zu Ende. Es hatte gerade erst begonnen.
☆
»Spinnen sind etwas Wunderbares«, sagte der bärtige Mexikaner, der es sich in einem Lehnstuhl auf dem Boardwalk bequem gemacht hatte. Beide Hände hielt er in Brusthöhe und bewegte seine feingliedrigen Finger, als bediene er eine Klaviatur. »Wer so viele Beine hat und nicht stolpert, der muss schon etwas ganz Besonderes sein.«
Lassiter hielt kurz inne und drehte sich dem dunkelhäutigen Mann zu. »Reden Sie mit mir, Mister?«, fragte er.
Ehe der Mexikaner eine Antwort geben konnte, schnitt eine scharfe Stimme durch die Luft. »Miguel! Hör auf, Scheiße zu reden! Du hast doch bestimmt irgendwo eine Flasche Tequila, die du saufen kannst!«
Die Frau, die den Spinnenfreund zur Räson gebracht hatte, war aufregend kurvenreich. Und sie hatte Kleidung gewählt, die ihre Silhouette angenehm betonte. Das schwarze, lockige Haar fiel ihr bis auf die Schultern, und ihr Gang war nicht der einer Lady, die zu einem Schaufensterbummel aufgebrochen war. Unwillkürlich spürte Lassiter ein Kribbeln in sich aufsteigen, das schon nach wenigen Augenblicken zu einem Hitzeschauer wurde.
»Ich bin Laura«, erklärte die Schwarzgelockte dem Brigade-Agenten. »Halt dich nicht an diesem Kerl auf. Bei ihm merkst du gar nicht, ob er nüchtern oder besoffen ist. Der hat einfach nur eine Delle in der Bimmel.«
Lassiter stellte sich ebenfalls vor und fragte: »Gibt es einen besonderen Grund, dass du mich vor Miguel schützen willst?«
»Ja«, erwiderte Laura spontan. »Komm mit!« Ihr Kopf ruckte herum und deutete voraus. »Es ist nicht weit.«
Was auch immer diese Frau vorhaben sollte, Lassiter war nicht abgeneigt, sich auf ein Abenteuer einzulassen. Sein neuer Auftrag, der ihn nach Carson City geführt hatte, war nicht an einen strengen Zeitplan gebunden.
Sie erreichten eine Gasse, in der sich die Holzhäuschen dicht an dicht drängten, als müssten sie sich gegenseitig stützen. Laura zauberte einen Schlüssel aus ihrem eng anliegenden Rock hervor und öffnete die Tür eines Gebäudes am Ende der schmalen Straße.
Ein herber Parfümgeruch schlug Lassiter entgegen. Er sah ein kleines Zimmer mit Kochstelle, einen Tisch, ein Bett und rote Vorhänge, die wohl eine erotische Atmosphäre erzeugen sollten. Laura warf ihren Schlüssel auf den Tisch, machte ihren Oberkörper frei und schälte sich auch geschmeidig aus ihrem Rock. »Legst du mir acht Dollar auf die Kommode?«, wandte sie sich an Lassiter.
Der schnappte nach Luft. »Ich bin im Netz der Schwarzen Witwe.«
»Reg dich ab, Süßer«, sagte Laura mit rauchiger Stimme. »Für weniger lege ich mich nicht flach. Aber du bekommst mehr, als du erahnst.«
Lassiter schmunzelte. Dieses Angebot wollte er auf Herz und Nieren prüfen. Er zählte einige Dollarnoten ab und legte sie auf den Nachttisch. Dann nahm er Stetson und Revolvergurt ab. Anschließend knöpfte er sein Hemd auf und ließ es über seine Schultern zu Boden gleiten. Er kickte seine Stiefel beiseite und zog sich die Hose aus.
Laura staunte nicht schlecht, als sie Lassiter sah, wie Gott ihn erschaffen hatte. »Womit fütterst du das Teil?«, wollte sie mit einem Blick zwischen seine Beine wissen.
»Blondinen«, gab der Mann der Brigade Sieben zurück.
Belustigt verzog Laura ihre Mundwinkel. »Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du eine neue Lieblingsfarbe haben.« Nackt, wie sie war, stieg sie aufs Bett. Sie legte sich auf den Rücken, zog ihre Beine an und spreizte sie. »Schwing die Keule, Satteltramp! Rosaroter wird es nicht.«
Lauras schnippische Art forderte Lassiter heraus. Sie wollte den Ton angeben. Das gefiel nicht jedem. Und auch Lassiter wünschte sich eher eine Frau mit leidenschaftlicher Hingabe. Vielleicht aber, überlegte er, konnte er das Ruder noch herumreißen.
Sein Kopf grub sich zwischen ihre Schenkel. Und er tat das, wovon er wusste, dass es jede Frau in die Ekstase trieb. Voller Genugtuung stellte er fest, dass es bei Laura nicht anders war.
»Oh, ist das gut!«, stöhnte die Schwarzhaarige. »Hör nicht auf! Mach schneller!«
Das kleine Pünktchen schwoll merklich an. Und auch auf Lauras Brüsten, die Lassiter mit ausgestreckten Armen knetete, richteten sich die Nippel steil auf. Minutenlang verwöhnte er Lauras Heiligtum, bis er sich mit glänzenden Lippen erhob. »Du bist an der Reihe. Zeig mir, was eine Blondine noch lernen kann.«
Lauras Lider waren halb geschlossen. In ihrem Blick spiegelte sich ungezügelte Erregung. Sie richtete sich auf und griff sanft nach dem, was sich ihr entgegenreckte. Behutsam massierte sie Lassiters Rute. Kurze Zeit später setzte sie andere Mittel ein.
Lassiter entrang sich ein wohliges Stöhnen, als er die samtenen Lippen und die kreisende Zunge spürte. Er bog seinen Rücken durch und legte den Kopf in den Nacken. Das Gefühl war überwältigend. Laura war eine Meisterin, wie Lassiter selten eine erlebt hatte. Welche Freuden mochte sie ihm wohl erst schenken, wenn es zur Vereinigung kam?
Auf die Antwort ließ Laura ihn nicht lange warten. Sie löste sich von Lassiter, kniete sich hin und reckte ihm ihr Hinterteil entgegen. Einladend und aufreizend bewegte sie ihre Hüften zu den Seiten. Lassiter packte ihre Backen mit sanftem Griff und drang in sie ein. Sofort spürte er den Schauer, der Laura durchlief und sie nach einem inbrünstigen Stöhnen verleitete, ihr Becken rhythmisch zu bewegen. Die Liebenden gewannen einen gemeinsamen Takt, der ihr Bedürfnis nach Befriedigung stützte.
