1,99 €
Lassiter schob sich vorsichtig an den Rand der Mulde heran. Der glühend heiße Sand der Nevada-Wüste verbrannte seine Handflächen, und die Hitze drang durch den Stoff seines Baumwollhemdes und der verwaschenen Levis-Hose. Senkrecht über ihm stand der gleißende Sonnenball, dessen Strahlen schon längst den letzten Tropfen Feuchtigkeit aus Lassiters gemartertem Körper gesogen hatten.
In einem Anflug von grimmigem Humor verglich er sich mit einem Spanferkel auf dem Grill, während er aus entzündeten Augen hinab in die Mulde starrte. Dort unten gab es etwas Gras und ein Wasserloch. Trübes, abgestandenes, alkalihaltiges Wasser wahrscheinlich. Aber was machte das schon aus? Immerhin irrte Lassiter seit zwei Tagen durch diese Wüste, ohne einen Tropfen Wasser getrunken zu haben.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 183
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
ALS LASSITER DIE JUNGFRAU RAUBTE
Vorschau
Impressum
ALS LASSITER DIE JUNGFRAU RAUBTE
von Jack Slade
Lassiter schob sich vorsichtig an den Rand der Mulde heran. Der glühend heiße Sand der Nevada-Wüste verbrannte seine Handflächen, und die Hitze drang durch den Stoff seines Baumwollhemdes und der verwaschenen Levis-Hose. Senkrecht über ihm stand der gleißende Sonnenball, dessen Strahlen schon längst den letzten Tropfen Feuchtigkeit aus Lassiters gemartertem Körper gesogen hatten.
In einem Anflug von grimmigem Humor verglich er sich mit einem Spanferkel auf dem Grill, während er aus entzündeten Augen hinab in die Mulde starrte. Dort unten gab es etwas Gras und ein Wasserloch. Trübes, abgestandenes, alkalihaltiges Wasser wahrscheinlich. Aber was machte das schon aus? Immerhin irrte Lassiter seit zwei Tagen durch diese Wüste, ohne einen Tropfen Wasser getrunken zu haben.
Seine Augen brannten und waren rot von den feinen Sandkristallen, die sich unter die Lider gesetzt hatten. Die Zunge war nicht mehr als ein Stück altes Leder in der ausgetrockneten Mundhöhle. Der leere Magen und die Eingeweide krampften sich zusammen beim Gedanken an etwas Trink- oder Essbares.
Und jetzt hatte er endlich ein Wasserloch gefunden. Es lag zum Greifen nahe vor ihm. Aber er konnte nicht heran. Noch nicht.
Dort unten standen fünf Pferde. In ihrer Nähe hatten sich die Reiter niedergelassen. Im Schatten eines verkrüppelten Josuah-Baumes. Vier Männer und eine Frau.
Die Frau saß zwischen den Männern, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Eine schöne Frau. Sie trug ein hellrotes Samtkleid, das eine Menge Geld gekostet haben musste. Tizianrotes Haar umwallte die nackten makellosen Schultern.
Lassiter beobachtete reglos wie eine Klapperschlange. Er musste warten. Wenn er sich bemerkbar machte, würden ihn diese vier Männer wahrscheinlich niederknallen.
Lassiter wusste aus eigener Erfahrung, wie empfindlich Burschen von dieser Sorte reagieren.
Das waren Gejagte. Männer, die nichts mehr zu verlieren hatten. Abgebrüht und brutal. In solchen Gesichtern kannte sich Lassiter aus.
Langsam drehte er den Kopf und spähte zurück. Die schmale, endlos scheinende Spur seiner Füße verlor sich als schmales Band in der hitzeflimmernden Weite.
Irgendwo, Meilen zurück, lag sein totes Pferd, das ihm seine Verfolger unter dem Hintern weggeschossen hatten. Dort lagen auch drei tote Männer neben ihren toten Pferden.
Drei von hundert Verfolgern. Hundert? Lassiter grinste hart in sich hinein. Wahrscheinlich waren es bedeutend mehr. Für die zwanzigtausend Dollar, die jener Mann in Lordsburg auf seinen Kopf ausgesetzt hatte, nahm manch einer die Strapaze eines harten Rittes gerne auf sich. Für so viel Geld riskierte manch einer sein Leben.
