Lassiter Sonder-Edition 21 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 21 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

"Ich habe den richtigen Mann gefunden", sagte Donald Hume, einer der großen Bosse von Wells Fargo, zu Sidney Blood. "Was sagen Sie jetzt, Sidney?" Zufriedener Stolz schwang in seiner Stimme. Er betrachtete Sidney Blood mit dem nachsichtigen Triumph des Überlegenen.
Blood ärgerte sich. Eigentlich war es seine Aufgabe gewesen, einen bestimmten Mann zu suchen, aber Hume war ihm zuvorgekommen. "Wer?", fragte er mit belegter Stimme.
"Sein Name ist Flynn", sagte Hume. "Meines Erachtens der einzige Bursche in den Staaten, der imstande ist, diesen Auftrag zu unserer Zufriedenheit zu lösen."
Sidney Blood zündete sich eine Zigarre an. Neben dem Ärger spürte er Unruhe in sich aufsteigen. Vertrauten die Bosse der Company seinen Fähigkeiten nicht mehr? War sein Job in Gefahr?


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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

WER LASSITER AUFS KREUZ LEGT

Vorschau

Impressum

WER LASSITERAUFS KREUZ LEGT

von Jack Slade

»Ich habe den richtigen Mann gefunden«, sagte Donald Hume, einer der großen Bosse von Wells Fargo, zu Sidney Blood. »Was sagen Sie jetzt, Sidney?« Zufriedener Stolz schwang in seiner Stimme. Er betrachtete Sidney Blood mit dem nachsichtigen Triumph des Überlegenen.

Blood ärgerte sich. Eigentlich war es seine Aufgabe gewesen, einen bestimmten Mann zu suchen, aber Hume war ihm zuvorgekommen. »Wer?«, fragte er mit belegter Stimme.

»Sein Name ist Flynn«, sagte Hume. »Meines Erachtens der einzige Bursche in den Staaten, der imstande ist, diesen Auftrag zu unserer Zufriedenheit zu lösen.«

Sidney Blood zündete sich eine Zigarre an. Neben dem Ärger spürte er Unruhe in sich aufsteigen. Vertrauten die Bosse der Company seinen Fähigkeiten nicht mehr? War sein Job in Gefahr?

Warum hatte man einfach über seinen Kopf hinweg eine so wichtige Entscheidung getroffen? Bisher hatte man ihn als Chef der Sicherheitsabteilung zumindest zu Rate gezogen.

»Sind Sie ganz sicher, dass der Mann absolut zuverlässig ist?«, fragte Blood vorsichtig. »Wie sind Sie an ihn herangekommen? Wo hält er sich im Augenblick auf?«

»Er lebt momentan in Santa Fé«, sagte Hume. »Heute wird er meinen Brief bekommen und sich anschließend sofort auf den Weg nach Wyoming machen.«

»Haben Sie alles genau mit ihm besprochen, Sir?«

Donald Hume runzelte die Stirn.

»Sind Sie von allen guten Geistern verlassen, Sidney? Der Mann weiß nicht einmal, dass er für Wells Fargo arbeitet. Ich habe ihm etwas von privater Abrechnung und so vorgelogen. Dann habe ich ihm tausend Dollar Vorschuss gegeben und ihn gebeten, in seinem Hotel in Santa Fé auf weitere Nachrichten zu warten.«

»Vielleicht ist er mit dem Geld längst über alle Berge«, meinte Sidney Blood. »Damit ließe sich eine Weile prima leben. Auf bequemere Art wird er niemals wieder in den Besitz von tausend Dollar gelangen.«

Er begleitete die letzten Worte mit einem höhnischen, halblauten Lachen. Dieser leichtgläubige und naive Donald Hume! Auf die großsprecherischen Worte irgendeines Revolverschwingers hereinzufallen!

Donald Hume ahnte Bloods Gedanken, lächelte aber weiterhin sehr selbstbewusst.

