Lassiter Sonder-Edition 29 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 29 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Lola war so gut wie nackt. Sie saß auf dem Tisch. Vor ihren verschränkten Beinen lag der Revolver neben dem Whiskyglas. Lassiters Revolver. Hinter ihr stand Larousse, der Ex-Legionär. Larousse grinste Lassiter an, der waffenlos vor dem Tisch stand.
"Jetzt musst du dich entscheiden, Lassiter", sagte er. "Wenn du bereit bist, unsere Forderungen zu erfüllen, bist du ein freier Mann. Wenn nicht, bringen wir dich an den Galgen. Du weißt ja, Lola hat gute Arbeit geleistet. Wir haben dich in der Hand."
Lassiter war wütend. Auf sich selbst und auf den Lockvogel Lola. Sie hatte ihn hereingelegt wie einen dummen Jungen. Jetzt saß er in der Klemme. Ihm blieb keine andere Wahl, als mitzumachen oder am Galgen zu enden...


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Seitenzahl: 187

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

LOCKVOGEL FÜR LASSITER

Vorschau

Impressum

LOCKVOGEL FÜR LASSITER

von Jack Slade

Die vier Männer wurden durch das breite Tor der Festung nach draußen geführt und mussten sich vor der Mauer nebeneinander aufstellen. Sie waren barfüßig und zerlumpt, und in ihren braunen Gesichtern war nur noch dumpfe Apathie zu lesen. Sie wussten, dass sie in wenigen Minuten tot sein würden.

Die Soldaten des Erschießungskommandos nahmen ihnen gegenüber Aufstellung. Abenteuerliche Gestalten, uneinheitlich uniformiert. Auf das laute Kommando ihres Offiziers hoben sie jetzt die Gewehre an die Schulter und zielten auf die vier Todeskandidaten.

Lassiter ritt schnell an der Gruppe vorüber. Er hatte schon zu viel Blut und Tod in den letzten Tagen gesehen. Männer, die man an den Füßen aufgehängt und in der glühenden Hitze zu einem langsamen, qualvollen Tod verdammt hatte. Er hatte gehängte, gepfählte, enthauptete und erschlagene Männer auf seinem Weg nach Süden gesehen. Wer in diesen Tagen durch Mexiko ritt, stand mit einem Bein ständig im Grab.

Mexiko war zu einem brodelnden Vulkan geworden. Das Land erstickte im Blut der Getöteten und Verwundeten. Der General Porfirio Diaz kämpfte gegen andere Generäle, die ihre Hand nach der Macht ausgestreckt hatten. Es war ein von allen Parteien mit erbarmungsloser Härte geführter Krieg. Es wurde geraubt, gemordet, geschändet, gefoltert. Exekutionen wie diese hier vor dem äußeren Wall der Zitadelle von Hermosillo waren an der Tagesordnung.

Lassiter hatte die Gruppe kaum passiert, als er das laute Kommando des Offiziers hörte. Gleich darauf krachten mehrere Salven. Durch die nachfolgende Stille prallte die Stimme des Offiziers gegen Lassiters Rücken.

»Anhalten, Americano!«

Lassiter griff seinem grauen, dürren Wüstenpferd in die Zügel. Das Tier stand sofort und ließ müde den Kopf hängen. Der große Mann wusste, dass es keinen Zweck hatte, einen Fluchtversuch oder sonst etwas zu wagen.

In einer Situation wie dieser konnten ihm nur kluge Zurückhaltung, Gerissenheit und eine gute Portion Glück das Leben retten. Diese mexikanischen Rebellen-Soldaten waren verdammt schnell mit der Schusswaffe bei der Hand.

Und was machte es ihnen schon aus, einen Gringo zu erschießen? Kein Hahn krähte danach. Er würde einer von Tausenden sein, in einem Massengrab verscharrt wie die vier armen Teufel, die jetzt mit ausgebreiteten Armen dort drüben vor dem Wall lagen.

Langsam drehte sich Lassiter im Sattel. Der breitkrempige, spitzkronige Strohsombrero beschattete sein sonnenverbranntes Gesicht. Er war auch sonst wie ein Mexikaner gekleidet, trug den gekreuzten Patronengurt über dem weißen Hemd. Wer oberflächlich hinsah, musste ihn für einen Sohn Mexikos halten.

