Lassiter Sammelband 1859 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1859 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2458, 2459 und 2460.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 400

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Jack Slade
Lassiter Sammelband 1859

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2019 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Boada/Norma

ISBN: 978-3-7517-6432-2

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Lassiter Sammelband 1859

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Lassiter 2458

Mit einem Stiefel in der Hölle

Lassiter 2459

Auf Ehre und Gewissen

Lassiter 2460

Allein gegen die Meute

Guide

Start Reading

Contents

Mit einem Stiefel in der Hölle

Das Land unter den Hufen seines Pferdes war wie Feuer. Risse zogen sich durch die trockene Erde. Die Sonne versengte die wenigen Halme, die abseits des Trails wuchsen. Ungefähr eine halbe Meile vor ihm kreisten Bussarde über einer kleinen Senke.

John Exley ließ sein Reittier anhalten und richtete sich im Sattel auf. Das Leder knirschte. Mit einer Hand hielt er den Zügel, während er die Augen verengte und einen merkwürdigen Klumpen im Staub gewahrte. Die Raubvögel stritten sich um etwas, das dort lag …

Um etwas? Der Farmer kniff die Augen zusammen. Nein, um jemanden ! Ein Mensch lag dort vorn im Staub – oder vielmehr das, was von ihm übrig war!

John Exley zerbiss einen Fluch auf den Lippen, spornte sein Pferd mit einem Zungenschnalzen an und ritt zu dem Toten hinüber. Es konnte keinen Zweifel geben: Der arme Teufel hatte sein Leben ausgehaucht. Furchtbare Wunden zeugten von den Raubtieren, die sich über ihn hergemacht hatten. Lediglich seine Statur verriet noch, dass es sich um einen Mann gehandelt haben musste. Staub haftete an seinen dunklen Haaren. Und seine Finger krallten sich in den Boden, als wollten sie ihm ein paar Tropfen kostbares Nass entringen.

Ob er hier draußen verdurstet war?

Sein Körper wies zahlreiche Wunden auf, aber die schienen von Schnäbeln und Krallen zu stammen. Vermutlich waren sie ihm erst nach seinem Tod zugefügt worden. Außerdem trug er nicht einen Fetzen Kleidung am Leib!

Die drei Bussarde flogen über John Exley hinweg und stießen schrille Rufe aus. Die Störung schien ihnen ganz und gar nicht zu behagen. Der Farmer zog seinen Colt aus dem Holster, lud durch und schoss einmal in die Luft. Mit kräftigen Flügelschlägen suchten die Vögel das Weite.

John Exley stieg vom Pferd und beugte sich über den Toten. Dabei fiel ihm der Siegelring an dessen linker Hand auf.

Zischend zog er den Atem ein.

Diesen Ring kannte er! Der gehörte dem Lehrer! Oliver Flint! Er hatte vor Jahren einmal erwähnt, dass es ein Erbstück war.

Grundgütiger, was hatte der Schulmeister hier draußen verloren?

Der Farmer rieb sich das bärtige Kinn.

Auf keinen Fall ist er einem Raub zum Opfer gefallen, überlegte er sich. Die Kerle hätten den schweren Goldring wohl kaum zurückgelassen. Was mache ich denn nun mit ihm? Eigentlich sollte ich weiterreiten, aber wenn ich ihn hierlasse, werden die Raubvögel zurückkommen und da weitermachen, wo ich sie gestört habe. Das kann ich nicht zulassen.

Der Farmer stapfte zu seinem Pferd, holte die Decke, die verschnürt am Sattel festgemacht war, und machte sich daran, den Lehrer hineinzuwickeln. Der Tote war schwerer, als er aussah. Schnaufend wuchtete John Exley ihn über den Rücken seines Pferdes. Dann schwang er sich wieder in den Sattel und ritt zurück zur Stadt.

Unterwegs prickelte sein Nacken.

Als würde er heimlich beobachtet!

Er spähte umher, konnte jedoch niemanden ausmachen.

Da ist nichts, ermahnte er sich selbst. Mir spielt nur die Hitze einen Streich. Die hat schon so manchen Mann um den Verstand gebracht. Womöglich auch unseren Lehrer. Ich kann mir jedenfalls keinen anderen Grund denken, warum er splitternackt hier draußen herumlaufen sollte.

Der Farmer zog seinen Hut tiefer in die Stirn und trieb sein Pferd an. Er sehnte sich nach einem Becher Kaffee, einem Bad und seiner Frau.

Vorher musste er den Toten abliefern. Diese Aussicht behagte ihm nicht. Sheriff Sutter würde wenig erfreut sein über seinen Fund. Ein toter Schulmeister warf etliche Fragen auf. Fragen, auf die der Sheriff Antworten finden musste.

Einen anderen Lehrer gab es im Umkreis von über dreißig Meilen nicht. Das bedeutete, die Schule würde auf unbestimmte Zeit geschlossen werden. Nun, in diesem Fall konnte ihm sein Junge auf der Farm zur Hand gehen. Hilfe kam ihm immer gelegen. Gerade jetzt, wo der Boden kaum noch eine Ernte hergab.

Wozu hatten sie eigentlich eine Bewässerung, wenn sie nicht funktionierte?

Er war an diesem Morgen unterwegs, um die Kanäle zu überprüfen. Bislang war das Resultat seines Ritts niederschmetternd: Die Wasserläufe waren so trocken wie seine Kehle. Irgendwo musste der Zulauf unterbrochen sein. Wo, das wusste er noch nicht.

John Exley liebte dieses Land – und verwünschte es zugleich.

Er war in Irland aufgewachsen und kannte das Nagen des Hungers. Seine Familie sollte es einmal besser haben, deshalb hatte er einen Ozean durchsegelt und sich hier, im Süden von Arizona, etwas Land gesichert.

Es war mühsam, dem Boden eine Ernte abzuringen. Dazu brauchte es ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem.

Gemeinsam mit anderen Farmern hatte John Exley Kanäle gebaut und den Fluss umgeleitet, um den Lehmanteil im Boden zu erhöhen und ihn fruchtbar zu machen. Vorbild waren ihnen dabei die Anlagen der lange untergegangenen Hohokam-Kultur gewesen. Und sie hatten Erfolg. Zumindest in den ersten Jahren gediehen unter ihren Händen Mais, Bohnen und Gerste. Sogar Baumwolle. Ihre Farmen versorgten den gesamten Landstrich mit Nahrung und Viehfutter. Seit einiger Zeit verdorrte ihnen der Boden jedoch unter den Händen.

Ein Zufall war das ganz sicher nicht.

Nein, jemand sabotierte ihre Bewässerung!

Nachts kamen maskierte Reiter, sprengten Zuflüsse und legten Kanäle lahm. Und sie schossen jeden nieder, der sich ihnen entgegenstellte. Danach verschwanden sie wieder. Wie Geister. Es waren jedoch keine Geister, sondern Menschen, und das bedeutete, man konnte sie bekämpfen. Die Frage war nur: Wer sollte das tun? John Exley und seine Nachbarn waren Kleinbauern und keine Soldaten. Es war die Sache des Sheriffs, ihr Tal sicher zu machen. Der sah dem Treiben jedoch tatenlos zu! Und sobald sie einen Kanal repariert hatten, wurde der nächste verschüttet. Es war eine Katastrophe!

Verbissen krampfte der Farmer die Hände um den Zügel.

Der staubige Trail führte ihn zurück zu seiner Farm.