»Ich fühle dich so tief in mir«, raunte Laura und hatte Mühe, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. Sie beugte sich vor und grub ihr Gesicht ins Laken; ihre Finger verkrallten sich darin. Es war spürbar, dass sie jeden Stoß Lassiters genoss, die Berührung seiner Hände auf ihrer nackten Haut und die Einfühlsamkeit, mit der er ihr seine Liebe schenkte.
Schließlich legte sich Lassiter neben sie aufs Bett und nahm sie in seitlicher Position. Laura reckte ihr linkes Bein in die Höhe, um sich weit zu öffnen, und keuchte abgehackt bei der Liebkosung ihrer Brüste. Ein sehnsüchtiges Seufzen floss über ihre Lippen, sobald Lassiter ihre Schultern küsste, sie streichelte und gleichzeitig ihren Schoß mit Wonne erfüllte.
»Gleich … gleich ist es so weit!«, stieß Laura aus und verfiel in ekstatisches Zucken. Den Handballen ihrer Rechten presste sie vor den Mund und gebärdete sich derart hektisch, dass auch Lassiter sich nicht mehr lange würde zurückhalten können. Die Gier dieser Frau nach höchster Erfüllung riss ihn mit.
Als der Orgasmus ihren Körper schüttelte, ergoss sich der Brigade-Agent und sorgte bei Laura für eine weitere Woge der Glückseligkeit. Mehrmals noch stieß er zaghaft zu, bis sie beide erschöpft voneinander abließen.
»Puh!«, machte Laura und strich mit beiden Händen entlang ihrer Hüften. »Du hast es wirklich drauf. Ein Jammer, dass ich dir dafür acht Dollar abknöpfe, aber ich muss auch leben.«
Zärtlich streichelte Lassiter ihre Wange. »Ich weiß, worauf ich mich eingelassen habe. Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen.«
»Vorwürfe?« Laura lächelte schelmisch. »Ganz bestimmt nicht. Es kommt nur eben nicht so oft vor, dass Arbeit auf Vergnügen trifft.«
Lassiter nickte und stand auf. Im Nu hatte er sich angekleidet. »Was weißt du über ›Blazing Bunch‹?«, fragte er unvermittelt.
»Dieses Verbrechergesindel?« Laura stutzte und überlegte. »Es ist noch nicht lange her, dass sie die Bank in Carson City überfallen haben. Es hat eine Menge Tote gegeben. Der Sheriff wurde schwer verletzt.«
»Wo finde ich den Mann?«
»In seinem Office«, sagte Laura und setzte eine betrübte Miene auf. »Er ist am Leben, aber die Ereignisse haben ihm schwer zugesetzt.«
Lassiter tippte an die Krempe seines Stetsons, zwinkerte Laura zu und verließ den Wohnraum. Es war hoch an der Zeit, Grossman und seiner Meute Einhalt zu gebieten.
☆
»Knallt die verdammte Bande ab! Jeden Einzelnen!« Percy Ridges Stimme schallte wie ein Donnerschlag und wurde von den Felsen als Echo zurückgeworfen.
»Das sind zu viele!«, brüllte sein Nebenmann auf und endete bereits einen Lidschlag später mit einem Loch in der Stirn. Er brach zusammen und starrte mit glasigem Blick in unerreichbare Weiten.
»Euch werde ich’s zeigen!« Pinkerton-Mann Percy Ridge legte seinen Revolver an und schoss in die Richtung, aus der die tödliche Kugel gekommen war. Seine Verbissenheit im Kampf gegen den »Blazing Bunch« wurde genährt von Rachegedanken. Kaum erschien das Bild seiner ermordeten Nichte vor seinem geistigen Auge, warf er jede Vernunft über Bord und scheute sich auch nicht, die Männer, die ihn begleiteten, in den Tod zu schicken. Doch ihre Zahl hatte sich in diesem Feuergefecht drastisch verringert. Nur zwei Helfer hatte Ridge noch an seiner Seite. Sie waren unerfahren und hatten sich ihm nur auf Druck der Öffentlichkeit in Weed Heights angeschlossen. Es war abzusehen, dass auch sie draufgehen würden.
Ridge wechselte seinen Standort und glitt trotz seines Alters leicht wie eine Gazelle zwischen den Felsen hindurch. Ein Querschläger wirbelte Gesteinsstaub auf, der ihm ins Gesicht schlug und sich in seinem grauen Schnurrbart festsetzte. Sofort erwiderte der Pinkerton-Mann das Feuer, hörte einen gellenden Schrei und sah einen seiner Männer fallen.
»Ich erwische dich, Grossman!«, brüllte Percy Ridge, lenkte seinen Blick von dem qualvoll Sterbenden hinüber zum Felsenkamm, hinter dem sich seine Gegner verschanzten, und schoss die Trommel seines Revolvers leer. Rasch duckte er sich hinter einen Vorsprung und lud die Kammern nach. Wenn ihm Grossman jetzt durch die Lappen ging, mochte er sonstwo in Nevada untertauchen.
Im Kopf überschlug Ridge, mit wie vielen Widersachern er es zu tun hatte, und kam auf ein gutes Dutzend. Das war weit weniger, als Sheriff Baker in Carson City berichtet hatte. Entweder hatte sich die Bande aufgeteilt, um an mehreren Orten gleichzeitig zuzuschlagen, oder Grossman verfolgte einen Plan, der für Ridge gegenwärtig nicht durchschaubar war.
Letztlich spielte es keine Rolle. Dieser menschenverachtende Hurensohn musste aufgehalten werden. Nur zu deutlich hatte Percy Ridge die blutüberströmte Leiche seiner Nichte vor Augen, die beim Überfall einer Wells-Fargo-Niederlassung ihr Leben lassen musste. Und obwohl Ridge seinen Job an den Nagel gehängt hatte, um sich zur Ruhe zu setzen und seinen Lebensabend in Frieden zu fristen, erschien es ihm nun wie ein unwiderstehlicher Zwang, im Namen seiner geschändeten Familie erneut in den Kampf zu ziehen.
Prudence!, wehte der Name seiner Nichte durch seinen Verstand. Und unwillkürlich wurden Ridges Finger, die den Revolvergriff umspannten, zu einem Schraubstock. Irgendwie musste es ihm gelingen, den Kamm zu erstürmen und alles niederzuschießen, was ihm vor den Lauf kam. Er presste seine Zähne derart fest aufeinander, dass seine Kiefermuskeln hervortraten. Im selben Moment fuhr er in die Höhe und hechtete aus seinem Versteck hervor.