»Sie irren, Sidney«, sagte er. »Für diesen Mann schienen die tausend Dollar nicht mehr als ein Trinkgeld zu sein. Ich habe ihm insgesamt hunderttausend Dollar zugesagt für den Fall, dass er es schaffen wird, James L. Kingfisher aus dem Spiel zu nehmen. Für diese Summe wird er einiges riskieren.«

Hume lehnte sich in seinem gepolsterten Stuhl zurück und sog genüsslich lächelnd an seiner Zigarre.

Sidney Blood sah ihn an, als zweifle er am Verstand seines Chefs.

»Sir«, sagte er mit mühsam unterdrückter Erregung, »sagten Sie – hunderttausend Dollar?«

»Haben Sie etwas dagegen einzuwenden?«

»Ich bin der Meinung, das ist zu viel.«

»Der Meinung bin ich auch«, murmelte Hume und blickte verträumt dem Rauch seiner Zigarre nach. »Deshalb wird er das Geld auch niemals bekommen.«

Blood grinste erleichtert. Jetzt verstand er sich wieder mit seinem Boss.

»Ich sollte mich möglichst schnell auf den Weg machen, Sir«, meinte er. »Es ist besser, wenn jemand in der Nähe ist, der diesem Flynn ein wenig auf die Finger sieht.«

Hume winkte energisch ab.

»Vorerst mischt sich Wells Fargo überhaupt nicht ein«, sagte er. »Auf uns darf nicht der geringste Verdacht fallen. Erst wenn James L. Kingfisher erledigt ist, werden wir die Wagenlinie auf ganz legale Art übernehmen.«

Sidney Blood wurde wieder unruhig.

Es passte ihm nicht, dass er bei einer so großen Sache zur Untätigkeit verdammt sein sollte. Er hatte schon zu lange keinen echten großen Auftrag mehr bekommen. Und jetzt hielt man ihn an der Leine wie einen Bluthund.

»Sie warten also, bis es so weit ist«, fuhr Hume fort. »Und dann bekommen Sie wieder mal ausreichend Gelegenheit, zu beweisen, was alles in Ihnen steckt. Sind Sie jetzt zufrieden?«

Blood nickte zögernd.

So richtig gefiel ihm das alles noch nicht.

»Trotz allem hätte ich mir vorher noch gerne diesen Flynn angesehen, Sir«, murmelte er.

»Dazu werden Sie vielleicht schneller Gelegenheit haben, als Ihnen lieb ist«, erwiderte Donald Hume. »Wenn ich diesen Flynn nämlich richtig eingeschätzt habe, so ist er der härteste Brocken, auf dem Sie jemals herumgekaut haben, Sidney.«

»Schlimmer als Lassiter kann er nicht sein«, sagte Blood, und seine Miene wurde finster.

Auch Humes Fröhlichkeit war mit einem Schlag bei der Nennung dieses Namens wie weggewischt.

»Lassiter!«, knurrte er. »Wir haben lange nichts mehr von ihm gehört. Haben Sie seit der Sache in Tonopah eigentlich noch immer keine neue Spur entdeckt, Sidney?«

Die Stimme des Direktors klang ernst und vorwurfsvoll. Lassiter war Sidney Bloods empfindliche Stelle. Lassiter hatte Wells Fargo schon manche Niederlage zugefügt. Lassiter war der einzige Gegner, an dem Sidney Blood bisher gescheitert war.

Sollte ihm Lassiter noch weitere Niederlagen zufügen, geriet Bloods Ruf bald endgültig in Misskredit bei den Bossen von Wells Fargo. Trotz der vielen ruhmvollen Erfolge, die er zu verzeichnen hatte.

Blood wünschte nichts sehnlicher herbei als Lassiters Tod. Aber gleichzeitig erfüllte ihn der Gedanke daran mit einem unerklärlichen Missbehagen.

Lassiters Tod war keine zufriedenstellende Lösung des Problems. Es sei denn, er wäre durch Bloods Hand gefallen.

