Lassiter Sonder-Edition 17 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 17 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Lassiter war nach Tombstone ins Territorium von Arizona geritten, um dort die "Schlacht des Jahrhunderts" mitzuerleben. Diese Schlacht sollte von zwei Preisboxern ausgetragen werden - von Yankee Bob Nolan und dem Schokoladen-Kid. Der Kampf war für den vierten Juli angesetzt, und bis dahin war noch eine Woche Zeit. Deshalb widmete sich Lassiter zusammen mit anderen Whisky-Kennern dem Alkohol im O.K.-Saloon, als die Flügeltüren aufschwangen und der gewaltigste Schwarze aller Zeiten hereinspazierte, als gehöre ihm die Welt im allgemeinen und der Saloon im Besonderen, und wehe, jemand wage es zu widersprechen, dass er der Allergrößte sei.
Fünf Leute folgten ihm wie der Schwanz einer Ratte. Eine junge Dame, die, bei trübem Licht besehen, für eine Weiße gelten konnte. Vier Männer, die garantiert weiß waren. Zwei dieser Männer waren stattliche Kerle, aber schmale Handtücher im Vergleich zu dem augenrollenden Muskelprotz aus Ebenholz.


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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

WENN LASSITER ZUR KASSE BITTET

Vorschau

Impressum

WENN LASSITERZUR KASSE BITTET

von Jack Slade

Lassiter war nach Tombstone ins Territorium von Arizona geritten, um dort die »Schlacht des Jahrhunderts« mitzuerleben. Diese Schlacht sollte von zwei Preisboxern ausgetragen werden – von Yankee Bob Nolan und dem Schokoladen-Kid. Der Kampf war für den vierten Juli angesetzt, und bis dahin war noch eine Woche Zeit. Deshalb widmete sich Lassiter zusammen mit anderen Whisky-Kennern dem Alkohol im O.K.-Saloon, als die Flügeltüren aufschwangen und der gewaltigste Schwarze aller Zeiten hereinspazierte, als gehöre ihm die Welt im Allgemeinen und der Saloon im Besonderen, und wehe, jemand wage es zu widersprechen, dass er der Allergrößte sei.

Fünf Leute folgten ihm wie der Schwanz einer Ratte. Eine junge Dame, die, bei trübem Licht besehen, für eine Weiße gelten konnte. Vier Männer, die garantiert weiß waren. Zwei dieser Männer waren stattliche Kerle, aber schmale Handtücher im Vergleich zu dem augenrollenden Muskelprotz aus Ebenholz.

Der war mindestens eins neunzig groß, mit einem Kreuz wie eine Wagendeichsel und den Hüften einer Tänzerin. Angezogen war er wie ein Modegeck aus New Orleans, der einen Kostümverleih ausgeplündert hatte. Er trug ein gelbes Spitzenhemd mit schwarzen Zebrastreifen, eine hellrote Schleife mit einem taubeneigroßen Diamanten in der Krawattennadel, einen hellgrauen Anzug mit rosa Seidenaufschlägen und eine hellgraue Melone, die wie ein Osterei an seinem Stiernacken klebte. Und die Ringe an seinen zehn Fingern hätten ausgereicht, um die ganze Stadt mit Goldplomben zu versorgen.

Ja, dachte Lassiter, dieser schwarze Sonnyboy war schon eine einmalige Sehenswürdigkeit. Zweimal durfte man nicht hinsehen, sonst wurde man blind.

Es war acht Uhr abends, und der O.K.-Saloon war fast bis zum letzten Platz besetzt. Unter die einheimischen Stammkunden hatten sich die Fremden gemischt, die hier in Tombstone zusammengeströmt waren. Seit einem Monat hielt der Zuzug schon an, und die Leute kamen aus allen vier Ecken des Territoriums und sogar noch von weiter her. Denn wenn man den Handzetteln der Veranstalter glauben durfte, war dieser Boxkampf ein mindestens so wichtiges Ereignis wie der Jüngste Tag. Auf jeden Fall war der Whiskyumsatz hervorragend und die Einsätze beim Pokern enorm, als der schwarze Preisbulle mit den Schultern die Flügeltüren auseinanderschob und die ganze Gemütlichkeit verdarb.