John Exley hatte sein Haus zwischen zwei Berghängen gebaut, wo es geschützt war vor den gefürchteten Nordweststürmen. Bis zur Stadt waren es von hier aus nur wenige Meilen. Ein Wetterhahn drehte sich auf dem Dach des Farmhauses. Schweine suhlten sich vor dem Stall. Und eine Schar Hühner stob gackernd auseinander, als der Farmer sein Pferd vor dem Haus anhalten ließ.

Auf einer Leine flatterte frisch gewaschene Wäsche im Wind. Sein Sohn saß auf dem Rand des Ziehbrunnens und hielt eine Schiefertafel auf dem Schoß. Seine Zungenspitze lugte zwischen seinen Lippen hervor, während er andächtig drei Buchstaben malte: Hun.

»Fehlt da nicht noch etwas, Abel?«

»Was denn, Pa?«

»Ein t am Ende.«

Abel musterte das Geschriebene. »Huhn schreibt man mit t?«

»Huhn nicht, aber Hund. Kannst du das Wort aufschreiben?«

Abel nickte eifrig und schrieb: Hunnt . Seine Kreide kratzte über den Schiefer.

»Ich glaube, ein n reicht.« John Exley stieg von seinem Pferd und band es an. Mit dem Schreiben stand er auf Kriegsfuß, aber seine Frau war der Ansicht, dass sein Sohn lesen und schreiben und noch ein paar andere Sachen lernen sollte, ehe er die Farm übernahm, also schickten sie Abel in die Schule.

In diesem Augenblick schwang knarzend die Haustür auf.

»John! Du bist schon zurück?« Seine Frau kam aus dem Haus. Sie trug ihre jüngste Tochter auf dem Arm. Baby Molly ruderte mit einer winzigen Faust durch die Luft, als würde sie einem Vogel nachwinken.

Der Farmer beugte sich vor und tupfte ihr einen Kuss auf das Köpfchen, was sie zu einem freudigen Quietschen veranlasste.

Ihre Mutter schaute derweil zu der Deckenrolle, die quer über seinem Sattel lag, dann wurde sie blass. »Wen bringst du uns denn da?«

»Unseren Lehrer«, gab er rau zurück.

»Mister Flint?« Hanna bekreuzigte sich hastig. »Was ist mit ihm passiert?«

»Kann ich nicht sagen. Hab ihn gefunden, als ich den Kanal abgeritten bin. Da war nichts mehr zu machen. Er lag schon seit ein oder zwei Tagen da, würde ich sagen. Ich bin gerade auf dem Weg zum Sheriff, aber vorher habe ich einen Auftrag für Abel.« Er wandte sich an seinen Sohn. »Kannst du etwas für mich tun, Junge?«

»Was denn, Pa?« Sein Sohn sprang auf.

»Räum deine Tafel fort und hol dir einen Eimer. Damit gehst du raus zum Maisfeld und sammelst die Maiswurzelbohrer von den Pflanzen. Ich hab Unmengen von den Käfern gesehen, als ich vorhin da langgeritten bin. Wir müssen sie ablesen, ehe sie uns den kümmerlichen Rest von unserer Ernte wegfressen.«

»Ist gut, Pa. Ich kümmere mich darum.« Abel trottete ins Haus.

Seine Mutter wiegte Baby Molly auf ihrem Arm. »Wurde unser Lehrer ermordet, John?«, fragte sie leise.

»Schwer zu sagen. Eine Schusswunde konnte ich nicht entdecken, aber er ist in einem schlimmen Zustand. Also – wer weiß?« Der Farmer wiegte bedächtig den Kopf hin und her. Dann schwang er sich wieder in den Sattel. »Ich muss weiter. Vielleicht kann der Sheriff herausfinden, was passiert ist.«

»Bitte sei vorsichtig, John.« Hanna streifte den Toten mit einem scheuen Blick. »In unserem Tal geht etwas vor, und es ist gewiss nichts Gutes.«

Die Hitze hielt während der folgenden drei Wochen an. In Dry Gulch machten zahlreiche Gerüchte über den Tod des Lehrers die Runde, aber etwas Genaues wusste niemand. Auch Lizzie Ashford nicht, die die Stelle ihres Kollegen übernahm und an diesem Tag zum ersten Mal vor den Kindern an der Tafel stand.

Im Klassenzimmer war es so still, dass das Summen einer Hummel überlaut wirkte. Das Insekt flog gegen die Scheibe, in der vergeblichen Suche nach einem Ausgang.

Lizzie stand auf dem kleinen Podest vor ihren neuen Schülern und blickte in neunzehn verschlossene Gesichter. Auf der linken Seite des Raumes saßen die Jungen, auf der rechten die Mädchen. Jeweils zwei Schüler teilten sich einen Tisch. Nur ein Junge hatte ein Pult für sich allein. Lizzie schaute jedes Kind an. Dabei bemerkte sie kein Lächeln. Nicht einmal Neugier auf die neue Lehrerin. Nur … Angst!

Damit habe ich nicht gerechnet.

Lizzies Magen flatterte.

Sie nahm die Kreide und schrieb an die schwarz gestrichene Tafel: Mrs. Ashford. Dann wandte sie sich wieder zu ihren Schülern um. »Nun wisst ihr, wie ich heiße, Kinder. Natürlich möchte ich auch gern euren Namen erfahren. Nehmt eure Tafeln und die Kreide und schreibt ihn auf. Danach haltet die Tafeln hoch, damit ich sie sehen kann.«

Folgsam griffen die Kinder zu ihren Tafeln und begannen zu schreiben. Manche in Schönschrift, andere mit Krakeln, als würde ein Huhn über den Schiefer huschen: Sam Finch, Mary Bloom, Emmeline Watson … Die Kreide kratzte und quietschte.

Lizzie öffnete das Fenster. Die Hummel flog hinaus in den warmen Sonnenschein. Frische Luft vertrieb den staubigen Geruch, der sie an diesem Morgen empfangen hatte. Lizzie atmete einmal tief ein. Es war ihr erster Tag als Lehrerin, und sie wollte ihre Arbeit so gut wie möglich erledigen.

Sie war erst am vergangenen Nachmittag mit der Postkutsche angekommen. Ein Inserat im Chronicle hatte sie auf die freie Stellung in Dry Gulch aufmerksam gemacht. Vorher hatte sie noch nie von dem Ort gehört und erst auf der Landkarte nachschauen müssen, wo er sich überhaupt befand. Es war eine kleine Stadt im hügeligen Süden von Arizona. Der Boden war reich an Erzen, deshalb wurde in der Gegend Bergbau betrieben. In der Mainstreet reihten sich Geschäfte, ein Saloon und ein Bordell aneinander. Am Ende der Straße ragte ein Kirchturm auf. Etliche Farmen säumten die nahen Berghänge, als hätte der Herrgott sie willkürlich dorthin gewürfelt.

Hier in der Schule gab es neben dem Klassenzimmer zwei Wohnräume für die Lehrerin. Sie waren nicht groß, aber Lizzie war zuversichtlich, dass sie ihr neues Zuhause behaglich einrichten würde. Die Habseligkeiten ihres Vorgängers waren verkauft worden, um den Undertaker zu bezahlen. Was übrig geblieben war, hatte man seinen Verwandten oben im Norden geschickt.

Lizzie hatte Gerüchte gehört, was ihm zugestoßen war: Angeblich war seine Leiche von Wunden übersät vor der Stadt gefunden worden. Wie er gestorben war, wusste niemand, aber gnädig war sein Tod wohl nicht gewesen. Es hieß, er hätte keinen Fetzen Kleidung am Leib gehabt. Aber warum hätte er nackt durch die Wüste marschieren sollen? Das ergab für Lizzie keinen Sinn, deshalb nahm sie an, dass hinter seinem Tod irgendein Geheimnis stecken musste.