Der Offizier besaß scharfe Augen. Er gehörte zu jenen misstrauischen Hombres, die sich jeden Fremden genauer ansahen.

»Was ist los?«, fragte Lassiter sanft. Er beherrschte das Mexikanische wie seine Muttersprache, kannte auch die meisten Dialekte der Indios und der Mestizen. Es war einer der Gründe, warum man ausgerechnet ihn für diesen Ritt ausgewählt hatte.

Der Offizier grinste flüchtig.

»Ich habe Befehl, jeden Fremden zu kontrollieren«, sagte er dann. »Und jeden, der mir verdächtig erscheint.«

Lassiter nahm den Grauen halb herum, damit er den Offizier bequemer ansehen konnte. Es war ein noch ziemlich junger Mann mit den Rangabzeichen eines Leutnants auf den Schulterstücken der roten Uniformjacke.

»Erscheine ich Ihnen verdächtig, teniente?«, fragte Lassiter.

Der Leutnant betrachtete Lassiter prüfend.

»Jeder Fremde ist verdächtig«, sagte er dann langsam. »Auch Leute aus den Vereinigten Staaten. Verschiedene Anzeichen sprechen dafür, dass es unter den Americanos Interessengruppen gibt, die möglichst schnell einen Sieg von Porfirio Diaz herbeiführen wollen. Inzwischen haben wir erfahren, dass diese Leute bereits Verbindung mit ihm aufgenommen haben.«

Der Blick des Leutnants wurde noch schärfer, prüfender. Es war, als versuche er, Lassiter bis auf den Grund der Seele zu sehen.

Lassiters Gesicht blieb unbewegt, obwohl der Offizier mit seinen Worten genau ins Schwarze getroffen hatte. Lassiter selbst war nämlich der Mann, der im Auftrag gewisser Kreise nach Mexiko geritten war, um Porfirio Diaz bestimmte Angebote zu unterbreiten.

Das war ihm auch gelungen. Nun war er unterwegs nach Nogales, wo seine Auftraggeber auf ihn warteten.

Es war ein höllisch heißer Job, den Lassiter da angenommen hatte. Und bis zur Grenze lagen noch immer über zweihundert Meilen vor ihm.

»Wollen Sie damit etwa sagen, dass Sie mich für einen Spion halten, teniente?«, fragte er ruhig.

Der Leutnant zuckte die Schultern.

»Das habe ich nicht zu entscheiden«, meinte er. »Die Urteile fällt der General selbst. Ich muss Sie jetzt leider bitten, mich in die Festung zu begleiten.«

Lassiter nickte lässig.

Vor einer Minute hätte er noch versuchen können, einen überraschenden Ausfall zu wagen, und wahrscheinlich wäre es ihm auch gelungen, dem Offizier und seinen acht Soldaten eine Nase zu drehen.

Das war jetzt nicht mehr möglich.

Schräg hinter ihm war das Tor in der Mauer geöffnet worden. Wieder marschierte eine Abteilung bunt uniformierter Soldaten hinaus. Auf den Wink ihres Offiziers blieben sie stehen und nahmen sofort eine drohende Haltung gegen den großen Mann auf dem Pferd ein.

Lassiter nickte dem Leutnant noch einmal zu und ritt langsam auf das breite Tor zu.

Auf dem weiten Feld zwischen der äußeren und der inneren Festungsmauer bot sich ihm ein wildes, abenteuerliches Bild. An vielen kleinen Feuern lagerten verwegene, farbenprächtig gekleidete Gestalten. Indios, Mestizen und weiße Mexikaner. Dunkelhäutige Frauen brutzelten Fleisch über den Feuern, kneteten Teig oder schoben Tortillas in kleine, tragbare Tortilla-Öfen. Tausend Gerüche erfüllten die Luft. Kinder lärmten, Hunde bellten. Jemand blies auf einer selbstgeschnitzten Flöte, und die schrillen Töne wurden untermalt vom dumpfen Klang einer Felltrommel.

Lassiter lenkte den Grauen geschickt durch das Menschengewirr. Der Leutnant mit seiner Abteilung folgte ihm dichtauf. Vor dem zweiten Tor, durch das man auf den Innenhof der Festung gelangte, sah Lassiter eine Reihe von langen, in den Boden gerammten Stangen, auf deren Spitzen man die Köpfe getöteter Feinde gespießt hatte.