Karten flatterten unter den Tisch. Whiskygläser hingen wie eingefroren mitten in der Luft. Ein Mann verbrannte sich die Finger am Streichholz, ohne es zu merken. Sein Nebenmann knallte sein Bierglas auf die Theke und sagte: »Mich laust der Affe«.

Nur der Barkeeper behielt die Nerven. Dafür wurde er auch bezahlt. Er nahm einen Putzlappen und wienerte einen Bierfleck von der Theke.

Lassiter stand mit dem Rücken zur Bar und hielt ein Whiskyglas in der Hand, als der Sonnyboy hereinkam. »Einen schönen guten Abend allerseits«, sagte Sonnyboy mit einer tiefen, lauten Quetschstimme, die er vom untersten Rippenbogen herzuholen schien.

»Nun sagen Sie ja nicht, dass Sie keine Nigger* bedienen, Mr. Barkeeper, denn hier steht ein Nigger, bei dem Sie nicht darum herumkommen, ihn zu bedienen. Der Name dieses Niggers ist Mister Magnus Kirton, Leute, unter seinem zweiten Namen, Schokoladen-Kid, weltberühmt. Und nachdem ich Yankee Nolan aus dem Ring gefegt habe, werde ich noch berühmter sein als weltberühmt. Dann knöpfe ich mir diesen John L. vor.«

Schwarzer-Kaffee-Kid wäre ein besserer Name für dieses Großmaul, dachte Lassiter bei sich. Mit Schokolade ließ sich dieser Junge kaum vergleichen. Er war so schwarz, wie Schwarz nur sein kann, und glänzte wie eine Jetperle unter dem sprühend weißen Licht der Gaskronleuchter. Die Art, wie er sprach, war gutmütig und verletzend zugleich. Er hatte ein breites Grinsen, bei dem die kräftigen weißen Beißerchen und das Zahnfleisch zu sehen waren. Doch dabei musste Lassiter an einen Wolf denken, der mit einer Pfote in der Falle hing.

Schokoladen-Kid stand jetzt mitten im Saloon, auf den Fußballen federnd, die Arme leicht angewinkelt. »Wir kommen gerade aus Mexiko«, sagte er zu dem Barkeeper und deutete herablassend auf seine Begleitung. »Ich und meine Freunde. Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie uns ein paar Flaschen auf den Tisch stellten. Champagner für mich und die Lady, Whisky für die weißen Gentlemen. Glauben Sie, dass Sie die Bestellung erledigen können?«

Der Barkeeper legte seinen Putzlappen beiseite. Geschäft war Geschäft, und die Boxveranstaltung war die größte Sensation für Tombstone seit den Tagen, als die Earps die Clantons und die McLowrys massakrierten. Trotzdem kam ihm die Antwort nur schwer über die Lippen: »Willkommen in Tombstone, Kid. Champagner für Sie und die Dame, Whisky für die Gents.«

Kid und seine Begleiter nahmen an einem Tisch Platz, und das Pokern und Trinken nahmen ihren Fortgang – nur nicht mehr so gemütlich wie zuerst. Der Barkeeper beauftragte einen seiner Kellner, Schokoladen-Kid und seine Begleiter zu bedienen. Sonnyboy grinste, als er das hörte.

Lassiter goss sich einen neuen Whisky ein. Er blieb dort, wo er war. Die Frau, die Kid begleitete, war entweder eine Kreolin aus Louisiana oder aus Mexiko. Sonnyboy setzte sich als letzter an den Tisch. Er tat das, wie er alles machte: mit viel Reklameaufwand für sich selbst.

Die vier weißen Männer in seiner Begleitung sahen aus wie Stadtleute. Sie unterschieden sich in keiner Weise von den üblichen Typen, die zum Gefolge eines Preisboxers gehörten. Solche Leute hatte Lassiter schon oft am Boxring in New Orleans und Kansas City gesehen.

