Lassiter Sonder-Edition 14 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 14 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Lassiter glitt lautlos wie eine Schlange durch den glühend heißen Sand. Die mächtigen gelben und braunen Felstrümmer auf dem kleinen Hügel gaben ihm Deckung nach allen Seiten. Glück für Lassiter. Wahrscheinlich wäre er jetzt schon tot, wenn er sich nicht in allerletzter Sekunde auf diesen Hügel hätte retten können.
Seit vier Stunden lag er hier oben. Seit vier Stunden kämpfte er mit der Verbissenheit eines in die Enge getriebenen Timberwolfes um sein Leben.
Die Sonne stand senkrecht über ihm. Er konnte die Metallteile an seiner Winchester kaum noch mit bloßen Fingern berühren, ohne sich zu verbrennen. Vorsichtig spähte er über den Rand eines Felsens, sah eine Bewegung und feuerte sofort. Ein gellender Schrei war die Antwort. Am Fuße des Hügels bäumte sich eine Gestalt auf und fiel in sich zusammen.


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Seitenzahl: 179

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

WER LASSITER REIZT

Vorschau

Impressum

WER LASSITER REIZT

von Jack Slade

Lassiter glitt lautlos wie eine Schlange durch den glühend heißen Sand. Die mächtigen gelben und braunen Felstrümmer auf dem kleinen Hügel gaben ihm Deckung nach allen Seiten. Glück für Lassiter. Wahrscheinlich wäre er jetzt schon tot, wenn er sich nicht in allerletzter Sekunde auf diesen Hügel hätte retten können.

Seit vier Stunden lag er hier oben. Seit vier Stunden kämpfte er mit der Verbissenheit eines in die Enge getriebenen Timberwolfes um sein Leben.

Die Sonne stand senkrecht über ihm. Er konnte die Metallteile an seiner Winchester kaum noch mit bloßen Fingern berühren, ohne sich zu verbrennen. Vorsichtig spähte er über den Rand eines Felsens, sah eine Bewegung und feuerte sofort. Ein gellender Schrei war die Antwort. Am Fuße des Hügels bäumte sich eine Gestalt auf und fiel in sich zusammen.

»Nummer sieben«, knurrte Lassiter zufrieden und wechselte sofort wieder seine Stellung. Wütendes Gewehrfeuer knatterte auf, und eine Kugelgarbe zerhackte den Stein, hinter dem Lassiter eben noch gelegen hatte.

Er hockte sich in den Schatten eines Strauches und stopfte neue Patronen in das leergeschossene Magazin seiner Winchester. Es waren die letzten. Noch genau sechsmal konnte er schießen. Dann blieb ihm nur noch der Colt. Doch damit war er den mit Gewehren bewaffneten Gegnern hoffnungslos unterlegen.

Lassiter kroch zur gegenüberliegenden Seite und spähte durch einen Felsspalt in die Richtung, aus der er gekommen war. Drüben, etwa dreihundert Yard entfernt, hob sich ein schwarzer Fleck von der Erde ab. Es war Lassiters Rappe. Die Verfolger hatten ihm das Tier unter dem Hintern weggeschossen. Die Aasgeier hatten sich bereits um den Kadaver versammelt.

Lassiter suchte das Gelände Zoll um Zoll mit den Augen ab. Dort unten befanden sich seiner Schätzung nach noch zehn Mann. Sieben hatte er ausgeschaltet. Sie waren entweder tot oder aber so schwer verwundet, dass sie ihm nicht mehr gefährlich werden konnten.

Zehn Gegner und nur noch sechs Kugeln in der Winchester. Es war ein verdammt schlechtes Verhältnis.

Die Männer dort unten hatten das Schießen wieder eingestellt. Erneut herrschte Grabesstille. Jetzt warteten sie wieder. Sie beobachteten den Hügel und lauschten auf irgendein Geräusch. So verhielten sie sich, seit Lassiter sich hier verschanzt hatte. Wenn sie dann sicher zu sein glaubten, Lassiter erwischt zu haben, wagten sie sich vorsichtig hinter ihrer Deckung hervor. Und jedes Mal hatte Lassiter einen erwischt.

