Lassiter Sonder-Edition 31 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 31 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Rena hockte auf der heißen Erde. Sie trug wieder das rote Kleid, das sie vorhin so bereitwillig ausgezogen hatte. Der Mann hinter ihr starrte Lassiter finster an. Es war Jake Morrison, der neue Spezialagent von Wells Fargo. Gemeinsam mit seiner schönen Geliebten hatte er den großen Mann in die tödliche Falle gelockt.
"Jetzt bist du dran, Lassiter", sagte er. "Und ich werde keinen einzigen von Sidney Bloods Fehlern wiederholen. Deshalb lege ich dich um. Hier und jetzt."
Lassiter grinste gelassen. "Blood hatte aber bessere Manieren", sagte er. Und dann explodierte er wie eine Dynamitladung.


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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

LASSITER UND DIE GELIEBTE DES SATANS

Vorschau

Impressum

LASSITER UND DIE GELIEBTE DES SATANS

von Jack Slade

Die beiden Schüsse klangen wie einer. Sie zerrissen die heiße, bedrückende Stille der kleinen Stadt am Rande der Wüste, und das Echo rollte an den niedrigen Adobebauten und Häusern entlang und verlor sich in der sonnendurchglühten Endlosigkeit des trostlosen Landes.

Der große Mann auf dem gelbgrauen Wüstenpferd warf die Arme hoch. Er stieß einen gellenden Schrei aus und fiel seitwärts aus dem Sattel. Sein Pferd kanterte aufgeschreckt ein paar Längen weiter und blieb mit träge herabhängendem Kopf stehen.

Über der kleinen Wüstenstadt lastete wieder die Stille. Ein Mann lag mit ausgebreiteten Armen im Straßenstaub. Er lag auf dem Gesicht. Aus dem schmalen Fenster eines Adobebaus stieg eine winzige Rauchwolke und löste sich langsam in nichts auf.

»Und wenn es jetzt der Falsche war?«, fragte der eine der beiden hinterhältigen Schützen seinen Kumpan. »Was dann, Tony?«

Tony deutete gelassen auf den Steckbrief, der hinter ihnen auf dem wackligen Tisch lag.

»Er ist es«, sagte er nur. Dann repetierte er sein Gewehr durch und ging auf die Tür zu. Sein Kumpan griff nach dem Steckbrief, faltete ihn wie etwas sehr Wertvolles sorgfältig zusammen und schob ihn ebenso sorgfältig in die innere Brusttasche seiner hellen Leinenjacke.

Als die beiden Männer auf die Straße traten, war noch immer kein Mensch zu sehen. Und dabei hatten die Schüsse laut genug geklungen, um auch den festesten Schläfer in diesem Wüstennest zu wecken.

Der Mann lag noch immer, wie er gefallen war, stumm und reglos.

»Das war ein Blattschuss, Amigo«, sagte Tony knurrend. »Ich habe genau auf sein Herz gezielt.«

Tony war ein Amerikaner. Seiner Kleidung nach hätte man ihn für einen Cowboy halten können. Auch nach seinem sonstigen Äußeren. Selbst die Stimme hatte einen angenehmen Klang.

Auch sein Partner sah nicht wie ein Desperado aus. Er hatte eher Ähnlichkeit mit dem Majordomo einer großen mexikanischen Hazienda. Silberne Sporen klingelten an seinen schwarzen Stiefeln, und unter dem teuren beigefarbenen Hut blickten dunkle Augen aus einem fein geschnittenen Gesicht.

Dicht vor dem Mann blieben die beiden stehen. Ihre Schatten fielen über die reglose Gestalt.

»Er ist es, Pedro«, sagte Tony. »Jetzt bin ich ganz sicher. Es ist Lassiter.«

Er schob den rechten Fuß unter den Körper des Mannes und drehte ihn mit einem kräftigen Ruck auf den Rücken, damit er das Gesicht ganz sehen konnte.

In derselben Sekunde durchzuckte ihn eisiger Schreck. Der Mann war gar nicht tot. Angeschossen schon, aber er lebte. Tony war für einen Augenblick wie gelähmt. Er wollte irgendetwas tun. Schreien, die Gewehrmündung auf den Mann richten, ihm eine zweite Kugel in die Brust jagen.

Aber Tony tat nichts. Genauso wenig wie sein Kumpan Pedro. Es dauerte zwar nur den Bruchteil einer Sekunde, nicht länger als einen Herzschlag lang.