Blood stand auf und schritt unruhig in Humes Büro auf und ab.

Lassiters Name hatte die unangenehmsten Erinnerungen in ihm geweckt.

Deshalb lechzte Blood nach Kampf und neuer Selbstbestätigung.

Hoffentlich war dieser Flynn wirklich so gefährlich, wie Donald Hume glaubte. Desto schwerer würde später Bloods Sieg wiegen.

Donald Hume hatte tatsächlich nicht unrecht. Er hatte den härtesten und wildesten Mann engagiert, der ihm je begegnet war.

Der Mann nannte sich Flynn. Mit richtigem Namen hieß er Lassiter.

Und Lassiter hatte für Wells Fargo, für seinen größten und erbittertsten Feind, einen brandheißen Auftrag angenommen...

II

Lassiter lag in seinem Hotelzimmer auf dem Bett und las den Brief zum zweiten Mal durch.

Dabei dachte er an den vornehm gekleideten Mann, den er vor gut einer Woche beim Pokerspiel kennengelernt hatte. Donald Smith nannte sich dieser Gentleman, und Lassiter hatte sich unter seinem falschen Namen Flynn vorgestellt.

Dann hatte ihn Smith gefragt, ob er an einem bestimmten Auftrag interessiert wäre.

Nun, Lassiter war immer interessiert. Außerdem brauchte er Geld.

Smith gab ihm tausend Dollar Vorschuss und versprach ihm, in Kürze wieder von sich hören zu lassen.

Nun hatte er die Nachricht von Smith. In dem Umschlag lagen außerdem zweitausend Dollar.

Die Nachricht lautete:

Reiten Sie nach Kirby, Wyoming! Machen Sie sich an James L. Kingfisher heran! Das ist Ihr Mann.

Mehr stand nicht auf dem Blatt, aber Lassiter genügte es.

Er riss ein Streichholz an und hielt die Flamme ans Papier. Als es in hellen Flammen stand, ließ er es zu Boden fallen, wartete, bis es verbrannt war, und zertrat die Asche.

Eine Stunde später verließ Lassiter Santa Fé mit der Postkutsche nach Norden.

Wells Fargo wusste nicht, dass sie Lassiter engagiert hatte.

Lassiter hatte keine Ahnung, dass die gefürchtete Company sein Auftraggeber war.

Kirby. Eine Präriestadt im nördlichen Teil von Wyoming. Nicht viel mehr als tausend Einwohner, vier Saloons, ein Hotel, ein General Store und das imponierende Stationsgebäude der NWC, der NORTHERN WYOMING COMPANY.

Lassiter verließ die Postkutsche, auf der ebenfalls die Buchstaben NWC in leuchtendem Gelb prangten. Ein Stationsgehilfe war auf das Dach der Kutsche geklettert und reichte ihm den schweren zeltleinenen Sack herab. Lassiter schulterte ihn und marschierte auf das Hotel zu, das schräg gegenüber vom Postkutschen-Depot lag.

Es war sechs Uhr am Nachmittag, und Lassiter wurde von den roten Strahlen der tiefstehenden Sonne geblendet. Trotzdem sah er die Männer auf den beiden Gehsteigen, bemerkte er ihre abschätzenden, misstrauischen Blicke. Sie waren wie wilde Tiere, die seine Witterung aufgenommen hatten und die Gefahr spürten, die von ihm ausging.

Grimmig lächelte er vor sich hin. Dabei dachte er an seinen Auftrag: Machen Sie sich an James L. Kingfisher heran. Das ist Ihr Mann.

Eine kurze, lapidare Nachricht, aber Lassiter sagten die beiden Sätze alles. Er sollte diesen James L. Kingfisher töten.

Lassiter war auch jetzt ziemlich sicher, wer sein eigentlicher Auftraggeber war. Wells Fargo hatte die schmutzigen Finger wieder einmal nach Beute ausgestreckt.

