Lassiter Sonder-Edition 19 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 19 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Das kleine Haus war umzingelt.
Draußen in der mondlosen Nacht lauerten Lassiters Feinde. Hin und wieder peitschte ein einzelner Gewehrschuss auf, und eine Kugel schlug gegen die weiße Adobewand oder flog durch eins der schmalen Fenster ins Innere des Hauses.
Seit zwei Stunden belagerten sie das Adobehaus am Stadtrand von Gila Bend. Seit Mitternacht.
Es waren mindestens dreißig Mann. Sie hatten einen waffenstarrenden Ring um das Haus gezogen, durch den nicht einmal eine Maus ungesehen entschlüpfen konnte.
Sie hatten Zeit. Sie wussten, dass sie nur zu warten brauchten. Irgendwann würde sich das Wild, das sie gestellt hatten, eine Blöße geben. Und dieses Wild war Lassiter ...


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Seitenzahl: 179

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

LASSITER UND DIE SIEBEN WÖLFE

Vorschau

Impressum

LASSITER UNDDIE SIEBEN WÖLFE

von Jack Slade

Das kleine Haus war umzingelt.

Draußen in der mondlosen Nacht lauerten Lassiters Feinde. Hin und wieder peitschte ein einzelner Gewehrschuss auf, und eine Kugel schlug gegen die weiße Adobewand oder flog durch eins der schmalen Fenster ins Innere des Hauses.

Seit zwei Stunden belagerten sie das Adobehaus am Stadtrand von Gila Bend. Seit Mitternacht. Es waren mindestens dreißig Mann. Sie hatten einen waffenstarrenden Ring um das Haus gezogen, durch den nicht einmal eine Maus ungesehen entschlüpfen konnte.

Sie hatten Zeit. Sie wussten, dass sie nur zu warten brauchten. Irgendwann würde sich das Wild, das sie gestellt hatten, eine Blöße geben. Und dieses Wild war Lassiter ...

Lassiter presste sich neben einem der Fenster dicht an die Wand und riskierte einen Blick nach draußen. Nichts war zu sehen. Aber einer der Belagerer hatte den Schatten erspäht und feuerte. Die Kugel prallte dicht neben Lassiters Kopf gegen das Mauerwerk und jaulte als Querschläger davon.

Lassiter zog sich vom Fenster zurück. Er ging zum Tisch in der Ecke und berührte Eleanas warme Schulter.

»Wie die Ratten«, sagte der große Mann. »Einfach nicht zu fassen sind diese Schufte.«

Er nahm die Tequilaflasche und trank. Der Alkohol vertrieb für kurze Zeit seine Müdigkeit.

»Du solltest dich ergeben, Lassiter«, sagte Eleana Santillo leise. »Es ist zwecklos. Es sind einfach zu viele. Du kommst nicht gegen sie an. Sie werden dich töten.«

Lassiter stieß ein knurrendes Lachen aus.

»Das werden sie so oder so. Wenn ich mich ergebe, ist mir der Galgen sicher. Lieber kämpfe ich.«

Die Frau erhob sich. Sie trug einen langen, seidenen Morgenmantel, der vorne leicht auseinanderklaffte und den Blick auf ihren üppigen Körper freigab.

Sie presste sich an den großen, hageren Mann und schlang die weichen Arme um seinen Nacken.

»Aber sie können dich doch gar nicht hängen«, sagte sie beschwörend. »Du warst es doch nicht, der diesen Rancher umgebracht hat.«

»Das weiß ich selbst«, knurrte er. »Aber in dieser Stadt wird mir niemand glauben. Morrison wurde erschossen und beraubt. Und es gibt ein halbes Dutzend Zeugen, die beschwören, dass ich der Mörder bin. Dagegen ist kein Kraut gewachsen.«

Sie zitterte. Seine Hände glitten über ihren Körper. Obwohl er vom Anbruch der Dunkelheit bis gegen Mitternacht mit ihr zusammen gewesen war, verspürte er noch immer Begierde.

Gleichzeitig schwelte in ihm die Wut über die jähe Störung ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als es am schönsten war.

Jemand hatte mit einem harten Gegenstand, wahrscheinlich mit dem Gewehrkolben, gegen die verschlossene Tür gedonnert.