Er verhielt sich völlig regungslos. Er verspürte eine leichte Bewegung an seinem Stiefel, aber er bewegte den Kopf nicht, um nachzusehen. Vielleicht ging da nur eine harmlose Eidechse spazieren. Es konnte sich aber auch um eine Giftviper oder einen Skorpion handeln, einen von jenen großen gelben Wüstenskorpionen, deren Gift auch einen erwachsenen Mann für kurze Zeit lähmen konnte.

Lassiter hatte Nerven aus Eisen. Er stand so reglos wie ein indianischer Totempfahl. Nur ein sehr aufmerksamer Beobachter hätte erkennen können, dass er überhaupt atmete.

Eine halbe Stunde verging. Dann hörte Lassiter einen gedämpften Ruf.

»Wir haben ihn erwischt, Mr. Blood. Diesmal bin ich ganz sicher, dass ich ihn getroffen habe.«

»Hast du einen Schrei gehört, Sam?« Das war Sidney Bloods Stimme. Sidney Blood, Spezialagent von Wells Fargo, seit Jahren Lassiters unerbittlichster Jäger.

Die beiden gehörten fast schon zusammen wie ein unzertrennliches Paar. Das Schicksal führte sie immer wieder zusammen. Diesmal war der Spezialagent seit zehn Tagen hinter Lassiter her. Jetzt hatte er ihn endlich gestellt.

»Nicht jeder kommt noch dazu, einen Schrei auszustoßen, wenn er getroffen worden ist«, hörte Lassiter den Mann namens Sam erwidern.

Lassiter blickte in die Richtung, aus der die Stimme kam, konnte aber den Mann nicht entdecken. Minutenlang war es wieder still. Der Druck auf Lassiters Fuß war noch immer vorhanden. Jetzt spürte er, wie sich irgendein Reptil an seinem Stiefelschaft hochschlängelte. Lassiter konzentrierte sich auf das Gelände unter sich. Sein Gesicht war zur staubbedeckten Maske erstarrt. Nur die Augen schienen noch zu leben.

Nach endlos scheinenden Minuten meldete sich wieder Sidney Blood.

»Wenn du so sicher bist, Sam, dann komm doch mal hinter deiner Deckung hervor. Sollte Lassiter wirklich tot sein, kann er dir auch nicht gefährlich werden. Hast du Mut, Sam?«

»Na klar!«, protzte Sam und erhob sich hinter seiner Deckung. Er lebte noch eine knappe Sekunde. Lassiters Kugel traf ihn mitten in die Stirn.

Sofort nach diesem Schuss warf sich Lassiter zu Boden. Gleichzeitig erblickte er das Reptil, das sich jetzt bereits auf dem Oberschenkel befand. Es war eine Sandviper. Ihr flacher Kopf schnellte auf Lassiters Bauch zu. Die spitzen Giftzähne würden den Stoff seiner Lewishose mühelos durchschlagen. Und schon ein Bruchteil des Giftes, das sie verspritzen konnte, war tödlich.

Lassiter packte blitzschnell zu. Er bekam die Viper direkt hinter dem Kopf zu fassen und drückte fest zu. Das Reptil wand sich und zischte. Lassiter schleuderte es von sich. Es flog über die Deckung hinweg und musste irgendwo in der Nähe seiner Gegner landen.

Im gleichen Augenblick, als sich Lassiter zu Boden geworfen hatte, begannen seine Gegner wieder zu schießen. Die donnernden Schüsse verstummten Sekunden, nachdem Lassiter die Viper geworfen hatte. Dann stieg ein entsetzter Schrei in den heißen Nachmittag.

Lassiter blickte über seine Deckung und sah einen Mann, der wie verrückt auf der Stelle tanzte.

Er wusste, dass er diesmal die Kugel sparen konnte. Diesem Mann konnte keiner mehr helfen. Schon nach kurzer Zeit verfärbte er sich im Gesicht. Schaum trat ihm vor den Mund, und er schrie noch schlimmer als zu Anfang.

Niemand seiner Partner kam ihm zu Hilfe. Sie alle wussten, dass es tödlich war, wenn man die Deckung verließ.

