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Die beiden Männer, die mit Lassiter pokerten, spielten mit gezinkten Karten. Lassiter hatte es längst bemerkt, aber er ließ sich nichts anmerken. Ohne eine Miene zu verziehen, schob er erneut eine Summe über den Tisch zu seinem rothaarigen Gegenüber mit dem verschlagenen Gesicht, der sich als Jeff Cooney vorgestellt hatte.
Grinsend legte Cooney die vierhundert Dollar auf den Stapel von Papiergeld und Münzen, den er vor sich liegen hatte. Er war der große Gewinner in diesem Spiel, das nun schon seit mehr als drei Stunden lief. Sein Partner Tim Brady verlor ebenfalls am laufenden Band, aber Lassiter war davon überzeugt, dass die beiden nachher ihre Beute teilen wollten.
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Seitenzahl: 186
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
LASSITERS GRAUSAMER PARTNER
Vorschau
Impressum
LASSITERSGRAUSAMER PARTNER
von Jack Slade
Die beiden Männer, die mit Lassiter pokerten, spielten mit gezinkten Karten. Lassiter hatte es längst bemerkt, aber er ließ sich nichts anmerken. Ohne eine Miene zu verziehen, schob er erneut eine Summe über den Tisch zu seinem rothaarigen Gegenüber mit dem verschlagenen Gesicht, der sich als Jeff Cooney vorgestellt hatte.
Grinsend legte Cooney die vierhundert Dollar auf den Stapel von Papiergeld und Münzen, den er vor sich liegen hatte. Er war der große Gewinner in diesem Spiel, das nun schon seit mehr als drei Stunden lief. Sein Partner Tim Brady verlor ebenfalls am laufenden Band, aber Lassiter war davon überzeugt, dass die beiden nachher ihre Beute teilen wollten.
Von den fünftausend Dollar, die Lassiter besessen hatte, als er nach Indian Springs kam, gehörten ihm jetzt noch genau neunhundert. Das Geld lag vor ihm auf dem Tisch.
»Ist das alles, was du noch hast?«, fragte Cooney.
Lassiter nickte. Er hörte, wie die Männer, die wie lauernde Aasgeier den Tisch umstanden, anzüglich über ihn flüsterten.
»Dieser Dummkopf!«
»Bei der Pechsträhne hätte ich längst aufgehört.«
»Cooney und Brady nehmen ihn aus wie eine Weihnachtsgans.«
Solche und ähnliche Bemerkungen fing Lassiter auf, und doch wusste er, dass sie förmlich den Zeitpunkt herbeisehnten, an dem auch seine letzten Dollars den Besitzer gewechselt hatten. Es war üblich, dass der Gewinner einer solchen Summe anschließend den ganzen Saloon freihielt. Und das bedeutete, dass jeder dieser Raben so viel Whisky in sich hineinschütten durfte, wie er vertragen konnte.
Lassiter nahm das Kartenpäckchen und mischte. Seine schlanken Finger bewegten sich erstaunlich schnell und geschickt, aber seine beiden Mitspieler schauten längst nicht mehr genau hin. Wer gezinkte Karten richtig verteilen wollte, musste langsamer mischen. Außerdem hatte dieser Fremde bestimmt keine Ahnung, dass die Karten mit winzigen Markierungen versehen waren. Er schien überhaupt noch nicht oft in seinem Leben gepokert zu haben.
Lassiter ließ die Karten über den Tisch fliegen. Cooney und sein Partner nahmen sie gelangweilt auf. Über Cooneys Gesicht flog dieses spöttische Grinsen.
Jetzt hatte ihm das Greenhorn in seiner Unwissenheit auch noch ein erstklassiges Blatt gegeben, einen Flush. Damit war Lassiters Schicksal so gut wie besiegelt.
Lassiter hatte seine Karten noch nicht angerührt. Stattdessen eröffnete er mit zweihundert Dollar.
»Du scheinst deiner Sache aber sehr sicher zu sein«, spottete Cooney. »Willst du nicht erst mal nachsehen, was du dir da gegeben hast?«
»Nicht nötig«, sagte Lassiter. »Ich hab' keine Lust mehr, hier weiter ratenweise zu verlieren. Entweder ich verliere jetzt alles, was ich noch habe, mit einem Schlag, oder ich gewinne endlich mal.«
Cooney grinste.