Ihre Schüler hielten inzwischen die Tafeln mit ihrem Namen hoch. Lizzie straffte sich und ging durch die Reihen. Sie hakte die Namen der Kinder auf der Liste im Klassenbuch ab, das sie auf ihrem Schreibtisch gefunden hatte. Ihr Vorgänger hatte eine Handschrift wie ein Steinhörnchen gehabt, aber die meisten Namen konnte sie entziffern. Gleich vier Jungen trugen den Nachnamen Kinney, und mit ihren sommersprossigen Gesichtern waren sie unverkennbar Brüder.

Ein blasser Junge in einem Hemd, in das er gut und gern zweimal hineingepasst hätte, ließ seine Kreide unschlüssig über seiner Tafel kreisen. Er konnte nicht älter als fünf oder sechs Jahre sein.

»Wie heißt du?«, fragte Lizzie ihn freundlich.

Er antwortete nicht. Dafür rutschten einige andere Kinder hinter ihren Pulten tiefer, als wollten sie sich am liebsten unsichtbar machen.

»Kannst du sprechen?«, fragte Lizzie.

Wieder schwieg er.

Dafür stach der Junge, der neben ihm saß, einen Finger in die Luft. Auf seiner Tafel stand Sam Finch.

»Ja, Sam?«

»Das ist Robby. Robby Grayson.«

»Vielen Dank, Sam.« Lizzie beugte sich zu dem schmächtigen Kind. »Robby, fühlst du dich nicht wohl?«

»Doch, Mrs. Ashford«, wisperte er.

»Kannst du mir deinen Namen aufschreiben?«

Anstelle einer Erwiderung füllten sich die Augen des Jungen plötzlich mit Tränen. Er schüttelte den Kopf. »Bitte schlagen Sie mich nicht, Mrs. Ashford.«

»Warum sollte ich dich denn schlagen?«

»Weil … weil …« Robby zitterte. Sein Blick wanderte zu dem Rohrstock, der neben der Tafel lehnte. Lizzie dämmerte, warum die Kinder so schüchtern wirkten: Sie erwarteten Schläge!

»Hat Mister Flint euch geschlagen, Kinder?«

»Oft. Wenn wir einen Fehler gemacht haben. Und manchmal auch, wenn wir keinen Fehler gemacht haben.« Robby senkte den Blick. »Er hat gesagt, der Rohrstock wäre der beste Lehrer.«

»Nun, diese Ansicht teile ich nicht. Fehler gehören zum Lernen dazu. Es ist wichtig, dass man daraus lernt.« Lizzie hielt Schläge für eine überholte Lehrmethode. Sie hatte das Buch eines Lehrers aus dem Osten gelesen, der sich gegen körperliche Züchtigung aussprach und argumentierte, dass Angst das Gehirn lähmte, während Freude es neues Wissen bereitwillig aufnehmen ließ. Das schien Lizzie einleuchtend.

Sie ging nach vorn, nahm den Rohrstock zur Hand und brach ihn vor der Klasse mitten durch.

Ihre Schüler sahen sie mit offenen Mündern an.

»Ich verspreche, euch nicht schlagen. Und ich möchte, dass ihr mir im Gegenzug auch etwas versprecht: Gebt im Unterricht euer Bestes. Einverstanden?«

»Einverstanden«, kam es einhellig zurück. Ein ungläubiges Strahlen breitete sich auf den Gesichtern der Kinder aus. Offenbar hatte sie gerade einige Herzen erobert.

Robby kritzelte auf seine Tafel: Roby Grysohn.

Nun, das war immerhin ein Anfang.

Lizzie sah ihre Liste durch.

»Es fehlt noch ein Junge namens Abel Exley. Ist Abel hier?«

Marys Arm ruckte hoch.

»Ja, Mary?«

Das Mädchen sprang auf. »Abel ist nicht da, Mrs. Ashford.«

»Dann werde ich nach dem Unterricht nach ihm sehen. Vielleicht hat seine Familie noch nicht gehört, dass die Schule wieder geöffnet hat. Kannst du mir sagen, wo seine Familie wohnt und wie ich dahin komme?«

»Sein Pa hat eine Farm außerhalb der Stadt. Sie müssen die Straße rechts an der Kirche vorbei in Richtung Norden nehmen, dann können Sie sie gar nicht verfehlen.«

»Vielen Dank, Mary.« Lizzie hatte den Satz kaum zu Ende gebracht, als von draußen ein dumpfes Krachen hereindrang.

Der Boden vibrierte wie unter Kanonendonner.

Ihr Blick flirrte zum Fenster. Grundgütiger! In der Ferne stieg eine Staubwolke auf. Wie nach einer Explosion!

Ihre Schüler begannen zu tuscheln.

Hatte es womöglich ein Unglück in einer der Minen gegeben?

Durch das offene Fenster drangen nun alarmierte Rufe herein. Menschen liefen auf die Straße. Die Kinder sprangen von ihren Plätzen auf und drängten hinaus, aber Lizzie hielt sie zurück.

»Setzt euch wieder hin und wartet! Ich werde nachsehen.« Sie raffte ihren langen Taftrock und eilte aus dem Schulgebäude.

Ein Reiter preschte an ihr vorbei und stoppte vor dem benachbarten Sheriff’s Office. Er war kalkweiß, als er aus dem Sattel sprang.

»Was ist geschehen, Jeff?« Ein bärtiger Mann trat aus dem Generalstore und stemmte seine Hände auf die Hüfte. »Was war das für ein Lärm?«

»Jemand hat den Kanal drüben bei den Feldern der Hausers gesprengt!«

»Was sagst du da? Wer war das?«

»Glaubst du etwa, ich hab nachgesehen? Ich bin da weg, so schnell ich konnte. Nun guck nicht so, Ephraim! Wärst du mutiger gewesen? Du weißt genau, wie es denen ergeht, die sich diesen Kerlen in den Weg stellen.«

»Also schlagen sie nun schon am helllichten Tag zu? Meinst du das damit?« Die Miene des Händlers verdüsterte sich.

Lizzie trat vor. »Darf ich fragen, von welchen Kerlen Sie eben gesprochen haben?«

»Darauf wollen Sie keine Antwort, Ma’am. Glauben Sie mir.« Der Storekeeper schüttelte bedächtig den Kopf. Für ihn schien die Sache damit erledigt zu sein, aber Lizzies Neugier war geweckt.

»Wer steckt hinter dieser Explosion? Jemand aus der Gegend?«

»Fragen Sie das besser nicht. Ich meine es ernst: Halten Sie sich da raus, wenn Sie an Ihrem Leben hängen.«

»Niemand von uns kann sich hier raushalten, Ephraim. Das hier, das geht uns alle an. Die ganze Stadt«, warf eine Frau ein, die hinter dem Storekeeper aus dem Laden kam. Unter ihrem dunkelblauen Musselinkleid wölbte sich ein Babybauch. Sie wandte sich an Lizzie. »Sie sind die neue Lehrerin, nicht wahr?«

»Ja, mein Name ist Lizzie Ashford.«

»Ich bin Gretchen Hoffmann und das ist mein Mann Ephraim. Wir betreiben den Generalstore. Bei uns kaufen die Farmer, was sie brauchen. Dabei erfahren wir auch einige Neuigkeiten. Seit einiger Zeit machen sich unbekannte Reiter an der Bewässerung der Farmen zu schaffen.«

»Sabotage, meinen Sie?« Lizzie zog scharf den Atem ein.