Der Mann mit dem roten, feisten Gesicht, dem aufdringlich eleganten Anzug und der dicken Zigarre musste Kids Manager sein. Der Jüngling mit dem blonden Haar und dem vorgereckten Kinn war bestimmt ein Leibwächter. Über die anderen Typen war sich Lassiter nicht ganz im Klaren. Wahrscheinlich waren das ein paar verkrachte Reporter, die man engagiert hatte, damit sie die Lokalredakteure bestachen, phantastische Lügengeschichten von Schokoladen-Kid in ihren Blättchen abzudrucken.

Kid goss sich zuerst den Champagner ein, ehe er seine Lady bediente. Das Mädchen sah gar nicht übel aus, überlegte Lassiter – nur ein bisschen müde um die Augen herum. Schokoladen-Kid probierte den Champagner. Augenrollend zog er eine große Schau ab, während er das Glas leerte.

»Pah!«, sagte er und zog eine Grimasse.

Der Barkeeper schielte zu seinem Tisch hinüber.

»Verdammt, ist das aber ein Zeug!«, sagte Schokoladen-Kid. »Sind Sie sicher, dass das der beste Champagner ist, den Sie auf Lager haben? Das arme alte Tombstone kann da gar nicht mit Chihuahua City mithalten. Dort bekommt man einen viel besseren Champagner.«

Der Barkeeper revanchierte sich, indem er Hohn mit einem Scherz mixte. »Wir sind eben nur einfache Leute hier in Tombstone, Kid. Wir haben nicht so eine teure Erziehung genossen wie Sie.«

Schokoladen-Kid zeigte nur grinsend seine weißen Zähne. Er lachte sogar ein bisschen. »Da ist was Wahres dran. Es war 'ne anstrengende Erziehung, wenn man aus einer Familie von zehn Niggern stammt, die sich in einer Gegend von Alabama durchbeißen muss, wo man Nigger hasst wie die Pest. Ihr wollt mich auch nicht haben – aber hier sitze ich, ob es euch passt oder nicht.«

»Ich wollte Sie nicht beleidigen«, sagte der Barkeeper. »Sie sind hierhergekommen, um zu boxen. Wir sind schon alle sehr gespannt auf den Boxkampf am vierten Juli.«

Schokoladen-Kid griff nach der halbleeren Whiskyflasche auf dem Tisch. Er lachte, als der Manager versuchte, ihm die Flasche wieder wegzunehmen. Der Manager sagte etwas, das Lassiter nicht verstehen konnte, aber Kid hörte gar nicht zu. Er trank einen Schluck Whisky und behielt die Flasche in der Hand.

Diesmal redete er zum ganzen Saloon. »Das ist die Wahrheit, Leute. Ich wette, dass ihr euch alle auf den vierten Juli freut, weil ihr sehen wollt, wie der Yankee Hackfleisch aus mir macht. Ihr liegt alle Tage auf den Knien und betet zu Jesus, dass er Hackfleisch aus mir macht. Aber wir wollen sehen, wer wen in Stücke schlägt. Wie ihr wisst, hat man mich hierher geholt. Wollt ihr wissen, warum? Ganz einfach – weil ich der beste Preisboxer in dieser Branche bin. Und das wissen die Herren ganz genau. Mr. Delany weiß es, und deshalb hat er mich hierherkommen lassen. Ihr glaubt wohl, der Nigger aus Alabama nimmt aber den Mund gewaltig voll. Trotzdem – es stimmt. Sie haben mich in New Orleans boxen lassen, wo man auf die Nigger nicht so herunterschaut wie in anderen Städten. Wisst ihr, was passierte? Ich legte Billy McBrien in der vierten Runde schlafen. Big Billy ging k.o. Deshalb wollte man mich dort nicht mehr boxen lassen, und so ging ich nach Havanna und machte dort Maxey Willis fertig. Anschließend ging die Reise nach Chihuahua City, wo ich Silent Sammy Ford in der fünften Runde in das Land der Träume schickte.«