»Das ist ein Wort, Lassiter. Setzen wir also die neunhundert.«
Lassiter schob den Rest seines Geldes in die Mitte des Tisches. Brady passte. Bei seinem Blatt lohnte es sich nicht, weiter mitzugehen.
Cooney dagegen war erst richtig gierig geworden. Jetzt wollte noch mehr haben als nur Lassiters Geld und kam dem großen Mann dabei unbewusst entgegen.
»Ich habe dein Pferd gesehen, als du in die Stadt kamst«, sagte der Rothaarige. »Das ist ein Tausenddollarpferd.«
»Es ist unverkäuflich«, murmelte Lassiter.
Cooney schob zweitausend Dollar in die Tischmitte zu dem anderen Geld. »Die stehen für das Pferd«, sagte er rasch. »Wenn du jetzt passt, Lassiter, gehören deine neunhundert mir. Du kennst die Regeln, nicht wahr?«
»Also gut«, seufzte Lassiter. »Du zwingst mich dazu. Jetzt zeig mal, was du hast.«
Jeff Cooney deckte seinen Flush auf. Gleichzeitig streckte er seine Rechte nach dem Geld aus.
»Einen Augenblick noch«, murmelte Lassiter lässig und warf ebenfalls seine Karten herum.
Im Saloon wurde es erst still, dann ging ein Stöhnen durch die Reihen der Männer.
Jeff Cooney quollen die Augen beinahe aus dem Kopf. Ungläubig stierte er auf Lassiters Karten.
»Das – ist – nicht – wahr!«, stieß er hervor.
Lassiter lächelte.
»Ich sehe einen Royal Flush vor mir liegen. Ist sonst noch jemand hier, der es nicht glauben will?«
Ruhig griff er nach dem Pot und zog das Geld zu sich heran. Es waren insgesamt dreitausendachthundert Dollar. Damit hatte Lassiter einen Großteil der Summe zurückgewonnen, die er verloren hatte.
Er drehte sich halb um und rief dem Barkeeper zu: »Eine Runde für alle. Ich glaube, jetzt beginnt meine große Glückssträhne.«
Als er sich wieder dem Tisch zuwandte, blickte er in die Mündungen von zwei Revolvern.
Jeff Cooney und sein Partner hatten gezogen.
»Du hast uns betrogen«, knurrte Cooney mit heiserer Stimme. »Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Du hast genau gewusst, welche Karten du dir gegeben hattest. Sonst hättest du nicht so viel gesetzt.«
Lassiter zuckte die Schultern.
»Und warum sollte ich meine Karten gekannt haben?« Seine Stimme klang sehr ruhig und gelassen. »Steckt die Eisen weg und lasst uns wie vernünftige Männer weiterspielen.«
Die beiden hörten nicht die Drohung, die in seiner Stimme mitschwang. Sie konnten sie nicht hören. Lassiter war fremd in Indian Springs. Die Männer hier wussten nicht, dass es tödlich war, wenn man sich mit ihm anlegte. Dass er explodieren konnte wie eine Ladung Dynamit.
Der ruhige Klang seiner Stimme täuschte sie darüber hinweg. Es war ihr großer Fehler. Es war Selbstmord, dass sie die Revolver nicht wegsteckten. Und dass sie Lassiter etwas wegnehmen wollten, das ihm gehörte.
Er lehnte sich zurück.
Cooney zog mit der Linken das Geld zu sich heran, das vor Lassiter lag.
»Okay«, sagte Lassiter sanft, »dann wollen mir mal klare Verhältnisse schaffen. Ihr habt euch wie die Anfänger benommen. Ich habe gleich zu Anfang bemerkt, dass die Karten gezinkt waren. Aber ich habe keinen Ton gesagt. Ihr hättet besser auch geschwiegen. Es wäre wirklich gesünder für euch gewesen...«
Mit dem letzten Wort explodierte Lassiter. Er stieß die Tischplatte hoch und ließ sie gegen die beiden überraschten Männer fliegen. Ihre Colts krachten, und die Weichbleigeschosse bohrten sich in die dicke Eichenplatte.
Lassiter sprang von seinem Stuhl auf und zog ebenfalls. Er war schnell wie der Blitz.
Zweimal donnerte die schwere Waffe auf, und beide Kugeln trafen.