Das Pfeifen und Peitschen von Gewehr- und Revolverkugeln brandete in seinen Ohren auf, doch der alte Mann ließ sich nicht aufhalten. Hunderte Gefechte hatten ihn gestählt und unempfindlich für das Donnern von Waffen werden lassen. Doch es glich nahezu einem Wunder, dass er unverletzt den nächsten Felsvorsprung erreichte.
Mit brennendem Blick erkannte er seinen letzten verbliebenen Begleiter. Dieser dumme Kerl hatte sich offenbar an ihm ein Beispiel genommen und feuerte ohne Deckung, was seine Rifle hergab.
Es versetzte Percy Ridge einen Stich ins Herz, als der Mann plötzlich zusammenzuckte, taumelte und noch im Fallen regelrecht zersiebt wurde. Einem schlaffen Sack gleich klatschte er auf die Felsen und besudelte sie mit seinem Blut.
Aufs Neue stürmte Ridge vor, entdeckte zwei Ziele und streckte sie mit gezielten Schüssen nieder. Kaum hörte er jedoch das polternde Hufgetrappel, wusste er, dass er verloren hatte. Mit ausgreifenden Sätzen erklomm er den Felsenkamm und sah die Mörderbande davonreiten. Außer sich vor Wut und Enttäuschung feuerte er seinen Revolver ab, doch die Kugeln fanden nicht ins Ziel. Unbehelligt verschwanden Grossman und seine Kompagnons in der Ferne.
»Verdammter Mist!«, fluchte Percy Ridge und trat gegen einen kopfgroßen Stein, der rumpelnd die seichte Anhöhe hinabrollte. Der Pinkerton-Mann war erfüllt von einem selbstzerstörerischen Zorn, der sich gegen alles richtete, was sich in seiner Nähe befand. Fast hätte er seinen Revolver an den Felsen zerschmettert, gebot sich jedoch selbst Einhalt. Er steckte die Waffe zurück ins Holster und knetete seine Finger. Nur schleichend gelang es ihm, seinen inneren Aufruhr zu besänftigen. Dann aber übernahm sein Verstand wieder die Kontrolle.
Walker Lake, dachte Percy Ridge. Die Fluchtroute, die Grossman genommen hatte, war unübersehbar. Und bei dem See gab es nur wenige kleine Ortschaften, die die Bande als Rückzugsmöglichkeit nutzen konnte.
Leidlich entspannt kehrte Ridge zu seinem Mustang zurück, murmelte ein Gebet für die Toten und nahm die Verfolgung auf.
☆
Der Sheriff stierte aus leblosen Augen auf die Tür seines Office, die sich in diesem Moment öffnete. Für Lassiter entstand der Eindruck, als hätte er eine wandelnde Leiche vor sich. Die Blässe im Gesicht des Gesetzeshüters war unnatürlich, ebenso seine Reaktion.
»Machen Sie die Tür zu«, sagte der Sheriff dumpf. »Ich vertrage keinen Zug.«
Lassiter folgte der unnötigen Aufforderung, nannte seinen Namen und sagte: »Ich ermittle im Fall ›Blazing Bunch‹. Können Sie mir weiterhelfen?«
Ein unergründlicher Blick streifte Lassiter. Darin zeigte sich deutlich die Resignation des Sternträgers. »Die kriegen Sie nicht«, meinte er. »Wo die auftauchen, gibt es nur Blut und Tod.«
»Deshalb bin ich hier, Sheriff …«
»Baker«, erwiderte der Angesprochene. »Nigel Baker. Aber Sie verschwenden Ihre Zeit. Carter Grossman hat eine kleine Armee um sich geschart. Mit der werden Sie nicht fertig.«
Lassiter machte zwei Schritte und baute sich vor dem Schreibtisch des Sheriffs auf. »Sie mögen aufgegeben haben. Ich nicht.«
Das Feuer in Bakers Augen, das er sicher zu seinen Glanzzeiten besessen hatte, war erloschen. Er war nicht nur müde, er bereitete sich anscheinend schon auf seinen Tod vor. »Fragen Sie«, sagte er. »Ich erzähle Ihnen, was ich weiß.«
Lassiter war froh, dass er nicht um eine Legitimation seines Anliegens gebeten wurde. Einen Dienstausweis besaß er nicht, und die Brigade Sieben durfte er nicht erwähnen. Es hätte ihm ohnehin nichts genützt, denn diese Geheimorganisation war niemandem außer dem Justizminister und handverlesenen Personen des Senats bekannt. »Gibt es Hinweise, wohin sich Grossman zurückgezogen hat? Haben Sie Informationen darüber, wo ich ihn finden kann?«
Unwillig verzog Nigel Baker seinen Mund. »Versuchen Sie es in Pine Grove. Das liegt ein paar Meilen vor dem Walker Lake. Der einzige Rückkehrer eines Vigilantentrupps hat es mir mitgeteilt.«
»Ist die Information zuverlässig?«, erkundigte sich Lassiter.
Baker überlegte nicht lange. »So zuverlässig, wie man es von der Aussage eines Mannes erwarten kann, der unter dem Schock seiner getöteten Kameraden steht.«
Pine Grove war immerhin ein Anfang. Lassiter hatte sich mit der Umgebung bereits auf seiner Zugfahrt nach Carson City vertraut gemacht. Der Ort lag im Einzugsbereich des »Blazing Bunch«. »Kann ich mit dem Überlebenden reden?«, fragte er.
»Ich habe keine Ahnung, wo er sich aufhält«, erwiderte der Sheriff, griff zu einer Aktenmappe und blätterte darin. »Er ist seit Tagen nicht mehr in der Stadt gewesen. Vielleicht hat er sich auf seine Farm zurückgezogen, kümmert sich um Frau und Kinder und ist einfach nur froh, am Leben zu sein.«
Lassiter nickte abwesend. Für ihn war nicht entscheidend, aus dem Banditenjäger weitere Hinweise herauszukitzeln. Vermutlich würde er ohnehin keine weiterführenden Aussagen machen können. Der Umweg über seine Farm wäre verlorene Zeit. »Danke für die Auskunft«, meinte Lassiter und wandte sich zum Gehen. Ohne Eile schwang er sich vor dem Office in den Sattel seines Grauschimmels und ritt los. Falls das Gelände außerhalb der Stadt nicht zu unwegig war, konnte er Pine Grove in zwei Stunden erreichen.