Vier Mann waren es gewesen, die Lassiter gestellt hatten. Der vierte konnte entkommen. Es war sein Glück gewesen, dass Lassiter keine Patrone mehr in seinem Gewehr hatte. Sonst läge er jetzt neben seinen drei Kumpanen.
Inzwischen war der Mann wahrscheinlich auf andere Verfolger Lassiters gestoßen, hatte sie zu der Stelle geführt. Aasgeier und Coyoten hatten wohl nicht mehr viel übriggelassen von den Menschen und den Pferden. Und der ständig wehende Wüstenwind hatte Lassiters Spuren bestimmt verwischt.
Aber irgendwann würden ihn seine Jäger wieder aufspüren. Es lohnte sich, ausdauernd und hartnäckig zu sein. Zwanzigtausend Dollar waren sehr viel Geld.
In weiter Ferne glaubte Lassiter einen winzigen Punkt zu erkennen. Er hob sich schwach aus dem flimmernden Hitzeschild, nicht viel größer als ein Streichholzkopf.
Lassiter spähte schärfer. Seine Vermutung wurde zur Gewissheit. Der Punkt bewegte sich, wurde größer.
Das mussten sie sein. Seine Jäger. Jetzt hatte er nicht mehr viel Zeit. Höchstens noch drei Stunden.
Er blickte wieder in die Mulde und tastete nach seinem Revolver. Langsam, jedes Geräusch vermeidend, zog er ihn aus dem Holster. Eines der fünf Pferde dort unten hob den Kopf und äugte zu ihm hinauf.
Lassiter drückte das Gesicht in den brennenden Sand. Die feinen Kristalle ätzten die rohen Stellen auf dem Gesicht wie Säure.
Minuten wartete er. Dann riskierte er es und schob den Kopf wieder hinter seiner Deckung hervor.
Das Pferd hatte den Kopf wieder gesenkt. Die Männer schienen sich für nichts anderes als die Frau zu interessieren. Sie starrten sie noch immer an, schweigend und feindselig.
Die Frau hockte da wie leblos. Sie hatte den Kopf gesenkt und den starren Blick auf die trockene Erde gerichtet. Sie schien erschöpft zu sein, voller Resignation.
Lassiter zog den Hammer seiner Waffe zurück und ließ die Trommel rotieren. Sie waren alle geladen. Sechs Kugeln. Der Rest von Lassiters Munition. Sechs Kugeln für vier Gegner.
Die vier unterhielten sich gedämpft. Dann nickten sie sich zu. Einer stand auf und näherte sich der Frau. Breitbeinig blieb er vor ihr stehen. Sie rührte sich nicht. Er stieß sie mit dem Fuß an.
Ein Ruck ging durch ihren Körper. Sie fauchte den Mann an wie eine Wildkatze.
»Verschwinde, Jake!«
Der Mann lachte rau. Die anderen stimmten in das Gelächter ein. Jake war ein Zweizentnermann, breitschultrig, muskulös, mindestens zweihundertfünfzig Pfund schwer. Die plattgeschlagene Nase und zahlreiche Narben im Gesicht erinnerten Lassiter an einen Preisboxer.
Er bückte sich und stieß die Frau gegen den Rücken. Sie fiel nach vorne und blieb auf dem Bauch liegen. Sie schrie und wollte sich wieder aufrichten. Jake setzte ihr den Fuß zwischen die Schulterblätter und nagelte sie so an der Erde fest.
»Verdammte Hure!«, grollte er mit tiefer Bärenstimme. »Halt nur still, sonst bringe ich dich um.«
Jetzt lag die Frau völlig reglos.
»Was habt ihr vor?«, wimmerte sie. »Was habe ich euch nur getan?«
»Du hast Jones verraten«, brummte Jake. »Gestern haben sie ihn gehängt. Dafür wirst du bezahlen.«
Die Frau hatte den Kopf gedreht, so dass nur noch ihre linke Wange die Erde berührte.
»Warum glaubt ihr mir nicht?«, ächzte sie. »Ich bin wirklich nicht schuld, dass sie Jones geschnappt haben. Es war Zufall. So etwas kann jedem Mal passieren.«
»Und wofür hast du vom Sheriff in Reno zehntausend Dollar kassiert, Lorna?«, rief einer der anderen Männer. »Es war genau die Summe, die auf Jones' Kopf ausgesetzt war.«
Die Frau schloss erschöpft die Augen. Schweiß rieselte über ihr Gesicht.