»Und ob. Niemand weiß, wer die Banditen sind. Sie verschwinden, bevor jemand sie aufhalten kann.«

»Und warum zerstören sie die Anlagen?«

»Weil die Farmen ihrem Auftraggeber im Weg sind. Ohne Wasser gehen die Ernten ein, die ersten Farmer geben auf und ziehen fort und andere werden folgen. Das ist das Ziel.«

»Von wem? Wer gibt so etwas Ungeheuerliches in Auftrag?«

»Nun …«

»Gretchen!«, mahnte ihr Mann.

Die Frau des Ladenbesitzers nestelte an ihrem Kleid. Die Antwort schien ihr auf der Zunge zu liegen, aber nicht über die Lippen zu wollen.

Dafür kam nun ein sehniger Mann aus dem Sheriff’s Office. Er mochte zwischen dreißig und vierzig Jahre alt sein und hatte ein blasses Gesicht mit einem dunklen Schnurrbart. An seiner Lederweste funkelte ein Stern.

»Geht nach Hause, Leute«, mahnte er. »Hier gibt es nichts zu sehen.«

»Von wegen«, moserte der Reiter, der soeben sein Pferd an den Holm vor dem Office anband. »Sehen Sie die Staubwolke da im Westen, Sheriff? Die Kerle haben wieder zugeschlagen. Es wird Wochen dauern, den Kanal zu reparieren. Mindestens zwei, wenn wir genügend Freiwillige finden, die dabei helfen.«

»Dann steht hier nicht herum, fangt an!«

»Und was tun Sie?«

»Ich erledige meine Arbeit!«

»Ach, wirklich?« Ein Mann in staubiger Arbeitskleidung kam näher und stieß seinen Hut aus der Stirn. »Ich glaube, Sie wollen uns überhaupt nicht helfen. Sie hätten die Kerle längst geschnappt, wenn Sie sich wirklich anstrengen würden.«

»Vorsicht, Mister Smith. Passen Sie gut auf, was Sie sagen.«

»Das hier ist ein freies Land, in dem jeder seine Meinung sagen darf. Und ich sage: Sie lassen sich fürs Wegschauen bezahlen! Die Miner sind es, die Sie vertreten, nicht wir Farmer!«

Gemurmel brandete auf. Mehrere Umstehende nickten.

Der Sheriff presste die Kiefer so fest aufeinander, dass man es knirschen hören konnte. Finster sah er sich um. »Das ist nicht wahr, und das wisst ihr auch.«

»Wir wissen nur, dass unsere Ernte verdorrt und unsere Familien hungern!«

»Dann sucht euch eine Anstellung in den Minen. Dort werden immer Arbeiter gesucht. Seht es endlich ein: Die Minen sind unsere Zukunft. Sie bringen gute Dollars nach Dry Gulch.«

»Keine Dollars, sondern den Tod!«, rief eine Frau. »Wir sind Farmer und keine Bergarbeiter. Unsere Männer sollen nicht im Berg ihr Leben lassen!«

»Das ist eure Entscheidung. Die Minen bringen den Wohlstand in unsere Stadt.«

»Und wem kommt der zugute? Nur den Eigentümern. Die Arbeiter können von Glück sagen, wenn sie die harte Arbeit fünf Jahre überleben. Das wissen Sie so gut wie wir.«

»Ich weiß nur, dass die Minen unsere Stadt voranbringen.«

»Sie klingen schon wie der alte Grayson selber, Sheriff«, mahnte der Storekeeper. »Die Männer in den Minen schuften. Sie brauchen mehr als Luft und Goldstaub zum Leben. Und wer sorgt für ihre Ernährung? Die Farmer pflanzen den Mais und die Gerste an. Das sollten Sie nicht vergessen.«

Zustimmende Rufe antworteten ihm.

Lizzie bemerkte, dass sich ihre Schüler in der offenen Tür des Schulhauses drängten und gespannt herüberschauten.

Trotz der Hitze fröstelte sie plötzlich.

Was braute sich da nur über der Stadt zusammen?

Das Wasser war brackig und stank zum Himmel!

Lassiter war einem Wildwechsel gefolgt, in der Erwartung, von den Fährten zu einer Wasserstelle gelotst zu werden. Diese Hoffnung hatte sich zwar erfüllt, aber er war auf kaum mehr als ein Schlammloch gestoßen.

Seinen Hengst schien das nicht zu stören. Der Appaloosa soff sich satt, ehe er die Mähne schüttelte und an einem stacheligen Mesquitebaum zupfte. Mahlend zerkleinerte er die Blätter zwischen den Zähnen.

Lassiter nahm einen Schluck aus der Wasserflasche. Sie enthielt nur noch einen Fingerbreit des kostbaren Nasses, was ihm zunehmend Sorgen bereitete. Er hatte damit gerechnet, unterwegs auf einen Fluss, einen Bach oder sogar auf eine Zisterne zu stoßen, wie sie in vergangenen Zeiten von den spanischen Eroberern angelegt worden waren.

Vergeblich. Er ritt durch eine unwirtliche, dem Menschen feindlich gesonnene Umgebung. Keiner Seele begegnete er auf dem Trail. Nur einem streunenden Kojoten, der sich im Angesicht des Reiters rasch verzog.

Lassiter nahm einen Schluck Wasser und verschloss die Flasche sorgsam, ehe er sie zurück an den Sattel hing. Weit und breit gab es nichts als Staub, dornige Büsche und Hügel. Hin und wieder stieß er auf ausgebleichte Knochen eines Tieres, das in der heißen Wüstenlandschaft sein Leben verloren hatte. Die Sonne versengte ihm den Nacken, als wollte sie ein Loch hineinbrennen. Und jeder Atemzug fühlte sich an, als würde er brennenden Kohlestaub in seine Lungen saugen.

Bis nach Dry Gulch hatte er noch einen Ritt von fünf oder sechs Meilen vor sich. Wenn er sich ranhielt, würde er vor dem Abend dort sein. Dann konnte er sich eine Unterkunft besorgen und herausfinden, wie er … Moment mal! Ein Fauchen in seinem Rücken ließ ihn herumwirbeln.

Offenbar war er nicht so allein hier draußen, wie er geglaubt hatte!

Lassiter zog den Remington aus dem Holster und lud durch.

Er hielt die Waffe schussbereit in der Faust, während er sein Gegenüber musterte.

Ein Puma hatte sich an ihn herangeschlichen! Lautlos, wie es nur eine Raubkatze zuwege brachte. Doch nicht der große Mann war es, auf den der Puma es abgesehen hatte. Nein, der stand ihm nur im Weg. Zu dem Wasser wollte er!

Lassiter begriff – und er wollte kein Tier erschießen, das nur seinem natürlichen Bedürfnis folgte. Allerdings hatte er auch keineswegs vor, sich von den messerscharfen Zähnen des Beutegreifers erwischen zu lassen.

Der Puma machte ein paar geduckte Schritte um ihn herum. Seine grünen Augen funkelten. Die Muskeln unter dem glänzenden braunen Fell spielten. Er schien jederzeit zum Sprung bereit zu sein.

Lassiters Pferd tänzelte nervös. Er hatte den Appaloosa oben in Tucson gekauft. Der Händler hatte ihn als ausdauernden Läufer angepriesen, dem die Hitze nichts anhaben konnte. Offenbar war die Schwäche des Tieres tatsächlich nicht die Wüste, sondern Raubtiere!