Diese winzige Zeitspanne war für Lassiter genug. Er handelte, weil er handeln musste. Hier ging es um sein Leben. Seit er hier im heißen Staub lag, hatte er sich innerlich auf diesen Moment vorbereitet.

Von der Erde aus schoss er, bis keine Patrone mehr in seinem Revolver war. Die beiden Gegner hatten keine Chance. Sie waren eben zu sorglos gewesen.

Das Entsetzen stand noch auf ihren Zügen, als sie nebeneinander im Staub der Fahrbahn lagen.

Lassiter richtete sich mühsam auf. Er nahm eins der beiden Gewehre an sich und sah sich nach allen Seiten um.

Kein Mensch ließ sich blicken. Die Stadt schien völlig ausgestorben zu sein. Wie eine Geisterstadt.

Schwankend setzte sich der große Mann in Bewegung. Er hob den breitrandigen Stetson auf, der ihm beim Sturz vom Kopf gefallen war.

In seiner rechten Brustseite biss der Schmerz. Rings um die Einschussstelle befand sich ein dunkler Fleck verkrusteten Blutes auf dem Hemd. Die Kugel steckte noch in seinem Körper.

Mit zusammengebissenen Zähnen schwankte er auf sein Pferd zu. Neben dem Tier blieb er stehen und hielt sich am Sattelhorn fest. Das flirrende Sonnenlicht tat seinen Augen weh. Die schmutzigen Adobehütten tanzten auf und ab. Auch die beiden zweigeschossigen Häuser, die ungefähr zweihundert Schritt von ihm entfernt den Mittelpunkt der schäbigen Stadt bildeten.

Mühsam zog sich Lassiter in den Sattel. Zu Fuß hätte er es kaum geschafft, dieses Stück zurückzulegen. Im Sattel ging es schon besser. Außerdem hatte er von hier oben bedeutend bessere Sicht.

Sein Blick wurde wieder klarer. Jetzt konnte er seine Umgebung deutlicher erkennen.

Noch immer ließ sich kein Mensch blicken. Trotzdem war er sicher, dass die Stadt bewohnt war. Alles deutete auf die Anwesenheit von Menschen hin. Die vielen Spuren von Füßen, Pferdehufen und Wagenrädern in der Fahrbahn. Die Hühner, die drüben zwischen zwei Hütten im Sand scharrten. Der gefleckte Hund, der zusammengerollt im Schatten lag. Und vieles andere mehr.

Er griff hinter sich und zog die abgesägte Schrotflinte aus der Gepäckrolle, die er hinter dem Sattel aufgeschnallt hatte. Das erbeutete Gewehr ließ er achtlos fallen.

Dann hielt er vor dem ersten der beiden großen Gebäude an. Sie standen nebeneinander. Das eine war der General Store, der einem gewissen Jace Belden gehörte. Das Haus, vor dem Lassiter anhielt, war Saloon, Hotel und Postkutschenstation in einem. Es war eine Station der Southwest Overland Mail, eines großen Transportunternehmens, das seit einigen Jahren zur Wells-Fargo-Company gehörte. Auch dieses Haus war Eigentum jenes Jace Belden, wie auf dem großen Schild über dem Vorbaudach zu lesen war.

Drei Männer erschienen im Schatten unter dem Vorbaudach. Sie traten bis an den Rand des Gehsteigs und blickten abweisend auf den Mann im Sattel.

Lassiter hielt die Schrotflinte so an der Flanke des Pferdes, dass die drei die Waffe nicht sehen konnten.

»Reit weiter, Mann!«, sagte der mittlere Mann. »Wir wollen hier keinen Ärger.« Lassiter grinste.

»Das ist ja wirklich ein freundliches Kaff«, sagte er heiser. »Zuerst diese Salutschüsse und jetzt ihr drei als Empfangskomitee. Gibt es einen Doc hier bei euch?«

»Hau endlich ab!«, knurrte der Sprecher der drei. »Oder du bekommst tatsächlich noch das, was die zwei dort drüben für dich vorgesehen hatten.«

Lassiter spürte neue Schwäche in sich aufsteigen. Gleichzeitig aber packte ihn auch die Wut. Lange konnte er sich nicht mehr im Sattel halten. Wenn ihn diese drei Typen noch länger aufhielten, fiel er ihnen womöglich noch wie eine reife Frucht vor die Füße.

Die drei hatten ihre Hände bereits auf den Kolben der Revolver liegen. Ihre Haltung war noch drohender geworden als zuvor. Er sah ihnen an, dass sie nicht mehr lange zögern würden.