»Lasst mich laufen, und ich gebe euch zwanzigtausend Dollar«, presste sie hervor. »Das ist alles, was ich besitze. Für jeden von euch fünftausend. Das ist doch ein gutes Geschäft für euch.«
Die vier lachten wieder.
»Habt ihr das gehört, Partner?«, grollte Jake. »Zwanzigtausend! Dabei könnte diese geizige Ziege mindestens das Fünffache ausspucken, ohne dass es ihr wehtäte. Hunderttausend, Lorna, und wir versprechen dir, dass du dein Leben behältst.«
»In Ordnung«, sagte sie erschöpft, »hunderttausend. Und jetzt nehmt mir die Fesseln ab und lasst mich frei.«
Jake schüttelte verwundert den fleischigen Schädel.
»Wir lassen dich frei, sobald wir die Dollars haben, Lorna«, sagte er grinsend. »Oder hast du vielleicht geglaubt, wir würden auf einen deiner teuflischen Tricks hereinfallen? – Und jetzt werden wir dir erst einmal zeigen, was es heißt, einen unserer Freunde zu verraten. Der arme Jones soll wenigstens nicht ganz umsonst gestorben sein.«
»Was habt ihr vor?«, kreischte die Frau.
»Das wirst du gleich sehen.«
Die anderen Männer hatten sich jetzt ebenfalls erhoben und entwickelten rasche Aktivität. Alles ging sehr schnell.
Brutal riss der bullige Jake ihr die Kleider vom Leibe, bis sie auf der heißen Erde lag.
Die Frau wehrte sich verzweifelt. Sie strampelte mit den Beinen, wand sich, versuchte sich aufzubäumen.
Lassiter betrachtete voller Bewunderung den schlanken weißen Körper. Trotz seiner körperlichen Erschöpfung verspürte er plötzlich ein heißes Pochen in den Lenden.
Sein Plan stand fest. Wer immer diese Frau war, was immer sie auch getan hatte, er würde ihr helfen. Er musste ihr helfen. In seinem eigenen Interesse. Nicht nur, weil sie eine reiche und schöne Frau war.
Er blickte noch einmal zurück. Der Punkt am Horizont war größer geworden. Eine Staubfahne stieg in den Himmel. Lassiter schätzte, dass es mindestens zehn Reiter waren. Und sie schienen es verdammt eilig zu haben. Vielleicht deshalb, weil sie wie Bluthunde die Fährte des Wildes aufgenommen hatten.
Er erhob sich langsam.
Die vier Männer sahen ihn nicht. Sie hatten nur noch Augen für die Frau. Sie stand jetzt unter einem niedrigen, weit ausladenden Ast des Josuah-Baumes, die Arme senkrecht nach oben gestreckt und mit Stricken am Ast befestigt. Nur ihre Zehen berührten noch den Boden. Sie hing mehr zwischen Himmel und Erde, als sie stand.
Sonnenlicht spielte im roten Haar, umfloss die straffen Schenkel und den prächtig modellierten Rücken.
Jake hatte plötzlich eine kurzstielige Peitsche in der Rechten und ließ die geflochtene Schnur durch die Luft sausen.
Die Frau schrie auf, als das Leder auf ihren Körper klatschte. Sie wand sich und krümmte sich.
Lassiter schritt den sandbedeckten Hang hinab. Er hielt den Revolver in der Faust. Er musste versuchen, möglichst nahe an die vier heranzukommen.
Fünfzehn Schritte trennten ihn noch. Der riesige Jake hatte gerade zum vierten Mal zugeschlagen. Das Schreien der Frau war in ein schrilles Kreischen übergegangen. Blutige Striemen zogen sich über ihren vorhin noch so makellosen Rücken.
Lassiter blieb stehen und feuerte zum ersten Mal. Die 44er-Kugel traf den Schläger von der Seite und drang zwischen seine Rippen in die Brust.
Jakes Hand blieb mit der Peitsche in der Luft hängen, ein krampfhafter Ruck ging durch seinen massigen Körper. Er ließ die Peitsche fallen, drehte sich langsam und schwerfällig um die eigene Achse.