Lassiter hatte seinen Standort schon wieder verändert und hielt jetzt kurze Zeit die Nordseite des Hügels unter Kontrolle. Von drei Seiten belagerten sie ihn. Von Süden, von Osten und von Norden. Auf der Westseite befand sich niemand. Sie hatten es zwar versucht, auch von dort an ihn heranzukommen, hatten es aber sehr schnell wieder aufgegeben. Nach Westen hin begann eine endlose, tafelglatte, weißglitzernde Ebene, ein Ausläufer der großen Salzsee-Wüste.

Dort fanden die Angreifer keinerlei Deckung. Die ersten beiden, die dort aufgetaucht waren, hatten ihren Leichtsinn mit dem Leben bezahlt. Lassiter hatte sie abgeschossen wie Hasen. Jetzt lagen sie da, und die Geier beschäftigten sich bereits mit ihnen.

Lassiter veränderte immer wieder seine Position. Es war sein Vorteil, dass sie nie wussten, wo er sich gerade befand. Und wieder begann dieses nervenzermürbende Warten.

Die Stunden verrannen. Hin und wieder fielen Schüsse von Seiten der Belagerer. Es war die einzige Abwechslung.

Die Wasserflasche war noch zur Hälfte gefüllt. Lassiter verdrängte das Verlangen zu trinken. Er musste mit der kostbaren Flüssigkeit haushalten. Er würde erst dann einen kleinen Schluck trinken, wenn er es überhaupt nicht mehr aushalten konnte.

»Lassiter!«, rief Sidney Blood. »Ich mache Ihnen ein Angebot. Wenn Sie bereit sind, zu verhandeln, so sagen Sie es!«

»Gehen Sie zum Teufel, Blood!«, gab Lassiter rau zurück. »Halten Sie mich etwa für schwachsinnig?«

»Sie kommen von da oben nicht mehr weg!«, rief Blood. »Sie haben zwar einen Teil meiner Leute ausgeschaltet, aber wir sind immer noch stark genug. Der Hügel ist umstellt. Hier kommen Sie niemals durch. Verlassen Sie Ihr Versteck, Lassiter! Seien Sie vernünftig. Wir beide verplempern hier nur unnötig unsere Zeit.«

Lassiter lachte nur. Der Spezialagent Sidney Blood hatte nur zum Teil recht. Nach einer Seite hin hatte er keine Leute postiert. Zur Salzsee-Wüste hin. Lassiter war fest entschlossen, es zu versuchen. Lieber verdursten, als gehängt zu werden.

»Geben Sie sich keinen Illusionen hin, Lassiter!«, rief Blood. »Die Salzwüste schaffen Sie nicht.«

Lassiter schwieg. Die Sonne verschwand hinter dem Horizont. Fast ohne Übergang fiel die Dunkelheit über das Land.

Lautlos zog sich Lassiter zurück. Nach Westen. Hinein in die Salzwüste, die unter dem sternenbedeckten Nachthimmel starke Ähnlichkeit mit einer Winterlandschaft hatte. Die Salzkörner knisterten unter Lassiters Stiefeln. Er hatte erst eine halbe Meile zurückgelegt, als hinter ihm das Geschrei seiner Feinde aufbrandete. Sie hatten seine Flucht entdeckt.

Ohne Hast schritt er weiter. Jetzt hatte er wieder Bewegungsfreiheit. Jetzt zwang er den anderen seine Art zu kämpfen auf. Er blieb stehen, als er Hufschlag hörte. Er lächelte zufrieden. Sidney Blood tat genau das, womit Lassiter gerechnet hatte. Er ließ die Männer des Aufgebots ausschwärmen. In breiter Kette, mit einem Abstand von hundert Schritt zwischen den einzelnen Reitern, zogen sie hinter Lassiter her.

Auf dem harten Salzboden hatte Lassiter nur eine kaum sichtbare Spur hinterlassen. Bei Tageslicht wäre sie nur sehr schwer zu finden gewesen. Jetzt in der Nacht sah man sie überhaupt nicht.