Auf den letzten fünfzig Meilen seiner Reise hatte sich dieser anfängliche Verdacht in Lassiter mehr und mehr zur Wahrheit verdichtet. Er arbeitete für Wells Fargo, seinen schlimmsten Feind.

Ein Zufall hatte ihn mit jenem vornehm gekleideten Mann zusammengeführt, der sich Donald Smith nannte. Sie wohnten gemeinsam im selben Hotel. Am Abend, bevor Smith weiterreiste, gingen sie in den Alamo-Saloon und spielten einen scharfen Poker. Donald Smith spielte lässig und überheblich und ließ jedermann wissen, dass es ihm nichts ausmachte, wenn er ein paar tausend Dollar verlieren würde. Aber er gewann. Und seine mit Geldscheinen gespickte Brieftasche wurde noch um einiges dicker. Auch Lassiter sahnte einigermaßen ab.

Als sie dann spät in der Nacht zum Hotel zurückgingen, wurden sie plötzlich angegriffen. Fünf Mann sprangen aus der Dunkelheit und waren sicherlich überzeugt, leichtes Spiel zu haben. Allein wäre der beleibte und nicht mehr ganz junge Smith verloren gewesen. Für ihn hätte schon der schwächste von den fünf Kerlen gereicht.

Es war sein Glück, dass Lassiter ihn begleitete. Lassiter, der sich während seines Aufenthaltes in Santa Fé Flynn nannte.

Und Lassiter kämpfte mit der ihm eigenen Wildheit. Donald Smith alias Hume bekam eine Schlacht zu sehen, wie er noch keine erlebt hatte. Obwohl er schon über fünfzig Jahre alt war.

Anschließend lagen zwei Männer tot auf dem Stepwalk, die anderen drei waren schwer verwundet, und es würde lange dauern, bis der Doc sie wieder zusammengeflickt hatte.

Noch in derselben Nacht machte Smith Lassiter das Angebot. Damals sagte er ihm noch nicht alles. Lassiter erfuhr lediglich, dass er nach Wyoming reisen sollte, um dort einen ungeheuer gefährlichen Mann auszuschalten. Als Grund hatte Smith etwas von persönlicher Rache erzählt, was Lassiter jedoch diesem feisten Mann mit den kalten, geschäftstüchtigen Augen nicht abgenommen hatte.

Trotzdem war seine Neugier geweckt worden. Und hunderttausend Dollar waren eine Summe, auf die Lassiter nur ungern verzichtet hätte.

Nun, nachdem er sicher war, dass Wells Fargo hier ein dreckiges Spiel angefangen hatte, machte ihm der Auftrag erst richtigen Spaß.

Er war sich noch nicht schlüssig, wie er sich verhalten würde. Und was er auch immer tat, es würde gefährlich sein.

Lassiter befand sich nur noch zehn Schritt vom Hotel entfernt. Er war gerade aus dem Sonnenlicht in den Schatten getreten, und es dauerte Sekunden, bis sich seine Augen an das dunklere Licht gewöhnt hatten.

Dann sah er die vier Männer auf der Veranda. Sie standen nebeneinander am oberen Ende der vier breiten Holzstufen, die zur Veranda hochführten. Die Treppe war nicht breiter als drei Schritt und wurde links und rechts von einem Geländer begrenzt.

Wenn Lassiter also den Hoteleingang erreichen wollte, musste er sich an den vier Männern dort oben vorbeidrängen oder sich in ihrer Mitte einen Weg bahnen.

Er kannte dieses Spiel. Er war neu, und sie wollten ihn ausprobieren. Vielleicht waren sie von ganz bestimmter Seite vorgeschickt worden.

Lassiter ging ruhig weiter.

Die Haltung der vier Männer ließ keinen Zweifel über ihre Absichten zu. Es waren hagere Burschen mit harten Gesichtern und schlanken, sehnigen Händen.

Lassiter hatte jetzt die unterste der vier Stufen erreicht.