Seine drei Kumpane handelten blitzartig.
Lassiter stand ruhig und breitbeinig wie auf dem Schießstand. Seine Hand zitterte nicht, während er die restlichen Kugeln aus dem Lauf jagte.
Der drahtige Bursche links neben Jake sprang zur Seite und wurde mitten im Sprung erwischt. Er überschlug sich und blieb still liegen.
Lassiters dritte Kugel ging daneben. Die beiden nächsten schlugen in den Körper des dritten Mannes ein.
In derselben Sekunde legte der vierte Bursche auf Lassiter an. Es war ein hochaufgeschossener hagerer Kerl mit einem rötlichen Schnurrbart. Er schrie triumphierend, als sich sein Finger um den Abzug krümmte.
Lassiter konnte nicht mehr ausweichen.
In diesem Augenblick handelte die Frau. Sie machte, soweit ihre Fesselung das zuließ, einen kurzen Anlauf und riss das rechte Bein hoch. Der Fußtritt landete an der empfindlichsten Stelle des Mannes. Er brüllte auf, und sein Coltlauf schwankte aus der Richtung. Die Kugel verließ zwar den Lauf, flog aber an Lassiter vorbei.
Lassiter zielte ruhig.
Es war seine letzte Kugel. Wenn die nicht traf, dann gute Nacht, Lassiter. Ein zweites Mal würde sich der andere seine Chance nicht entgehen lassen.
Lassiter drückte ab und sah den Gegner im Donnern seines Schusses zusammenbrechen. Das heiße Blei hatte ihm die Stirn zertrümmert.
Aufatmend ließ Lassiter die Hand mit der Waffe sinken. Er wollte sich der Frau nähern, bemerkte aber gleichzeitig die Angst in ihren weit aufgerissenen Augen.
»Vorsicht, Mann!«, schrie sie entsetzt.
Zu spät. Gewaltige Pranken schlossen sich von hinten um Lassiters Hals, hornige Finger drückten gegen seinen Kehlkopf. Er hörte das zornige Brummen des bärenhaften Jake, und der heiße Atem des angeschossenen Mannes streifte seinen Nacken.
Lassiter bekam keine Luft mehr. Rote Kreise und Sterne tanzten vor seinen Augen. Und sein Körper war zu erschöpft, um noch ernsthaften Widerstand leisten zu können. Zwei Tage ohne Wasser, ohne Nahrung in der glutheißen Wüste zehrten an den Kräften des stärksten und widerstandsfähigsten Mannes.
Er schloss die Augen. Sein Körper wurde schlaff. Jake röhrte hinter ihm zufrieden, und der Druck seiner Pranke ließ etwas nach.
Genau darauf hatte Lassiter gewartet. Er riss das Bein nach hinten hoch. Sein sporenbewehrter Absatz knallte gegen das Schienbein des Riesen.
Ein jähes, schmerzvolles Aufstöhnen war die Antwort. Es klang wie das Jaulen eines getretenen Hundes.
Mit einem Ruck befreite sich Lassiter aus dem Griff. Er ließ sich einfach nach vorne fallen. Seine gemarterten Lungen arbeiteten wie die Blasebälge der Orgel in der Missionskirche von San Xavier del Bac.
Jake erholte sich schnell von Überraschung und Schmerz. Er schien eine ganze Menge einstecken zu können. Lassiter hörte das Stampfen seiner Schritte, und der Schatten des Mannes fiel über ihn.
»Jetzt reiß ich dich in Stücke, Hundesohn«, röhrte Jake. »Die Haut schneid ich dir streifenweise runter und mache mir ein Lasso draus...«
Er wollte sich auf Lassiter stürzen. Der große, hagere Mann warf sich herum. Keine Sekunde zu spät.
Jake hatte ein Messer in der Faust, das sich dicht neben Lassiter in den Boden bohrte.
Lassiter riss ebenfalls sein Bowiemesser aus der Scheide am Gürtel. Verbissen stieß er die Klinge in den mächtigen Körper des Gegners hinein.
Jake taumelte rückwärts. Ein Blutstrom quoll aus der Wunde, die ihm Lassiter zugefügt hatte, und ergoss sich über sein schmutziges Hemd.
