Lassiter Sonder-Edition 13 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 13 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Lassiters Kopf war höchstens zehn Zentimeter von der lehmgelben Wasserfläche entfernt. Nur noch zehn Zentimeter lagen zwischen ihm und der Ewigkeit. Links und rechts von sich hörte er das entsetzliche Stöhnen der beiden Schwarzen, zwischen denen er hing.
Über Lassiters Lippen kam kein einziger Schmerzenslaut. Schweigend und verbissen kämpfte er um sein Leben. Er hatte noch nie aufgegeben, selbst in der ausweglosesten Situation nicht.
Seit einer guten Stunde hing er mit den beiden anderen am äußeren Ende des Baumastes, der weit über das trübe Wasser des toten Flussarms ragte. Mit dem Kopf nach unten, die Hände auf dem Rücken gefesselt...


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Seitenzahl: 187

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

LASSITERS BRANDMAL

Vorschau

Impressum

LASSITERS BRANDMAL

von Jack Slade

Lassiters Kopf war höchstens zehn Zentimeter von der lehmgelben Wasserfläche entfernt. Nur noch zehn Zentimeter lagen zwischen ihm und der Ewigkeit. Links und rechts von sich hörte er das entsetzliche Stöhnen der beiden Schwarzen, zwischen denen er hing.

Über Lassiters Lippen kam kein einziger Schmerzenslaut. Schweigend und verbissen kämpfte er um sein Leben. Er hatte noch nie aufgegeben, selbst in der ausweglosesten Situation nicht.

Seit einer guten Stunde hing er mit den beiden anderen am äußeren Ende des Baumastes, der weit über das trübe Wasser des toten Flussarms ragte. Mit dem Kopf nach unten, die Hände auf dem Rücken gefesselt ...

Anfangs war zwischen ihnen und dem Wasser eine Entfernung von anderthalb Meter gewesen. Aber das Holz hatte unter dem Gewicht der drei Männer immer mehr nachgegeben. Es würde auch noch weiter nachgeben. Immer mehr. Bis ihre Köpfe in das Wasser tauchten und sie nicht mehr atmen konnten.

Lassiter konnte das Flussufer sehen. Drüben auf der Sandbank brannte ein Feuer. Sieben Männer hockten um die Flammen, lachend und in ausgelassener Stimmung.

Die sieben hatten einen guten Grund zur Freude. Fünfzigtausend Dollar waren viel Geld. Es war genau die Summe, die sie Lassiter abgenommen hatten.

Sie tranken Whisky. Jedes Mal, wenn eine Flasche leer war, stand einer der Kerle auf und warf sie nach den drei Männern, die am Ast über dem Wasser hingen. Vor jedem Wurf wurden Wetten abgeschlossen.

Die erste Flasche hatte den Schwarzen getroffen, der dem Ufer am nächsten hing. Sie war dem armen Teufel mitten ins Gesicht geflogen. Er hatte furchtbar geschrien.

Beim nächsten Mal wurde der andere als Zielobjekt bestimmt. Wie aus den Gesprächen der Kerle zu entnehmen war, wollten sie eine ganz bestimmte Körperstelle treffen. Aber der Schwarze hatte Glück im Unglück. Das Geschoss traf lediglich seinen Bauch.

Gerade wurde die dritte Flasche geleert.

Lassiter sah, wie einer der Männer aufstand. Es war jener riesige Bartmensch, den die anderen Black nannten. Er war der Anführer der Horde, und Lassiter hatte ihm eine Anzahl gemeiner Tritte und Schläge zu verdanken.

Black wog die leere Flasche in der Faust und sagte etwas zu den anderen, das Lassiter nicht verstand. Raues Gelächter schallte durch die Nacht.

»Ich gebe euch tausend Dollar, wenn ich nicht genau die Stelle treffe«, grölte Black.

Dann warf er. Lassiter sah die Flasche im Mondlicht auf sich zu sausen. Aber er hatte keine Möglichkeit, auszuweichen.

Das Wurfgeschoss schlug hart zwischen seinen leicht gespreizten Oberschenkeln ein. Lassiter wand sich und stieß einen fast tierischen Laut aus. Wie ein heißer Blitz raste der Schmerz durch seinen Körper und schien ihn in zwei Hälften zu spalten. Rote Kreise tanzten vor seinen Augen. Minutenlang befand er sich in einem Zustand halber Betäubung. Es waren kostbare Minuten. Minuten, in denen Lassiters Kopf dem Wasser immer näher kam.