Kid schüttelte ärgerlich den Arm seines Managers von seiner Schulter und trank den Rest der Flasche aus. »Und jetzt kommt der Yankee an die Reihe. War mir ja keiner mehr gewachsen. Deshalb muss jetzt der Yankee dran glauben. Dann bleibt nur noch John L. übrig. Wartet nur ab. John L. wird auch noch mit mir boxen müssen. Aber zuerst fege ich den Yankee aus dem Ring. Natürlich werde ich mir ein bisschen Zeit lassen. Schließlich seid ihr alle von weit her gekommen, um einen anständigen Boxkampf zu sehen. Den sollt ihr bekommen, Leute. Vielleicht lasse ich ihn bis zur zehnten Runde mitmischen, ehe ich ihn aus dem Ring puste.«

Ein ärgerliches Gemurmel ging durch die Menge. Yankee Nolan, der ehemalige Dockarbeiter aus Galveston, war ein Mann, den sie alle kannten und schätzten. Nolan war gar kein Yankee, denn er war in Texas geboren und aufgewachsen. Aber als Nolan zu boxen anfing, gab es schon einen populären Lokalmatador namens Dixie Daniels. Deshalb tauften die Manager Nolan zum Yankee um, damit der Nord-Süd-Gegensatz die Gemüter erhitzte und die Kassen besser füllte. Lassiter überlegte, wie alt Yankee Nolan inzwischen sein mochte. Er hatte ihn im Jahr 1885 gegen Curly Gotch in El Paso boxen sehen, und schon damals war er nicht mehr ganz jung gewesen. Er schätzte, dass der Yankee jetzt stark auf die Vierzig zugehen musste. Und Schokoladen-Kid konnte seiner Meinung nach höchstens sechsundzwanzig Jahre alt sein.

Kid lachte, wischte sich dann den Mund und sagte: »Nun macht euch nur nicht gleich in die Hosen, Leute. Ich werde dem alten Mann schon nichts tun. Wäre auch nicht fair. Ich will doch, dass er auch was tut für sein Geld. Ich gönne ihm sogar ein paar Treffer, ehe ich ihn für den Rest der Nacht schlafen lege. Schließlich steht viel Geld auf dem Spiel, Leute, und ich habe vor, den Hauptanteil zu kassieren. Und ihr könnt dann eines Tages euren Kindern erzählen, dass ihr den besten Preisboxer aller Zeiten im Ring gesehen habt. Denkt daran, Leute, ihr habt mich hierher geholt.«

Lassiter hob sein Glas, um sein Grinsen zu verbergen. Dieses Großmaul machte mehr Reklame für sich als eine ganze Werbeagentur. Und es war nicht einmal langweilig, ihm dabei zuzuhören.

Während Kid das Ganze noch einmal wiederholte, damit es auch der Dümmste kapierte, kamen zwei Männer in die Bar. Der eine war klein und dunkel, hatte ein Fuchsgesicht und eine Kanone im tiefhängenden Holster an einem einfachen schwarzen Ledergürtel. Sein Begleiter war lang und dürr und hatte seinen Schlapphut tief herabgezogen. Der Kleine schnalzte mit den Fingern und verlangte Whisky. Er schenkte sich das Glas voll und schob dem anderen die Flasche zu.

»Ihr habt mich ja alle eingeladen, hierher zu kommen«, prahlte Schokoladen-Kid.

»Ich habe dich bestimmt nicht eingeladen«, sagte der Kleine und wendete sich von der Theke weg. Sein Fuchsgesicht zeigte ein kleines, verkniffenes Lächeln. »Ich habe dich nicht hierher bestellt, hörte mir aber dein Gequatsche von der Straße aus an. Machst die Leute ganz besoffen mit dem Gefasel, wie gut du seist. Doch für mich bist du nichts als ein gottverdammter Idiot.«

Lassiter hatte plötzlich eine Idee. Er musste sich nur noch einen Moment gedulden.

