Lassiter Sonder-Edition 24 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 24 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Nach den Schüssen erfüllte nur noch ein Geräusch die enge Schlucht zwischen den zerklüfteten Felswänden. Es war der schaurige Todesschrei eines sterbenden Pferdes. Dann herrschte tiefe Stille.
Die fünf Passagiere in der Kutsche warteten auf den Angriff. Vier Männer und eine Frau.
Der dicke, städtisch gekleidete Whiskyvertreter aus St. Louis kauerte zitternd auf dem Boden zwischen den Sitzbänken. Er verbarg den Kopf zwischen den Armen und jammerte.
Der junge Engländer, der den Westen Amerikas erst noch kennenlernen wollte, saß bleich und aufrecht auf seinem Platz. Er bemühte sich, Gelassenheit zu zeigen, aber es gelang ihm nicht. Alles war zu plötzlich über sie hereingebrochen. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel war der erste Schuss gefallen, dem weitere Schüsse folgten. Sekunden später war die Kutsche mit einem heftigen Ruck zum Stehen gekommen.


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Seitenzahl: 165

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

WER LASSITER IN DIE ENGE TREIBT

Vorschau

Impressum

WER LASSITER INDIE ENGE TREIBT

von Jack Slade

Nach den Schüssen erfüllte nur noch ein Geräusch die enge Schlucht zwischen den zerklüfteten Felswänden. Es war der schaurige Todesschrei eines sterbenden Pferdes. Dann herrschte tiefe Stille.

Die fünf Passagiere in der Kutsche warteten auf den Angriff, vier Männer und eine Frau.

Der dicke, städtisch gekleidete Whiskyvertreter aus St. Louis kauerte zitternd auf dem Boden zwischen den Sitzbänken. Er verbarg den Kopf zwischen den Armen und jammerte.

Der junge Engländer, der den Westen Amerikas erst noch kennenlernen wollte, saß bleich und aufrecht auf seinem Platz. Er bemühte sich, Gelassenheit zu zeigen, aber es gelang ihm nicht. Alles war zu plötzlich über sie hereingebrochen. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel war der erste Schuss gefallen, dem weitere Schüsse folgten. Sekunden später war die Kutsche mit einem heftigen Ruck zum Stehen gekommen.

Der dritte Passagier war ein Reverend.

»Lasset uns beten!«, sagte er feierlich. »Der Herr wird uns seinen starken Arm leihen.«

»Ich nehme lieber meine eigenen Arme«, sagte Lassiter und schob langsam den Lauf seiner Winchester durch das Fenster.

»Haben Sie noch eine Waffe für mich?«, fragte die junge Frau. »Ich habe schießen gelernt, Mister.«

»Lassen Sie das meine Sorge sein«, murmelte Lassiter. »Gehen Sie lieber in Deckung, damit keine Kugel Ihren schönen Körper trifft.«

Sie sprachen gedämpft. In der Kutsche war die Luft zum Ersticken. Die Sonne glühte senkrecht auf das Gefährt herab. Kein Windhauch brachte Erfrischung.

Im Gewirr der Felsen meldete sich eine Stimme. Sie klang hart und befehlsgewohnt.

»Alles rauskommen aus der Stage! Wenn ihr vernünftig seid, passiert keinem was.«

Lassiter war ziemlich sicher, der einzige Mann in der Kutsche zu sein, der den Grund dieses Überfalls kannte.

In dem breiten Ledergürtel, den er unter den Kleidern um den Körper geschnallt trug, befanden sich dreißigtausend Dollar. Geld, das für einen Mann in Ladino bestimmt war.

Es war ein heißer Auftrag, den Lassiter in Kansas City übernommen hatte. Aber er tat es für einen Freund. Der Mann war ruiniert, wenn das Geld nicht spätestens heute Nachmittag um fünf Uhr in seinen Händen war.