Deshalb kam er ihnen zuvor. Er schwang die Parker hoch, spannte die beiden Hähne und legte auf dem Sattelhorn den Doppellauf auf.

»Abschnallen!«, befahl er.

Die drei sahen sich an. Dann blickten sie wieder auf Lassiter. In seinen Augen lasen sie, dass er es ernst meinte. Er war wie ein angeschossener, in die Enge getriebener Tiger, der bis zum letzten Atemzug um sein Leben kämpfen würde.

Das erkannten sie deutlich.

Langsam griffen sie nach den Schnallen der Gurte, öffneten sie. Die Gurte mit den Revolvern polterten auf den Gehsteig.

Lassiter saß langsam ab, ohne die Männer auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Ein Strom unbezähmbarer Wildheit ging von ihm in diesen Sekunden aus. Ein Hauch des Todes.

Die Männer beobachteten ihn schweigend, abwartend. Vielleicht lauerten sie auf eine günstige Gelegenheit, aber im Augenblick wagten sie nichts.

»Geht voran!«, befahl Lassiter.

Sie drehten sich wortlos und schritten vor ihm her auf die Schwingtür zu. Ein großer kühler Schankraum nahm sie auf. Außer dem dicken Keeper war kein Mensch im Saloon zu sehen. Links von der Theke führte eine breite Holztreppe ins Obergeschoss.

Lassiter winkte dem Keeper kurz mit der Schrotflinte.

»Mitkommen!«

»Aber ich...«

»Maul halten!«, unterbrach ihn Lassiter grob. Die Schwäche nahm von Sekunde zu Sekunde zu. Schmerz bohrte in seiner Schulter. Die Beine wollten ihn kaum noch tragen. »Vorwärts jetzt!«

Der Keeper zitterte am ganzen Körper. So schnell ihn seine kurzen Beine trugen, kam er um den Tresen herum und sah Lassiter fragend an.

»Ich brauche ein Zimmer«, sagte Lassiter. »Und einen Doc, der mir die Kugel herausholt. Du da holst ihn!«, er zeigte kurz auf den jüngsten der drei Männer, die sich ihm draußen in den Weg gestellt hatten. Der Bursche war nicht viel älter als achtzehn. Er sah den älteren Mann an seiner Seite fragend an. »Geh schon, Junge!«, sagte der.

»Sehr vernünftig«, lobte Lassiter.

Während der Junge verschwand, mussten der Wirt und die beiden anderen vor ihm her die Treppe hochsteigen. Wenig später standen sie in einem Zimmer. Lassiter ließ sich auf das Bett sinken. Die drei Männer behielt er weiterhin im Auge.

»Sobald der Doc kommt, könnt ihr verschwinden«, sagte er. Dann nahm er den Revolver aus dem Holster und legte ihn neben sich. Griffbereit.

Er verzichtete darauf, im Augenblick schon Fragen zu stellen. Obwohl es ihn brennend interessierte, was in dieser Stadt gespielt wurde, schwieg er. Bald würde er es ohnehin erfahren. Jetzt strengte jedes Wort nur unnötig an.

Zum dritten Mal innerhalb kürzester Zeit war ein Mordanschlag auf ihn verübt worden. Zuerst in der Nähe von Lordsburg. Das war vor zwei Wochen gewesen. Dann in Williams, einem kleinen Nest im Norden Arizonas. Beide Male war er mit knapper Not den Schüssen aus dem Hinterhalt entgangen. Beide Male hatte er die Schufte erwischt. Gedungene Mordschützen von Wells Fargo. Sie hatten es ihm gestanden, als sie verwundet vor ihm lagen. Auch den Namen ihres Auftraggebers verrieten sie ihm in ihrer Todesangst.

Der Mann hieß Jake Morrison. Er war Sidney Bloods Nachfolger. Er war der neue Chef der Geheimarmee von Wells Fargo. Die Bosse in San Francisco hatten ihm diesen Job übertragen, nachdem Sidney Blood vier Wochen verschollen gewesen war. Sie hatten ihn damals für tot gehalten. In Wirklichkeit hatte Lassiter den Spezialagenten gefangen genommen und in ein Bergversteck entführt. Das war unbedingt nötig gewesen. Es war gewissermaßen eine von zwei Möglichkeiten für Lassiter. Die andere Möglichkeit war, den Spezialagenten zu töten.