»Stehenbleiben!«, befahl einer der vier.

Lassiter explodierte. Wie vom Katapult gefeuert flog sein schwerer Zeltsack auf die vier Männer zu. In dem Sack befanden sich Lassiters Gewehr, seine abgesägte Schrotflinte, Patronen und andere harte Gegenstände.

Während der Sack gegen die beiden Burschen am rechten Flügel prallte, warf sich Lassiter nach vorne. Er packte die zwei anderen Männer am Fußgelenk. Ein heftiger Ruck, und die beiden verloren das Gleichgewicht.

Fluchend kippten sie nach hinten und landeten hart auf ihrem Hosenboden.

Lassiter hetzte die Stufen hoch und kam in der nächsten Sekunde über die beiden Kerle wie ein Tornado. Der eine wollte seinen Revolver aus dem Holster reißen. Ein Fußtritt traf sein Handgelenk, und brüllend ließ er die Waffe los.

Im gleichen Augenblick warfen sich die zwei, die von Lassiters Zeltsack umgemäht worden waren, von hinten auf ihn.

Lassiter wirbelte herum, den Arm ausgestreckt wie einen Knüppel. Seine Handkante traf den einen Burschen an der Halsschlagader. Der Getroffene wurde blass und ging röchelnd zu Boden. Er fiel dabei gegen seinen Partner, der ins Stolpern geriet und genau in Lassiters rechte Gerade hineinlief. Sein Nasenbein brach unter dem harten Aufprall. Er riss beide Hände schützend vor das Gesicht, und Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor.

Alles hatte sich unheimlich schnell abgespielt. Trotzdem hatte die winzige Zeitspanne dem vierten Mann genügt, um seinen Revolver zu ziehen.

Es war Lassiters Glück, dass er sich im selben Moment zur Seite bewegte, als der Mann feuerte.

Die Kugel zischte haarscharf an Lassiters Kopf vorbei. Er sah, wie der Kerl zum zweiten Mal schießen wollte, und warf sich mit einem wilden Sprung nach vorne.

Mit beiden Füßen landete er auf der Brust des halb aufgerichteten Gegners, dessen zweites Geschoss Lassiter ebenfalls verfehlte. Mit diesem jähen Ausfall nach vorne hatte der Mann nicht gerechnet.

Unter dem Aufprall von Lassiters Stiefeln fiel er auf den Rücken und blieb wie betäubt liegen.

Lassiter zog seinen Revolver und ließ seinen Blick über die vier gleiten. Einer lehnte am Stützpfosten des Verandadaches und hatte noch immer beide Hände vors Gesicht gepresst. Der zweite versuchte gerade, sich aufzurichten. Der dritte hockte da und starrte wimmernd auf sein rechtes Handgelenk, das unter Lassiters Stiefeltritt gebrochen war.

»Hundesohn!«, ächzte er. »Dafür bringe ich dich eines Tages um.«

Lassiter kümmerte die Drohung nicht. Er stand noch immer dicht neben dem vierten Mann, der zweimal auf ihn geschossen hatte.

Inzwischen hatten sich rings um den Kampfplatz weitere Männer versammelt. Schweigend und mit feindseliger Bewunderung starrten sie auf den großen, hageren Fremden.

Lassiter schob den Revolver ins Holster zurück und nahm seinen Packen wieder auf die Schulter. Ohne ein Wort zu sagen, wandte er sich dem Hoteleingang zu.

In der Halle war außer dem Portier hinter dem Empfangspult niemand zu sehen. Es war ein schlanker, älterer Mann, der sich krampfhaft bemühte, seine Nervosität zu unterdrücken.

»Ich brauche ein Zimmer«, sagte Lassiter.

Der Mann schob ihm einen Schlüssel hin, an dem ein kleines, schmutziges Holztäfelchen mit der Zahl 15 hing.

»Ein gutes Zimmer, Mister«, sagte er. »Soll ich Ihnen ein Bad bereiten lassen?«

Lassiter schüttelte den Kopf.