Von seinem Platz aus sah Lassiter den Fahrer und dessen Begleiter. Die beiden standen mit erhobenen Händen auf dem Weg und dachten nicht an Gegenwehr. Bei ihnen war auch nichts zu holen. Ebenso wussten sie, dass sich diesmal keine Geldsendungen unter der Fracht befanden.

Lassiter wandte leicht den Kopf.

Von den drei Männern hatte er keine Hilfe zu erwarten. Und das Mädchen wollte er nicht gefährden.

»Steigen Sie aus!«, sagte er. »Diese Sache hier dürfte nur mich etwas angehen.«

»Ich bleibe«, sagte das Mädchen.

Der dicke Whiskyvertreter schien die Worte Lassiters überhaupt nicht gehört zu haben.

Der junge Engländer sagte in seinem akzentfreien Oxford-Englisch: »Sicherlich ist es das Beste, wenn wir uns ergeben. Aber an Ihrer Stelle würde ich das auch vorziehen, Sir. Kämpfen wäre gleichbedeutend mit Selbstmord.«

Lassiter grinste.

»Steigen Sie aus, junger Mann! Und alle anderen auch.«

Zwei Schüsse peitschten auf. Die Kugeln bohrten sich rechts neben Lassiters Fenster in das dicke Eichenholz der Seitenwand.

Lassiter schoss blitzschnell zurück.

Ein lauter Schrei war die Antwort.

Minutenlang herrschte wieder Stille. Dann hörten die Menschen in der Kutsche erneut die Stimme des Mannes von vorhin.

»Kommt jetzt endlich heraus, Leute! Das ist unsere letzte Warnung. Oder ihr fahrt alle zum Teufel!«

»In Ordnung! Wir kommen!«, rief der Reverend.

»Sehr vernünftig, Hochwürden«, lobte Lassiter den Priester, während er weiterhin über den Lauf seiner Winchester die Felsen beobachtete.

»Ja«, sagte der Reverend, und gleichzeitig verspürte Lassiter den Druck eines harten Gegenstandes zwischen den Schulterblättern.

»Das ist ein Derringer«, fuhr der Reverend fort. »Sie wissen sicherlich, was das bedeutet, Mister.«

»Mischen Sie sich nicht in meine Angelegenheiten, Mann!«, knurrte Lassiter. »Steigen Sie mit den anderen aus! Ich habe nicht die Absicht, klein beizugeben. Ich werde kämpfen.«

»Sie werden sich ergeben oder sterben«, sagte der Reverend, und seine Stimme klang längst nicht mehr salbungsvoll. »Wenn ich zulasse, dass Sie hier eine Hölle inszenieren, ist unser aller Leben in Gefahr. Lassen Sie das Gewehr fallen, Mister!«

Lassiter merkte, wie ihm der Reverend den Revolver aus dem Holster zog. Er seufzte.

»Sie scheinen es tatsächlich ernst zu meinen, Mister Prediger«, sagte er. »Einem Mann wie Ihnen hätte ich das niemals zugetraut. Vereinbart sich das überhaupt mit Ihrem Glauben?«

»Lassen Sie das meine Sorge sein«, erwiderte der Prediger unfreundlich.

Lassiter zog das Gewehr zurück und stellte es langsam neben seinen Füßen ab. Der Lauf lehnte neben seinem rechten Schenkel an der gepolsterten Sitzbank.

Der Druck zwischen seinen Schulterblättern blieb. Dieser Reverend schien ein Mann zu sein, der sich nicht schnell bluffen ließ. Jedenfalls fiel er auf diesen Trick nicht herein.

»Aussteigen!«, befahl er mit kalter Stimme. »Aber vergessen Sie nicht, dass ich ständig auf Sie ziele, Mister.«

Lassiter stieg aus.

Der Reverend folgte ihm. Dann verließen auch die anderen die Kutsche.