Lassiter hatte sich für die erste Möglichkeit entschieden. Nicht nur, weil er kein Mörder war und nur dann einen Menschen tötete, wenn ihm wirklich keine andere Wahl blieb, sondern auch, weil er seinen erbittertsten Feind seit Jahren schätzte. Auf irgendeine Art mochte er diesen dickköpfigen, eiskalten Burschen, der so viele Ähnlichkeiten mit ihm selbst hatte.

Und noch etwas kam hinzu. Er kannte Blood seit Jahren. Er konnte seine Pläne und Reaktionen vorausahnen und hatte sich angewöhnt, immer genau das Gegenteil von dem zu tun, was Blood erwartete.

Seit Jahren bekämpften sie sich so erbittert, wie sich zwei Männer nur bekämpfen konnten. Nicht etwa, weil sie sich hassten. Nein, der Grund lag darin, dass sie auf zwei verschiedenen Seiten standen. Lassiters Kampf galt nicht Sidney Blood, sondern Wells Fargo, deren Vertreter Blood war.

Die Ursache lag schon Jahre zurück. Damals besaß Lassiter zusammen mit seinem Freund ein kleines Transportunternehmen in Colorado. Bis dann Wells Fargo seine Finger nach ihnen ausgestreckt hatte. Der gefräßige Moloch Wells Fargo, der keine Konkurrenz neben sich duldete. Der keine Mittel scheute, andere an die Wand zu drücken. Lassiter konnte niemals den Tag vergessen, an dem er seinen Freund und Partner gefunden hatte. Aus Verzweiflung hatte er sich das Leben genommen.

Lassiter dagegen begann zu kämpfen. Gegen Wells Fargo. Von Wells Fargo holte er sich alles zurück, was sie ihm genommen hatten. Mit Wells-Fargo-Geld bezahlte er seine Gläubiger. Mit Wells-Fargo-Geld sorgte er für die Familien der Männer, die auf seiner Lohnliste gestanden hatten und bei Überfällen auf seine Transporte ums Leben gekommen waren.

Wells Fargo setzte die Agenten ihrer Geheimarmee auf Lassiter an. Als alle Bemühungen erfolglos waren, wurde Sidney Blood auf ihn gehetzt. Blood, den sie den Bluthund nannten. Ihr bester Mann. Eiskalt, intelligent, erfahren. Ein Kämpfer.

Die beiden Gegner lernten sich kennen. Lassiters Kampf gegen Wells Fargo entwickelte sich mehr und mehr zur persönlichen Auseinandersetzung. Nur zwischen ihnen beiden. Ein Band, das fester war als die Liebe, hielt diese beiden Männer zusammen, als wären sie mit Handschellen aneinandergefesselt. Im Kampf hart gegeneinander, aber niemals gnadenlos. Zwei Gegner, die sich respektierten. Jeder von ihnen hätte den anderen schon hundertmal töten können. Es widersprach ihrem Charakter. Keiner von ihnen war eine Killernatur.

Jahrelang war Blood wie der Schatten eines Geiers auf Lassiters Fährte gewesen. Jetzt war es plötzlich ein anderer. Jake Morrison. Gemein, hinterlistig, brutal. Es gab kaum einen Ort, an dem Lassiter noch ruhig über die Straße gehen konnte, ohne mit einer Kugel aus dem Hinterhalt rechnen zu müssen.

Dies war bereits der dritte Mordanschlag. Im letzten Augenblick hatte er das Aufblitzen des Gewehrlaufs bemerkt, als ein Sonnenstrahl auf das Metall fiel. Das hatte ihm das Leben gerettet. Aber die Minuten, die er reglos unter der glühenden Sonne im heißen Staub gelegen hatte, waren die Hölle gewesen.

Hölle der Ungewissheit.

Wie viele Gegner waren es? Einer, zwei oder noch mehr?

Als die beiden dann kamen, musste er handeln. Rau und rücksichtslos. Er selbst hatte ja auch keine Schonung zu erwarten.

Er fragte sich, warum niemand anders in dieser kleinen Stadt an der Jagd auf ihn teilgenommen hatte. Sein Kopf war immerhin zehntausend Dollar wert. Eine Summe, für die manch einer schnell zur Waffe griff.

Hatten vielleicht nur die beiden gewusst, wer er war?

Der junge Mann betrat mit dem Doc das Zimmer. Dass es der Doc war, erkannte Lassiter an der großen schwarzen Tasche, die der Mann bei sich hatte. Ein alter Mann mit weißem Haar, das ihm bis tief in den Nacken reichte. Weiß war auch der struppige ungepflegte Bart, der das welke, eingefallene Gesicht umrahmte.