Und dann ertönte Marshal Finbows heisere Stimme: »Im Namen des Gesetzes, Lassiter, kommen Sie raus! Sie sind verhaftet!«

»Was liegt gegen mich vor, Marshal?«

»Tun Sie doch nicht, als ob Sie nichts wüssten. Sie haben Rancher Phil Morrison ermordet. Kommen Sie und stellen Sie sich dem Gesetz. Sie werden eine faire Verhandlung bekommen.«

Faire Verhandlung. Lassiter kannte das. Ein schnell gefällter Urteilsspruch und gleich darauf die Schlinge um den Hals. So sahen meistens die »fairen Verhandlungen« aus, wenn ein paar wütende, aufgebrachte Männer, deren Blick durch voreilige Schlüsse getrübt war, über einen Tatverdächtigen zu richten hatten. Die Mitglieder einer solchen Jury besaßen meistens keinen klaren Kopf mehr. Sie urteilten allzu schnell und waren sich in keiner Sekunde der Unrechtmäßigkeit ihres Tuns bewusst.

Lassiter hatte die Worte des Marshals mit einem höhnischen Lachen beantwortet: »Hauen Sie ab, Sie komischer Sternträger! Ich habe mich seit meiner Ankunft am Nachmittag ununterbrochen in diesem Hause aufgehalten. Mrs. Santillo kann das bezeugen.«

Daraufhin hatte der Marshal die ersten Schüsse auf das Türschloss abgefeuert. Lassiter schoss zurück. Es gelang ihm, den Marshal und seine Begleiter vom Haus wegzutreiben, aber sie hatten sich nicht endgültig zurückgezogen.

Seit nunmehr zwei Stunden wurde das Haus von Eleana Santillo belagert.

»Ich gehe jetzt«, sagte Lassiter. »Ich werde denen mal zeigen, was es heißt, sich mit mir anzulegen.«

Sie umklammerte ihn, als wollte sie ihn niemals wieder loslassen.

»Tu's nicht, Lassiter. Es wird dein Tod sein.«

Mit einer heftigen Bewegung löste er sich von ihr.

»Ich habe den weiten Weg nicht gemacht, um mich hier so einfach aufhängen zu lassen. Es geht um Geld, um sehr viel Geld. Deshalb bin ich nach Gila Bend gekommen.«

»Ich habe dich nicht gerufen«, erwiderte sie ablehnend. Lassiter grinste.

Eleana hatte recht. Sie hatte ihn nicht gerufen. Er war aus eigenem Antrieb gekommen.

Bei Eleana wollte er den Hebel ansetzen, um jenen sagenhaften Schatz zu heben, von dessen Existenz eine Menge Leute wusste, dessen Lage aber niemand kannte.

Es ging um den Rebellenschatz des verschollenen mexikanischen Banditenführers Sebastian Santillo. Vor einem halben Jahr war seine Revolutionsarmee von Regierungseinheiten zerschlagen worden. Und Sebastian Santillo war spurlos verschwunden. Zusammen mit einem Goldschatz im Werte von einer halben Million Dollar.

Dass es diesen Schatz gab, bezeugten unabhängig voneinander mehrere Hauptleute seiner ehemaligen Armee. Aber angeblich wusste nur der Rebellenführer, wo dieser Schatz lag.

Auch Lassiter hatte davon gehört. Er wusste, dass eine der beiden Töchter des Rebellenführers in Gila Bend lebte. Durch sie wollte er erfahren, wo sich Sebastian Santillo versteckte.

Aber Eleana hatte bis jetzt geschwiegen. Selbst in den Minuten heißer und leidenschaftlicher Umarmung verriet sie nichts.

Draußen peitschten wieder Schüsse auf. Lassiter und die Frau standen im toten Winkel. Ein paar Querschläger wirbelten gefährlich nahe an ihnen vorbei, richteten aber keinen Schaden an.