Zwischen den Felsen wurde es lebendig. Männer näherten sich langsam der Gruppe der Passagiere. Maskierte Männer. Sie hatten sich ihre Halstücher vor die Gesichter gebunden, sodass nur noch die Augen zu sehen waren.

Lassiter sah sich um. Der Reverend hielt den Derringer noch immer in der Faust, aber der doppelte Lauf der Waffe zeigte auf den Boden.

»Gut gemacht, Reverend«, sagte einer der Maskierten. »Diese Leute haben Ihnen ihr Leben zu verdanken.«

»Ich tat nur meine Christenpflicht«, murmelte der Priester und ließ die kleine Waffe in einer Tasche seines langschößigen schwarzen Tuchrocks verschwinden.

Nun machten sich die Banditen an die Arbeit. Einige von ihnen durchsuchten die Kutsche, andere kümmerten sich um die Fahrgäste.

Es wurde Lassiter gleich klar, dass sie etwas Bestimmtes suchten.

Bei dem jungen Engländer fanden sie etwas über hundert Dollar und ein Bündel mit Schecks der Bank von England. Der junge Mann lächelte herablassend, als einer der Kerle die Schecks einsteckte.

»Damit können Sie nichts anfangen, Mister«, sagte er. »Keine Bank wird Ihnen dafür auch nur einen Cent geben.«

»Er hat recht!«, rief der Banditenboss. »Gib ihm das Zeug zurück, Jack!«

Der Engländer durfte seine Schecks wieder an sich nehmen.

Bei dem dicken Whiskyvertreter fanden die Banditen nur eine kleinere Summe, die sie ihm großzügig ließen.

Der Reverend wurde überhaupt nicht durchsucht. Das Mädchen blieb ebenfalls unbehelligt.

Als Letzter kam Lassiter an die Reihe.

Vier Männer hielten den waffenlosen Mann mit ihren Gewehren in Schach. Der Anführer der Meute baute sich vor ihm auf.

»Wo ist das Geld?«

Lassiter grinste.

»Bei mir ist nicht viel zu holen«, sagte er lässig.

Der Boss fixierte ihn aus graublauen Augen. Lassiter prägte sich das Bild ein. Außer den Augen sah er nur die buschigen Brauen und einen Teil der Stirn. Trotzdem war er sicher, dass er diesen Mann wiedererkennen würde.

Sie standen einen knappen Yard voneinander entfernt. Der Boss hatte seinen Revolver ins Holster gesteckt.

Darin sah Lassiter seine Chance.

Mit einem mächtigen Sprung warf er sich dem Banditen entgegen. Ein harter Zusammenprall, und beide stürzten auf die heiße Erde.

Lassiter ließ sich auf den Rücken fallen. Er hielt bereits sein langes Green River Messer in der rechten Hand und krallte seine linke Hand in das volle schwarze Haar des Gegners.

Das alles hatte sich in Sekundenschnelle abgespielt. Keiner der Banditen hatte es gewagt, einen Schuss abzufeuern.

Alle standen wie erstarrt, als Lassiter dem Boss die Messerspitze an die Kehle setzte.

Auch der Boss wagte sich nicht zu rühren.

Er spürte die finstere Entschlossenheit dieses großen Fremden.

»Ich werde es tun, wenn deine Männer nicht vernünftig sind«, sagte Lassiter. »Selbst wenn mich eine Kugel schlimm erwischt, werde ich immer noch die Kraft haben, dir die Kehle durchzustoßen. Es ist nämlich ein sehr scharfes Messer. Damit rasiere ich mich jeden Tag.«

»Boss!«, schrie einer der Banditen. »Was sollen wir tun?«

»Erst einmal ruhig bleiben«, knurrte der Boss. »Er entkommt uns nicht. Ich bin jetzt auch sicher, dass er der Mann ist, den wir gesucht haben.«

Lassiter ließ jetzt das Haar des Mannes los. Das Gewicht des Gegners drückte auf seinen Körper. Der Mann wog mindestens zweihundert Pfund. Deshalb hatte er auch Mühe, den Kopf so weit zurückzubiegen, dass er sich nicht durch seine eigene Schwerkraft das Messer in die Kehle bohrte.