Cooney und sein Partner zuckten unter dem Einschlag der Geschosse zusammen. Cooney taumelte nach hinten. Er ließ den Revolver fallen, krümmte sich vor Schmerzen und presste beide Hände auf den Leib. Zwischen den Fingern quoll das Blut hervor. Sein Schrei brach sich an den hölzernen Wänden des Saloons und ging über in ein qualvolles, Mark und Bein durchdringendes Stöhnen.
Während Cooney sich im Todeskampf auf den sägemehlbestreuten Dielen wälzte, stand sein Partner Tim Brady noch immer steil aufgerichtet. Auf seinem breitflächigen Gesicht malte sich fassungsloses Staunen, und mit letzter Kraft versuchte er, noch einmal den Arm mit dem Revolver zu heben.
Lassiter hatte bereits frische Patronen in die leergeschossenen Kammern geschoben. Mit unbewegtem Gesicht wartete er, bis auch Brady zu Boden ging.
Ruhig sammelte er das Geld ein, das auf dem Fußboden verstreut lag, und schob es in seine Taschen. Niemand hinderte ihn daran. Alle hatten gesehen, wie schnell Lassiter mit seinem Eisen war. Niemand wollte den beiden Falschspielern auf dem Weg in die Hölle Gesellschaft leisten.
Die Saloontür wurde aufgestoßen. Ein Mann drängte sich durch die Mauer der Umstehenden. Er trug eine abgesägte Schrotflinte in der Armbeuge und richtete die Mündung auf Lassiter.
»Ihren Revolver, Mister!«, forderte er. Er war ein großer, hagerer Mann von etwa fünfzig Jahren. Auf seinem grauen Tuchrock blinkte der Stern eines Town-Marshals.
»Mit welchem Recht?«, murmelte Lassiter.
»Sie haben zwei Männer erschossen. Bis zur Klärung des Falles bleiben Sie Gast in meinem Gefängnis.«
»Sind Sie damit immer so schnell bei der Hand?« Lassiter grinste verächtlich. »Das hier war Notwehr, Sheriff.«
»Das behaupten alle. Geben Sie mir jetzt Ihren Colt!«
Lassiters rechte Hand schwebte dicht hinter dem Kolben. Sein Blick strahlte Härte und Furchtlosigkeit aus.
»Ich habe noch nie freiwillig meine Waffe abgegeben, Sheriff«, sagte er gelassen. »Sie müssen sie sich schon holen.«
Der Sheriff setzte sich in Bewegung. Er schien zu der Sorte zu gehören, die auch auf das eigene Leben keine Rücksicht nahm, wenn es darum ging, eine Absicht durchzuführen.
Lassiter ließ ihn herankommen, bis die beiden Mündungen der Schrotflinte gegen seinen Körper stießen.
Als der Sheriff mit der linken Hand nach Lassiters Revolver langte, schlug Lassiter zu. Mit der Rechten fegte er den Lauf der Schrotflinte zur Seite weg. Instinktiv zog der Sheriff die beiden Hähne durch. Donnernd entlud sich die Waffe, aber die Ladungen hatten auf die kurze Entfernung noch nicht genügend Streuwirkung und fegten an Lassiters Körper vorbei.
Er sprang auf den Sheriff zu und setzte ihm die Faust ans Kinn. Es war ein harter Schlag, aber Sheriff Lee Buchanan war ebenso hart im Nehmen.
Er taumelte zwar rückwärts, ging aber sofort zum Gegenangriff über, nachdem er an der Theke Halt gefunden hatte. Knurrend sprang er Lassiter an. Seine Fäuste wirbelten und trafen Lassiter am Kopf und am Körper.
Lassiter zeigte sich unbeeindruckt. Er wich auch keinen Schritt zurück. Und für jeden Schlag, den er einstecken musste, zahlte er die doppelte Menge zurück.
Nach wenigen Minuten ging Lee Buchanan die Luft aus. Die vielen Treffer hatten ihm doch zu sehr zu schaffen gemacht. Er wich bis zur Wand zurück und lehnte sich schnaufend dagegen. Die Arme ließ er herabhängen.
»So leicht lasse ich mich nicht verhaften, Sheriff«, sagte Lassiter. »Merken Sie sich das für die Zukunft.«
Er stellte sich an den Tresen und ließ sich noch einen Whisky geben. Danach zahlte er und ging.