☆
Burt Fairfax war tot, das gestohlene Geld wieder in Grossmans Besitz. Und obwohl der Banditenboss die Taschen voller Dollars hatte, wusste er, dass sie ihm nur für kurze Zeit Beruhigung verschaffen würden. Er hatte mit seiner Bande einfach zu viel riskiert in letzter Zeit. Die Verfolger wurden mehr und mehr. Trotz einer Stärke von gut fünfundzwanzig Mann würden sie irgendwann auf eine unüberwindliche Zahl an Gegnern treffen. Und Carter Grossman hatte noch nicht vor abzutreten.
Er hatte die Bande aufgelöst und sich abgesetzt. In kleinen Gruppen hatten sich die Männer zerstreut, würden aber sicher weiter ihr Unwesen treiben. Sollte sich in naher Zukunft eine Chance ergeben, wollte Grossman die Splittergruppen wieder zusammenführen. Bis dahin aber sah er nur die Möglichkeit, Gras über die Sache wachsen zu lassen, damit sich die Gemüter wieder beruhigten. Wenn es hart auf hart kam, das war klar, würde er sich auf Strider verlassen können. Er war außer Dillon der Einzige, der wusste, wo Grossman zu finden war.
Die Frage war nur, wie der Banditenboss verschwinden, gleichzeitig aber unauffällig beweglich bleiben konnte. Sich wie eine Ratte zu verkriechen, war nicht seine Sache. Und je mehr er über die Angelegenheit nachdachte, desto mehr nahm sein Plan Gestalt an. Von seiner Person existierten keine Steckbriefe, lediglich vage Beschreibungen, die auf tausend und mehr Menschen passten.
Unbefangen ging Carter Grossman entlang der Mainstreet von Kinkaid und zermarterte sich den Kopf über eine spektakuläre Lösung seines Problems. Bereits zwei Stunden später – er saß auf der Veranda eines Saloons und gönnte sich einen Whiskey – kam ihm der Zufall zu Hilfe. Er wurde Zeuge einer Auseinandersetzung mit dem Townsheriff. Zwei Viehtreiber waren offensichtlich dabei, ihren Monatslohn auf den Kopf zu hauen, hatten Unmengen an Alkohol in sich hineingeschüttet und Streit angefangen. Als sie von der Waffe Gebrauch machten, schoss der Sheriff einen von ihnen nieder, überwältigte den zweiten und führte ihn ab.
Gelassen beobachtete Grossman den Zwischenfall, stürzte seinen Whiskey plötzlich überhastet herunter und folgte dem Sternträger und seinem Gefangenen. Nur wenige Sekunden nach dem Sheriff betrat er das Office, riss einen zweischüssigen Remington aus seinem Hosenbund und jagte dem Sternträger eine Kugel mitten ins Herz. Stumm brach der Mann zusammen.
Der Cowboy indes wusste nicht, wie ihm geschah. Er schüttelte sich, blinzelte hektisch und lallte. »Danke, Mann! Hast was gut bei mir!«
Wortlos warf ihm Grossman den Remington zu, den der Betrunkene in einem Reflex auffing. »Nichts zu danken«, brummte Grossman, zog seinen Colt und feuerte zweimal. Die Einschläge in Brust und Bauch ließen den Viehtreiber taumeln und für Sekunden aus seinem Rausch erwachen. Der Remington zuckte hoch, doch für Carter Grossman war es ein Leichtes abzudrücken, ehe ihn die letzte Kugel aus der kleinkalibrigen Waffe traf. Mit einem Loch in der Stirn sackte der Cowboy an der Wand zu Boden.
Die Tür des Sheriff’s Office wurde aufgerissen. Herein stürmten drei Bewaffnete, die Rifles auf Grossman gerichtet. Der ließ seinen Revolver fallen und hob die Arme. Die Situation jedoch klärte sich rasch.
»Sie haben den Randalierer umgelegt?«, fragte einer der Gewehrträger und senkte den Lauf. Die Augen des Mannes wanderten zwischen dem toten Sheriff und dem Cowboy hin und her.
»Ich konnte den Mord an dem Sheriff nicht mehr verhindern«, erwiderte Grossman und biss sich auf die Unterlippe. »Wäre ich nur zwei Sekunden früher eingetreten.«
»Machen Sie sich keine Vorwürfe«, erhielt er zur Antwort. »Sie haben entschlossen gehandelt und getan, was getan werden musste.« Nach einer knappen Pause fügte er hinzu: »Sind Sie verletzt?«
»Nein, ich habe Glück gehabt.« Immer noch spielte Grossman den von Selbstzweifeln Gequälten. »Wäre der Kerl jedoch nicht betrunken gewesen, hätte es möglicherweise anders ausgesehen.«
Der Sprecher des Trios legte seine Rifle auf der Schulter ab und strich mit seiner Rechten übers Kinn. »Ich heiße Walt, meine beiden Freunde Ed und Harold.« Nacheinander deute er mit seinem Zeigefinger auf die Männer. »Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet. Und jetzt, da unser Sheriff bei seinen Ahnen weilt, stellt sich die Frage, wer sein Amt übernimmt.« Es war eine stumme Aufforderung. Und sie war an Grossman gerichtet.
»Ich weiß nicht, ob ich der Richtige bin«, meinte er zaghaft, lenkte aber sogleich ein. »Andererseits will ich meine Vergangenheit ablegen und mich an einem neuen Ort niederlassen. Ich sehe keinen Grund, weshalb das nicht Kinkaid sein sollte.«
»Sie sind entschlussfreudig«, entgegnete Walt. »Einen Mann wie Sie brauchen wir in der Stadt. Wir werden am Abend eine Bürgerversammlung einberufen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie eine Menge Stimmen für sich verbuchen können.«
Grossman lächelte hintergründig. »Ich werde da sein.«
Nachdem die drei Männer die Leichen zum Undertaker geschleppt hatten, ging Carter Grossman zurück zum Saloon. Sein Vorhaben war besser als gedacht aufgegangen. Der Whiskey schmeckte ihm gleich eine Spur besser.
☆
Pine Grove lag in einem kleinen Tal, das von Bergkämmen umgeben war. Es schmiegte sich in die Landschaft, als wäre es schon immer ein Teil von ihr gewesen. Links vom Ort ging eine Baumreihe in einen sonnenbeschienenen Hain über, rechts erstreckte sich ein kleiner See. So malerisch der Anblick auch war, spürte Lassiter ein Gefühl der Unruhe in sich aufsteigen. Die Szenerie täuschte, das fühlte er deutlich.