»Wo finde ich deinen Vater?«, wiederholte er die Frage, die er schon so oft gestellt hatte an diesem Abend. »Warum vertraust du mir nicht, Eleana? Don Sebastian kennt mich. Er wird sich freuen, wenn ich ihn besuche.«

»Du willst ja nur das Gold, Lassiter«, keuchte sie. »Ich habe ihm versprechen müssen, keinem Menschen zu verraten, wo er sich verborgen hält.«

»Wie du willst«, sagte Lassiter kalt. »Ich finde ihn auch ohne deine Hilfe.«

Er warf sich den langen schwarzen Mantel um die Schultern, setzte den breitkrempigen schwarzen Hut auf und glitt auf die Hintertür zu.

Eleana lehnte sich gegen die weißschimmernde Wand. Sie weinte leise.

Der große, düstere Mann öffnete die Tür einen Spalt und glitt ins Freie. In seinem schwarzen Umhang verschmolz er mit den Schatten der Nacht.

Lautlos bewegte er sich vom Haus weg. Warmer Wüstenwind strich durch Bäume und Sträucher und fächelte seine Haut. Ein Schatten wuchs vor ihm aus dem Boden, bewegte sich.

Lassiter sprang ihn an. Ein überraschter Schrei kam über die Lippen des Mannes. Hart schlug Lassiter zu. Der Schrei erstickte. Aber er war nicht mehr rückgängig zu machen. Alle hatten ihn gehört.

Von drei Seiten sprangen Männer auf Lassiter zu. Schüsse peitschten durch die Dunkelheit, Mündungslichter zuckten auf den großen Mann zu.

Lassiter feuerte zurück. Zweimal bewies ihm ein Schrei, dass er getroffen hatte.

Geduckt hetzte er vorwärts.

Ringsum schien die Hölle ausgebrochen zu sein. Eine Kugel streifte Lassiters Hals, ein zweites Geschoss zog eine blutige Furche über seinen linken Rippenbogen.

Lassiter sah keine Möglichkeit, den Ring der auf ihn zustürmenden Männer zu durchbrechen. Wild schießend zog er sich zum Haus zurück und sprang durch die noch immer halbgeöffnete Tür ins Innere.

»Verdammt«, knurrte er, »das war knapp.«

»Ich habe es dir doch gesagt«, murmelte Eleana. »Die ganze Stadt ist auf den Beinen, um dich zu fassen. Tu dem Marshal den Gefallen und stell dich. Ich werde vor Gericht für dich aussagen. Es wird sich herausstellen, dass du als Mörder Morrisons nicht in Frage kommen kannst, weil du doch die ganze Zeit bei mir warst.«

Lassiter gab keine Antwort.

Er hatte in den nächsten Minuten alle Hände voll zu tun.

Von allen Seiten griff die wilde Meute jetzt das Haus an. Jetzt wollten sie die Entscheidung erzwingen. Sie hielten das Wild für angeschlagen. Jetzt brauchten sie ihm nur noch den Fangschuss zu geben, so glaubten sie.

Lassiter stand hinter einem der drei Fenster an der Frontseite. In rasendem Stakkato leerte er das Magazin seiner Winchester auf die anstürmenden Männer. Einige wurden im vollen Lauf getroffen. Sie blieben stehen, als wären sie gegen eine unsichtbare Wand gelaufen, ließen ihre Waffen fallen, gingen in die Knie, überschlugen sich oder taumelten, wobei sie mit ausgestreckten Armen nach einem Halt suchten.

In fliegender Hast stopfte Lassiter neue Patronen in das leergeschossene Magazin der Winchester. Und die Meute rollte unaufhaltsam näher.

Er griff nach der Schrotflinte, die er in einer Spezialhalterung unter seinem weiten Umhang trug. Aus nächster Nähe feuerte er beide Läufe ab, und das gehackte Blei riss eine neue Lücke in die Reihen der Angreifer.

Im gleichen Augenblick wurde die kleine Hintertür aufgebrochen. Lassiter hörte, wie Männer ins Haus eindrangen. Er stopfte zwei neue Patronen in die Läufe der Parker.

Ruhig wartete er, bis die Angreifer die Tür zum Wohnraum aufstießen, in dem er sich mit der Frau befand.

Mit ohrenbetäubendem Krachen entlud sich die Flinte, als sich das Menschenknäuel in der Tür drängte.