Ein ungemütliches Prickeln lief ihm über den Rücken. Wenn man ihn entlarvte, würde er bald diese Galerie erweitern.

Sie kamen auf den Innenhof. Hier war es bedeutend ruhiger. Hierhin hatte das Fußvolk auch kaum Zutritt. Das hier war das Revier der Offiziere, Unterführer und derjenigen einfachen Soldaten, die gerade dienstlich hier anwesend sein mussten, als Wachtposten, Stallknechte oder Offiziersdiener.

Lassiter ritt auf das mächtige Festungsgebäude zu, in dem zu normalen Zeiten der jeweilige Gouverneur der Provinz residierte.

Dicht davor hielt er an und sprang vom Pferd. Ein Mestize fasste die Zügel und wollte es wegführen. Lassiter trat ihm in den Weg.

»Lass ihn stehen, mein Junge!«, sagte er ruhig. »Ich reite in ein paar Minuten wieder.«

Auf der breiten Freitreppe erschien ein grauhaariger Offizier, dessen Uniform mit zahlreichen Orden und Ehrenzeichen übersät war.

»Ich habe diesen Mann gefangen genommen, coronel«, meldete der Leutnant. »Ich möchte ihn dem General vorführen.« Der Oberst winkte lässig ab.

»Der General hat im Augenblick keine Zeit, teniente«, schnarrte er. »Er steckt mitten in einer wichtigen Unterredung. Entwaffnen Sie den Mann und führen Sie ihn in den Gerichtssaal. Ich werde ihn selbst verhören.«

Er fixierte Lassiter mit einem Lächeln, das nichts Gutes verhieß. Lassiter wusste, was ein solches Verhör bedeutete. In den meisten Fällen endeten sie mit einem rasch gesprochenen Todesurteil. Andere Strafen gab es nicht. Es war Krieg, und man konnte sich nicht noch mit Gefangenen belasten, die ja doch nur überflüssige Fresser waren.

Lassiter wusste, dass er sich in Acht nehmen musste. Eiserne Nerven waren die Voraussetzung für ein Weiterleben. Wenn er sich die geringste Blöße gab, war er erledigt. Und diese Mexe waren weiß Gott nicht zimperlich bei ihren Verhören. Oft halfen sie gerne ein wenig mit ihren Mitteln nach, wenn der Gefangene nicht das erzählte, was sie hören wollten.

Der Leutnant trat hinter ihn und zog ihm den Revolver aus dem Holster. Der Oberst wandte sich um und stiefelte sporenklirrend in den großen Bau zurück.

»Vorwärts!«, befahl der Leutnant und stieß Lassiter leicht gegen die Schulter. »Ich glaube, der Coronel hat heute nicht seinen besten Tag. Aber mach dir nichts daraus, Gringo. Jeder muss einmal sterben.«

Lassiter setzte sich in Bewegung. Er fühlte sich keineswegs wohl in seiner Haut. Er kannte die Mentalität dieser Menschen viel zu gut, um sich irgendwelchen falschen Hoffnungen hinzugeben.

Sie kamen durch einen halbdunklen langen Gang. Ihre Schritte hallten auf den Steinfliesen. Dann betraten sie einen großen Raum mit gewölbter Decke. Durch bunte Fenster wurde das Tageslicht gefiltert. Hier herrschte eine Atmosphäre wie in einer Kirche. An der Stirnwand thronte der Oberst hinter einem großen Schreibtisch.

Lassiter blieb drei Schritt vor ihm stehen. Er musste den Kopf heben, um dem Oberst in die Augen sehen zu können, denn der Tisch stand auf einem steinernen Podest. Hier hatte früher bestimmt der Altar gestanden, als der Raum noch friedlichen Zwecken diente.

»Name?«, fragte der Oberst.

»Lassiter.«

»Woher kommst du?«

Keine Spur von Höflichkeit in der Stimme des Offiziers. Er hatte ein Gesicht, als stünde sein Urteil längst fest. Dabei behandelte er Lassiter wie einen Hund.

Der große Mann war gereizt, aber er ließ es sich nicht anmerken. Hier halfen vorerst nur Ruhe und Bescheidenheit. Wenn überhaupt.