Lassiter erkannte, dass er es geschafft hatte. Diesen Jake brauchte er nicht mehr zu fürchten. Niemals mehr.
Mit dem blutbesudelten Messer in der Hand ging er zu der Frau. Er schnitt die Stricke durch, und dann ließ er sich erschöpft auf die harte Erde sinken.
Die Anspannung machte einer jähen Erschöpfung Platz. Er schloss die Augen, um neue Energien in sich zu konzentrieren.
Die Frau kniete neben ihm. Er spürte, wie sie ihn auf den Rücken drehte. Als er die Augen wieder aufschlug, sah er ihren Busen dicht vor seinem Gesicht.
»Was ist?«, fragte sie besorgt. »Sind Sie verwundet?«
Lassiter zwang sich ein Grinsen ab.
»Es geht schon wieder«, ächzte er. »Jetzt brauch ich zuerst mal Wasser. Hab' nämlich einen ziemlich anstrengenden Spaziergang hinter mir.«
Die Frau lächelte.
»Schaffen Sie es allein bis zum Wasserloch, oder soll ich Ihnen helfen?«
Lassiter schüttelte den Kopf. Sein Blick tastete sich über den Körper der Frau, und der Anblick ließ neue Energien wachsen.
Er stützte sich auf die Ellbogen und dann auf die Handflächen. Dann stand er wieder und schritt wankend zum Wasserloch.
Dort ließ er sich einfach auf den Bauch fallen und trank wie ein Tier. Und das brackige, abgestandene und alkalihaltige Wasser kam ihm vor wie die größte Köstlichkeit, die er jemals genossen hatte.
Die Frau kniete neben ihm. Sie hatte sich ein Stück ihrer zerfetzten Kleider genommen, tauchte es immer wieder ins Wasser und wusch ihre Wunden aus.
Lassiter half ihr, als er sah, dass sie einige Stellen auf ihrem Rücken nicht erreichen konnte.
Jetzt, aus der Nähe betrachtet, fand er sie noch schöner und begehrenswerter als vorhin. Um ihre Nacktheit schien sie sich keine besonderen Gedanken zu machen. Sie verhielt sich Lassiter gegenüber mit natürlicher Selbstverständlichkeit.
In der linken Hemdtasche steckte sein letztes Zigarillo. Er begann zu rauchen und spürte, wie sich sein Körper entspannte.
»Du bist verdammt schön«, sagte er.
Die Frau lächelte stolz. Er streckte den linken Arm aus und ließ seine Fingerspitzen über die Spitzen ihrer Brüste gleiten. Sie ließ es ruhig geschehen. In ihren Augen las er den Ausdruck des Verlangens.
Er stand auf und stieg zum Rand der Senke hoch. Das Rudel der Reiter auf seiner Fährte brauchte seiner Schätzung nach noch mindestens eine Stunde bis zu dieser Stelle.
Er ging zurück. Die Frau stand bis zu den Schenkeln im Wasser und wusch sich.
»Das würde dir auch guttun«, sagte sie.
Lassiter nickte. Er zog sich aus. Es war eine Wohltat, als er die Stiefel von den geschwollenen, blasenbedeckten Füßen zerrte. Er fühlte sich wie neugeboren, als er sich Staub und Schweiß vom Körper gewaschen hatte und wieder aus dem Tümpel stieg.
Er nahm die Frau in die Arme. Wenig später lagen sie eng umschlungen auf der harten, heißen Erde. Die Frau entpuppte sich als ein Vulkan der Leidenschaften. Sie schien die Schmerzen auf ihrem zerschlagenen Rücken nicht mehr zu spüren. Ihr Körper wand sich in heißem Rhythmus auf Steinen und dürrem Gras. Wie eine Ertrinkende klammerte sie sich keuchend und stöhnend an den großen Mann, und ihre festen langen Schenkel umklammerten seine Lenden, als wollte sie ihn niemals wieder freigeben.
Auch für Lassiter war nur noch die Frau da. In diesen Minuten vergaß er seine Feinde, spürte er nichts mehr von Müdigkeit und Erschöpfung. Er hatte das Gefühl, zu schweben, und dieses Gefühl kostete er aus. Er zog es in die Länge, bis er schließlich in ihr explodierte.