Ein Gewirr von entsetzten Schreien war die Antwort. Die Männer drängten zurück. Sofern sie dazu noch in der Lage waren. Vier konnten nur noch kriechen. Weitere zwei lagen seltsam verkrümmt auf dem Boden und rührten sich überhaupt nicht mehr.

Der Lärm der Angreifenden verstummte ebenso rasch, wie er aufgebrandet war.

Es wurde wieder still draußen.

Lassiter lud den Revolver, das Gewehr und die Schrotflinte auf und untersuchte seine Wunden. Es war nichts Gefährliches. Nur Streifschüsse. Einer am Hals und einer auf den Rippen. Er goss Tequila darüber, um die Wunden zu desinfizieren.

Eleana Santillo kauerte auf der Erde hinter dem umgestoßenen Tisch. Jetzt erhob sie sich langsam. Sie kam auf Lassiter zu. Der seidene Morgenmantel rutschte von der linken Schulter. Neue Begierde überfiel Lassiter.

Er packte die Frau und presste sie an sich. Ihr weiches Fleisch pulsierte warm unter seinen Händen.

»Komm!«, sagte er heiser.

Sie gingen in den winzigen fensterlosen Raum, der als Schlafzimmer diente. Ein Schrank, zwei Stühle und das breite Bett bildeten die ganze Einrichtung.

Apathisch ließ sich Eleana auf das Bett sinken.

»Jetzt?«, flüsterte sie ungläubig, als sich der Mann neben sie legte. »Doch nicht jetzt?«

Dann lachte sie, heftig und fast hysterisch.

»Reiß dich zusammen!«, fuhr Lassiter sie an. »Was ist denn schon dabei?«

Sie beruhigte sich nur langsam.

»Du hast Nerven«, flüsterte sie anschließend. »Hast du denn gar keine Angst?«

Lassiter schwieg.

Als er wieder hinaus in den Wohnraum trat, sickerte das erste Tageslicht durchs Fenster. Draußen war es noch immer still.

»Mach uns was zu essen!«, sagte er. »Ich hab' Hunger wie ein Wolf.«

»Du wirst bald noch mehr Hunger haben«, sagte sie spöttisch. »Viel habe ich nämlich nicht im Haus. Ein paar Eier, etwas Speck, ein bisschen Brot.« Sie ging zum Schrank und holte die Vorräte heraus. Ein Pfund Maismehl befand sich auch noch darunter.

»Ich könnte dir ein paar frijoles machen.«

Er nickte.

Nachdem er gegessen hatte, fühlte er sich etwas wohler, nicht mehr so müde und ausgebrannt wie in der Stunde der Dämmerung, der sogenannten grauen Stunde, die von Indianern bei Überfällen bevorzugt wurde.

Die Belagerer waren noch immer da. Lassiter spürte sie mehr, als dass er sie sah. Sie waren in den Häusern auf der anderen Straßenseite, in der alten Scheune nördlich vom Haus, hinter Bäumen, Büschen und Bodenmulden. Sie waren da, und doch gab sich keiner von ihnen eine Blöße.

Sie hatten Lassiters Kampfgeist kennen und fürchten gelernt. Trotzdem gaben sie nicht auf. Allein die Tatsache, dass er ihnen schlimme Verluste zugefügt hatte, stachelte ihre Wut auf diesen Mann noch mehr an. Jetzt wollten sie um jeden Preis der Welt seinen Kopf haben.

Lassiter gab sich keinen Illusionen über seine Situation hin.

Seine Gegner brauchten nur zu warten. Irgendwann würde er keine Munition mehr haben. Oder Hunger und Durst würden ihn und die Frau aus dem Haus treiben. Oder er schlief vor Erschöpfung ein, und die Gegner konnten ihn im Schlaf überwältigen.

»Du kannst gehen, wenn du willst«, sagte er zu Eleana. »Ich will dich nicht noch tiefer da hineinziehen.«

»Ich bleibe«, erwiderte sie fest. »Und sollten wir jemals lebend hier herauskommen, werde ich dich zum Versteck meines Vaters führen.«

Die Sonne ging über den Bergen im Osten auf. Sie tauchte das weite Land und die Stadt in ihr grelles Licht und kündigte wieder einen jener unbarmherzig heißen Tage an, die typisch für die Jahreszeit waren.