Woher sich sein Unbehagen nährte, konnte der Mann der Brigade Sieben nicht sagen. Selbst als er über die Durchgangsstraße ritt, zeigte sich die Umgebung beschaulich und stand in direktem Widerspruch zu seinem Empfinden. Die Menschen gingen ihrer Arbeit nach, unterhielten sich und grüßten sogar freundlich, als Lassiter an ihnen vorüberzog. Und dennoch hielt sich der Druck in der Magengrube des Brigade-Agenten hartnäckig.
Auf Höhe des Marshalbüros blieb er stehen und fand eine erste Bestätigung für seinen eigentümlichen Eindruck. Die Fenster und Türen des Office waren vernagelt, Löcher in den Ziegelsteinen mit Mörtel versiegelt. Einen vorbeieilenden Passanten hielt Lassiter auf. »Hat Pine Grove keinen Marshal mehr? Wer regelt die örtlichen Belange?«
Der Fremde verhielt und schaute Lassiter argwöhnisch an. »Wir haben keine Verwendung für einen Marshal«, sagte er hastig. »Bei sonstigen Fragen wenden Sie sich ans Bürgerhaus.« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging er seines Weges.
Lassiter stieg aus seinem Sattel und nahm das Büro in näheren Augenschein. Die gespachtelten Mauerlöcher waren nichts anderes als Einschüsse. Allen Anschein nach hatte es einen Anschlag auf den Marshal gegeben. Und der musste nachhaltig dafür gesorgt haben, dass das Amt bis zum heutigen Tage unbesetzt geblieben war.
Lassiter lockerte eines der Bretter an den Fensterverschlägen und nahm es ab. Erst im Innenraum des Office zeigte sich das volle Ausmaß des Überfalls. Eine Bande eiskalter Killer hatte mit Revolvern und Schrotflinten gewütet. Faustgroße Löcher klafften in den Wänden; das Mobiliar war mit Bleieinschlägen übersät. Dunkle Flecken waren auf den Holzdielen zu sehen – Blut, das von mehreren Personen stammen musste.
In Lassiters Rücken klang eine Stimme auf. »Kein schöner Anblick, nicht wahr?«
Der Mann der Brigade Sieben drehte seinen Kopf zur Seite und erkannte einen mittelgroßen Brillenträger, dessen Augen durch die Gläser zu absurder Größe anwuchsen. Er ging leicht gebückt und stützte sich auf einen Krückstock. Offenbar war dieser aber nur schmückendes Beiwerk, denn der Mann hatte einen festen Stand.
»Was ist geschehen?«, fragte Lassiter. »Ein Racheakt?«
Der Bewohner von Pine Grove stellte sich als Winston vor und erwiderte: »Das trifft es wohl am ehesten. Marshal Lester hätte Grossman lieber nicht herausgefordert.«
»Wenn sich ein Ordnungshüter an die Fersen eines gesuchten Verbrechers hängt, kann man dies sicher nicht als Herausforderung bezeichnen«, warf Lassiter ein.
Winston lächelte. »Ganz so hat es sich auch nicht zugetragen. Lester hat einen aus der Bande geschnappt und Grossman wissen lassen, er solle ihn sich holen. Der Marshal hat tatsächlich geglaubt, er würde mit der Horde fertig werden. Aber er und die zehn Deputies hatten keine Chance.«
»Grossman ist in den Jail eingedrungen und hat alle erschossen«, vervollständigte Lassiter.
»Nein.« Winston schüttelte seinen Kopf. »Er hat Lester und die Deputies im Office zusammengetrieben, als sie bereits entwaffnet waren. Dann hat er ein aberwitziges Feuerwerk veranstaltet.«
Lassiter zog seine Brauen zusammen. »Er hat wehrlose Männer zusammenschießen lassen?«
»So und nicht anders ist es gewesen«, bestätigte Winston, wandte sich dem Huftrappeln am Ende der Straße zu und erstarrte. Nach mehreren Augenblicken des Schweigens hatte er es plötzlich eilig. »Ich muss zurück auf meine Schreibstube. Und Sie sollten Pine Grove den Rücken kehren, Mister. Dillon ist nicht zimperlich mit dem Colt, wenn ihm die Nase eines Kerls nicht gefällt.«
Dillon – das musste der Reiter sein, der einen Trupp von sechs Leuten anführte. Er kam mit ihnen im gemäßigten Galopp die Straße herunter und zügelte sein Pferd in Höhe von Lassiter. Neugierig beugte sich der Mann vor und schickte dem Brigade-Agenten einen flammenden Blick. »Haben Sie das Brett abgenommen?«, fragte er rau.
Lassiter nickte und spannte seine Muskeln unmerklich an.
»Und?«, erkundigte sich Dillon. »Wie gefällt Ihnen unser kleines Kunstwerk?« Die Häme troff regelrecht von seinen Lippen.
Grossmans Bande!, schoss es Lassiter durch den Kopf. Dillon war einer von ihnen. Aber der Großteil der Vogelfreien war nicht bei ihm.
»Hat’s dir die Sprache verschlagen?« Dillon grinste provozierend. »Oder nimmst du Anstoß an unserem Verhalten?«
»Weder – noch«, gab Lassiter zurück. »Ich bin Kunstliebhaber.«
Lachend wandte sich Dillon seinen Begleitern zu. »Habt ihr das gehört?«, grölte er. »Der Typ ist wirklich spaßig!« Im Anschluss ließ er seinen Rappen einen Schritt vorwärts machen, kam unmittelbar neben Lassiter zum Stehen und flüsterte: »Mach keine Probleme, Freundchen, dann bekommst du auch keine.«
»Ich werde mich bemühen …«
Abschätzig musterte Dillon sein Gegenüber. »Ich denke, wir haben uns verstanden.«
»… aber dummerweise«, führte Lassiter seinen Satz fort, »besitze ich ein hitziges Temperament.«
Dillons Miene gefror. Seine Männer kamen nun ebenfalls näher und nahmen Lassiter in die Zange. Es bedurfte nur eines Wortes ihres Anführers, um sie zu mordenden Bestien werden zu lassen.
Er sagte mehr als nur ein Wort. Und seine Männer handelten ohne Verzögerung.