»Ich komme aus der Sierra Madre«, sagte er. »Ich verwaltete dort eine Silbermine. Wir wurden von den Yaquis des Porfirio Diaz überfallen. Ich konnte als einziger entkommen.«

Das Gesicht des Obersts nahm einen etwas versöhnlicheren Ausdruck an. Lassiter hatte genau in die richtige Kerbe geschlagen. Es war gut, General Diaz als Feind zu nennen, denn er war ja auch der Feind dieser Rebellenarmee, zu der der Oberst gehörte. Das hatte Lassiter schon während seiner kurzen Unterhaltung mit dem Leutnant erfahren.

»Diaz ist ein Verräter«, sagte der Oberst eisig. »Er hat unser geliebtes Mexiko ins Unglück gestürzt. Eines Tages werden wir ihn um einen Kopf kürzer machen.«

Lassiter kannte diese Sprüche. »Unser geliebtes Mexiko« – das sagten sie alle, die angeblich nur für das Wohl des Landes, in Wirklichkeit aber um des eigenen Profits und der eigenen Machtgier willen kämpften.

»Wenn ich dem Hurensohn jemals begegne, werde ich ihm eine Kugel in den Kopf jagen«, knurrte Lassiter. »Er hat meinen besten Freund auf dem Gewissen.«

Der Oberst senkte die Lider. Nachdenklich stülpte er die Lippen vor, bis sich schließlich sein Mund zu einem niederträchtigen Grinsen verzog.

»Hast du Beweise für deine Aussagen, Gringo?«, fragte er.

Lassiter fluchte innerlich. Dieser Oberst war ein gerissener Bursche. Es würde nicht einfach sein, ihn zu überzeugen.

»Ich bin der einzige Überlebende, coronel«, sagte er. »Das Bergwerk liegt in der Nähe von Tamazula. Sie können ja einen Mann hinschicken, der nachforscht. Er wird nicht mehr als ein paar Gräber finden.«

»Hm«, brummte der Oberst.

Eine Weile herrschte Schweigen.

Lassiter spürte, wie sich das Unheil über seinem Haupt zusammenbraute.

»Ich glaube dir nicht, Gringo«, sagte der Oberst dann. »Du siehst nicht aus wie ein Minenverwalter. Dir sieht man an, dass du ein Wolf bist. Ich kenne mich aus mit Typen wie dir. Vielleicht bist du der Spion, den die Amerikaner geschickt haben, damit er Verbindungen mit Porfirio Diaz anknüpfen sollte. Vielleicht bist du jetzt schon auf dem Rückweg.«

Teufel noch mal! Die Burschen waren gut informiert. Woher bezogen sie nur ihr Wissen? Alles war doch streng geheim gehalten worden! Nur eine Handvoll Leute wusste über das Unternehmen Diaz Bescheid.

Lassiters Leben hing an einem seidenen Faden.

»Solche Zusammenhänge sind mir unbekannt, Señor«, sagte er beherrscht. »Ich möchte zurück in die Staaten. Für Sie besteht kein Anlass, mich hier festzuhalten. Ich habe nichts getan, was Ihren Interessen irgendwie schaden könnte.«

Der Oberst grinste und schüttelte den Kopf.

»Mich kannst du nicht täuschen, Gringo«, sagte er. »Ich durchschaue dich. Du bist schlau und gefährlich. Du scheinst das Land zu kennen und beherrschst unsere Sprache wie kaum ein anderer Americano. Genau wie du wurde uns der Mann beschrieben, der losgeschickt worden ist, um den Verräter Diaz aufzusuchen.«

»Das ist doch alles Unsinn!«, brauste Lassiter auf. Er hielt es jetzt für besser, die Flucht nach vorne anzutreten. Vielleicht wurde dieser Oberst etwas sachlicher, wenn man ihm forsch entgegentrat.

Der Leutnant ging zum Schreibtisch, beugte sich vor und flüsterte seinem Vorgesetzten etwas zu. Der nickte zufrieden.

»Bueno«, sagte er. »Lassen Sie den Mann holen! Eine gute Idee, teniente.«

»Holt den Soldaten Jorge Ramon!«, befahl der Leutnant, und sofort entfernten sich zwei der Soldaten. Mit einem süffisanten Lächeln wandte sich der Leutnant dann an Lassiter. »Mir ist gerade eingefallen, dass Jorge Ramon auf einer Mine in der Nähe von Tamazula gearbeitet hat, bevor er sich unserer Armee anschloss«, sagte er. »Ich bin gespannt, ob er dich wiedererkennt, Gringo.«

Lassiter hielt die Luft an. Das hatte gerade noch gefehlt. Jetzt war er erledigt. In ein paar Minuten würde der Oberst den Befehl geben, ihn zu erschießen, zu köpfen, zu hängen oder auf irgendeine andere Art vom Leben zum Tode zu befördern, wenn zwischenzeitlich nicht noch ein Wunder geschah.