Über Gila Bend, der kleinen, trostlosen Stadt am Rande der Gila-Wüste, lastete tiefe Stille. Nichts war da von den Geräuschen, die normalerweise den Tagesanfang begleiteten. Keine Hammerschläge aus der Schmiede, kein Kreischen von Sägen aus der Werkstatt des Schreiners, kein Frauengeschwätz, kein Kindergeschrei. Selbst die Tiere schienen zu spüren, dass dieser Tag anders war als die anderen. Das Krähen eines Hahns irgendwo zwischen den Häusern klang seltsam verloren und zugleich irgendwie spöttisch.

Die Stunden rannen in aufregender Langsamkeit dahin. Es wurde Mittag. In dem kleinen Adobehaus blieb es angenehm kühl trotz der Hitze, die draußen herrschte.

Lassiter und Eleana aßen die frijoles, die vom Morgen übriggeblieben waren. Damit waren ihre Lebensmittelvorräte endgültig erschöpft.

Lassiter hing träge an dem mit Segeltuch bespannten Schaukelstuhl und rauchte.

Seine Gedanken beschäftigten sich mit Sidney Blood und Wells Fargo. Auch die mächtige Company war hinter dem Rebellengold her. Ein Teil davon, etwa hunderttausend Dollar, hatten Santillos Banditen bei einem Überfall auf einen Wells-Fargo-Transport erbeutet. Es war Grund genug für die Gesellschaft, ihre fähigsten Detektive auf den verschwundenen Rebellenführer zu hetzen.

Lassiter bezog dieses Wissen von einem Vertrauensmann. Von ihm hatte er auch erfahren, dass Wells Fargo ihren gefährlichsten und fähigsten Agenten mit dem Fall betraut hatte: Sidney Blood, den man in einschlägigen Kreisen den Bluthund nannte.

Sidney Blood. Lassiters Nemesis. Sein unerbittlichster Feind seit Jahren. Blood ärgerte sich beruflich über jeden, der eine Bedrohung für Wells Fargo darstellte. Sein Ärger über Lassiter war längst eine persönliche Angelegenheit geworden.

Zu oft war Blood von Lassiter bloßgestellt und gedemütigt worden. Und damit hatte Lassiter das Ansehen des Spezialagenten bei den großen Bossen in San Francisco entscheidend untergraben.

Und für Lassiter war seine Affäre mit Wells Fargo der einzige emotionelle Luxus, den er sich gönnte.

Kurz nach dem Krieg hatte die Auseinandersetzung begonnen. Lassiter, Sohn einer ehemals reichen Pflanzerfamilie aus dem Süden, ging nach Lees Kapitulation in den Westen. Er wollte sich eine neue Existenz aufbauen. Die ersten Monate ritt er mit verschiedenen Banden an der Grenze, wurde aus Missouri vertrieben und ging nach Colorado. Dort eröffnete er eine Frachtlinie. Aber schon bald war er am Ende. Sein Partner beging Selbstmord. Und hinter allem steckte Wells Fargo. Die Company war ein gefräßiger, alles verschlingender Moloch, duldete keine Konkurrenz neben sich, ließ niemanden groß werden. Sie scheute vor keinem Mittel zurück, um kleinere Unternehmen abzuwürgen. So auch bei Lassiter.

Er erklärte Wells Fargo den Krieg, schadete ihr, wo er nur konnte. Das war auch jetzt seine Absicht.

Geld interessierte ihn erst in zweiter Linie.

In diesem Fall waren er und Sidney Blood wie zwei Jäger, die dasselbe Wild jagten. Es war fast wie ein sportlicher Wettkampf für Lassiter. Allerdings standen im Augenblick die Chancen schlecht für ihn. Er fragte sich, ob Sidney Blood inzwischen erfahren hatte, dass auch Lassiter hinter dem Rebellengold her war. »Warum grinst du?«, fragte die Frau leise.

»Die Sache fängt an, mir Spaß zu machen«, sagte Lassiter.

II

Der große Mann von Gila Bend war ein Mexikaner namens Ramon Bolivar. Ihm gehörten die beiden Saloons, der General Store und die größte Viehranch im Norden der Stadt.