Lassiters Gedanken begannen wieder zu arbeiten, als seine Schädeldecke mit dem kalten Wasser in Berührung kam. Und weiter kämpfte er mit jener Verbissenheit, die nur die Hoffnungslosigkeit verleiht.

Er hatte schon mit diesem Kampf begonnen, gleich nachdem sie ihn an den Füßen aufgehängt hatten. Seine Hoffnung waren seine Stiefel. Er hatte sie von einem fahrenden Händler in Dakota gekauft. Es war das einzige Paar gewesen, das Lassiter einigermaßen passte. Ihr einziger Fehler, dass sie um eine Nummer zu groß für Lassiter waren. Lassiter hatte zwar geflucht, aber er hatte sie genommen. Nehmen müssen. Die Sohlen seiner alten Treter waren gerade noch so dick wie Zeitungspapier gewesen.

Seit er an dem Ast hing, war er froh, diese Stiefel zu besitzen. Sie waren seine letzte Chance.

Durch ständiges Zerren hatte er den linken Fuß schon so sehr gelockert, dass er ihn ohne Mühe aus dem Stiefel ziehen konnte. Dafür saß der rechte Fuß noch so fest wie in einem Schraubstock.

Die Kerle am Feuer waren inzwischen alle aufgestanden. Grinsend starrten sie auf ihre drei Opfer.

Lassiter drehte etwas den Kopf, sodass er den Schwarzen sehen konnte, der am äußersten Ende des Astes hing.

Es war ein Mann von knapp zwanzig Jahren. Er trug eine blaue, vielfach geflickte Leinenhose und ein Baumwollhemd, das einmal weiß gewesen war. Er hatte keine Stiefel an, lediglich ein paar billige Bastsandalen an den nackten Füßen. Die beiden Schlingen schnürten sich so fest um seine Knöchel, dass die Füße wahrscheinlich schon abgestorben waren.

Das schwarze Gesicht war schon fast ganz im gelben Wasser versunken. Der Junge bewegte sich nicht mehr. Er hatte den aussichtslosen Kampf aufgegeben.

Der andere Schwarze war größer als Lassiter. Einen halben Kopf etwa. Seine Nase befand sich schon unter der Wasseroberfläche. Er war gekleidet wie sein Kamerad. Leinenhose, Baumwollhemd, Sandalen. Wasser drang durch seine Nasenlöcher in den Rachen. Er riss immer wieder den Kopf hoch und spuckte Unmengen von Wasser aus. Es war ein verzweifelter Kampf.

Die sieben Kerle am Ufer ließen die vierte Whiskyflasche kreisen. Sie lachten wiehernd und grölend und schlossen Wetten ab, wer es am längsten durchhalten würde. Lassiter oder der Schwarze.

Lassiter zog langsam den linken Fuß aus dem Stiefel.

Der Ast hatte sich tiefer geneigt. Das Wasser bedeckte jetzt schon Lassiters Augen. Der Druck in seinem Kopf war kaum noch auszuhalten. In seinen Ohren dröhnte das Blut.

Jetzt!, dachte Lassiter. Jetzt oder nie!

Gleichzeitig durchzuckten ihn noch andere Gedanken. Bilder glitten blitzschnell vor seinem geistigen Auge dahin und verschwanden wieder.

Im Herbst hatte Lassiter in Wyoming zu einem günstigen Preis zweitausend Rinder gekauft. Zehn Dollar das Stück. Während der folgenden Wintermonate trieb er mit sieben hartgesottenen Reitern die Herde nach Norden, in die Black Hills. Es gab dort viel Gold, aber kaum noch Fleisch. Es gab kaum ehrliche Menschen, aber eine Unzahl von Banditen und Halsabschneidern.

Lassiter trieb das Vieh nicht auf einmal in das Minengebiet. Er wartete geduldig wie ein Indianer. Die Herde stand in einem vor Wind und Wetter geschützten Talkessel südlich der Diggercamps.