»Ganz ruhig«, murmelte Lassiter und griff nach dem Zügel, ehe ihm der Hengst durchgehen konnte.

Der Puma fauchte wieder.

»Heute nicht, hörst du? Heute wird keiner von uns sterben. Ich will dich nicht erschießen müssen.« Langsam schwang sich Lassiter in den Sattel. Dabei ließ er den Puma genauso wenig aus den Augen wie dieser ihn.

Der beißende Geruch des Raubtiers wehte herüber.

Der Appaloosa wieherte. Seine Instinkte rieten ihm zur Flucht. Lassiter drückte ihm die Schenkel in die Flanken. Mehr brauchte es nicht. Der Hengst machte sich lang und preschte über den staubigen Pfad. Im Handumdrehen blieb die Wasserstelle hinter ihnen zurück.

Lassiter ritt zurück zum Trail und weiter in Richtung Dry Gulch. Sein Weg führte ihn zwischen karg bewachsenen Berghängen hindurch. Hier und da reckten sich Kakteen in den blauen Himmel.

Nach einer halben Stunde zeichneten sich Maisfelder neben dem Trail ab. Die Pflanzen wirkten mickrig und verkümmert. Dünne Halme reckten sich in den flirrenden Himmel. Der Kanal am Rand des Feldes führte keinen Tropfen Wasser mehr.

Obendrein knallten plötzlich Schüsse!

Weit entfernt, aber unverkennbar das Peitschen von Bleigeschossen.

Es krachte mehrmals kurz hintereinander!

Dann wurde es wieder still.

Lassiter zögert nicht lange, sondern trieb sein Pferd an!

Aus Washington hatte er den Auftrag bekommen, nach Dry Gulch zu reiten und herauszufinden, wer die Farmen überfiel und die Bewässerung zerstörte. Lassiter sollte die Verantwortlichen finden und festsetzen. Ein Job, der von dem örtlichen Sternträger noch nicht erledigt worden war. Auch diesem Umstand sollte Lassiter nachgehen. Machte der Sheriff womöglich mit den Banditen gemeinsame Sache?

Lassiter wurde ausgeschickt, wenn es brenzlig wurde. Bei seiner neuen Mission sollte er unerkannt nachforschen, deshalb hatte er beschlossen, sich als Minenarbeiter auf Arbeitssuche auszugeben.

In der Ferne stieg eine Staubwolke auf.

Dort entfernte sich jemand in großer Eile!

Mehrere Reiter waren es. Wie viele genau, ließ sich über die Entfernung nicht ausmachen. Lassiter schätzte den Trupp auf fünf oder sechs Mann. Warum hatten die Kerle geschossen?

Endlich zeichnete sich eine Farm vor ihm ab: Das Haus war aus Adobeziegeln erbaut. Daran schlossen sich ein Stall und Äcker an, auf denen nur dürre Halme wuchsen. Schon von weitem war das Wiehern von Pferden zu hören.

Lassiter erreichte einen Corral und hielt an. Hinter der Umzäunung stemmte ein Rappe in einer Senke die Vorderhufe auf den Boden und versuchte vergeblich, aufzustehen. Seine Hinterbeine knickten immer wieder ein. Blut sickerte in den Staub. Wenige Yards weiter rechts lagen zwei weitere Pferde. Ebenfalls in ihrem Blut. Sie waren bereits tot. Als Lassiter genauer hinsah, bemerkte er, dass jemand die Sehnen an ihren Hinterbeinen durchschnitten hatte. Die armen Tiere waren verblutet. Was für Unmenschen taten so etwas?

Schaum flog vom Maul des einzigen verbliebenen Pferdes, während es seine Qual hinausschrie.

Lassiter presste die Zähne aufeinander, hob seinen Remington, zielte und schoss.

Das Brüllen des Tieres erstarb.

Lassiter schaute sich um. Im Staub zeichneten sich frische Hufabdrücke ab. Sie führten von der Farm weg.

Aber was war mit den Bewohnern?

Der große Mann glitt aus dem Sattel und hobbelte sein Reittier an. Dann schlich er vorwärts, bis er einen Frachtwagen erreichte und innehielt. Irgendetwas war hier faul. Und zwar gewaltig. Im Farmhaus regte sich kein Leben. Die Haustür stand weit offen, aber keine Menschenseele war zu sehen. Nur ein paar Hühner pickten im Staub.

Lassiter wartete eine Weile ab.

Als sich nichts tat, wagte er sich weiter vor. Geduckt bewegte er sich über den Hof und umrundete das Farmhaus. Vor dem Stall lagen drei Menschen im Staub. Eine Frau mit einem Baby, das sie noch im Tode festhielt. Sie lag auf der Seite. Ein blutroter Fleck zeichnete sich auf ihrem Rücken ab. Die Kugel musste sie von hinten erwischt haben, als sie vor den Angreifern geflohen war, und glatt durchgegangen sein. Auf diese Weise hatte das Geschoss auch das Baby getroffen.

Nur eine Armlänge entfernt lag ein Mann auf dem Bauch. Sein Körper war mit blutigen Einschusslöchern übersät. Die dunkelroten Abdrücke auf dem Boden verrieten, dass er mit letzter Kraft zu seiner Frau und seinem Kind gekrochen war.

Lassiter ging davon aus, dass niemand dermaßen schwere Verletzungen überleben konnte.

Da stieß der Farmer ein heiseres Ächzen aus.

Er lebte noch!

Lassiter kniete sich neben den Schwerverletzten und drehte ihn um. Das bärtige Gesicht des Mannes war grau und gezeichnet vom Tod. Sein Atem kam schwer und rasselnd. Er murmelte etwas, das nicht zu verstehen war.

»Wer hat Ihnen das angetan?«, fragte Lassiter schnell.

»Sie waren zu sechst … und maskiert …«

»Wissen Sie, wer sie geschickt hat?«

Der Farmer krümmte sich, und ein Schwall Blut ergoss sich aus seinem Mund. Zittrig reckte er den rechten Arm vor und deutete auf den Stall. »Klappe … Sh…hhh«, stieß er mit einem weiteren Blutstrom heraus. Dann lief ein Zittern durch seinen Körper. Sein Arm sackte in den Staub. Sein Blick brach. Er war tot.

Lassiter richtete sich auf und schaute zum Stall hinüber.

Wer oder was verbarg sich dort? Die Kerle, die die Farm angegriffen hatten? Wohl kaum. Die hatte er wegreiten sehen. Es sei denn, sie hatten jemanden zurückgelassen.

Vorsichtig näherte er sich dem Gebäude. Von drinnen drang das Grunzen von Schweinen. Lassiter stieß das Tor mit dem Lauf seiner Waffe auf. Der Geruch von Stroh, Dung und warmen Tierleibern schlug ihm entgegen. Im schummrigen Licht waren drei Schweine und ein Dutzend Ferkel zu sehen, die mit den Nasen im Stroh wühlten.

Was hatte der Farmer gesagt? Eine Klappe? Wo konnte die sein?

Der Blick des großen Mannes schweifte über Wände und Boden.

Da! Ein Metallring ragte aus dem Stroh auf.

Lassiter zog daran und öffnete eine Luke. Grobe Stufen führten in die Tiefe zu einem schmalen Gelass. Ein Versteck!

Zwei bleiche Gesichter schauten zu ihm herauf. Ein Junge von etwa sechs Jahren sowie eine junge Frau, die ihre Arme schützend um das Kind schlang. Ihre Augen waren weit aufgerissen vor Angst.

»Ich werde Ihnen nichts tun«, versicherte Lassiter. »Die Kerle sind weg.«

»S-sicher?« Der Junge klapperte mit den Zähnen.