Denn inzwischen war Schokoladen-Kid aufgestanden. Er bewegte sich wie eine riesige Katze. »Ich schlage vor, dass ihr beiden Mal eure Kanonen abschnallt. Dann wird sich zeigen, wer was ist.«

Der Schmächtige bewegte sich rasch, aber vorsichtig. Er lächelte in sich hinein und schlug die Augen scheinheilig nieder. »Ich bin ein weißer Mann und ein menschliches Wesen«, sagte er. »Ich kämpfe nicht mit Schwarzen.«

Auch Kid lächelte. »Meine gute Hand – die Rechte – auf den Rücken. Festgebunden. Gegen euch beide. Vielleicht haben Sie noch 'n paar Freunde hier. Die sind herzlich eingeladen. Sie und Ihre weißen Freunde gegen einen armen Nigger aus Alabama, der sich nur mit der Linken wehren kann.«

»Hör zu, Kid!«, rief der Manager beschwörend.

Der Manager flüsterte dem Leibwächter etwas ins Ohr. Der Bursche mit den blonden Haaren und dem Schlägerblick, der die Kanone im Schulterholster trug, erhob sich langsam. Lassiter sah sofort, dass der Bursche der Situation nicht den rechten Geschmack abgewinnen konnte. Aber er erhob sich trotzdem.

»Willst du was, Kleiner?«, fragte der Schmächtige und sah ihn mit seinem verkniffenen Lächeln an, als könne er nicht zulassen, dass sich Kinder in seine Angelegenheiten mischten.

»Sie belästigen die Gäste!«, erwiderte der Leibwächter.

Lassiter wusste natürlich sofort, dass man mit dem Schmächtigen ganz anders verhandeln musste. Er verfolgte die blitzschnelle Bewegung der rechten Hand. Dem Leibwächter verschlug es den Atem, als er plötzlich eine schussbereite Kanone auf sich gerichtet sah.

»Peng!«, rief der Schmächtige.

Niemand lachte. Nur Schokoladen-Kid schlug sich glucksend auf die Schenkel.

»Nun schleich dich fort, Kleiner«, sagte der Schmächtige. »Leibwächter, dass ich nicht lache! Schleich dich davon – husch, husch, ins Körbchen!«

Der sogenannte Leibwächter nahm seinen eleganten Stadthut von der Stuhllehne und trollte sich. »Peng, peng, peng!«, schrie der Schmächtige hinter ihm her.

Dann steckte er die Kanone wieder weg und sah Kid von oben herunter an. »Na, du bist ja immer noch hier! Verschwinde mitsamt deiner aufgedonnerten Hure und diesem weißen Gesindel, das von dir ausgehalten wird! Fort! Verschwindet!«

»Ohne Kanone bist du eine Null!«, höhnte der Schwarze und tänzelte näher.

Lassiter hielt das Glas jetzt in der linken Hand. Seine Idee entwickelte sich immer mehr zu einer genialen Eingebung.

Ein alter Mann mit schneeweißen Bartstoppeln erhob sich jetzt von einem Tisch bei der Tür.

»Setzen Sie sich wieder hin, Mr. Macandrew«, befahl der Schmächtige.

Der alte Mann hatte eine zittrige Stimme. Und die Hände konnte er auch keine Sekunde lang still halten. »Lass den Blödsinn, Lem«, sagte er. »Schokoladen-Kid hat recht. Wir haben ihn hierher geholt. In gewisser Hinsicht ist er ein geladener Gast. Mr. Delany hat ihm ja eine Einladung geschickt. Und dieser Boxkampf ist sehr wichtig für die Stadt. Du wohnst ja selbst hier, Lem. Du weißt ganz genau, dass die Stadt so gut wie pleite ist, seitdem die Minen ausgebeutet sind und aus dem Rindermarkt nichts wurde. Dieser Boxkampf soll die Stadt wieder ankurbeln, Geld in die Kassen bringen. Deshalb lass den Blödsinn, Lem.«

Der Schmächtige zeigte wieder sein verkniffenes Lächeln. »Mag sein, dass die Stadt pleite ist, Mr. Macandrew«, sagte er mit schneidender Stimme. »Mag sein, dass sie bereits am Verrecken ist. Aber vielleicht ist es immer noch besser, sie verreckt, als dass dieses Großmaul sie in den Dreck zieht. Es gibt Dinge, die wichtiger sind als Geld. Jeder von euch kennt mich. Ich, Lem Sutro, bin genauso schlecht dran wie ihr...«