Im Oktober bot Lassiter zum ersten Mal Rinder zum Verkauf an. Man wollte ihm zwanzig Dollar pro Kopf zahlen.

Lassiter lachte nur und ritt zurück zu seinen Leuten.

Er wartete weiter.

Anfang November kam die erste Abordnung von Goldgräbern. Sie boten fünfundzwanzig Dollar und danach dreißig.

Lassiter blieb hart wie ein Granitbrocken. Die Digger zogen sich wutschnaubend in ihr Camp zurück.

Bald danach tauchten die ersten zweibeinigen Wölfe bei der Herde auf. Es waren Männer, die beim Goldschürfen wenig Glück gehabt hatten und jetzt auf andere Art versuchen wollten, zu Reichtum zu kommen.

Lassiters Männer fingen drei von den Kerlen ein. Lassiter ließ sie am Talausgang aufknüpfen. Nach dem alten, ungeschriebenen Gesetz der Weide. Auf diese Art verfuhr man seit Generationen mit Rinder- und Pferdedieben. Es diente als Abschreckung für diejenigen, die ebenfalls auf die dumme Idee kommen sollten, Lassiter etwas wegzunehmen.

Ende November – der erste Blizzard war gerade über das Land gefegt – griff eine Horde von Dakota-Sioux die Männer im Tal an. Die Indianer erbeuteten ganze fünf Rinder und zahlten dafür mit vier toten Kriegern und mindestens ebenso viel Verletzten.

Eine Woche später kam wieder eine Abordnung aus einem Diggercamp. Die Männer boten hundert Dollar für ein Rind, und Lassiter verkaufte. Die ersten hundert Tiere wurden aus dem Tal getrieben.

Nach und nach wurden auch die Bewohner der anderen Camps weich. Immer wieder verließen kleinere Herden das Tal.

Es dauerte allerdings bis in den Februar hinein, bis Lassiter das letzte Rind verkauft hatte.

Natürlich hatten sie auch Verluste zu beklagen. Ein halbes Dutzend Rinder wurde von Wölfen gerissen. An die hundert Tiere wurden von Rothäuten oder Rustlern geraubt, die mit zäher Verbissenheit immer wieder ihr Glück versuchten.

Trotz allem hatte Lassiter ein gutes Geschäft gemacht. Nach Abzug aller Unkosten blieben ihm selbst noch über fünfzigtausend Dollar. Und die sieben Männer, die mit ihm gekämpft hatten, waren ebenfalls um je zehntausend Dollar reicher.

Wie gesagt, es lagen verdammt schwere Monate hinter Lassiter, und nun sollte ihm der Lohn seiner Mühe auf einen einzigen Schlag abgenommen werden!

Lassiter hing jetzt schon bis über die Nase im Wasser. Es drang in den Rachenraum, und er konnte nur noch mit großer Mühe atmen.

Drüben am Ufer war es still geworden. Die Banditen standen in einer Reihe auf der Sandbank und beobachteten mit sadistischer Neugier Lassiters Todeskampf. Das Licht des Mondes und die Flammen des Lagerfeuers erhellten die schaurige Szenerie.

Verzweifelt stemmte Lassiter den rechten Fuß gegen den Ast, um den linken Fuß im Stiefel zu lockern. Seine Muskeln und Sehnen waren zum Zerreißen gespannt.

Der befreiende Ruck kam ganz plötzlich und auch für Lassiter völlig unerwartet. Wie ein Pfeil schoss er in die Tiefe, und das Wasser schlug klatschend über ihm zusammen.

Der Ast, an dem jetzt nur noch Lassiters Stiefel und die beiden Schwarzen hingen, schnellte wieder ein Stück in die Höhe. Die Köpfe befanden sich jetzt wieder einen halben Meter über der Wasserfläche. Aber nur in einem war noch Leben. Der andere hing da mit grauem Gesicht und verdrehten Augen, und aus seinem Mund und der Nase floss in dünnen Rinnsalen das Wasser.

Mit den auf den Rücken gefesselten Armen war das Schwimmen unter Wasser für Lassiter nicht einfach.