»Ganz sicher. Kommt hoch.« Lassiter reckte einen Arm nach unten.

Die Frau zögerte und musterte ihn misstrauisch. Was sie sah, schien ihr Vertrauen einzuflößen, denn sie reichte ihm das Kind nach oben. Lassiter stellte den Jungen neben sich ab. Sie raffte ihren langen Rock und stieg die Stufen herauf. Oben angekommen, schob sie sich halb vor den Jungen. Ihre Lippen waren voll und rot und zogen seinen Blick an, als sie sie argwöhnisch nach vorn stülpte.

»Wer sind Sie?«

»Mein Name ist Lassiter. Ich war gerade auf dem Weg nach Dry Gulch, als ich die Schüsse gehört habe und hergeritten bin, um nachzusehen.«

»Also gehören Sie nicht zu … denen?« Sie blickte sich bang um.

»Nein, Ma’am, zu denen gehöre ich nicht. Die Banditen sind auf und davon. Verraten Sie mir Ihren Namen?«

»Lizzie Ashford. Und das ist Abel …« Sie hatte kaum ausgesprochen, als sich der Junge von ihr losriss und nach draußen stürmte.

»Ma? Pa?« Im nächsten Augenblick schrie er auf. »Ma! Pa! Mooolly!«

Sie folgten ihm. Abel kauerte neben seinen toten Eltern und rüttelte sie. »Wacht auf! Bitte! Wacht doch auf!«, stammelte er.

Lizzie Ashford sank neben dem Kind auf die Knie. Sie schlang die Arme um Abel, wollte ihn trösten, aber er schlug sie weg, schrie und weinte und war lange nicht zu beruhigen. Geduldig sprach sie mit ihm, bis seine Schluchzer leiser wurden und er sich von ihr in den Arm nehmen ließ.

»Was ist hier passiert?«, forschte Lassiter.

»Abel war nicht in der Schule, deshalb habe ich ihn besucht und ihm seine Schularbeiten gebracht. Plötzlich kamen fremde Reiter auf die Farm zugeritten. Sie hatten ihre Gesichter hinter Tüchern verborgen. Mister Exley hat Abel und mich im Stall versteckt. Er wollte noch seine Frau und das Baby holen, aber er … er hat es nicht mehr geschafft.« Tränen glitzerten in ihren Augen. Sie drückte Abel fester an sich.

Lassiter verstand. Die junge Lehrerin und ihr Schüler hatten das Massaker nur überlebt, weil die Reiter sie nicht gefunden hatten. War den Kerlen Lassiters Nahen aufgefallen? Hatten sie deshalb von der Farm abgelassen? Waren sie wirklich fort?

Während er noch darüber nachsann, bemerkte er eine neue Staubwolke in der Ferne. Von Westen näherte sich jemand!

Lizzie war seinem Blick gefolgt und presste eine Faust vor ihren Mund.

»Rasch, geht ins Haus«, mahnte Lassiter. »Verrammelt die Tür und lasst niemanden ein, ehe ich es euch sage!«

Die junge Lehrerin reagierte sofort und stürmte mit Abel an der Hand zum Haus.

Derweil zog Lassiter seine Winchester aus dem Scabbard und brachte sich in Stellung.

Der Reiter saß auf einem Pinto. Ein sehniger Mann mit einem dunklen Schnurrbart, der sich wie eine haarige Raupe auf seinem fahlen Gesicht ausnahm. An seiner staubgrauen Weste funkelte ein Sheriff-Stern.

»Das ist nah genug!« Lassiter war hinter dem Frachtwagen in Deckung gegangen. Der Lauf seines Gewehrs zeigte auf den Neuankömmling. Das blieb diesem nicht verborgen. Einen Fluch ausstoßend, ließ er sein Pferd anhalten.

»Nehmen Sie die Hände hoch, sodass ich sie sehen kann.«

»Was soll das?«, brummte der Reiter. »Wer sind Sie?«

»Zuerst will ich wissen, wer Sie sind und was Sie hier zu tun haben.«

»Mein Name ist George Sutter. Ich bin der Sheriff von Dry Gulch. Ich war gerade in der Nähe unterwegs, als ich Schüsse gehörte habe und nach dem Rechten sehen wollte.« Der Sheriff musterte den toten Farmer und seine Familie. »Sie haben mir einiges zu erklären, Mister.«

»Lassiter. Ich bin auf der Suche nach einem Job in einer der Minen. Und ich habe nichts mit den Morden zu tun.«

»Das kann ich Ihnen glauben oder auch nicht.«

»Er sagt die Wahrheit, Sheriff.« Lizzie kam aus dem Haus und hielt Abel dicht bei sich.

»Mrs. Ashford.« Der Besucher tippte sich an die Hutkrempe. »Darf ich die Arme jetzt runternehmen? Oder soll ich noch weiter Löcher in die Luft stoßen?«

Lassiter sah die Lehrerin an. »Ist er, wer er vorgibt zu sein?«

»Ja, das ist der Sheriff von Dry Gulch.«

Lassiter zögerte. Der Sheriff hatte etwas an sich, das ihm nicht gefiel. Vielleicht war es der verschlagene Blick unter den halb gesenkten Lidern, der verriet, dass sein Gegenüber zu allem ja sagte, solange der Preis stimmte. Vielleicht war es aber auch die Gleichgültigkeit, mit der er die drei Toten betrachtet hatte. Auf jeden Fall traute er dem anderen Mann nicht.

Lizzie erzählte dem Sheriff in knappen Worten, was sich während ihres Besuches zugetragen hatte. Dabei schimmerten Tränen in ihren blauen Augen, aber sie nahm sich zusammen und weinte nicht.

Der Sheriff stülpte die Lippen vor. »Haben Sie die Kerle erkannt, die das getan haben, Mrs. Ashford?«

»Leider nicht. Wir mussten uns schnell verstecken. Außerdem waren die Reiter maskiert. Mit Tüchern vor dem Gesicht.«

»Verstehe.« Der Sheriff stieg von seinem Pferd und beugte sich über die drei Toten. »Tja, da ist nichts mehr zu machen. Ich werde zurück in die Stadt reiten und ein paar Männer zusammentrommeln. Vielleicht erwischen wir die Kerle noch, die das getan haben.«

»Schicken Sie bitte auch den Undertaker«, bat Lassiter. »Wir können die Familie nicht so liegen lassen.«

»Sicher.« Der Sheriff schwang sich wieder auf seinen Pinto, tippte sich kurz an den Hut und drückte seinem Reittier die Fersen in die Flanken.

Wenig später war von ihm kaum mehr als eine Staubwolke zu sehen.

Lizzie strich ihren Rock glatt. »Er wird nichts finden«, murmelte sie.