☆
Mit breitem Grinsen heftete sich Carter Grossman den Sheriffstern an die Brust. Im Gemeindesaal von Kinkaid brandete Applaus auf. Der Bandenboss hob beide Arme, führte die Hände zusammen und ließ sich in Siegerpose feiern. Als die Jubelstimmung verebbte, straffte sich Grossman und richtete einige Worte an die Anwesenden.
»Ich bedanke mich für das Vertrauen, das Sie mir entgegenbringen«, begann er seine Rede. »Ich werde alles in meiner macht Stehende tun, um ihm gerecht zu werden. Seien Sie versichert, dass ich mich mit Leib und Seele in Ihre Gemeinde einbringen werde. Und lassen Sie sich des Weiteren sagen, dass ich über Frieden und Ordnung in dieser wundervollen Stadt wachen werde. Deshalb haben Sie mich gewählt. Nehmen Sie es als Versprechen: Ich werde Sie nicht enttäuschen!«
Die Beifallsbekundungen begannen von neuem. Grossman badete darin und schüttelte sich innerlich vor Lachen, wie arglos und leichtgläubig diese Menschen doch waren. Von nun an galt es, den Schein zu wahren und trotzdem den üblichen Geschäften nachzugehen.
»Mir war klar, dass Sie keine Schwierigkeiten haben würden, den Posten zu ergattern.« Es war Walt, der seine Glückwünsche übermittelte. Seine Freunde Ed und Harold standen dicht bei ihm und nickten Grossman aufmunternd zu.
»Es ist mir eine besondere Ehre«, meinte der Bandit. »Sie ahnen gar nicht, wie.«
»Dann werden Sie sicher mit uns das Tanzbein schwingen«, sagte Walt. »Es macht sich immer gut, wenn man sich als Neuankömmling unters Volk mischt.« Hinter vorgehaltener Hand flüsterte er: »Das Buffet mit Kuchen und Aufläufen ist angerichtet. Aber unter uns: Wir halten uns eher an Bier und Whiskey.«
Grossman lachte trocken auf. »An mir soll’s nicht liegen. Ich bin gerne bereit, mich den Gepflogenheiten anzupassen.«
Eine fünfköpfige Kapelle stimmte ihre Instrumente. Ein Banjo-Spieler zupfte eine flotte Melodie. Nach und nach setzten seine Mitspieler ein. Und schon forderten die ersten Männer die Frauen zum Tanz auf.
»Möchten … möchten Sie vielleicht auch tanzen?«
Carter Grossman schaute über seine Schulter und erkannte ein junges Ding mit streng gescheiteltem Haar und geflochtenen Zöpfen. Es hatte den Kopf gesenkt und blickte schüchtern auf den Boden, hob dann scheu den Blick und ließ ihr sommersprossiges Gesicht unter einem Lächeln erstrahlen.
Walt klopfte Grossman auffordernd auf die Schulter. »Nur zu!«, zischte er dem Outlaw ins Ohr. »Die kleine Kathy ist ein wilder Feger und immer auf der Suche nach einem Mann, der sie über die Matratze scheucht.«
Skeptisch schaute Grossman die unscheinbare junge Frau an. Er hatte eher den Eindruck, als handelte es sich bei ihr um eine protestantische Betschwester. Doch er ließ sich nicht großartig bitten, nahm ihre feingliedrige Hand in die seine und führte Kathy zur Tanzfläche.
Die Stunden vergingen wie im Flug. Grossman fand immer größeren Gefallen an seiner Partnerin. In ihren dunklen Augen lag so manches verheißungsvolle Versprechen. Und als sich der Abend dem Ende neigte, war von ihrer Schüchternheit nichts übrig geblieben. Sie schlang ihre Arme um Grossmans Hals und drängte sich dicht an ihn. Die zarten Knospen ihrer Brüste erblühten bei der Berührung zur vollen Pracht. »Vielleicht magst du noch ein bisschen mit mir alleine sein, Carter«, hauchte sie mit unschuldigem Blick.
»Nichts lieber als das«, raunte Grossman, legte einen Arm um Kathys Hüfte und verabschiedete sich von Walt und seinen Kumpanen. Auf der Straße verlor die junge Frau endgültig ihre Hemmungen. Stoßweise ging ihr Atem. Sie nahm Grossmans Gesicht in beide Hände und küsste ihn leidenschaftlich.
Der Gesetzlose mit dem Sheriffstern war nicht aus Eis. Heiß wallte das Blut durch seine Adern und sorgte dafür, dass zwischen seinen Beinen eine harte Wölbung entstand. Kathy quittierte es mit einem lasziven Lächeln und strich wie zufällig über die Ausbeulung.
»Gehen wir zu mir«, wisperte sie und streichelte über Grossmans Brust. »Ich kann es kaum noch erwarten, dass du mir zeigst, was für ein Mann du bist …«
Der intime Augenblick wurde mit nur wenigen Worten zerstört. »Hier versteckst du dich also«, knurrte ein tiefer Bass. »Es wurde eine Menge Blut vergossen, aber endlich habe ich dich gefunden …«
Carter Grossman versteinerte. Aber nur für einen Moment. Schützend stellte er sich vor Kathy und drängte sie sanft zurück. »Kennen wir uns, Mister?«, wollte er wissen.
Auf der Miene des Fremden erschien ein Ausdruck eisiger Kälte. »Ich kenne dich ! Und du kennst meine Nichte Prudence. Leider kann sie nicht bei uns sein, weil du und deine Männer ihre Eingeweide vor der Wells-Fargo-Station verstreut habt.«
Eine knappe Sekunde des Schweigens. Ein flüchtiger Lidschlag.
Dann zerrissen grelle Mündungsfeuer den Schleier der Nacht.
☆
»Macht den Clown fertig!«, schnitt Dillons Stimme durch die Luft.
Im Nu starrte Lassiter in die finsteren Mündungen von sechs Revolvern. Er warf sich zur Seite, riss seinen Remington aus dem Holster und gab einen Schuss auf den Rädelsführer ab. Gleichzeitig donnerten die Colts der Banditen, jagte ihm heißes Blei entgegen, das die Ziegel des Marshal’s Office aufspritzen ließ und hässliche Löcher in den Boardwalk hackte.
Dillon schrie auf. Die Vorderläufe seines Pferdes gingen in die Höhe. Unabsichtlich versperrte er seinen Männern die Sicht, sodass Lassiter sich in den Spalt zwischen Office und dem angrenzenden Gebäude rollte. Er hatte teuflisches Glück gehabt, keine Kugel abbekommen zu haben. Doch er wusste, dass die Auseinandersetzung gerade erst begonnen hatte.