Erst als seine Lungen unter dem Luftmangel zu platzen drohten, stieg Lassiter kurz nach oben. Sein Kopf war noch nicht ganz aus der trüben, faulig riechenden Brühe des toten Flussarmes aufgetaucht, als auch schon die ersten Schüsse vom Ufer her aufdonnerten. Die Kugeln zischten dicht über Lassiter hinweg, oder sie schlugen links und rechts neben seinem Schädel ein und ließen kleine Fontänen aufsteigen.

Sofort tauchte Lassiter wieder unter. Mit kräftigen Beinstößen steuerte er das jenseitige Ufer an. Das Wasser wurde flacher. Lassiter spürte morastigen Untergrund unter seinem Bauch.

Schilf und allerlei Wasserpflanzen wucherten in dem Sumpf.

Lassiter kam langsam wieder an die Oberfläche. Zwischen dem wildwuchernden Pflanzengewirr konnten die Kerle auf der anderen Seite ihn nicht sehen.

Tief atmete er durch. Es dauerte Minuten, bis sich seine Lungen wieder einigermaßen beruhigt hatten.

Nur der unerträgliche Druck in seinem Schädel war noch geblieben. Durch das lange Nach-unten-Hängen hatte sich zu viel Blut in seinem Kopf angestaut. Dafür verspürte er in seinen Beinen und besonders in den Füßen kaum noch Leben.

Lassiter hörte Rufe auf der anderen Seite des Flussarms.

»Holt das Boot her!«

»Der kommt nicht weit!«

»Er ist noch nicht aus dem Wasser raus.«

»Vielleicht ist er schon ersoffen.«

»Ich will es genau wissen!« Das war Blacks Stimme. Lassiter würde sie nie im Leben vergessen.

Tief geduckt watete Lassiter durch den Schlamm ans Ufer. Als er an Land kletterte, peitschten schon wieder Schüsse auf.

Lassiter lief los. Laufen war lebenswichtig. Das Blut würde schneller zirkulieren und Wärme in seinen Körper zurückkehren.

Der Wald nahm ihn auf. Durch dichtes Unterholz brach er sich einen Pfad. Dornen zerkratzten sein Gesicht und zerfetzten die Kleidung. Lassiter merkte es kaum. Er spürte auch das höllische Brennen unter den Füßen nur im Unterbewusstsein. Er musste weiter. Der unbeugsame Wille, am Leben zu bleiben, hielt ihn aufrecht.

Einmal blieb er stehen und horchte zurück zum Fluss hin. Den Geräuschen nach zu schließen, legten die Verfolger gerade am diesseitigen Ufer an.

Lassiter überlegte nur kurz. In seiner jetzigen Lage, mit den gefesselten Händen, würde sein Vorsprung bald zusammenschmelzen. Die Verfolger hatten alle Trümpfe in den Händen. Wahrscheinlich kannten sie auch das Gelände wie ihre eigene Hosentasche. Lassiter dagegen befand sich hier auf völlig fremdem Gebiet.

Sein Entschluss war schnell gefasst. Er musste seine Taktik ändern. Sofort.

Statt weiter durch das dunkle Gehölz vom Fluss wegzustreben, wandte er sich nach rechts.

Lassiter schlug einen Bogen. Jetzt bewegte er sich nicht mehr so schnell und rücksichtslos durch das Gestrüpp wie vorhin. Er bemühte sich, möglichst wenig Geräusche zu verursachen.

Immer wieder blieb er stehen und horchte in die Dunkelheit.

Die Kerle waren keine Anfänger auf dem Gebiet der Menschenjagd. Auch sie glitten lautlos wie Raubkatzen durch den Wald. Nur hin und wieder verständigten sie sich durch gedämpfte Rufe.

Lassiter schlich weiter. Vor jedem Schritt tastete er mit dem Fuß den Boden ab, um eventuell herumliegenden trockenen Ästen auszuweichen. Das Knacken eines solchen Holzstückes wäre weit durch die Stille zu hören gewesen.

Der Fluss rückte näher. Wind trieb den modrigen Geruch des toten Gewässers auf Lassiter zu.

Der Wald wurde lichter. Mondlicht sickerte durch die Zweige. Jetzt konnte Lassiter endlich sehen, wie er gehen musste. Das war sehr vorteilhaft.

Er sah aber auch noch etwas anderes.

Wie aus dem Boden gewachsen stand plötzlich einer der Kerle vor Lassiter.