Er war fast zwei Meter groß, hageres, ernstes Gesicht, straffe, militärisch anmutende Bewegungen. Coronel ließ er sich von seinen Leuten nennen. Coronel, was rangmäßig dem amerikanischen Colonel entsprach.

Angeblich war Coronel Ramon Bolivar Offizier in der mexikanischen Armee gewesen, aber das war nur eine Teilwahrheit. Denn Bolivar gehörte nur kurze Zeit zur regulären Truppe. Er wurde wegen verschiedener Unterschlagungen mit Schimpf und Schande entlassen und schloss sich einer Rebellenarmee an. Und zwar derjenigen des Sebastian Santillo, der er auch bis kurz vor ihrem Ende angehörte.

Von all den Beutezügen hatte sich Bolivar so viel zurückgelegt, dass es ihm ein Leichtes war, in Arizona als ehrbarer Bürger und Geschäftsmann zu existieren. Und innerhalb kurzer Zeit wurde er zum großen Boss von Gila Bend und Umgebung.

Marshal Jake Finbow, der verschlagene, rothaarige Sternträger mit der heiseren Stimme, hörte genauso auf seine Befehle wie die meisten anderen Bürger.

Als Lassiter am Vortag in der Stadt auftauchte und sofort zu Eleanas Haus ritt, stellte Bolivar verschiedene Überlegungen an.

Lassiter war ihm kein Unbekannter. Er wusste, dass dieser Mann einmal kurze Zeit mit Sebastian Santillo zusammengearbeitet hatte und dass die beiden sich ausgezeichnet verstanden hatten.

Bolivars Überlegungen führten zu dem Schluss, dass Lassiter nur aus einem ganz bestimmten Grunde nach Gila Bend gekommen war. Sebastian Santillo hatte ihn geschickt. Und seine Mission stand in einem engen Zusammenhang mit dem verschwundenen Rebellengold.

Lassiter war nach Arizona gekommen, um den Schatz zu heben.

Coronel Bolivar war der festen Überzeugung, dass dieses Gold in einem Versteck in Arizona lag.

Es war das einzige, was er wusste. Sebastian Santillo hatte das Gold in Arizona versteckt.

Und deshalb war Lassiter gekommen.

Denn Don Sebastian selbst konnte nicht kommen. Auch dafür kannte Bolivar den Grund.

Es gab also wirklich nur die eine Möglichkeit: Lassiter war gekommen, um den Rebellenschatz zu heben.

Als Ramon Bolivar zu diesem Schluss gelangt war, hatte er sofort und sehr schnell gehandelt.

Sein Nachbarrancher Morrison war ihm ohnehin seit längerer Zeit im Wege. Es würde sich so bald keine günstigere Gelegenheit ergeben, den lästigen Konkurrenten aus dem Wege zu räumen.

Und jetzt wurde das Haus belagert, in dem sich Lassiter aufhielt.

»Zum Teufel noch mal, Coronel!«, fluchte Marshal Jake Finbow und stieß sich den zerbeulten Hut aus der Stirn. »Der Kerl könnte längst im Sarg liegen. Wenn wir nur nicht so verdammt rücksichtsvoll wären. Warum räuchern wir ihn nicht aus? Ein paar Brandpfeile auf das ausgetrocknete Dach, und er kommt freiwillig aus seinem Bau. Dann eine gut gezielte Kugel und –«

Bolivar unterbrach den Marshal mit einer schroffen Handbewegung.

»Ich will ihn lebend haben, Finbow!«, fuhr er den Marshal an. »Haben Sie das verstanden?«

Finbow duckte sich unwillkürlich.

Er sah zu dem Coronel auf wie ein Hund zu seinem Herrn. Und mehr war der Marshal von Gila Bend im Grunde auch nicht.

Im Stillen wunderte er sich, warum Bolivar diesen Lassiter unbedingt lebend haben wollte, traute sich aber nicht, eine diesbezügliche Frage zu stellen.

»Okay, Sir«, versicherte er eilig. »Sie sollen ihn lebend bekommen, Sir.«

Bolivar runzelte die Stirn. Diese Äußerung war auch wieder nicht in seinem Sinne.