Ohne Hast tastete Lassiter nach dem Revolver des Anführers. Er spannte den Hammer und setzte ihm statt des Messers die Mündung der großkalibrigen Waffe an die Kehle.

So stieß er den schweren Mann von sich herunter.

Lassiter erhob sich als erster. Die Revolvermündung geriet keine Sekunde lang aus der Richtung.

»Aufstehen!«

Die anderen acht Banditen starrten in hilflosem Zorn auf die Szene. Sie hielten ihre Revolver oder Gewehre in den Fäusten und konnten doch nichts tun.

Trotzdem war es ein gefährliches Spiel für Lassiter. Wenn einer der Banditen die Nerven verlor und schoss, war Lassiter erledigt. Was spielte es dann noch für eine Rolle, ob er den Anführer tötete oder nicht?

Dann war alles umsonst gewesen.

Dann endete seine Reise nach Ladino mitten in der Hölle.

Langsam stand der Boss auf. Die Maske war ihm heruntergerutscht. Lassiter sah ein schwarzbärtiges, kühn geschnittenes Gesicht. Das Gesicht eines Kämpfers.

Der Mann grinste.

»Du hast keine Chance, Amigo«, sagte er schleppend. »Macht ihn fertig, Jungs, sobald ihr eine Möglichkeit seht. Auf mich braucht ihr nicht allzu viel Rücksicht zu nehmen.«

Die Männer lauerten. Acht Mann. Eine hungrige Wolfsmeute.

»Wir beide machen jetzt einen Spaziergang«, sagte Lassiter. »Zu euren Pferden. Der Sheriff von Ladino kann sich dann weiter mit dir beschäftigen.«

Der Schwarzbart grinste. Die Banditen lachten.

»Vorwärts!«, befahl Lassiter ungerührt. Er glitt hinter den Boss und stieß ihm die Mündung gegen das Rückgrat.

»Du riskierst viel«, brummte der Schwarzbart, während sie losmarschierten.

Lassiter antwortete nicht. Er hatte jetzt den Banditen den Rücken zugewandt. Zwischen seinen Schulterblättern verspürte er ein Prickeln, als ob Ameisen darüber liefen.

Er rechnete mit einem Schuss. Seine Nerven waren angespannt.

Kein Schuss fiel.

Stattdessen schrie plötzlich das Mädchen auf.

»Lassiter!«

Er blieb stehen. Der Banditenboss drehte sich langsam. Er blickte an Lassiter vorbei und begann zu grinsen.

»Du solltest dich auch mal umdrehen, Amigo«, sagte er.

Lassiter drehte sich, ohne den Banditen jedoch aus den Augen zu lassen.

Unten bei der Kutsche schrie das Mädchen erneut auf.

»Na, was sagst du jetzt?«, höhnte der Schwarzbart.

»Kanaillen!«, knurrte Lassiter.

Sie befanden sich etwa sechzig Schritt von der Stelle des Überfalls entfernt. Die Sonne glühte. Die nackten Felsen warfen die Hitze zurück. Schweiß rann über Lassiters Stirn.

Unten bei der Kutsche hatten zwei Männer das Mädchen gepackt. Sie wand sich in ihrem harten Griff.

Ein dritter Mann setzte dem Mädchen das Messer an die Kehle. Genau wie Lassiter vorhin dem Boss der Bande.

»Sag ihnen, sie sollen sie loslassen!«, knurrte Lassiter. Der Boss grinste.

»Ist dir denn was an ihr gelegen?«, fragte er spöttisch. »Kennst du sie überhaupt?«

»Ich weiß noch nicht mal, wie sie heißt«, log Lassiter.

Die Wahrheit hätte sich ganz anders angehört.