Die Frau kam zum gleichen Zeitpunkt. Lassiter hörte ihren langgezogenen Schrei, der immer leiser wurde und in ein vibrierendes, wohliges Wimmern überging, während sich ihr Körper langsam wieder entspannte.
Lassiter löste sich behutsam von ihr. Mindestens eine halbe Stunde war inzwischen vergangen.
»Wir haben nicht mehr viel Zeit«, sagte er. »Zieh dich an!«
Sie blickte enttäuscht. »Warum so hastig? Wir sollten diesen Tag genießen.«
Er begann sich anzuziehen. Jetzt stand sie ebenfalls auf und suchte die Reste ihrer Kleidung zusammen.
»Du bist auf der Flucht?«
Er nickte.
Sie lächelte. »Seltsam, jetzt haben wir bereits äußerst enge Bekanntschaft geschlossen und haben uns noch immer nicht vorgestellt. Mein Name ist Lorna Ryan. Mit welchem Gentleman habe ich die Ehre?«
»Lassiter.«
Sie stieß einen leisen Pfiff aus.
»Hey, von dir hab' ich schon einiges gehört. Ich habe mir gleich gedacht, dass du nicht irgendwer bist. Wie viel bist du denn momentan wert?«
»Zwanzigtausend«, sagte er. »Aber ich rate dir, bei mir nicht auf ähnliche Gedanken zu kommen wie bei diesem Jones. So etwas kann ich nämlich gar nicht vertragen.«
»Jones hatte nichts anderes verdient«, erwiderte sie. »Er war ein richtiges Schwein. Soll ich dir die ganze Geschichte erzählen?« Lassiter winkte ab.
»Lieber nicht. Ich hab' genug eigene Sorgen.«
Er stieg wieder den Hang hinauf. Jetzt konnte er die Reiter schon deutlicher ausmachen. Es waren mehr, als er anfangs geschätzt hatte, mindestens fünfzehn Mann.
»Da kommt eine richtige Armee«, sagte er zu Lorna. »Die kann ich allein kaum aufhalten.«
Sie hatte sich das zerfetzte Kleid inzwischen angezogen. An mehreren Stellen leuchtete die weiße Haut. Es war ein aufreizender Anblick.
»Ich bringe dich in Sicherheit«, sagte sie. »Lass uns reiten.«
Lassiter sammelte die Revolvergurte der Toten ein. Ihre Gewehre steckten in den Scabbards an den Sätteln der Pferde. Er schwang sich auf einen drahtigen rot-weiß gescheckten Pinto. Die Frau nahm eine schlanke braune Stute. Lassiter band die Longen der restlichen drei Pferde zusammen und knüpfte sie an den Sattel des Pintos. Mit den drei Tieren im Schlepp ritten sie los. Die Frau übernahm die Führung. Zielstrebig ritt sie voran.
Sie schien sich in der Wüste sehr gut auszukennen. Lassiter fragte sich, was für eine Rolle diese Frau hier spielte, ließ sich aber nach außen hin seine Neugier nicht anmerken.
Sie ritten nach Nordwesten. Nach vier Stunden erreichten sie die Randgebiete der Wüste. Waldbedeckte Berge erhoben sich in der Ferne vor dem Horizont. Das Gelände stieg an. Sie überquerten ein steiniges Plateau und ritten danach in eine karge, langgestreckte Senke hinab.
Vereinzelte Rinderrudel bewegten sich auf gelbem Gras, bewacht von mexikanischen Vaqueros.
»Mein Land«, sagte Lorna Ryan stolz. »Und dort drüben liegt die Ranch. Hier bist du vorerst sicher, Lassiter. Du wirst doch noch eine Zeitlang bleiben, oder?«
Lassiter grinste.
»Ich denke schon«, sagte er. »Nach dem, was du mir am Wasserloch geboten hast, bin ich neugierig geworden. Ich könnte mir vorstellen, dass du in dieser Beziehung noch einiges auf Lager hast.«
»Darauf kannst du Gift nehmen«, erwiderte sie. »Es kommt natürlich auch viel auf dich an. Aber ich glaube, wir beide passen schon ganz gut zusammen. Vielleicht werden wir noch richtige Partner.«
Sie näherten sich den Gebäuden der Ranch. Da war ein imposantes, zweigeschossiges Holzhaus mit flachem Dach, die Mannschaftsbaracke, Stallgebäude, eine Scheune, Corrals. Das übliche Bild. Das Windrad drehte sich träge und knarrend.