Nach kurzer Zeit kam Jorge Ramon.

»Kennst du den Gringo, Jorge?«, fragte der Oberst.

Jorge Ramon betrachtete Lassiter nachdenklich, kramte mit gerunzelter Stirn in der Vergangenheit herum und verneinte schließlich mit energischem Kopfschütteln.

Der Oberst stellte keine weiteren Fragen.

»Das genügt«, sagte er, und Jorge durfte wieder gehen.

Lassiter aber sah sich im Geist bereits an der Wand stehen, hörte die Gewehre donnern und sah sich zusammensacken. Das war also das Ende. So schnell ging das alles.

Der Oberst klopfte dreimal mit einem kleinen Hammer auf die Tischplatte. Sein Gesicht wurde feierlich, und er erhob sich zu voller Größe.

»Im Namen des Volkes«, sagte er laut, »verurteile ich dich, Lassiter, zum Tode. Du bist als Spion entlarvt und für schuldig befunden worden. Das Urteil wird sofort vollstreckt. Weiterhin ordne ich an, dass dem Verurteilten nach der Hinrichtung der Kopf abgeschlagen und auf einer Stange öffentlich zur Schau gestellt wird. Es soll eine Warnung für alle anderen Gringo-Spione sein.«

Lassiter explodierte so plötzlich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Sein Angriff kam für alle Anwesenden unerwartet. Damit hatte niemand mehr gerechnet.

Zuerst stürzte er sich auf den Leutnant. Mit der Rechten riss er seinen schweren Dakota Colt an sich, der hinter dem Gürtel des Leutnants steckte. Fast gleichzeitig knallte seine Linke dem jungen Offizier so hart ans Kinn, dass er auf die Zehenspitzen gehoben wurde und rückwärts gegen einige seiner heranstürmenden Soldaten taumelte.

Zu schießen wagte keiner in dem allgemeinen Getümmel, das innerhalb einer knappen Sekunde entstanden war. Es war zu gefährlich. Allzu leicht hätte man sich gegenseitig treffen können.

Lassiter wirbelte wie ein Hurrikan zwischen den Indios und Mestizen. Sie hängten sich an wie eine kläffende Hundemeute an einen Bären. Er schleuderte sie von sich wie ein großer Bär, mähte sie mit seiner Faust oder mit dem Coltlauf nieder, aber ständig kamen neue.

Der Oberst hatte seinen Revolver aus dem Futteral gezogen und feuerte zwei Schüsse ab. Die Kugeln fegten dicht über die Köpfe der Kämpfenden hinweg und schlugen in die gegenüberliegende Wand. Unmittelbar danach kamen weitere Soldaten hereingerannt. Alle stürzten sich auf Lassiter. Der große Mann ging zu Boden. Fußtritte und Fausthiebe trafen seinen Körper.

Er kam nicht wieder hoch. Nicht aus eigener Kraft. Als die Gegner von ihm abließen, lag er halb bewusstlos auf den harten Steinfliesen. Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt worden. Auch seine Fußgelenke waren fest zusammengeschnürt.

Über sich sah er das Gesicht des Obersts auftauchen.

»Jetzt hast du deine Schuld endgültig zugegeben, Gringo«, sagte er. »Deshalb werde ich dich auch nicht erschießen lassen. Du wirst aufgehängt, Hombre. Und zwar an den Füßen. Du wirst noch viel Zeit haben, über deine Sünden nachzudenken, bevor du richtig tot bist.«

»Verdammter Hurensohn!«, knurrte Lassiter.

Der Oberst blieb unbeeindruckt. Auf seinen Wink hin schleppten ihn die Soldaten hinaus. Zwei Mann packten ihn an den Füßen und schleiften ihn so hinter sich her. Durch die lange Halle. Dann über die Stufen der großen Freitreppe. Quer über den Innenhof bis zu den mächtigen Zedern, die um einen Brunnen standen.

Die Mexikaner arbeiteten schnell. Jemand warf ein Lasso über einen starken Ast, während ein anderer bereits die Schlinge um Lassiters Füße befestigte.