Der Mann war genauso überrascht wie Lassiter. Er stieß ein Knurren aus und öffnete den Mund, um seine Partner zu verständigen. Gleichzeitig griff er nach seinem Revolver, den er in einem offenen Holster auf der rechten Hüfte trug.

Lassiter griff sofort an. Er senkte den Kopf, bückte sich und rannte in den Kerl hinein wie ein Stier in die Muleta des Matadors. Sein harter Schädel bohrte sich in die Magengrube des Gegners. Der Mann taumelte zurück und prallte mit dem Hinterkopf gegen einen Hickorystamm. Es gab einen dumpfen Laut.

Der Mann wankte. Er japste nach Luft und ruderte mit den Armen hilflos in der Luft.

Lassiter setzte sofort nach. Auf die gleiche Art wie zuvor. Und wieder wurde der Kerl gegen den Hickory geschleudert.

Lassiter wollte ihm mit ein paar Fußtritten den Rest geben. Er kam nicht dazu.

In der Nähe klang ein leiser Ruf auf.

»Heh, Slade, was is'n los da?«

Lassiter ließ den Mann liegen und hetzte weiter auf den Fluss zu. Wie eine Schlange glitt er auf dem Bauch über das Ufer und verschwand im schilfbewachsenen Sumpf.

Mit den Zähnen brach er ein Schilfrohr ab. Mit dem Rohr im Mund arbeitete er sich weiter durch den Morast, bis er im hüfthohen Wasser lag.

Hier blieb er liegen. Es war zwischen einem umgeknickten, angefaulten Baumstamm und allerlei Gestrüpp, das an den Baumästen hängengeblieben war und sich darin verfangen hatte.

Lassiter blieb mit dem Kopf über Wasser, bis er die Verfolger am Ufer hörte.

»Ich wette, der ist wieder ins Wasser gegangen«, sagte jemand.

Und ein anderer meinte: »Red kein dummes Zeug, Slade. Du hast nicht richtig hingeschaut, nachdem er dich fertiggemacht hat.«

»Kein Streit jetzt!«, sagte Black mit seiner tiefen Stimme. »Los, sucht das Ufer ab. Vielleicht hat er sich im Schilf versteckt.«

Schritte platschten durch den Sumpf und das niedrige Wasser im Schilf. Lassiter ging mit dem Schilfrohr zwischen den Zähnen auf Tauchstation.

Die Männer kamen ihm bedenklich nahe. Er spürte es an den Bewegungen, die durch das Wasser gingen.

Eine halbe Stunde lag Lassiter auf dem Grund des Gewässers und bewegte sich nicht.

Dann war es still. Die Kerle hatten die Suche aufgegeben.

Lassiter kam langsam und vorsichtig wieder hoch. Etwas weiter flussabwärts stiegen die Männer in das plumpe Ruderboot und fuhren wieder zur anderen Seite hinüber.

Er hörte noch, wie Black sagte: »Weit kommt der Bursche trotz allem nicht. Die Lederschnur um seine Handgelenke ist viel zu stark. Ohne fremde Hilfe schafft er das nicht. Und ich wüsste keinen Menschen hier in der Nähe, der ihm helfen würde. Ho-hooo!« Sein Gelächter verebbte in der Nacht.

Lassiter spähte über das Wasser, in dem sich das Mondlicht spiegelte. Das Lagerfeuer auf der Sandbank war niedergebrannt. Die Körper der beiden Schwarzen schwangen leicht im Nachtwind.

Man konnte nicht sehen, ob sie noch lebten.

Die wilde Horde legte am Ufer an und ging an Land. Einer vertäute das Boot an einem Baumstamm. Dann verschwanden sie in der Nacht. Um die beiden Schwarzen kümmerten sie sich nicht mehr. Lassiter nahm an, dass die zwei tot waren.

Er wartete noch eine Weile, bevor auch er zum anderen Ufer schwamm. Lang streckte er sich dort auf der kalten Erde aus und entspannte sich. Allerdings nicht lange. Die Kälte trieb ihn wieder hoch. Er musste sich bewegen, wenn er sich in seinen nassen Kleidern keine Lungenentzündung holen wollte.