Lassiter legte sich flach auf den Boden. Er wurde eins mit dem Schatten einer Bodenwelle. Die Reiter rückten näher. Sie verständigten sich durch Rufe. Die Treibjagd auf Lassiter war in vollem Gange.

Er sah die ersten Reiter schemenhaft über den hellen Untergrund der Salzwüste auftauchen. Einer von ihnen hielt direkt auf ihn zu. Als das Pferd bis auf zwei Schritt an Lassiter heran war, sprang er auf. Er packte mit der Linken die Zügel und stieß mit der Rechten den Revolver ins Ziel.

Im Krachen der Detonation stürzte der Reiter aus dem Sattel. Das Pferd versuchte auszubrechen. Ängstlich wiehernd steilte es. Lassiter zwang es mit harter Faust nach unten. Er war mit einem gewandten Sprung im Sattel und schlug dem Tier die Absätze in die Flanken.

Das Pferd streckte sich. Lassiter merkte sofort, dass er ein erstklassiges Tier erwischt hatte.

Schreie wurden hinter ihm laut. Gewehre donnerten auf, und Mündungsblitze durchzuckten die Dunkelheit.

Lassiter duckte sich tief auf den Pferdehals. Kugeln zischten an ihm vorbei oder schlugen in die Salzkruste. Einmal blickte Lassiter sich um. Wie ein riesiger schwarzer Klumpen machte sich die Meute aus, die jetzt geschlossen hinter ihm herjagte.

Er hielt sein Pferd an. Außer seiner eigenen Winchester hatte er jetzt noch das Gewehr des Mannes, das im Scabbard steckte. Lassiter hob seine Winchester an die Schulter und feuerte die restlichen fünf Kugeln in den schwarzen Reiterpulk hinein.

Es war, als seien die Verfolger gegen eine unsichtbare Wand gerannt. Pferde überschlugen sich im vollen Lauf. Andere Pferde rannten gegen sie und stürzten ebenfalls. Reiter wurden aus den Sätteln geschleudert. Schreie voll ohnmächtiger Wut gellten durch die Nacht zu Lassiter hinüber.

Er gab dem Pferd die Zügel frei und ritt weiter. Er war davon überzeugt, dass es einige Zeit dauern würde, bis Sidney Blood die Verfolgung wieder aufnehmen konnte. Vielleicht war der Agent selbst schon unter den Toten oder den Verwundeten.

Lassiter ritt nicht zu schnell und auch nicht zu langsam. Bewusst sorgte er dafür, dass das erbeutete Pferd relativ frisch blieb. Er wusste genau, dass die Jagd noch längst nicht beendet war. Ob Sidney Blood noch lebte oder nicht, das spielte dabei keine Rolle. Falls es ihn erwischt hatte, würde Wells Fargo sofort einen anderen Mann oder auch mehrere auf Lassiters Fährte setzen.

Bei dem Gedanken daran wünschte sich Lassiter, dass Sidney Blood noch am Leben sei. Bei Blood wusste er, woran er war. Er kannte diesen Gegner seit Jahren. Seine Stärken und seine Schwächen. Solch ein Gegner war längst nicht mehr so gefährlich.

Schon ein paar Mal hätte Lassiter Gelegenheit gehabt, den Agenten zu töten. Aber er hatte darauf verzichtet. Ein lebender Sidney Blood war ihm lieber.

Lassiter lenkte das Pferd in südliche Richtung. Es war einer jener zähen, grauen und struppigen Mustangs, die in der Wüste aufwachsen. Sie machten längst nicht so schnell schlapp wie normale Pferde.

Ab und zu hielt Lassiter an und lauschte in die Nacht hinein. Hinter ihm war nichts mehr von Verfolgern zu hören. Vorerst schienen sie aufgegeben zu haben.

Trotzdem gab sich Lassiter keinen Illusionen hin. So schnell gab Wells Fargo einen Kampf nicht verloren. Und außerdem waren da noch die Mormonen aus Salt Lake City, die Sidney Blood begleiteten. Auch sie hatten Lassiter den Tod geschworen.