Gleich darauf wurde er hochgezogen.

Sein Körper spannte sich wie eine Bogensehne. Der Druck wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Das Blut schoss ihm in den Kopf. Einen halben Meter mit dem Kopf vom Boden entfernt ließen sie ihn hängen.

Eine Weile pendelte sein großer Körper noch hin und her. Dann hing er still. Der Baum spendete Schatten, aber die Hitze war auch hier kaum schwächer als in der Sonne.

Die Mestizen und Indios machten spöttische Bemerkungen. Sie schlossen Wetten ab, wie lange er es wohl aushalten würde.

Lassiter biss die Zähne zusammen. Sein Wille bäumte sich dagegen auf, jetzt schon aufzugeben, obwohl ihm sein Verstand sagte, dass er erledigt war.

Wer sollte ihm hier helfen? Wen interessierte schon das Schicksal eines einzelnen Mannes, der obendrein noch ein Gringo war!

Täglich wurden Hunderte hingerichtet. Die Gefühle dieser Männer waren abgestumpft. Sie lebten mit dem Tod in ständiger Nähe. Der Krieg war grausam.

Jetzt hockten sie um ihn herum wie die Aasgeier. Einer ging und holte einen Krug Wein. Sie amüsierten sich. Das hier war ein Schauspiel, das selbst sie nicht alle Tage erleben konnten. Viel interessanter als eine normale Exekution durch ein Erschießungskommando.

Lassiter hatte nach einer halben Stunde das Gefühl, sein Körper habe sich in einen tonnenschweren Felsbrocken verwandelt. Hinter seiner Schädeldecke lastete ein Druck, als würde der Kopf gleich von einer Explosion auseinandergerissen werden.

Die Geräusche der lachenden und schwatzenden Männer um ihn herum entfernten sich. Sie wurden verdrängt durch das immer stärker werdende Rauschen in seinen Ohren.

Nicht mehr lange, dann würde er das Bewusstsein verlieren. Und danach kam der Tod.

Lassiter verfluchte sich, dass er diesen Auftrag angenommen hatte. Gewiss, er hatte Geld gebraucht, und seine Auftraggeber zahlten nicht schlecht. Zuerst hatte es auch für Lassiter nicht mehr als eine reine Routinesache ausgesehen.

Ein Ritt nach Mexiko – was war schon dabei!

Jetzt wusste Lassiter, auf was er sich eingelassen hatte. Er hatte die Endstation erreicht. Einen heißen, langsamen, qualvollen Tod.

Wie hatten die Gegner des General Diaz es herausbekommen? Besaßen sie so ein gutes Spionagenetz? Gab es vielleicht in den Staaten noch eine andere Interessengruppe? Männer, denen der Sieg irgendeines anderen Generals mehr am Herzen lag?

Lassiter versuchte an etwas anderes zu denken. Was interessierte ihn das alles noch! Er hatte sich auf das Ende vorzubereiten.

Er hing so, dass sein Gesicht dem Hof zugewandt war. Jetzt sah er drüben auf der Freitreppe die Umrisse einer hochgewachsenen Gestalt auftauchen. Eine Frau. Sie trug ein einfaches weißes Kleid. Es reichte bis zu den Knöcheln, aber der weiche Stoff schmiegte sich so eng an den Körper, dass die Formen der Frau deutlich zur Geltung kamen.

Lassiter sah schärfer hin. Er riss die Augen weit auf. Narrte ihn bereits eine Wahnvorstellung? Gaukelten ihm seine überreizten Sinne Bilder vor, die gar nicht existierten?

Die Frau stand reglos, blickte zu ihm herüber.

»Carlotta!«, ächzte Lassiter. Es sollte ein lauter Ruf werden, ein Schrei. Aber der erschöpfte Mann brachte nicht mehr als dieses qualvolle Ächzen über die ausgetrockneten Lippen.

Die Frau hatte sich bereits abgewandt. Sie wollte gehen, um dem schrecklichen Schauspiel nicht beiwohnen zu müssen.

Jetzt blieb sie stehen, drehte sich langsam wieder um.

Lassiter schöpfte neue Hoffnung. Die Frau musste durch die Stille den Namen gehört haben. Und sie war stehengeblieben, weil es ihr Name war.

Langsam kam sie näher. Als sie die halbe Strecke zurückgelegt hatte, erkannte Lassiter sie deutlich.