Verbissen zerrte er an seinen Handfesseln. Aber je wilder er sich bewegte, desto tiefer schnitt der zähe Lederriemen in seine Haut ein und schnürte das Blut noch mehr ab.

Black hatte recht gehabt. Aus eigener Kraft würde er sich kaum befreien können.

Aber so schnell gab Lassiter nicht auf.

Er ging zu der Stelle, wo das Feuer der Banditen gebrannt hatte. Mit dem nackten Fuß stocherte er in dem Haufen verkohlter Äste und warmer Holzasche.

Beinahe hätte er aufgeschrien. Vor Schmerz und aus dem Gefühl eines Triumphes heraus.

Unter der Asche war noch etwas Glut. Lassiter hatte sich die Zehen daran verbrannt, aber das ertrug er gerne.

Er sah sich um. Unweit vom Feuer lag noch vertrocknetes Reisig, das die Kerle vorhin herangeschleppt hatten. Mit den Füßen beförderte Lassiter ein paar der Äste zu der Feuerstelle, stieß das Holz in die Glut, legte sich bäuchlings daneben und blies mit aller Macht so lange, bis die Flammen wieder hochzüngelten.

Nun setzte sich Lassiter mit dem Rücken zum Feuer. Vorsichtig streckte er die gefesselten Arme den Flammen entgegen. Er orientierte sich nach der Hitze. Sie wurde höllisch.

Lassiter presste die Zähne zusammen, um nicht gellend in die Nacht hineinzuschreien.

Alle paar Sekunden zog Lassiter seine Hände von den Flammen zurück. Schweiß strömte über sein hageres Gesicht. Die Augen brannten, sein ganzer Körper schien wie ein Flammenmeer zu lodern.

Aber Lassiter hielt durch. Immer und immer wieder reckte er die Arme den Flammen entgegen. Und endlich, endlich war es geschafft. Mit einem letzten, heftigen Ruck sprengte Lassiter den Lederriemen. Er war frei, konnte sich wieder bewegen.

Er sprang auf und war mit drei Sätzen beim Wasser. Er legte sich auf den Bauch und tauchte seine Arme in das kühlende Nass. Lange blieb er so liegen, bis der Schmerz endlich etwas nachließ.

Dann betrachtete er seine Hände und die Unterarme. Überall Brandblasen und rohes Fleisch. Aber es war nicht so schlimm, wie Lassiter anfangs angenommen hatte.

Er konnte die Finger noch bewegen, und auch die Innenflächen der Hände waren einigermaßen verschont geblieben.

Lassiter konnte noch immer zupacken. Das allein war wichtig.

Er sah zu seinen beiden Leidensgefährten hinüber. Jetzt endlich konnte er sich um sie kümmern. Konnte er ihnen helfen, sofern es noch etwas zu helfen gab.

Er kletterte auf den Baum und kroch über den Ast nach vorne bis zu dem baumlangen Schwarzen, der dem Ufer am nächsten hing. Durch Lassiters Gewicht neigte sich der Ast wieder dem Wasser entgegen, und das Gesicht des Mannes tauchte wieder unter. Aber Lassiter blieb keine andere Möglichkeit, wenn er etwas für den armen Teufel tun wollte.

In fieberhafter Eile knüpfte er den Knoten auf, der den Strick hielt. Der Schwarze stürzte senkrecht in den Fluss. Lassiter sprang hinterher. Der Ast schnellte über ihm wieder in die Höhe.

Lassiter tauchte, bekam den Mann zu fassen und zerrte ihn an die Oberfläche. Er wog gut zweihundert Pfund. Es war ein hartes Stück Arbeit, bis Lassiter ihn endlich auf dem Ufer liegen hatte.

Dort legte er ihn einfach auf den Boden und holte gleich darauf den zweiten Mann auf dieselbe Art wie den ersten.

Der zweite Schwarze war tot. Das erkannte Lassiter auf den ersten Blick. Das Entsetzen und die Todesangst waren noch deutlich auf den erstarrten Gesichtszügen zu sehen.

Lassiter kümmerte sich um den anderen. Er schleppte ihn bis ans Feuer und rieb die Füße des Mannes mit heißer Asche ein. Es dauerte fast eine Stunde, bis er zum ersten Mal die Augen aufschlug.

»Massah...«, ächzte er, und er verdrehte die Augen, dass fast nur das Weiße darin zu sehen war.