Der Sheriff machte keinen Versuch mehr, ihn aufzuhalten. Er fuhr sich mit einem Taschentuch über das schweißnasse, von Schlägen gezeichnete Gesicht und sagte mit heiserer Stimme: »Das ist ja ein richtiger Tiger. Lassiter... Den Namen muss ich schon mal gehört haben. Weiß jemand, warum er in unsere Stadt gekommen ist?«
»Er ist unterwegs zu Sam Huskins«, sagte einer der Männer. »Als er vor gut zwei Stunden in den Saloon kam, fragte er nach ihm. Danach haben ihn McCallums Leute zu einem Spiel eingeladen. Sie wollten ihn hereinlegen...«
»Wissen die McCallums es schon?«
Schweigen breitete sich aus. Sam Huskins und die McCallums... Das war eine Affäre, in die niemand sich einmischen wollte. Nicht einmal als Übermittler einer unangenehmen Nachricht...
Lassiter blickte über die Straße. Die breite Fahrbahn, die Gehsteige und die windschiefen Häuser waren von glitzerndem Alkalistaub und feinem Sand bedeckt.
Die Sonne brannte glühend heiß vom Nachmittagshimmel. Kein Mensch war zu sehen. Bei dieser Hitze zog sich jeder in den Schatten zurück. Das war auch der Grund, warum Lassiter sein Pferd im Mietstall untergestellt und sich selbst eine Pause gegönnt hatte.
Während er auf das Stallgebäude zuging, waren seine Gedanken bei Sam Huskins. Sam war ein alter Bekannter Lassiters, ein Mann, der Lassiter vor Jahren einmal das Leben gerettet hatte. Ohne Sams Eingreifen vor drei Jahren in Arizona hätte Lassiter schon früh ein Grab gefunden.
Lassiter hatte es bis heute nicht vergessen. Und deshalb war er auch sofort losgeritten, als ihn Sams Brief in El Paso erreicht hatte. Es war am selben Tag gewesen, als er aus Kanada zurückgekehrt war, wohin er sich für vier Monate zurückgezogen hatte, weil Wells Fargo wieder einmal ein zu großes Interesse für ihn zeigte.
Eine Woche lang hatte sich Lassiter bei seinem Sohn aufhalten können, der inzwischen zwei Jahre alt war. Er war eben ein Mann, dem nirgendwo Ruhe gegönnt war.
Viel stand nicht in Sams Brief. Nur ein paar Zeilen.
Es wäre ganz nett, wenn Du mal vorbeikämest. Hier bei uns ist 'ne Menge los. Wenn Du Pech hast, findest Du mich auf dem Stiefelhügel. Andernfalls können wir auf ehrliche Art gute Dollars machen. – Sam
Das war Sams Art. Nur kein Wort zu viel sagen. Aber Lassiter kannte ihn. Sam Huskins war in Not, das stand fest. Und wenn er von »guten Dollars« sprach, dann meinte er damit mindestens hunderttausend.
Aber warum, zum Teufel, hatten die Männer im Saloon so beharrlich geschwiegen, als er nach Sam fragte? Warum hatten sie ihm nicht die Auskunft gegeben, die er verlangte?
Ob sie sich vor einem anderen mächtigen Burschen fürchteten?
Lassiter betrat den Mietstall, der am Ende der Straße lag. Es roch nach Heu, Leder, Salmiak und Pferdekot. In dem von Dämmerlicht erfüllten Raum war es angenehm kühl nach der Hitze draußen. Aber auch hier hatte sich der feine Alkalistaub überall breitgemacht. Der alte Stallbursche lag drüben in der Ecke auf einem Stapel leerer Säcke und schnarchte, dass man um die Balken des Stallgebäudes fürchten musste. Neben ihm lag eine Whiskyflasche, in der er keinen Tropfen zurückgelassen hatte.
Lassiter stieß den Alten an, aber es dauerte noch eine ziemliche Weile, bis er ihn völlig wach gemacht hatte.
»Was is'n los?«, knurrte er gereizt, griff nach seiner Flasche und warf sie gleich darauf wütend gegen die Bretterwand, als er merkte, dass sie leer war.
Lassiter holte einen Dollar aus der Tasche.