»Bestreitest du das alles von den paar Kühen, die wir eben gesehen haben?«, fragte Lassiter.
Lorna Ryan lächelte.
»Ich habe eine andere Geldquelle aufgetan. Die Rinder dienen praktisch nur noch zur Tarnung. Bei meinem Vater war das noch anders. Der hat sich regelrecht zu Tode gearbeitet. Er wollte nicht einsehen, dass dieses Tal zur Rinderzucht nicht taugt.«
Sie ritten auf den Hof. Männer lungerten herum und starrten schweigend auf den großen Fremden und die Frau.
Lorna stieg vom Pferd. Zusammen mit Lassiter betrat sie das Haus. Zuerst kamen sie in eine geräumige Halle, von der aus eine gewundene Treppe ins Obergeschoss führte. Teppiche bedeckten den Boden. Ein großes Ölgemälde mit Lorna Ryans Porträt hing über dem offenen Kamin an der Stirnseite der Halle.
Sie gingen weiter in das große Wohnzimmer. Die ganze Einrichtung zeugte von Reichtum und Geschmack.
»Ich hoffe, es wird dir hier gefallen«, sagte sie.
Er ließ sich in einen breiten Ledersessel fallen und legte die Beine auf die Mahagoniplatte des niedrigen Tisches. Er gähnte.
»Gibt's hier auch was zu essen?«, murmelte er.
Lorna Ryan griff nach einer kleinen silbernen Glocke und läutete. Eine schlanke, etwa zwanzigjährige Mulattin kam herein. Sie trug ein leichtes, buntes Kleid, unter dem die Formen ihres Körpers voll zur Geltung kamen.
Lorna gab ein paar Anordnungen. Der Tisch im Speisezimmer sollte gedeckt werden, und anschließend sollte die Mulattin dafür sorgen, dass Lorna baden konnte.
Die junge Mulattin verschwand leichtfüßig. Lorna bemerkte Lassiters Blick.
»Gefällt sie dir?« In ihrer Stimme schwang leichte Eifersucht mit.
Lassiter nickte.
»Ich würde sie nicht aus dem Bett werfen«, sagte er.
Lornas Augen funkelten zornig.
»Ich warne dich, Lassiter«, sagte sie sanft. »Ich gebe nicht gerne etwas ab, das mir gehört. Und ich teile auch nicht gerne mit jemand. Hast du verstanden?«
Lassiter grinste.
»Betrachtest du mich etwa als dein Eigentum?«, fragte er spöttisch. »Hast du etwa aus einem solchen Grunde jenen Jones dem Henker ausgeliefert?«
»Das«, sagte sie kalt, »musst du selbst herausfinden.«
II
Lassiters Jäger kamen am nächsten Morgen. Siebzehn Mann. Verwegene, zum Letzten entschlossene Burschen. Lässig hockten sie auf ihren staubbedeckten Pferden, allen voran Poncho, das Halbblut. Der dunkelhäutige Bursche mit den scharfen Augen war einer der besten Fährtenleser des Südwestens. Sein Vater war ein weißer Scout, seine Mutter eine Apachin. Er war bei den Mescaleros aufgewachsen. Er kannte tausend Tricks.
Lassiter beobachtete die Männer vom Fenster seines Zimmers aus. Er stand so, dass er von unten nicht gesehen werden konnte.
Lorna Ryan trat auf die Veranda.
»Was wollt ihr hier?«
Curly Hawkins, ein aschblonder, etwa vierzigjähriger Mann drängte sein Pferd an Ponchos Seite. Curly wurde von der Meute als Anführer respektiert. Lassiter kannte ihn.
Es war ein verdammt harter Bursche, zäh und von einer Ausdauer, die an Sturheit grenzte.
Er tippte kurz an die Krempe seines staubbedeckten Texanerstetsons.
»Wir sind hinter einem Mann her, Madam«, sagte er mürrisch. »Zuletzt muss er mit einer Frau zusammen gewesen sein. Die beiden führten drei reiterlose Pferde im Schlepp.«