Er grinste unwillkürlich, als er noch einmal alles durchdachte. Eine Laune des Schicksals hatte ihn in die Hauptstadt der Mormonen getrieben. Keine bestimmte Absicht. Er wollte weder einen Transport überfallen noch eine Bank ausrauben. Er wollte sich nur einen oder zwei Tage ausruhen und dann weiterziehen.

Er war gerade eine Stunde in der Stadt, als man ihn erkannte. Es war Sidney Blood. Die große Jagd begann. Lassiter brachte sich vorübergehend im großen Mormonentempel in Sicherheit. Er konnte nicht wissen, dass dieser Tempel noch nicht einmal allen Mormonen zugänglich war, sondern nur denen aus gutem Stande.

Direkt im Tempel tötete Lassiter drei Männer. Zwei weitere verwundete er schwer. Bei der folgenden Schießerei im Tabernakel wurden drei Pfeifen der imposanten Orgel zerstört. Auch das buchte man auf Lassiters Schuldkonto.

In den folgenden Stunden glich Salt Lade City einem brodelnden, feuerspeienden Vulkan. Es war wie ein Wunder, dass Lassiter ungeschoren die Stadt verlassen konnte.

Jetzt hatte er fürs erste seine Verfolger abgeschüttelt. Für wie lange noch? Er war sicher, dass es in diesem ganzen verdammten Staat keinen einzigen Menschen mehr gab, der ihn nicht als seinen größten Feind betrachtete.

Lassiter ritt weiter nach Süden. Im Morgengrauen hatte er das Ende der Salzsee-Wüste erreicht. Er kam an ein Wasserloch mit faulig riechendem Wasser. Er trank genauso widerwillig wie der Mustang.

Eine Stunde rastete er, dann ritt er weiter. Er hatte keine Ahnung, wohin sein Weg führte. Die einzige Landkarte, die er besessen hatte, steckte in der Satteltasche seines toten Pferdes.

Er vertraute auf sein Glück und ritt weiter südwärts. Am Horizont ragte eine wuchtige Gebirgskulisse in den Himmel. Das Gelände stieg langsam an. Lassiter wünschte, diese Berge schon erreicht zu haben. Hier auf der offenen Ebene fühlte er sich nicht gerade wohl. Man wurde zu leicht entdeckt.

Lassiter war noch etwa zehn Meilen von den Bergen entfernt, als er die ersten Verfolger sah. Der Reiterpulk kam von links, also aus östlicher Richtung. Sie strebten in spitzem Winkel dem Gebirge entgegen, um ihm den Weg dorthin abzuschneiden.

Wenig später tauchte die zweite Gruppe auf. Sie kam von Westen her und schien ihn ebenfalls erspäht zu haben.

Lassiter ließ den Mustang in Trab fallen. Die Gruppe, die von Westen kam, würde er mit ziemlicher Sicherheit schlagen. Gefährlicher war das zweite Reiterrudel, das ihm den Weg abzuschneiden versuchte. Er zog die erbeutete Winchester aus dem Scabbard und prüfte das Magazin nach. Es war noch vollgeladen. In den Satteltaschen fand er noch zwei Päckchen mit Munition.

Die Berge rückten näher. Sechs Meilen, fünf, vier...

Als er noch eine Meile zurückzulegen hatte, trennten ihn von dem Reiterrudel im Osten noch knapp fünfhundert Yard. Die ersten Schüsse krachten, aber noch war die Entfernung zu groß.

Lassiter ließ sich durch Geschrei und Geknalle nicht beeindrucken. In ruhigem Trab erreichte er die ersten Felsen, die ihm Deckung boten. Aber er hielt nicht an, sondern ritt weiter. Er drang in einen Canyon ein, durchquerte ihn, ritt durch eine schmale Felsenpassage – und sah plötzlich die Häuser vor sich.

Nur kurz hielt er an und nahm das Bild in sich auf, das sich ihm darbot. Ein weites, grünes Tal, das ein silberner Creek durchfloss. Ein Staudamm mit einem künstlichen See. Viele schattenspendende Bäume.