»Für eine Auskunft kannst du dir 'ne neue kaufen, Großvater«, sagte er. »Vielleicht auch zwei. Kommt ganz drauf an, wie gut die Auskunft ist.«
Der Alte blinzelte und kraulte seinen weißen Bart. Es war ein wirres Gestrüpp, aus dem die rote Knollennase wie eine einsame Insel ragte. Er schien misstrauisch zu sein.
»Nenn mich nicht Großvater!«, maulte er. »Ich bin Oliphant und fühle mich noch verdammt jung.«
»In Ordnung, Oliphant. Wo finde ich Sam Huskins?«
Oliphant kicherte.
»Das kann ich dir so genau nicht sagen, Mister. Vielleicht ist er auf seiner Ranch. Vielleicht treibt er sich auch wieder in den Bergen herum. Aber wenn er dort ist, wirst du ihn nicht finden. Haben schon genug andere versucht, sein Versteck aufzuspüren. Das ist völlig zwecklos.«
Hier war also endlich jemand bereit, eine Auskunft über Sam Huskins zu geben.
»Und wo liegt diese Ranch?«
»Da musst du immerfort nach Norden reiten. Zwei Meilen von hier stößt du auf ein Rinnsal, in dem du um diese Jahreszeit allerdings höchstens ein paar faulige Pfützen findest. Reite immer an dem Bach entlang, dann stößt du auf eine Stelle, wo er sich gabelt. Gleich hinter der Gabelung liegt Huskins' Ranch.«
Lassiter gab Oliphant den Dollar und zückte eine weitere Münze.
»Was wird hier eigentlich gespielt, Oliphant? Was ist los mit Sam?«
Oliphant schielte gierig nach dem Dollar. Dann schien er sich dafür entschieden zu haben, lieber auf die Zusatzprämie zu verzichten.
»Ich misch mich da nicht ein«, brabbelte er mit seinem zahnlosen Mund. »Das ist eine Sache, die nur Huskins und die McCallums was angeht, finde ich.«
»McCallum? Wer ist denn das?«
Lassiter stand mit dem Rücken zur Stalltür. Sie wurde sehr heftig aufgestoßen, und Lassiter blieb nichts anderes übrig, als vorerst dem Befehl zu gehorchen, der seine Ohren erreichte.
»Mach keine Mätzchen, Lassiter! Wir schießen sofort, wenn du auch nur nach deinem Eisen schielst.«
Lassiter drehte sich langsam um. Durch die Türöffnung fiel das grelle Sonnenlicht. Im ersten Augenblick sah er nur die Umrisse von drei Figuren, die ihre Schießeisen auf ihn gerichtet hatten.
Langsam gewöhnten sich seine Augen an das Gegenlicht. Er konnte Einzelheiten unterscheiden.
Die drei Männer sahen sich ähnlich. Es mussten Brüder sein. Sie hatten die gleichen scharfzügigen Gesichter, das gleiche blauschwarze Haar, und sie trugen auch die gleiche Kleidung: eng geschnittene, hellgraue Tuchhosen, reich mit Ornamentstickereien verzierte Wildlederstiefel, an denen silberne Sporen klingelten, weiße Hemden mit schwarzen Samtschleifen und teure, breitkrempige Texas-Stetsons. Um die schlanken Reiterhüften schlangen sich silberbeschlagene Revolvergurte mit tiefhängenden Holstern. Die Holster waren im Augenblick leer, da sich die großkalibrigen Revolver in den Händen der drei Männer befanden.
»Mein Name ist Jim McCallum«, stellte sich der Mittlere vor. Lassiter schätzte ihn auf ungefähr siebenundzwanzig. Er musste der Älteste des Trios sein. Jetzt zeigte Jim McCallum auf seine Begleiter. »Das ist mein Bruder George, und das ist mein Bruder Charles McCallum.«
Lassiter nickte gelassen.
»Ich kann noch nicht sagen, ob mir eure Bekanntschaft angenehm ist«, sagte er. »Was kann ich für euch tun?«
»Warum willst du zu Sam Huskins, Lassiter?«
»Das geht keinen Menschen etwas an. Außer Sam und mich.«
»Mein Vater möchte mit dir sprechen, Lassiter«, sagte Jim McCallum. »Kommst du freiwillig mit, oder müssen wir dich zwingen?«
Lassiter grinste spöttisch. Gegen Gewaltanwendung hatte er eine ganze Menge. Trotzdem hielt er es diesmal für besser, freiwillig mitzugehen. Je rascher er wusste, was hier gespielt wurde, desto besser war es für ihn.