»Nicht ich will ihn lebend haben, Finbow«, schnarrte er. »Es ist das Gesetz, das einen Anspruch auf diesen Mörder hat. Was immer er auch getan hat, er soll eine faire Verhandlung bekommen.«

Jake Finbow konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er hütete sich jedoch, weitere Fragen zu stellen.

»Ich bin gespannt, wie lange er noch durchhält«, murmelte er. »Dieser Bursche scheint verdammt hartgesotten zu sein.«

»Das scheint er nicht nur, das ist er auch«, sagte Bolivar. »Aber irgendwann wird auch er weich.«

Die beiden Männer befanden sich in dem Saloon, der ungefähr fünfzig Schritt von Eleanas Haus entfernt auf der linken Straßenseite lag.

Inzwischen war es drei Uhr am Nachmittag. Über der Stadt lag noch immer beklemmende Stille.

Plötzlich sagte Bolivar: »Das mit dem Ausräuchern ist eigentlich eine gute Idee. Treffen Sie die nötigen Vorbereitungen, Marshal...«

Der erste Brandpfeil schwirrte um vier Uhr durch die heiße Luft dieses sonnendurchglühten Nachmittags.

Das brennende Geschoss senkte sich auf das trockene Strohdach hinab, und Sekunden später breiteten sich züngelnd die kleinen Flammen aus, wurden rasch größer und erfassten den gesamten Dachstuhl.

»Verdammt!«, sagte Lassiter.

Hier war nichts mehr zu machen. In spätestens zehn Minuten würde das Haus ein loderndes Flammenmeer sein, das alles Leben erbarmungslos verschlang.

Rauch senkte sich herab und machte das Atmen zur Qual. Eleana hustete erstickt, taumelte zu Lassiter hin, klammerte sich an ihn.

Lassiter blieb ruhig wie immer. Er warf sich den langen Umhang um die Schultern, nahm die Winchester in die Hand und schritt mit der Frau auf die Tür zu.

Ihre Augen tränten. Der Qualm legte sich ätzend auf die Atemwege.

Lassiter stieß die Tür auf und trat mit der Frau ins Freie. Die Armee des Marshals erwartete sie bereits.

»Geben Sie auf, Lassiter!«, rief der Marshal mit schriller Stimme. »Es hat keinen Zweck mehr.«

»Reg dich nicht auf!«, knurrte Lassiter und blieb stehen. Er hatte selbst eingesehen, dass es völlig aussichtslos war, jetzt noch zu kämpfen. Vorläufig hatten die anderen die besseren Karten in den Händen.

Die schwerbewaffneten Männer umringten ihn und die Frau. Jemand riss ihm die Winchester aus der Hand. Ein anderer zog den Revolver aus Lassiters Holster.

Der Marshal tastete den schwarzen Umhang ab und holte die abgesägte Schrotflinte aus der Spezialhalterung.

Dann wurde Lassiter abgeführt. Zum Haus des Marshals, in dem sich auch das kleine Gefängnis befand.

Um die Frau kümmerte sich niemand.

Eleana Santillo stand verlassen auf der breiten Straße von Gila Bend. Sie blickte den Männern nach, in deren Mitte sich Lassiter befand. Sie war noch immer voller Zuversicht.

Sie würde für Lassiter aussagen.

Alles würde sich spätestens bei der Verhandlung gegen diesen großen Mann klären.

Vom Saloon her kam Coronel Bolivar.

Er war gekleidet wie ein vornehmer mexikanischer Caballero. Ein silberverzierter Waffengurt zierte seine Hüften. Aus dem Holster unter dem langschößigen Rock ragte der elfenbeinerne Kolben eines großen Revolvers.

Der Coronel blieb zwei Schritt vor der Frau stehen und nahm höflich den Hut ab.

»Es tut mir leid für Sie, Eleana, dass es so weit gekommen ist. Warum hat sich dieser Mann nicht ergeben?«

»Er ist nicht Morrisons Mörder, Señor.«

Bolivar lächelte.

»Dann verstehe ich erst recht nicht, warum er sich so verbissen zur Wehr gesetzt hat.« Eleana schwieg.