Er kannte das Mädchen seit Kansas City. Judy Scott, einzige Tochter seines Freundes Allan Scott, der bei Ladino eine Ranch besaß. Noch besaß. In wenigen Stunden war die letzte Frist für die Rückzahlung der Hypothek abgelaufen, mit der Scotts Besitz belastet war. In drei Stunden also.

Und Lassiter befand sich zehn Meilen vor dem Ziel. Zusammen mit dem Geld und Judith Scott, die sich ihm anvertraut hatte.

Während der ganzen Reise hatten sie sich wie zwei Fremde behandelt. Mit Absicht. Denn Allan Scotts Gegner waren übermächtig. Ein großer Clan, der alles gierig verschlang. Ein gefräßiger Moloch, ähnlich wie Wells Fargo, Lassiters größter Feind.

»Du kennst sie genau«, sagte der Schwarzbart. »Das ist Allan Scotts Tochter. Ich bin ebenso sicher, dass du sie kennst, wie ich davon überzeugt bin, dass du das Geld für Scott hast. Das Mädchen hätte den Brief nicht abschicken sollen. Die McGregors haben überall ihre Spitzel sitzen. Unter anderem auch solche, die hin und wieder über heißem Dampf einen Brief öffnen, der ihnen wichtig erscheint.«

»Na und? Was hat das mit mir zu tun?«, murmelte Lassiter. »Wer bist du überhaupt, Mister?«

»John Waco«, sagte der Mann. »Ich erledige mit meiner Mannschaft gewisse schwierige Aufgaben für den Boss des Clans. Wir bilden gewissermaßen die Sicherheitstruppe.«

»Jetzt hat man dein Gesicht gesehen«, erwiderte Lassiter. »Dein Big Boss wird sich nach einem neuen Anführer für seine Privatarmee umsehen müssen.«

John Waco lachte spöttisch.

»In diesem Lande wird es niemand wagen, gegen einen von McGregors Leuten auszusagen. Ich reite morgen in die Stadt und trinke wie immer meinen Whisky und gehe wie immer zu meinem Mädchen. Wetten, dass man noch nicht mal hinter meinem Rücken über mich reden wird?«

»Da würde ich aber sehr vorsichtig sein, Waco«, sagte Lassiter gemütlich. »Weißt du überhaupt, ob du die nächsten fünf Minuten noch überleben wirst? Sag ihnen jetzt, sie sollen das Mädchen freilassen, oder es gibt gleich einen Knall, auf dem du in eine andere Welt reiten wirst.«

Waco sah Lassiter nachdenklich an.

Dann sagte er langsam: »Entweder du bist ein ganz gerissener Bluffer, Amigo, oder aber du kennst die Kleine wirklich nicht. Wer bist du überhaupt?«

»Lassiter.«

Waco runzelte die Stirn.

»Den Namen habe ich schon mal gehört.« Er grinste. »Heh, bist du nicht der Bursche, der Wells Fargo schon so viele Schwierigkeiten gemacht hat?«

Lassiter zuckte die Schultern.

»Das musst du schon selbst herausfinden«, murmelte er. »Sag deinen Leuten jetzt, dass sie das Mädchen freilassen und hierherschicken.«

Waco tippte sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe.

»Ich denke nicht daran.«

Dieser Mann blieb eiskalt. Er konterte ebenfalls mit einem Bluff. Er setzte sein Leben dabei aufs Spiel, aber das schien ihm nichts auszumachen.

Jetzt erst erkannte Lassiter, auf was für einen Gegner er da gestoßen war.

Der würde noch längst nicht aufgeben.

»Du kannst mich ja erschießen«, fuhr Waco gelassen fort. »Aber dann ist dein Leben auch keinen Cent mehr wert. Und das Mädchen muss ebenfalls dran glauben. Das da unten ist kein Bluff, Amigo.«

»Dann soll sie eben sterben«, knurrte Lassiter gleichmütig. »Was geht sie mich schon an? Niemand kann ewig leben.«

Nun wurde Waco etwas unsicher. Seine Augen flackerten.