»Okay«, murmelte er, »dann wollen wir mal...«
Die drei McCallums steckten ihre Revolver weg. Dann machten sie sich gemeinsam auf den Weg. Auf der Straße war noch immer kein Mensch zu sehen. Unter den Füßen der vier Männer wirbelten Staubwolken auf, als sie die Fahrbahn überquerten.
»Ist das immer so ruhig in dem Kaff?«, fragte Lassiter.
Die McCallum-Brüder grinsten.
»Für einen Wochentag ging's doch eigentlich, Lassiter«, meinte Charles. »Machst du eigentlich überall gleich so 'nen Wirbel?«
Lassiter zuckte die Schultern.
»Im Grunde bin ich ein friedliebender Mensch, Charly. Ich werd nur immer schnell wütend, wenn man mir was wegnehmen will.«
»Unser alter Herr ist auch ganz schön wütend. Immerhin hast du zwei von seinen besten Leuten aufs Kreuz gelegt.«
»Und das tut mir noch nicht mal leid.«
Sie kamen vor dem Haus der McCallums an. Es war ein zweigeschossiges weißes Holzhaus mit einem gepflegten Vorgarten und einer breiten Veranda.
Auf der Veranda lag Abe McCallum in einem Schaukelstuhl. Er stand auf, als seine Söhne mit Lassiter kamen.
Der Boss des McCallum-Clans war ein großer, breitschultriger Mann von höchstens fünfzig Jahren. Seine militärisch straffe Haltung und seine abgezirkelten Bewegungen verrieten Lassiter, dass er hier einem ehemaligen Offizier gegenüberstand.
Abe McCallum ging zu einem weißen runden Tisch, um den drei Sessel aus Korbgeflecht gruppiert waren. Der Clanboss setzte sich und lud Lassiter mit einer Handbewegung ein, ebenfalls Platz zu nehmen.
McCallums Söhne blieben stehen.
»Die beiden Erschossenen gehörten zu meiner Mannschaft«, eröffnete Abe McCallum das Gespräch. »Ich habe mir berichten lassen, wie es geschehen ist, Lassiter. Man sagt, Sie seien schneller und gefährlicher als jeder andere Mann in dieser Stadt. Deshalb möchte ich Ihnen ein Angebot machen.«
Lassiter lehnte sich zurück und steckte sich ein Zigarillo zwischen die Zähne. Während er das Streichholz am Stiefelschaft anriss, beobachtete er McCallum mit wachem Interesse.
»Es ist zwecklos, McCallum«, sagte er dann. »Ich habe bereits ein gutes Angebot.«
»Von Huskins, nicht wahr?«
»Ich sehe keinen Grund, es zu verschweigen. Ja, ich bin unterwegs zu Sam. Ist ein alter Bekannter von mir.«
McCallum beugte sich vor und sah Lassiter beschwörend an.
»Gehen Sie nicht zu Huskins, Lassiter!«, sagte er leise, aber seine Worte klangen trotz der geringen Lautstärke wie ein Befehl. »Tun Sie es nicht! Sie würden es bitter bereuen.«
»Wie soll ich das verstehen? Wollen Sie mir nicht erklären, was hier gespielt wird?«
»Huskins ist ein elender Schuft. Er wird Sie betrügen, Lassiter. Genauso, wie er uns betrogen hat.« McCallum blickte zu seinen Söhnen hoch. »Holt mal Angela her. Ich halte es für besser, wenn sie Mr. Lassiter einen Teil der Geschichte erzählt.«
Ein Schwarzer in roter Livree, wie sie die Stewards auf den großen Mississippi-Steamern trugen, servierte gut gekühlten Whisky. McCallum war ein Mann mit guten Manieren. Er wusste, was sich einem Gast gegenüber gehörte.
Lassiter hob das Glas und sagte lächelnd: »Die Einladung durch Ihre Söhne war bedeutend unfreundlicher als die Bewirtung, McCallum. Wie soll ich das verstehen?«
Der Clanboss hob ebenfalls sein Glas.