»Warum glauben Sie das?«

»Weil es immer so abläuft. Ich lebe noch nicht lange in Dry Gulch, aber man erzählt sich, dass es schon seit Monaten so geht: Die Banditen zerstören Kanäle und erschießen Farmer, die das nicht hinnehmen. Und der Sheriff sieht einfach zu.«

»Sie denken, er erreicht nichts, weil er das gar nicht will?«

»Das glauben zumindest viele Menschen in der Stadt. Ohne Wasser gehen die Farmen zugrunde. Die ersten Farmer haben schon aufgegeben und sind weggezogen. Andere halten hartnäckig an ihrem Grund und Boden fest. Zumindest noch. Es heißt, ein Minenbesitzer würde ihr Land aufkaufen. Sein Name ist Ridley Grayson. Manche machen ihn sogar für die Morde verantwortlich.«

»Sie glauben, er ist der Auftraggeber der Banditen?«

»Möglich wäre das schon.«

»Verstehe.« Lassiter prägte sich den Namen ein. Diesem Mister Grayson würde er sobald wie möglich auf den Zahn fühlen! »Warum ist er so scharf auf die Farmen?«

»Weil der Boden reich an Erzen ist. Man sieht es dem staubigen Land nicht an, aber unter unseren Füßen versteckt sich ein Vermögen. Und Mister Grayson will es abbauen.«

»Und die Farmer?«

»Die sind ihm im Weg.«

»Ist er der einzige Minenbesitzer in der Gegend?«

»Nein, aber von den anderen verfügt niemand über die Mittel, um einen organisierten Trupp Bewaffneter aufzustellen. Mister Grayson dagegen hat genug Geld, um sich alles zu kaufen.«

»Sogar den örtlichen Sternträger?«

»Vielleicht auch den.«

»Ich verstehe.« Lassiter ließ sich das Gehörte durch den Kopf gehen. Nun hatte er einen Ansatzpunkt: Ridley Grayson. Bei dem Miner würde er mit seinen Nachforschungen beginnen.

Der kleine Abel klammerte sich derweil an seine Lehrerin.

»Was geschieht nun mit ihm?«, fragte Lassiter. »Hat er noch irgendwo eine Familie?«

»Ich weiß es nicht.« Lizzie sah ihren Schüler an. »Abel? Hast du noch einen Onkel oder Tanten?«

Abel senkte den Kopf und schwieg.

»Du kannst vorerst mit zu mir kommen«, sagte Lizzie sanft. »Wir werden uns umhören, ob du noch Verwandte hast, die sich um dich kümmern können. Ich werde rasch hineingehen und ein paar Sachen für dich einpacken.« Lizzie schien praktisch zu denken. Ihr feuchter Blick verriet, dass ihr die Ereignisse auf der Farm nahegingen, aber sie ließ sich nicht unterkriegen.

Während sie im Haus verschwand und Abel ihr wie ein Schatten folgte, nahm Lassiter die Laken von der Wäscheleine und breitete sie über den drei Toten aus.

Dabei schwor er sich, den Verantwortlichen für die Morde zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen. Ungestraft sollten die Kerle auf keinen Fall davonkommen!

Wenig später kam Lizzie mit einer Tasche aus Teppichstoff und Abel aus dem Farmhaus. Lassiter holte seinen Appaloosa und ließ Lizzie aufsteigen. Anschließend reichte er ihr das Kind nach oben und griff nach dem Zügel.

Dry Gulch lag in südlicher Richtung. Lassiter marschierte mit weit ausgreifenden Schritten und erreichte die Stadt, als sich die Sonne gerade anschickte, hinter den Hügeln zu versinken. Kühler wurde es deshalb aber noch lange nicht. Im Gegenteil. Es war heiß genug, um einen Mann innerhalb weniger Stunden unter freiem Himmel um den Verstand zu bringen.

Lassiter stapfte die Mainstreet hinunter. Und Lizzie Ashford wies ihm den Weg zum Schulgebäude. Sie passierten die Kirche und stießen auf zwei Männer, die sich breitbeinig auf der staubigen Straße gegenüberstanden und grimmig anstarrten.

»Ihr seid schuld am Tod dieser Familie!«, rief der Ältere der beiden – ein stämmiger Kerl mit einem Strohhut auf dem Kopf. Er hatte ein kariertes Hemd und eine mehrfach geflickte Arbeitshose an. Seine linke Faust schloss sich um den Stiel einer Forke. »Ihr Blut klebt an euren Händen!«

»Was redest du denn da, Pat? Wir haben niemanden umgebracht!«

»Und ob ihr das habt. Vielleicht nicht mit euren eigenen Händen, aber euer Boss hat seine Leute ausgeschickt.«

»Das weißt du doch gar nicht!«

»Und ob ich das weiß. So geht es schon lange: Wir Farmer sind euch ein Dorn im Auge. Dabei haben wir das Recht, hier zu leben. Wir Farmer sorgen für die Nahrung.«

»Ach ja? Und wie? Wo auf euren Feldern nicht einmal mehr die Mäuse satt werden?«

»Und wer trägt die Schuld daran? Euer Boss! Er bezahlt die Revolverschwinger, die unsere Bewässerung sabotieren.«

»So ein Unsinn! Mister Grayson tut nichts dergleichen.«

»Ach nein? Die Hand, die dich füttert, beißt du nicht, was, Jeff?«

»Wenigstens hab ich noch was zu beißen. Bei euch ist Schmalhans Küchenmeister. Was treibst du dich eigentlich so spät noch hier in der Stadt herum, Pat? Solltest du nicht auf deiner Farm den Schweinen die Ringelschwänze stutzen?«

»Ich kann ja bei dir anfangen, Jeff!«

»Versuch es ruhig.« Die Hand des Bärtigen fuhr an seinen Peacemaker.

»Hey, hey!«, ging Lassiter dazwischen. »Jetzt ist es genug!«

»Mischen Sie sich nicht ein, Mister«, fuhr ihn der Bewaffnete an. »Das hier geht nur Pat und mich was an.«

»Da täuschen Sie sich, Mister Kinney. Das geht die ganze Stadt an.« Lizzie hob das Kinn. »Mit diesen Streitigkeiten tun Sie sich keinen Gefallen. Die führen zu nichts Gutem. Haben Sie etwa noch nicht gehört, was auf der Exley-Farm passiert ist?«

Der Gescholtene zog den Kopf ein. »Doch. Ist ’ne verdammte Schande. Abel und seine Frau waren gute Menschen. Und die arme kleine Molly, die hatte überhaupt noch nicht gelebt. Ich hoffe, der Sheriff findet die Kerle, die das getan haben.«

»Ach hör doch auf, Jeff!«, schimpfte der Farmer. »Du weißt so gut wie ich, wer das getan hat: Die Handlanger vom alten Grayson waren das! Aber eines sag ich dir: Das schauen wir uns nicht mehr an. Wir sind Farmer und keine Soldaten, aber deswegen sind wir noch lange nicht wehrlos! Wenn dein Boss Ärger will, soll er ihn haben!«

Lange geht das nicht mehr gut.

Dieser Gedanke hielt sich hartnäckig in Lassiters Kopf. In Dry Gulch brodelte es. Die Stadt war wie eine Kiste Dynamitstangen mit brennenden Zündschnüren. Es war nicht die Frage, ob sie hochgehen würde, sondern wann .

Oder ließ sich die Katastrophe noch verhindern?

Er brauchte mehr Informationen, um das einschätzen zu können. Und die musste er sich beschaffen.

Der große Mann begleitete Lizzie und Abel zum Schulgebäude, das ihr gleichzeitig als Wohnung diente. Sie zeigte ihm das Hotel, in dem er unterkommen konnte, und lud ihn zum Dank für seine Hilfe zum Essen ein.

Sein Magen war leer nach dem langen Ritt, deshalb sagte er zu.

Er brachte sein Pferd im Mietstall unter, bezog ein Zimmer im Hotel und spritzte sich ein paar Hände voll kaltes Wasser ins Gesicht, ehe er sich noch einmal auf den Weg machte, die Mainstreet überquerte und an die Tür der Schule klopfte.

Lizzie öffnete ihm. Ihre Augen leuchteten auf, als sie ihn ansah. Sie lächelte und sah in ihrem mohnroten Kleid reizend aus.