»... viel schlechter«, höhnte Schokoladen-Kid, »wenn ich dich auf die Fäuste nehme.«

Sutro blieb gelassen. »Ich gebe dir sogar eine Chance«, sagte er. »Wenn wir in Alabama wären, würde ich dich umblasen, ohne viel zu fackeln. Ich geb' dir sogar 'ne Chance. Schieß dich oder krieche auf deinem fetten, schwarzen Bauch zur Tür hinaus. Aber eines wirst du ganz bestimmt nicht tun. Du wirst mit deinen schwarzen Pfoten keinen weißen Mann in dieser Stadt anrühren.«

Schokoladen-Kid hörte nicht einen Moment auf zu lächeln. Lassiter hatte noch nie einen Mann gesehen – schwarz oder weiß –, der so viel lächelte wie Schokoladen-Kid. Und dabei so tückisch aussah.

Sutro und sein Begleiter hatten sich von der Theke abgestoßen und standen jetzt vor Lassiter. Kid hatte die Arme angewinkelt und die Hände zu Fäusten geballt. Der Manager und seine zwei weißen Trabanten schielten verzweifelt nach einem Loch, in das sie sich verkriechen konnten.

»Keinen Blödsinn, Mr. Sutro«, warnte Lassiter mit gleichmütiger Stimme. »Dreht euch nicht um, wenn ihr keine heißen Bohnen zwischen die Rippen haben wollt. Tut mir leid, dass ich euch den Spaß verderbe. Jedem ist sein eigenes Hemd am nächsten. Ich bin weit gereist, um den Boxkampf zu sehen. Kann nicht zulassen, dass Sie den Jungen mit einer Kugel einfach so wegblasen, Mr. Sutro. Das verstehen Sie doch.«

Sutro nahm diese Überraschung ziemlich gelassen hin. Der Dürre mit den Henkelohren war sowieso nur tapfer, wenn der Kleine es auch war.

»Wer sind Sie denn?«, fragte der Schmächtige, ohne den Kopf herumzudrehen.

»Einer, der den männlichen Sport sehr schätzt«, sagte Lassiter. »Das verstehen Sie doch, Mr. Sutro.«

»Weder jetzt noch später, mein Freund«, erwiderte Sutro.

Schokoladen-Kid kam Sutro inzwischen gefährlich nahe. Lassiter zog seinen Revolver und ließ den Hammer knacken. »Bleib stehen, Schokoladen-Jüngling«, warnte er. »Wenn du den Mann anfasst, solange ich ihn vor meiner Kanone habe, kommst du nicht mehr zum Boxen. Mit einem zerschmetterten Bein kannst du nicht einmal in den Ring klettern.«

Kid blieb sofort stehen.

»Wie steht's mit Ihnen, Sutro?«, fragte Lassiter. »Jetzt oder später – ich stehe zur Verfügung. Aber ich lasse mir nicht den Boxkampf verderben.«

»Haben Sie was dagegen, dass ich mir Ihr Gesicht anschaue?«, fragte Sutro.

»Drehen Sie sich um, aber mit der Kanone nach außen.«

Sutro drehte sich ganz langsam linksherum, sodass das Holster, das er unter der rechten Hüfte trug, einen langen Halbkreis beschrieb. Sutro blickte Lassiter an, sein kleines, verkniffenes Lächeln auf seinem Fuchsgesicht.

»Jetzt wissen Sie, mit wem Sie es zu tun haben«, sagte Lassiter.

II

Sutro und der lange Lulatsch räumten das Feld, doch Kid wollte nicht von der Stelle rücken. Der Whisky quoll ihm fast aus den Ohren, die Ringe blitzten an allen zehn Fingern, und er teilte ein paar wilde Schwinger aus. Hätte er nicht Schatten geboxt, hätte so ein Schwinger Lassiter glatt bis zehn auf die Theke gelegt.

»Wer hat Sie denn gebeten, sich einzumischen?«, grollte Kid mit heiserer Stimme.

Lassiter zwirbelte das volle Whiskyglas zwischen den Fingern der linken Hand.