Gehetzt spurtete er los, sah einen annähernd zwanzig Yards langen Schlauch vor sich und hoffte, dass er dessen Ende erreichte, ehe er hinterrücks niedergeschossen wurde.
»Reitet um den Block!«, kreischte Dillon. »Ich will diese Ratte an ihrem eigenen Blut ersticken sehen!«
Lassiter ahnte, dass Dillon ihm auf den Fersen bleiben würde. Im Laufen drehte er sich herum und gab mehrere Schüsse ab. Der Schatten des Banditenanführers zuckte zurück, was dem Brigade-Agenten wertvolle Sekunden verschaffte.
In seinen Ohren pochte das Trommeln von Pferdehufen. Wenn die Kerle ihn abfingen, ehe er die enge Gasse verlassen hatte, würden sie leichtes Spiel mit ihm haben.
Der Ausgang kam näher. Aber auch das Schlagen der Hufe, das sich kurzzeitig entfernt hatte, wurde wieder lauter. Die Rotte schoss pfeilschnell heran, um dem Mann der Brigade Sieben den Weg abzuschneiden.
Mit einem Hechtsprung katapultierte sich Lassiter ins Freie. Noch während er sich im Staub der Straße überschlug, brüllte sein Remington auf und fegte einen Reiter aus dem Sattel. Sofort ging Lassiter in die Hocke, stürzte vor und warf sich zwischen die herangaloppierenden Pferde. Die Hufe wischten über ihn hinweg, doch in dem Getümmel war es den Angreifern nicht möglich, gezielte Schüsse abzugeben. Und vor allen Dingen konnten sie ihre Reittiere nicht vorschnell zum Halten bringen und preschten über ihr Opfer hinweg.
Lassiter drehte sich auf den Rücken, lud in Windeseile drei Patronenkammern nach und eröffnete das Feuer. Und noch ehe die Männer eine Kehrtwende eingeleitet hatten, fielen bereits drei von ihnen zu Boden.
Dem Mann der Brigade Sieben blieb einzig die Flucht nach vorn. Er stieß sich vom Untergrund ab, rollte über einen der Toten hinweg und bekam dessen Revolver zu packen. Zweimal kurz hintereinander stach ein Mündungsblitz aus dem Lauf. Trotz der Hektik der Situation erreichte jede Kugel Lassiters ihr Ziel. Erstickte Schreie und heiseres Röcheln folgten. Dann waren auch die letzten beiden Outlaws niedergestreckt.
»Du bist gut«, sagte Dillon keuchend und wankte mit vorgestreckter Waffe aus der Gasse. »Aber jede Glückssträhne hat mal ein Ende …«
Lassiter drückte ab, doch der Schlagbolzen traf eine leere Kammer.
Dillon lachte rau. »Sieht so aus, als wäre ich an der Reihe …« Sein Zeigefinger spannte sich um den Abzug. »Grüß mir die Kameraden in der Hölle, Arschloch!«
Sekundenbruchteile dehnten sich zu Minuten. So jedenfalls kam es Lassiter vor. Eine Kugel hatte er nicht mehr in der Trommel, doch das war auch nicht erforderlich.
Schwungvoll holte er aus und warf den Colt seinem Widersacher entgegen. Der Kolben traf Dillons Stirn und schleuderte ihn zurück. Torkelnd suchte der Mann nach Halt, stolperte über seine Beine und krachte gegen eine Hauswand. Benommen zog er den Stecher seiner Waffe durch, feuerte blindlings um sich und traf dennoch nichts.
Lassiter brauchte den Geschossen noch nicht einmal auszuweichen. Er schoss in die Höhe und hielt auf seinen Gegner zu. Wie ein Dampfhammer schmetterte seine Faust in Dillons Gesicht, ließ den Kerl die Augen verdrehen und haltlos um sich schlagen. Mit eisernem Griff bekam Lassiter seinen Waffenarm zu packen, verdrehte ihn und drückte Dillon den Lauf seines eigenen Revolvers unters Kinn.
»Grossman!«, knurrte der Mann der Brigade Sieben. »Wo finde ich ihn?«
»Du … du bist kein Killer!«, entfuhr es Dillon. »Du wirst mich nicht töten!«
Starr sah Lassiter ihm in die Augen. »Verlass dich nicht drauf. Die Welt ist besser dran ohne Abschaum wie dich!« Seine Finger legten sich um Dillons Hand. Nur ein wenig Druck, und der Ganove würde sich selbst richten.
»Hör auf!«, röchelte Dillon. »Ich sag’s dir ja!« Ein Speichelfaden lief über seine Lippen. »Kinkaid! Grossman ist in Kinkaid!«
Unbarmherzig hielt Lassiter seinen Griff aufrecht. Er hatte keine Ahnung, wie der Anführer des »Blazing Bunch« aussah. »Wie erkenne ich ihn?«
Dillon zog seine Nase hoch. Vor seinem Gaumen vibrierte Schleim. »Wenn du vor ihm stehst, wirst du es wissen …«
Lassiter hatte nicht die geringste Chance zu reagieren. Dillons stierer Blick saugte sich an seinen Augen fest. Dann presste er seine Linke auf Lassiters Handrücken und versetzte ihm einen Stoß. Noch im selben Moment löste sich ein Schuss.
Warme Nässe spritzte dem Brigade-Agenten ins Gesicht. Dillons Körper wurde schwer und fiel in sich zusammen. Er kippte zur Seite und klatschte auf den harten Untergrund. Seine Waffe verblieb in Lassiters Hand.
Die Menschen in Pine Grove, die hinter ihren Fenstern gestanden hatten, strömten allmählich auf die Straße. Entgeisterte Blicke streiften die Leichen und das Blut, das sich unter den toten Körpern ausbreitete. Schweigend ging Lassiter einige Schritte zurück, hob seinen Remington auf und steckte ihn ein. Sein nächstes Ziel hieß Kinkaid. Dort würde er Grossman und dem »Blazing Bunch« ein Ende bereiten.
☆
Kraftvoll galoppierte der Mustang über die Prärie. Und als Percy Ridge die ersten Häuser von Pine Grove entdeckte, spürte er ein übermächtiges Triumphgefühl. Die Spur der Hundesöhne, die er verfolgte, führte genau dorthin. Dieses Mal aber würden sie ihm nicht entkommen. Dafür war der Pinkerton-Mann bereit, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Er wollte dieses Rattenloch ausräuchern und die Mörder seiner Nichte zur Hölle schicken.