Ja, sie war es. Er hatte sich nicht getäuscht. Dort kam Carlotta Duero, eine Freundin vom vergangenen Jahr.

Nun erkannte sie ihn auch. Sie ging schneller. Ihre Augen weiteten sich vor ungläubigem Erstaunen.

Seit sie auf der Treppe erschienen war, hüllten sich auch die Soldaten in Schweigen. Ein Zeichen dafür, dass Carlotta eine besondere Stellung hier einnahm.

»Lassiter!«, rief sie überrascht. »Was ist passiert?«

Er grinste verzerrt.

»Man hat mich als Spion von General Diaz verurteilt.«

»Zutrauen würde ich dir das ohne weiteres«, meinte sie sachlich. »Ich kenne dich schließlich recht gut. Was sollst du denn ausspioniert haben, alter Freund?«

Sie sprachen Amerikanisch. Es war unwahrscheinlich, dass sich unter den ungebildeten Mestizen und Indios jemand befand, der diese Sprache verstand.

»Willst du mich nicht erst mal abschneiden lassen?«, ächzte Lassiter. »Ich finde, dann lässt es sich besser miteinander reden.«

Sie nickte und winkte den Soldaten zu.

»Losschneiden!«, befahl sie energisch, diesmal auf Mexikanisch.

Die Männer zögerten keine Sekunde. Carlottas Wort schien mehr Gewicht zu haben als ein Befehl des Coronels, der Lassiter zum Tode verurteilt hatte.

Sie ließen ihn herunter, schnitten seine Fesseln durch. Eine Weile blieb er am Boden hocken und rieb sich die von der Lassoschlinge durchgescheuerten Fußgelenke.

»Meine Stiefel!«, sagte er etwas später.

Ein Mestize, der die Stiefel in seinen Besitz gebracht hatte, kam mit mürrischem Gesicht und stellte sie ihm hin.

Der junge Leutnant hatte Lassiters Revolvergurt mit dem Dakota-Colt, das Messer und den gekreuzten Patronengurt.

Lassiter sah ihn an, aber der Leutnant schüttelte den Kopf.

»Ich habe noch keinen Befehl dazu bekommen, Ihnen die Sachen zurückzugeben«, sagte er, wobei sein Ton jedoch wieder so respektvoll war, wie sich das gehörte.

»Geben Sie Señor Lassiter seine Waffen, Lopez!«, befahl die Frau.

Der Offizier gehorchte.

Lassiter schnallte sich den Revolvergurt um, schob das lange Messer in die Scheide am Gürtel und streifte den gekreuzten Patronengurt über die Schultern.

Grinsend sah er Carlotta an.

»Ein Glück, dass du gekommen bist«, murmelte er. »Dein Einfluss hier lässt für mich keinen anderen Schluss zu, als dass du die Frau des Generals bist.«

Sie nickte lächelnd.

»Ja«, erwiderte sie, »Hernando hat es weit gebracht. Mit etwas Kriegsglück wird er in ein paar Monaten Präsident von Mexiko sein. Die Provinz Sonora ist bereits fest in seiner Hand. Als nächste Provinz kommt Chihuahua an die Reihe. Von dort aus stößt er dann mit seiner Armee weiter nach Süden vor.«

Lassiter war überrascht.

»Hernando Gutierrez?«, fragte er. »Ist er der General?«

»Warum nicht?«, gab sie lässig zurück. »Hast du das etwa nicht gewusst?«

»Wenn ich es gewusst hätte, wäre ich nicht an dem Ast da gelandet. Ich hätte dem Coronel gleich gesagt, dass der General ein alter Freund von mir ist.«

»Und warum hast du nicht nach dem Namen des Generals gefragt?«

»Man hat mir keine Gelegenheit dazu gegeben. Der Coronel ist ja verdammt schnell mit seinen Urteilen. Und besonders zimperlich geht er auch nicht vor.«

Sie zuckte die Schultern.

»Coronel Parras ist ein harter Brocken. Aber genauso ist er auch im Kampf. Einer der besten Offiziere meines Mannes. Vielleicht sogar der beste überhaupt. Er schont weder sich selbst noch andere. Wir befinden uns nun mal im Krieg, Lassiter. Auch Hernando greift hart gegen seine Feinde durch.«

»Gehen wir zu ihm?«, fragte Lassiter.

Sie schüttelte den Kopf.