»Ich hab Sie was gefragt!«, knurrte Kid.

»Sparen Sie sich die Puste für den Wettkampf«, sagte Lassiter. »Quatschen Sie mit dem Yankee. Vielleicht gibt der Ihnen die richtige Antwort.«

Ein linker Haken kam auf Lassiters Gesicht zu. Doch Kids Reaktionsvermögen war durch den Whisky beeinträchtigt. Auch sein Blick wurde durch Whisky getrübt.

Lassiter schüttete ihm sein Glas ins Gesicht und zog gleichzeitig mit der anderen Hand den 44er Colt. Dann gab er ihm – links, rechts – blitzschnell eine Doublette mit dem Lauf an den Schädel. Der Schwarze stierte und schüttelte seinen Kugelkopf wie ein verwundeter Buffalo, der nicht begreifen konnte, was mit ihm geschah.

»Schafft den Bruder fort«, forderte Lassiter die Begleitmannschaft auf, »ehe er sich einen gewaltsamen Tod holt.«

Der Manager und seine beiden Amtsgehilfen sprangen hinzu und brachten ihre Geldanlage nach draußen. Lassiter spazierte in die gleiche Richtung, um zu sehen, wie sie mit dem Sonnyboy zurechtkamen. Er sah eine prächtig vernickelte Handschelle, die sich mit sattem Geräusch um dunkle Gelenke schloss. Dann gab der Manager seinen Trabanten die Anweisung: »Bringt ihn endlich ins Bett, Gott verdamm mich! Gebt ihm die Beruhigungstropfen, wenn er nicht spurt!«

Ein paar der Stammkunden waren Lassiter ins Freie gefolgt. Er war bereits unterwegs zum O.K.-Hotel – O.K. hatte bei dem großen Ausverkauf in der Stadt das meiste billig aufgekauft –, als der Manager des Sonnyboys kurzatmig hinter ihm her trabte. »He, Mister, nun rennen Sie doch nicht so! Ich möchte gern ein Wörtchen mit Ihnen plaudern!«

»Nur zu!«, sagte Lassiter und passte seine Schrittlänge dem Fettwanst an, damit er bis zum Hotel keinen Schlaganfall bekam.

»Mein Name ist Dan Bogardus«, breitete der Manager sofort sein Innenleben vor Lassiter aus. »Sollte mich mehr bewegen und weniger essen. Kartoffelbrei ist meine große Schwäche.«

Lassiter sah ihn von der Seite an. »Sie sollten lieber Ihren Schokoladen-Jüngling an die Kette legen. Sonst fängt er früher oder später eine heiße Kugel auf. Mag ja sein, dass Ihr Schützling der größte Brüller seit Kain und Abel ist. Aber selbst der kleinste Pinsel kann ihn mit einer Hurenspritze vom Kaliber 32 das Lebenslicht ausblasen. Wundert mich nur, dass das nicht schon längst geschehen ist.«

Das war eine verdammt lange Ansprache. So etwas war man von Lassiter nicht gewöhnt. Aber schließlich wollte er ein Geschäft einfädeln, und da war jedes Wort sein Geld wert. Er war nämlich nicht den weiten Weg bis Tombstone geritten, nur um irgendeinen idiotischen Boxkampf mitzuerleben. Er war hierhergekommen, um zu sondieren, ob er nicht einen Teil der Einnahmen aus der »Schlacht des Jahrhunderts« für sich abzweigen konnte. Denn seit Ed Schieffelin hier in der Gegend auf eine Goldader gestoßen war, die Tombstone zu einem zweiten Chicago entwickeln sollte, hatte man hier nicht mehr mit so großen Summen gerechnet. Das heißt, die Veranstalter rechneten damit. Garantierte zwanzigtausend Zuschauer bei einem Eintrittspreis von fünf Dollar pro Kopf. Ein paar tausend Dummköpfe mehr oder weniger – darauf kam es Lassiter nicht an. Er war schon vollauf zufrieden, wenn zehntausend Leute zwei Dollar pro Nase bezahlten, um die Schlacht mitzuerleben.