»Du willst sie tatsächlich opfern?«, fragte er.

»Warum nicht?«, murmelte Lassiter.

Judith Scott schrie jetzt nicht mehr. Wie alle anderen blickte sie gespannt zu den beiden Männern hoch, die zwischen den Felsen angehalten hatten.

Alle warteten auf ein entscheidendes Wort.

»Wir gehen!«, sagte Lassiter.

Er stieß den Banditenboss mit dem Revolver an und trieb ihn vor sich her. Sekunden blieb es still in der Schlucht.

Und dann gellte der Schrei. Laut und entsetzlich. Der Schrei eines Menschen in höchster Todesnot.

Lassiter wirbelte herum.

Er befand sich mit Waco bereits zwischen zwei übermannshohen Felsbrocken, die die Sicht nach unten versperrten. Wieder dieser Schrei.

Die Schufte schienen auch vor dem letzten nicht zurückzuschrecken.

»Zurück!«, knirschte Lassiter.

Gleich darauf stand er mit John Waco wieder an der Stelle, von der aus sie den Weg sehen konnten.

Drei der Banditen beschäftigten sich mit Judith. Die anderen hielten weiterhin die übrigen Passagiere und die beiden Fahrer in Schach.

Einer stand hinter dem Mädchen und hielt ihm die Arme auf den Rücken gepresst. Die beiden anderen rissen ihr gerade den Rest ihrer Kleider vom Körper.

»Sie werden sie erst vergewaltigen und dann umbringen«, sagte Waco grausam. »Willst du das wirklich, Lassiter? Willst du sie opfern? Ist das die ganze Sache wert, für die du kämpfst?«

Lassiter schüttelte grimmig den Kopf.

»Nein!«, knurrte er entschlossen. »Sag ihnen, sie sollen das Mädchen freilassen.«

Judith wand sich im Griff des Mannes, der hinter ihr stand. Die anderen lachten höllisch. Sie besaß einen schönen, schlanken Körper. Die weiße Haut glänzte im Sonnenlicht.

»Wir lassen sie frei«, sagte Waco. »Aber nur unter einer Bedingung. Du gibst uns das Geld.«

Der Mann warf Judith auf die steinige Erde. Er kniete hinter ihr und drückte ihre ausgebreiteten Arme gegen den Boden.

Sie wand sich noch immer. Ein verzweifeltes, wimmerndes, bemitleidenswertes Bündel Mensch.

Lassiter knirschte mit den Zähnen. Sein Entschluss stand fest. Er hatte verloren. Er musste Waco das Geld geben. Aber was bedeuteten schon dreißigtausend Dollar gegen ein Menschenleben.

»In Ordnung«, sagte er heiser.

Waco grinste.

»Gib's her!«

Lassiter öffnete sein Hemd und legte den Gurt frei, den er sich um den Leib geschnallt hatte.

»Hier!« Er reichte ihm den Gurt.

Waco nahm ihn entgegen. Dann rief er: »Gebt das Mädchen jetzt frei!«

Judith wurde losgelassen. Sie erhob sich mühsam, taumelnd. Rasch raffte sie die Reste ihrer Kleidung zusammen und zog sich notdürftig an. Dann begann sie zu laufen.

»So long«, sagte Waco zu Lassiter und setzte sich ebenfalls mit großen Schritten in Bewegung.

Lassiter blickte ihm mit gemischten Gefühlen nach. Auf halbem Wege zwischen Lassiter und der Kutsche begegneten sich Waco und das Mädchen.

Der Bandit lachte höhnisch auf und packte sie.

Lassiter hob den Colt, aber es war zwecklos zu schießen. Er hätte Judith getroffen. Waco hielt sie als Schutzschild vor seinen Körper gepresst. Sie trat und schlug verzweifelt schreiend um sich.