»Nur ruhig, mein Junge«, sagte Lassiter sanft. »Du hast es geschafft.«

»Und Willy? Wo sein Willy?«, fragte der Mann in kehligem Kauderwelsch.

»Ihm kann niemand mehr helfen«, murmelte Lassiter. »Wer bist du, Junge?«

»Bin Sam«, erwiderte der Schwarze. »Wo sein Flusspiraten?«

»Kennst du diese Männer?«, fragte Lassiter.

Sam zögerte mit der Antwort. Lassiter sah ihm an, dass er Angst hatte.

Er fragte sich, was hier gespielt wurde. Noch hatte er nicht die geringste Ahnung von den Zusammenhängen.

Er war von Westen her gekommen und wollte zum Mississippi. Er hatte die Absicht, auf einem der schnellen, modernen Raddampfer nach Süden zu reisen. Bei Anbruch der Dunkelheit war er auf diesen toten Flussarm gestoßen und hatte sein Lager aufgeschlagen.

Lassiter hatte sich gerade neben dem niederbrennenden Feuer in seine Decken gerollt, als sie plötzlich da waren. Sie hatten es nicht schwer, ihn zu überwältigen. Bevor er sich aus den Decken gerollt hatte, krachte Blacks Gewehrkolben auf seinen Schädel.

Als Lassiter wieder zu sich kam, war er gefesselt. In seiner Nähe lagen die beiden Schwarzen, ebenfalls gefesselt.

Längst hatten die Kerle Lassiters Gepäck und seine Kleidung durchsucht und das Geld gefunden. Danach unterhielt sich jener Black mit Lassiter. Er wollte allerhand von Lassiter wissen.

»Wer hat dich geschickt? Wie heißt du? Woher kommst du? Du bist einer von diesen verdammten Agenten, die uns die Vereinigung der Dampfbootbesitzer auf den Hals gehetzt hat. Gib's zu, du Hund!«

Lassiter hatte nichts zuzugeben und schwieg. Er schwieg auch dann noch, als ihm Black das Gesicht zerschlug.

Schließlich hatte dann einer der Kerle gesagt: »Warum so viele Umstände mit dem Kerl, Black? Erledigen wir ihn, dann macht er uns keinen Kummer mehr!«

»Okay«, sagte Black grinsend. »Hängt ihn zwischen die beiden Schweine!«

Ein paar Minuten später hing Lassiter zusammen mit den beiden Schwarzen am Ast über dem Wasser. Er sah noch immer fragend Sam an, der sich jetzt aufgerichtet hatte.

»Was weißt du, Sam? Du musst mir alles sagen.«

»Nein, Massah, nein! Sam nicht dürfen reden. Sonst große Strafe von Flusspiraten über unser Dorf.«

»Wo wohnst du, Sam?«

»Dorf liegt zehn Meilen weiter nördlich. Direkt am Ol' Man. Ich nicht mehr sagen, Massah. Sam Angst, viel, viel Angst.«

Lassiter packte ihn an dem fadenscheinigen Baumwollhemd und riss ihn zu sich heran.

»Wer sind diese Flusspiraten, Sam? Wo leben sie? Warum habt ihr solche Angst vor ihnen?«

Sam wand sich in Lassiters Griff. Die Angst vor jenen Männern war stärker als Lassiters drohende Miene.

Lassiter erkannte das. Selbst Prügel würden hier wenig erreichen. Er ließ den Schwarzen los.

»Geh nach Hause und begrab deinen Freund Willy!«, sagte er rau. »Ich finde die Kerle auch ohne deine Hilfe, Sam.«

Der Schwarze stand auf. Er lud sich den Körper des Toten auf die Schultern und stampfte schwerfällig davon.

Lassiter legte noch etwas Holz auf das Feuer. Dann zog er sich aus, stieß eine Stange in die Erde und hängte seine Kleider daran auf. Splitternackt wie ein Flussindianer beim Kriegstanz hüpfte er um das Feuer, bis seine Kleider wieder einigermaßen trocken waren.

Im Morgengrauen machte er sich auf den Weg. Im Wolfstrab folgte er der deutlichen Fährte, die die sieben Kerle durch den Wald gezogen hatten.