»Das hat Zeit bis später«, sagte er, zog das Gästebuch unaufgefordert zu sich heran und trug seinen falschen Namen ein. Robert Flynn, Santa Fé. Dann ging er nach oben, ruhig und gelassen, als sei überhaupt nichts geschehen.

Das Zimmer war groß und bot im Vergleich zu den meisten anderen Hotelzimmern in kleinen Präriestädten sehr viel Komfort. Außer dem breiten Doppelbett gab es einen runden Eichentisch, um den drei gepolsterte Sessel gruppiert standen, einen massiven Kleiderschrank und eine Waschkommode, über der ein großer Spiegel in kunstvoll geschnitztem Rahmen hing.

In einem der drei Sessel saß ein Mann, mit dem Rücken zum Fenster.

Lassiter schloss die Tür hinter sich, ließ seinen Packen zu Boden sinken und grinste.

Das Gesicht des Mannes blieb unbewegt, während er Lassiter in die Augen sah. Lassiter roch förmlich die Gefahr, die von diesem Mann ausströmte. Das war kein Durchschnittstyp wie etwa die vier Burschen, die Lassiter vor ein paar Minuten angegriffen hatten.

Ein gepflegter, pechschwarzer Vollbart bedeckte sein kantiges Gesicht. In den braunen Augen stand kalte Überlegenheit. Ein Mann, der Chancen erkannte und eiskalt nutzte.

»Verschwinden Sie!«, sagte Lassiter. »Dieses Zimmer habe ich gemietet. Oder sollte es sich um einen Irrtum handeln?«

Der Schwarzbart schüttelte den Kopf. Er holte ein silbernes Etui aus seinem dunklen Tuchrock, zündete sich eine Zigarette an.

»Ich habe Ihren Kampf beobachtet, Flynn«, sagte er. »Sie waren gut, aber Sie hätten besser daran getan, Butch Miller zu töten. Das ist der Mann, der auf Sie geschossen hat.«

»Was geht Sie das an?«, knurrte Lassiter. »Es war mein Kampf.« Er sah den Bärtigen finster an. »Wer sind Sie überhaupt? Woher wissen Sie meinen Namen?«

»Ich bin James L. Kingfisher«, sagte der Mann und beobachtete Lassiter gespannt, ob er mit seinen Worten die richtige Wirkung erzielt hatte.

Lassiters Gesicht blieb unbewegt.

»Der Name sagt mir überhaupt nichts.«

»Dann will ich Sie aufklären, Flynn, oder wie Sie auch immer heißen mögen. Ich bin der wichtigste Mann in diesem Teil von Wyoming. Ich besitze eine ganze Menge, dieses Hotel hier, zwei Ranches, die NWC, mit der Sie ja auch die letzten siebzig Meilen gereist sind. – Hatten Sie eine angenehme Fahrt?«

»Nicht angenehmer als in jeder anderen Postkutsche«, sagte Lassiter trocken. »Sind Sie hier, weil Sie mich danach fragen wollten?«

James L. Kingfisher lehnte sich zurück. Er lächelte auf eine Art, die einem weniger harten Mann als Lassiter eine Gänsehaut über den Rücken gejagt hätte. Lassiter stellte lediglich fest, dass Kingfishers Gesicht in diesem Augenblick ziemlich abstoßend wirkte.

»Warum sind Sie ausgerechnet nach Kirby gekommen – Lassiter?«

Lassiter blieb gelassen.