Ridge vermied es, den Weg über die Mainstreet zu nehmen, umrundete das Nest und pirschte sich auf Schleichwegen heran. Sein Pferd ließ er in einer Gasse stehen, zog seinen Revolver und näherte sich vorsichtig der Durchgangsstraße. Es würde einfach sein, die Banditen aufzuspüren. Vermutlich ließen sie sich im Saloon volllaufen.
Auf der Mainstreet jedoch zeigte sich Percy Ridge ein ungewohntes Bild. Er sah einen Pritschenwagen, auf dessen Ladefläche mehrere Tote lagen. Im ersten Moment glaubte er, dass es sich um Opfer der Gejagten handelte, doch den Stimmenfetzen, die ihm entgegenwehten, konnte er entnehmen, dass er sich gründlich geirrt hatte. Den Finger am Abzug, entspannte Ridge den Hahn seiner Waffe und senkte den Lauf. Langsam ging er auf die Männer zu, die gerade dabei waren, die Ladeklappe des Fuhrwerks zu schließen.
»Wer sind diese Kerle?«, fragte der Pinkerton-Agent.
»Verdammtes Banditenpack!«, stieß einer der Anwesenden hervor. Er spuckte auf den Boden. »Die haben uns lange genug in Angst und Schrecken gehalten.«
Percy Ridge verengte seine Lider. »Habt ihr sie erledigt?«
Der Angesprochene schüttelte seinen Kopf und senkte verschämt den Blick. »Es wäre unsere Aufgabe gewesen, um unsere Frauen und Kinder zu schützen, aber wir haben nie den Mut dazu aufgebracht.«
»Wer war es dann? Wells-Fargo-Agenten? Eine Horde Deputies?«
»Nein«, kam es verhalten zurück. »Ein einzelner Mann. Ich habe noch nie einen wie ihn gesehen. Er hat gekämpft wie ein Löwe. Die Kugeln der Banditen konnten ihm nichts anhaben.«
Percy Ridge verzog seine Lippen zu einem schmalen Lächeln. Die Menschen neigten häufig dazu, einem erfahrenen Kämpfer übermenschliche Fähigkeiten anzudichten. Es war aber offensichtlich, dass es ein Mann gewesen sein musste, dessen Geschäft der Tod war.
Schweigend trottete Ridge auf den Pritschenwagen zu und öffnete die Klappe. »Ich will einen Blick auf die Leichen werfen«, erklärte er und stemmte sich auf die Ladefläche. Nacheinander schaute er sich die Toten an, doch der, den er suchte, war nicht darunter.
»Sind Sie jetzt zufrieden, Mister?«, klang die Stimme eines Mannes ungehalten auf. »Wir wollen diese Hundesöhne so schnell wie möglich unter die Erde bringen und vergessen, dass es sie gegeben hat.«
Ridge sprang auf die Straße und schaute den Sprecher an. »Dieser Mann! Wohin ist er geritten?«
»Nach Osten, Richtung Walker Lake.«
Das stimmte mit Percy Ridges Vermutungen überein. Anscheinend hatten es die Flüchtigen jedoch nicht geschafft, zum Rest der Bande aufzuschließen und waren in Pine Grove hängengeblieben. Grossman aber hatte sich offenbar abgesetzt. Und nur um den Anführer ging es Ridge.
Mit eiserner Entschlossenheit stapfte er zurück zu seinem Mustang und saß auf. Am Horizont sah er die Spitze des Mount Grant, der dem Südufer des Walker Lake vorgelagert war. Die untergehende Sonnenscheibe hatte sich bereits eine Handbreit hinter seine Gipfel geschoben.
Percy Ridge schnalzte mit der Zunge und ließ sein Pferd antraben. Meile um Meile legte er zurück, passierte den Walker Lake und ritt der nächsten Ortschaft entgegen. Weit nach Einbruch der Dunkelheit kam er in Kinkaid an.
Die Straßen waren wie leergefegt, die meisten Fenster in den Häusern dunkel. Lediglich am Ende der Mainstreet gab es ein hell erleuchtetes Gebäude, aus dem die Klänge einer Kapelle an Ridges Ohren drangen. Er hielt darauf zu, stieg aber etwa hundert Yards vorher ab und führte seinen Mustang zu einem Hitchrack. Damit folgte er einem inneren Impuls, der ihn zur Vorsicht mahnte. Und Percy Ridge hatte in den zwei Jahrzehnten seiner Tätigkeit bei der Pinkerton-Agentur gelernt, seinem Bauchgefühl zu vertrauen.
Gelassen zündete er sich eine Zigarette an und wartete. Worauf, das wusste er selbst nicht. Falls Grossman sich jedoch in Kinkaid befand, wollte Ridge das Überraschungsmoment nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Daher vermied er es vorerst, sich auf der Musikveranstaltung sehen zu lassen. Er nahm sich vor, in einer Scheune zu übernachten, um am nächsten Tag mit seinen Ermittlungen zu beginnen. Sicher würde ihm der hiesige Sheriff wertvolle Hinweise geben können.
Nach und nach leerte sich das Gebäude, und die Musik verstummte. Und plötzlich glaubte Percy Ridge, von einem Blitzschlag getroffen worden zu sein. Rasch suchte er Schutz hinter seinem Mustang und blinzelte über dessen Rücken hinweg hinüber zum Gemeindesaal.
Seine Augen hatten nichts von ihrer Schärfe verloren. Trotz der Dunkelheit erkannte er Carter Grossman im matten Schein der Petroleumleuchten, die ihr Licht durch die Fenster auf die Straße warfen.
Mit allem hatte Percy Ridge gerechnet, aber nicht damit, den Gesuchten derart schnell aufzuspüren. Und der spazierte, als könne er kein Wässerchen trüben, mit einer jungen Frau im Arm über den Vorplatz.
Reflexhaft stieß Ridges Rechte hinab zu seinem Revolver. Das war die Chance, der er entgegengefiebert hatte. Eine zweite würde er so schnell nicht bekommen. Und kaum waren Grossman und seine Begleitung auf Schussweite herangekommen, trat Ridge hinter seinem Pferd hervor.
Das Pärchen küsste sich innig, wurde aber rasch in die Wirklichkeit zurückgeholt. Heiße Genugtuung flammte in Percy Ridge auf, als er Grossman mit seinem Colt konfrontierte.