»Ich habe erkannt, dass Sie kein sturer, blindwütiger Schießer sind, Lassiter, sondern ein vernünftiger Mann, der mit sich reden lässt. Ich bin davon überzeugt, dass Sie meine Partei ergreifen werden, wenn Sie erst alles gehört haben.«
»Und wenn ich mich trotzdem weigere?«
»Wird Sie niemand hindern, dieses Haus und die Stadt zu verlassen, Lassiter. In diesem Falle können Sie ruhig zu Huskins reiten. Aber eines Tages werden Sie erkennen, dass Sie auf die falsche Karte gesetzt haben.«
Jim McCallum kam mit seiner Schwester Angela zurück. Lassiter erfasste mit einem raschen Blick das herrliche weibliche Wesen, das dort heranschwebte.
Angela McCallum war um die zwanzig Jahre alt. Sie hatte langes blauschwarzes Haar, das locker über ihre bloßen Schultern fiel. Das weiße, bis zur Erde reichende Kleid war von raffinierter Einfachheit und brachte die weiblichen Rundungen ihres Körpers voll zur Geltung. Bei jedem Schritt zeichneten sich die straffen Schenkel unter dem weich fallenden Stoff ab.
Lassiter stand auf und zog seinen Stetson. Angela streckte ihm die Hand hin und lächelte ihn freundlich an.
Dann setzten sie sich.
»Erzähl Mr. Lassiter deine Geschichte, Angela!«, forderte ihr Vater sie auf.
»Vor knapp drei Jahren kam Sam Huskins nach Indian Springs«, berichtete Angela. »Er war ein Mann mit guten Manieren und verfügte außerdem über ziemlich viel Geld. Wir wissen bis heute noch nicht genau, woher das Geld stammte, aber wir alle vermuten, dass er es nicht auf ehrlichem Wege erworben hat. Ziemlich schnell freundete er sich mit uns an und war häufig Gast in unserem Hause. Ich...« Sie zögerte, und eine leichte Röte überflog ihr schönes Gesicht. »Ich verliebte mich in Sam. Wir beschlossen, Mann und Frau zu werden. Mein Vater war einverstanden. Sam kaufte eine Ranch im Norden der Stadt. Er ließ ein schönes großes Haus an Stelle des alten Ranchhauses bauen. Ich selbst brachte noch einen Teil der Pintwater Range mit in die Ehe. Es war das Hochzeitsgeschenk meines Vaters, dem fast alles Land hier gehört. – Wir heirateten also, und das erste halbe Jahr unserer Ehe war wunderschön. Sam besaß noch genügend Geld, um uns ein angenehmes Leben zu bescheren...«
»Aber er dachte nicht daran, sein Geld zusammenzuhalten und neues hinzuzuverdienen«, brummte Abe McCallum. »Er züchtete keine Rinder oder Pferde und unternahm auch sonst nichts, was irgendwie nach Arbeit aussah. Stattdessen trieb er sich tagelang in den Bergen herum, oder er verprasste seine Dollars in den Tanzhallen und Spielhöllen von Las Vegas.«
Typisch Sam, dachte Lassiter und schmunzelte unwillkürlich. Richtige Arbeit hatte ihm noch nie geschmeckt. Er genoss das Leben in vollen Zügen, solange er die nötigen Dollars in der Tasche hatte. Und wenn er wieder Geld brauchte, ließ er sich »etwas einfallen«, wie Sam das immer nannte.
Angelas Stimme fiel in seine Gedanken.
»Es ist jetzt knapp achtzehn Monate her, dass wir heirateten, Lassiter. Aber seit einem halben Jahr leben wir schon wieder getrennt. Dieser verdammte Schuft!«, brach es plötzlich aus ihr heraus. »Er hat mich betrogen und beleidigt. Er hat mich vor aller Welt lächerlich gemacht. Er hat meine Ehre in den Schmutz gezogen. Und die Ehre und das Ansehen meiner Familie. Das ganze Land lacht über uns. Aber nur hinter unserem Rücken. Wenn jemand von uns in der Nähe ist, wagt niemand darüber zu sprechen...«
Lassiter lächelte und sah Abe McCallum an.
»Ich nehme an, dass es Ihnen nicht schwerfiel, wieder für den nötigen Respekt zu sorgen«, sagte er. »Wie stark ist denn Ihre Mannschaft, McCallum?«
McCallum blickte finster.