Umsonst.

»Jetzt bin ich am Zug, Lassiter!«, schrie der Bandit.

Lassiter rannte auf die beiden zu. Waco war noch immer waffenlos. Vielleicht war das eine Chance.

Von unten stürmten die Banditen den Hang hinauf. Sie schossen auf Lassiter. Der feuerte in vollem Lauf. Vier Banditen traf er. Sie blieben tot oder verwundet liegen.

Dann verspürte Lassiter einen harten Schlag. Jetzt hatte es auch ihn erwischt. Er taumelte, fiel, blieb liegen.

Alles vorbei.

Waco befand sich mit dem Mädchen nur noch drei oder vier Schritt von ihm entfernt.

Wie aus weiter Ferne hörte er Judiths Schreie. Er lag auf dem Rücken. Durch kreisende Nebel sah er milchig weiß die Sonne. Auch sie drehte sich vor seinen Augen.

Dann sah er den Schatten eines Mannes über sich. Der Mann streckte den Arm schräg nach unten. Der Revolver in seiner Hand zielte auf Lassiter.

Der große Mann erwartete die Kugel. Das war das Ende. Er empfand weder Angst noch Bedauern. Einmal musste es ja so kommen. Er hatte viel riskiert und alles verloren.

Plötzlich glaubte Lassiter vom Weg her Schreie und Schüsse zu hören.

Der Mann, der ihm gerade den Fangschuss geben wollte, stieß einen Fluch aus und verschwand aus Lassiters Blickwinkel.

Mühsam richtete er sich halb auf, stützte sich auf die Ellbogen. Noch immer waren die Nebel vor seinen Augen. Er sah nur schemenhafte Umrisse. Trotzdem erkannte er die wichtigsten Einzelheiten.

Unten bei der Kutsche war ein Kampf entbrannt.

Die beiden Fahrer hatten eine Chance gewittert. Sechs der Banditen hatten Lassiter angegriffen. Und nur zwei von ihnen waren als Wächter bei der Kutsche zurückgeblieben.

Dann hatte Lassiter vier von ihnen niedergestreckt. Wahrscheinlich war das für die beiden Fahrer das Signal zum Angriff gewesen. Sie mussten in dem Augenblick zugeschlagen haben, als ihre beiden Bewacher für kurze Zeit abgelenkt waren.

Den genauen Hergang konnte Lassiter nur ahnen. Genau wusste er nur, dass dort unten ein Kampf entbrannt war.

Zwei Banditen waren bereits von den Kutschern erledigt worden. Aber jetzt stürmten die letzten beiden heran. Sie schossen schnell und genau. Die beiden Fahrer stürzten zu Boden und blieben reglos liegen.

Der dicke Whiskyvertreter war in die Knie gesunken und rang jammernd die Hände.

Der junge Engländer stand steif und aufrecht.

Der Reverend hatte die Arme vor der Brust verschränkt und machte keine Anstalten, in den Kampf einzugreifen.

Lassiter sah, wie die beiden letzten Banditen ihre Revolver auf die drei Passagiere richteten.

»Lasst sie leben!«, schrie Waco. »Die können uns nicht gefährlich werden.«

Lassiter sah den Banditenboss mit dem Mädchen wenige Schritte vor sich. Er erinnerte sich an sein Messer, tastete nach seinem Gürtel.

Der schwarzbärtige Mann ließ das Mädchen los und sprang auf Lassiter zu. Das Mädchen rannte weg und verschwand zwischen den Felsen.

Wacos Stiefelspitze traf Lassiters Handgelenk. Das Messer flog davon. Lassiter wälzte sich herum und prallte mit dem Körper gegen Wacos Schienbeine.

Der Bandit stolperte und stürzte.

Lassiter streckte sich und bekam erneut das Messer zu fassen. Aber durch den Streifschuss am Kopf war er noch immer zu benommen. Seine Bewegungen waren viel zu langsam.