»Abel schläft«, erklärte sie ihm. »Er war ganz erschöpft, deshalb habe ich ihn ins Bett gesteckt.«

»Das ist jetzt vermutlich das Beste für ihn. Eine Mütze voll Schlaf.«

»Ja, das denke ich auch.« Lizzie bedeutete ihm, hereinzukommen. Der Wohnraum über dem Klassenzimmer diente auch zum Kochen. Das Zimmer war klein, aber blitzsauber. Ein Ohrenbackensessel lud zum Verweilen ein. Die Fenster standen offen und ließen goldenes Sonnenlicht herein.

Lizzie hatte eine große Pfanne mit Eiern gebraten. Dazu gab es selbst gebackenes Brot, sahnige Butter und zum Abschluss Apfelkuchen.

»Den hat eine der Farmerinnen gebacken und vorbeigebracht«, erzählte sie beim Essen. »Es sind gute Leute. Die Farmer und auch die Minenarbeiter.«

»Und trotzdem schwelt es zwischen ihnen.«

»Weil jemand sie gegeneinander aufwiegelt.«

»Dieser Mister Grayson?«

»Möglicherweise.« Lizzie legte ihre Gabel hin. »Ich lebe noch nicht lange hier in der Stadt, aber eines weiß ich: Eine Entscheidung bahnt sich an, und es bräuchte ein Wunder, damit sie noch friedlich herbeigeführt werden kann. Menschen sind bereits gestorben. Heute hat der kleine Abel seine ganze Familie verloren. Und ich fürchte, das war noch nicht das Ende.«

Lassiter senkte zustimmend das Kinn, weil er diese Überlegung auch schon angestellt hatte. »Glauben Sie, der Tod Ihres Vorgängers war ein Unglück?«

»Oder Absicht, meinen Sie? Ich weiß es nicht, aber in einem Ort wie diesem muss man wohl vom Schlimmsten ausgehen. Es war schon sehr merkwürdig, wie er ums Leben gekommen ist. Er wurde ohne seine Garderobe in der Wüste gefunden.«

»Sie meinen, er war nackt?«

»O ja, und das war überaus seltsam. Es hat nicht zu ihm gepasst. Er soll sehr diszipliniert gewesen sein. Ein großer Freund des Rohrstocks. Er hatte wohl auch einen in seinem … Nun, Sie wissen schon.« Ihre Wangen röteten sich.

»Arsch?«, half Lassiter aus. »Vielleicht war er an dem Tag betrunken. Oder er hatte eine Wette verloren und war deswegen im Adamskostüm unterwegs.«

»Nein. Nicht Mister Flint. Er hat niemals auch nur einen Tropfen angerührt. So erzählt man es sich zumindest in Dry Gulch. Da sind sich die Leute einig.«

»Dann könnte auch ein Mord gewesen sein.«

»Durchaus. Sicher weiß das leider niemand. Es war wohl nicht mehr allzu viel von ihm übrig, als die Raubtiere mit ihm fertig waren.«

»Und Abel?« Lassiter rieb sich das Kinn. »Glauben Sie, Sie werden Verwandte für ihn finden?«

»Ich weiß es nicht. Falls er niemanden mehr hat, kann er bei mir bleiben.«

»Sie wollen ihn aufnehmen? Für immer?«

Lizzie nickte. »Ich habe mir immer Kinder gewünscht. Diese Wohnung ist zu klein für zwei Personen. Streng genommen, ist sie sogar zu klein für eine Person, aber sie ist auch nur für den Übergang. Ich möchte mir ein Haus vor der Stadt bauen lassen. Nicht groß, aber groß genug.«

»Das hört sich für mich nach einem guten Plan an.«

»Finden Sie?«

»Ja, aber das ist nicht von Belang. Ihnen und Ihrem Mann muss der Plan zusagen. Kommt er nach?«

»Nein.« Lizzie senkte den Kopf. »Mein Mann hat mich verlassen, weil ich keine Kinder bekommen kann. In seinen Augen bin ich keine richtige Frau. Er … Nein, er wird nicht kommen.«

Keine richtige Frau? Lassiter verbiss einen Fluch. Was für ein ausgemachter Unsinn! Lizzie war bildschön, warmherzig und mutig. Entschlossen hatte sie nach den Morden auf der Farm getan, was getan werden musste. Sie war bereit, ein fremdes Kind großzuziehen. Und der Mann, den ihre Sanduhrfigur kalt ließ, musste längst drei Yards unter der Erde liegen!

Als sie sich nun vorbeugte und sein Glas mit Limonade auffüllte, klaffte ihr Ausschnitt über ihrem runden Busen auf und gewährte ihm einen Einblick, der ihm das Beinkleid mächtig eng werden ließ.

Er bemerkte eine blutrote Schramme an ihrem Arm und deutete darauf.

»Sie sind verletzt«, stellte er fest.

»Was?« Sie folgte seinem Blick. »Oh! Das habe ich gar nicht bemerkt. Das muss passiert sein, als ich Abel beim Abstieg in den Keller geholfen habe. Es musste so schnell gehen, dabei bin ich wohl irgendwo hängen geblieben.«

»Wir sollten das saubermachen.«

»Das stimmt.« Lizzie blickte zu ihm hoch. Was sie sah, schien ihr zu gefallen, denn ihr Lächeln wurde wärmer.

»Soll ich das übernehmen?«

»Das wäre wirklich schön. Eine Schüssel steht da drüben. Im Krug ist sauberes Wasser.«

Lassiter trat an den Waschtisch, füllte Wasser in die Schüssel und nahm das saubere Leinentuch und tauchte es hinein. Lizzie rückte näher an ihn heran, sodass ihm der Duft ihres Parfums in die Nase stieg. Sie roch nach Kirschblüten und etwas, das schwer zu bestimmen, aber eindeutig weiblich war.

Behutsam tupfte er ihre Verletzung mit dem Tuch ab.

Lizzie hielt ganz still. Seine Berührung schien ihr zu gefallen, denn ihr Busen hob und senkte sich schneller, und die Röte in ihren Wangen vertiefte sich.

Sie leckte sich über die Lippen und sah ihm dabei tief in die Augen. Hitze schoss in seine Lenden und breitete sich wie ein Flächenbrand in seinem Körper aus.

Verdammt! Er wollte sie! Er wollte sie so sehr, dass er an nichts anderes denken konnte. Doch er beherrschte sich. Nahm ein Tuch und trocknete ihre Haut ab. Die Verletzung verschloss sich bereits und blutete nicht mehr. Mit etwas Glück würde nicht einmal eine Narbe ihre cremeweiße Haut zeichnen.

Als er fertig war, blieb er dicht vor ihr stehen.

Lizzie schien seine Nähe zu genießen, denn sie rückte nicht ab. Nein, sie kam sogar noch etwas näher und zog mit einer sanften Bewegung die Nadel aus ihren Haaren. Die herrliche blonde Pracht löste sich und fiel seidig weit über ihren Rücken.

Lassiter strich sanft über den anmutigen Schwung ihres Halses. Ihre Nähe löste ein heißes Pulsieren in seinem Inneren aus. Sie war wunderschön und er wollte sie spüren. So sehr, dass er kaum die Hände von ihr lassen konnte.

Da reckte sie sich auf die Zehenspitzen und presste ihm ihre Lippen auf den Mund. Sie schmeckte süß wie Honig. Ihr Körper schmiegte sich an seinen wie ein sinnliches Versprechen. Lassiter strich über ihren Rücken und nestelte an den Bändern, die ihr Kleid hielten. Raschelnd fiel der Stoff zu Boden.