Unmittelbar neben dem See erhob sich eine mächtige Mauer, die ein riesiges, rechteckiges Gelände umschloss. Und inmitten dieser Mauer stand ein Palast, wie Lassiter ihn noch nie gesehen hatte. Mächtige Quadern aus Granit und Marmor, große Türme und schlanke Zinnen, weiße Säulen, Springbrunnen inmitten eines prächtigen Parks, Statuen, die von hohen Sockeln majestätisch herabblickten.

Das alles war Lassiters erster Eindruck.

Hinter sich im Canyon hörte er den Hufschlag der Verfolgermeute. Er musste weiter. Egal, was dort unten auf ihn wartete.

Von dem Palast aus schien man ihn schon bemerkt zu haben. Zwei mit Revolvern und Gewehren bewaffnete Männer glitten aus einer Seitenpforte ins Freie und bauten sich vor dem großen Tor auf, als Lassiter auf sie zuritt. Sie hielten die Gewehre so in der Armbeuge, dass nicht die geringsten Zweifel über ihre Absichten bestanden.

»Macht das Tor auf!«, sagte Lassiter.

Die beiden fixierten ihn kalt. Lassiter schätzte sie als Profi-Killer ein. Er hatte keine Lust, sich mit ihnen lange zu unterhalten. Jeden Moment konnten seine Verfolger aufkreuzen. Bis dahin musste er sich in Sicherheit gebracht haben.

»Verschwinde, Mister!«, sagte einer der beiden. »Fremde sind hier nicht gerne gesehen.«

Lassiter spürte mit dem Instinkt des erfahrenen Mannes, dass die beiden mehr wollten als nur eine Unterhaltung. Sie wollten ihn reizen. Sie wollten ihn so lange provozieren, bis er nach seinem Colt langte. Dann konnten sie ihn abschießen und wie die Helden dastehen.

Dieses Spiel hatte Lassiter schon zu oft mitgemacht. Darauf fiel er nicht mehr herein.

Gleichmütig nickte er.

»Wenn das so ist, will ich lieber weiterreiten...«

Er nahm den Mustang um den Hals und war im nächsten Augenblick aus dem Sattel verschwunden. Die beiden Kerle feuerten sofort ihre Gewehre ab. Die Kugeln flogen über das Pferd hinweg.

»Hier bin ich«, sagte Lassiter.

Er tauchte unter dem Bauch des Mustangs auf und hatte den Revolver schon in der Hand.

Die beiden rissen ihre Gewehre herum. Lassiter ließ sie nicht mehr zum Schuss kommen. Noch während sie unter seinen Kugeln zusammenbrachen, jagte er an ihnen vorbei auf das kleine Portal zu. Er riss die Tür auf und stand im nächsten Augenblick innerhalb der Mauer.

Lassiter wunderte sich, woher plötzlich so viele Männer kamen. Es war wirklich ein erstaunlicher Andrang. Von drei Seiten sprangen sie auf ihn zu, und ihre Absichten waren recht eindeutig.

Er wehrte sich nach Kräften. Die drei, die ihm als erste zu nahe kamen, machten mit seinen Fäusten Bekanntschaft und legten sich schlafen. Die anderen hängten sich an ihn wie die Kletten. Bald lag Lassiter unter einem Knäuel von Menschenleibern und tat das einzig Richtige: Er bewegte sich einfach nicht mehr.

Die Männer hielten ihn für bewusstlos und ließen von ihm ab. Lassiter setzte sich auf. Inzwischen hatte man das Tor geöffnet und sein Pferd und die beiden Toten in den Hof gebracht.

Minuten waren erst vergangen, aber draußen hielt bereits die Verfolgermeute.

Jemand rief einen scharfen Befehl. Drei schwerbewaffnete Männer nahmen Lassiter in ihre Mitte und brachten ihn weg. Seit dem vorausgegangenen Handgemenge besaß er sein Gewehr, den Revolver und das Messer nicht mehr.

Lassiter hörte, wie sich drüben beim Tor ein erregter Wortwechsel entspann. Offensichtlich waren die Bewohner dieser festungsartigen Anlage nicht gewillt, ihren Gefangenen herauszugeben.

Einer der Bewaffneten deutete sein Grinsen richtig.