»Sie kennen mich also«, sagte er sachlich. »Sie haben recht, Kingfisher. Ich bin Lassiter.«

»Warum führen Sie einen falschen Namen?«

»Hin und wieder möchte auch ich meine Ruhe haben«, sagte Lassiter. »Es gibt zu viele Leute, die mir liebend gern eine Kugel zwischen die Schulterblätter jagen möchten. Wie haben Sie meinen richtigen Namen erfahren?«

»Das war nicht schwer«, murmelte Kingfisher. »Es gibt nichts in diesem Lande, das mir verborgen bleibt. Und für mich reiten viele Männer, die schon weit herumgekommen sind in den Staaten. Zwei davon haben Sie erkannt, als Sie in Riverton die Kutsche wechselten. Sie haben dem Fahrer einen Brief mitgegeben. Unmittelbar nach der Ankunft der Stage bekam ich dieses Schreiben. Daraufhin habe ich diese vier Männer auf Sie angesetzt. Ich wollte erfahren, ob Sie wirklich so hart sind, wie man es sich von Ihnen erzählt.«

Er deutete auf das Fenster in seinem Rücken.

»Von dort aus habe ich alles beobachtet. Alle Achtung, Lassiter, Sie haben einen fabelhaften Kampf geliefert. Einen Mann wie Sie könnte ich gebrauchen. Ich möchte Ihnen ein Angebot machen.«

»Ich habe Durst und bin hungrig«, sagte Lassiter. Er trat ans Fenster und blickte hinaus auf die abendliche Straße. Vor verschiedenen Häusern brannten schon die Laternen. Unten auf der Hotelveranda standen noch immer diskutierende Männer. Die Dämmerung verzerrte die Konturen.

Lassiter spielte kurz mit dem Gedanken, am nächsten Tag aus der Stadt zu verschwinden. Dieser Kingfisher war ihm völlig gleichgültig. Warum sollte er ihn töten oder ihm sonst irgendwie schaden? Im Gegenteil, der Gedanke daran widerstrebte ihm. Er würde ja doch nur seinem schlimmsten Feind einen Dienst erweisen.

Nein, er hatte kein Interesse, für Wells Fargo seine Haut zu Markte zu tragen. Nicht für diese Company, die vor Jahren seine eigene Existenz auf ähnliche Weise vernichtet hatte und deren stärkster Feind er jetzt war.

Gleichzeitig stieg ein anderer Gedanke in ihm auf. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, zum Schein weiterhin für Wells Fargo zu arbeiten und sie gleichzeitig empfindlich zu treffen.

Kingfishers Stimme brach in seine Gedanken ein.

»Hören Sie sich erst mein Angebot an!«, sagte der Mann. »Anschließend wird Ihnen der Whisky viel besser schmecken.«

»In Ordnung. Aber fassen Sie sich kurz!«

James L. Kingfisher warf den Rest seiner Zigarette achtlos in den großen bunten Kristallaschenbecher.

»Ich habe außer vielen Freunden auch viele Feinde«, sagte der schwarzbärtige Mann. Er stand auf, und jetzt erst bemerkte Lassiter, dass dieser Mann ihm an Körpergröße und wahrscheinlich auch an Kraft und Geschmeidigkeit kaum nachstand. »Ich brauche einen Mann wie Sie, Lassiter. Einen, auf den ich mich in jeder Beziehung hundertprozentig verlassen kann. Und der keine Skrupel kennt, wenn es wirklich einmal notwendig sein sollte. Sie sind ein solcher Mann, Lassiter. Nach allem, was ich von Ihnen gehört habe, sind Sie der einzige Bursche in den Staaten, der für diesen Job in Frage kommt.«

Lassiter lächelte. Kingfisher benützte fast dieselben Worte wie dieser Donald Smith damals in Santa Fé.

»Was fällt für mich bei diesem Job ab?«, fragte Lassiter.

»Tausend Dollar im Monat«, erwiderte Kingfisher.

»Hahaha!«, sagte Lassiter freudlos. »Gestatten Sie, dass ich lache, Kingfisher?«

»Tausend Dollar sind mehr, als jeder andere meiner Männer verdient«, knurrte Kingfisher. »Das sind im Jahr zwölftausend. Hinzu kommen noch diverse Prämien. Sie werden sich bei mir wohlfühlen, Lassiter. Das ist eine Lebensstellung. Andere Männer würden sich die Finger danach lecken.«