»Freu dich nicht zu früh, mein Junge«, sagte er. »Die da draußen bekommen dich zwar nicht. Aber von hier kommst du nicht lebend weg. Der King wird dich zerquetschen.«

»Warum liefert ihr mich nicht denen da draußen aus? Sie würden mich liebend gern in Stücke reißen.«

»Keine Sorge. Das bringen wir auch alleine fertig.«

Auf großzügig angelegten, kiesbestreuten Wegen schritten sie durch den Park auf den Palast zu. Jetzt erst bekam Lassiter einen echten Eindruck von der Größe dieses Anwesens. Der Weg wollte überhaupt kein Ende nehmen. Sie kamen an kleinen runden Pavillons vorbei, an Springbrunnen und hohen Statuen inmitten farbenprächtiger Blumenfelder. Ein süßer Duft erfüllte die Luft. Vögel sangen. Es war ein Bild des Friedens.

Lassiter erinnerte sich an die beiden Worte an der Mauer über dem Tor. Sie waren kunstvoll in den Stein gemeißelt und lauteten: Camp Salomon.

»Heißt euer King etwa Salomon?«, fragte er.

»König Salomon«, erwiderte einer der Bewaffneten. »Er ist ein Auserwählter, ein Heiliger. Der Herr hat ihn dazu auserkoren, das Volk der Heiligen der Letzten Tage zu regieren und es zu Wohlstand und Ansehen zu führen. Ich will dir einen guten Rat geben, Fremder. Wenn du den König siehst, so falle vor ihm auf die Knie. Vielleicht ist er dann gnädig und wird dich nicht im Staub zerschmettern. Nur wer seine Fehler bereut und zur Buße bereit ist, darf Gnade erwarten. Nimm dir meine Worte zu Herzen.«

Der Mann sprach langsam und andächtig. Er schien vor seinem sogenannten König mächtigen Respekt zu haben.

»Was man nicht alles erlebt«, sagte Lassiter grinsend. »Und ich habe mir doch tatsächlich eingebildet, richtige Könige gäb's nur noch in Old Europa.«

»Gott der Herr hat ihn gesandt«, sagte der andere salbungsvoll. »Er ist der wahre König des auserwählten Volkes. Und bald wird er Brigham Young hinwegfegen von dieser Erde. Mit Gottes Hilfe wird er jenen Scharlatan vernichten, der sich mit falscher List zum Führer der Heiligen gemacht hat.«

Lassiter stellte keine weiteren Fragen mehr. Jetzt war er nur noch gespannt, wie dieser König Salomon aussah. Und was für ein Mensch er war. Eines stand für Lassiter jetzt schon fest: Der Mann war entweder ein Verrückter oder ein ganz gerissener Betrüger. Etwas anderes kam nicht in Frage.

Der Mann, der sich König Salomon nannte, schritt würdevoll durch die weiträumige, fensterlose Halle. Vier schwarze Diener begleiteten ihn. Jeder trug einen silbernen siebenarmigen Leuchter mit brennenden Kerzen. Bekleidet waren die Diener mit schlichten, weißen, bis zur Erde reichenden Gewändern.

Die Kerzen flackerten. Der König schritt die sieben Marmorstufen bis zu seinem Thron, über dem ein großes goldenes Kreuz von der Decke herabhing. Der König blieb hochaufgerichtet vor dem Thron stehen und breitete majestätisch die Arme aus.

Er verbeugte sich dreimal tief und rief etwas in einer Lassiter völlig unbekannten Sprache.

Dann drehte er sich langsam um und fasste Lassiter ins Auge. Er runzelte die Stirn, als er sah, dass Lassiter völlig unbeteiligt dastand und unverschämt grinste.

Lassiter fand die ganze Zeremonie in der Tat ausgesprochen lächerlich. Der König schien einen Augenblick lang unsicher zu werden. Der Mund unter dem mächtigen schwarzen Vollbart wurde zum Strich. Tiefes Schweigen herrschte. Die drei Bewaffneten hinter Lassiter hielten den Atem an. Das Erscheinen ihres Königs schien sie mächtig zu beeindrucken, obwohl sie ihn in diesem Aufzug bestimmt nicht zum ersten Mal sahen.