Er hatte sich sehr verändert, aber Lassiter kannte ihn sofort wieder. Abe Holliman. Zuletzt als Arzt in Denver, Colorado. Ein schlechter Arzt, dafür ein geldgieriger Teufel. Boss einer Bande von Halsabschneidern, deren Spezialität es war, solche Männer zu überfallen, die gerade mit einem stattlichen Gewinn eine der zahllosen Spielhöllen von Denver verlassen hatten.

Ihr Geschäft blühte so lange, bis sie sich eines Abends den falschen Mann als Opfer aussuchten. Dieser Mann war Lassiter. Etwas über dreitausend hatte er beim Roulette gewonnen, und Hollimans Leute versuchten ihr Glück. Sie kamen zu fünft. Es gelang ihnen auch tatsächlich, Lassiter seinen Gewinn und noch ein paar tausend Dollar mehr, die er in der Tasche hatte, abzunehmen. Aber viel Freude sollten sie diesmal nicht an ihrer Beute haben. Lassiter schlug zurück. Vier der Kerle stellte er und übergab sie dem Sheriff. Dem fünften war inzwischen der Boden zu heiß unter den Stiefeln geworden. Er setzte sich rechtzeitig ab und verschwand spurlos.

Und dieser Mann stand Lassiter nun gegenüber. Doc Abe Holliman. Heruntergekommen. Nur noch ein Schatten seiner selbst.

Mitten im Raum blieb er stehen. Drei Schritt von Lassiters Bett entfernt.

»Lassiter!«, krächzte er mit heiserer Säuferstimme. Und dann grinste er bösartig unter seinem Bartgestrüpp. »Erwartest du etwa Hilfe von mir?«

Lassiter hob die Schrotflinte etwas an.

»Fang schon an!«, sagte er.

Die anderen vier Männer starrten. Sie sagten kein Wort, trotzdem las Lassiter ihre Gedanken. Enttäuschung, weil sie erst jetzt seinen Namen erfuhren. Weil sie sich zehntausend Dollar hatten entgehen lassen, indem sie sich passiv verhielten. Aber in das Gefühl der Enttäuschung mischte sich die Gier. Die Gewissheit, das Versäumte nachzuholen. Sie brauchten ja nur zu warten, bis er vor Erschöpfung die Augen schloss und ihm die Schrotflinte aus den Händen glitt. Bald würde er vor ihnen liegen wie eine reife Frucht, die sie nur aufzulesen brauchten, wenn die Zeit gekommen war.

»Dich lass ich mit der größten Freude krepieren«, krächzte der Doc. »Keinen Finger werde ich rühren, um dir zu helfen.« Lassiter sah den dicken Wirt an.

»Sag du ihm, dass er anfangen soll«, knurrte er. »Oder ihr fahrt mit ihm zu Hölle. Ich warte noch eine Minute. Dann geht die Flinte los.«

Der Keeper stieß Holliman an.

»Mach schon voran, Abe!«

Der Doc betrachtete Lassiter nachdenklich. Er rechnete sich die Chancen des großen Mannes aus. Er war nicht der erste, dem er eine Kugel aus dem Körper holen würde. Derartige Eingriffe musste ein Arzt in diesem wilden Land fast täglich vornehmen. Und bisher war noch jeder Mann bei der Prozedur für kurze Zeit bewusstlos geworden.

Auch Lassiter würde es nicht anders ergehen.

Holliman grinste diabolisch.

»Also gut«, sagte er heiser.

Er setze die Tasche auf dem kleinen Tisch ab und breitete die Instrumente aus.

Lassiter ließ die Schrotflinte sinken und nahm den Revolver in die Hand. Die Mündung zeigte auf den Kopf Hollimans.

»Keine Dummheiten, Holliman!«

Der Doc knurrte verächtlich. Er legte die Wunde frei und stocherte mit der Sonde, um den genauen Sitz der Kugel auszumachen. Er gab sich dabei keine Mühe, rücksichtsvoll zu sein. Es machte ihm Spaß, den verwundeten Mann zu quälen.

Lassiter grinste verzerrt. Mit dieser Behandlung kam ihm der verkommene Doc nur entgegen. Die Schmerzen hielten ihn wach, forderten seine Widerstandskraft.

Holliman schüttelte immer wieder missmutig den Kopf. Er konnte es nicht begreifen, dass Lassiter nicht schon längst das Bewusstsein verloren hatte.

Auch als er schließlich die Kugel herausgeholt hatte, standen Lassiters Augen noch immer offen. Und der Revolver lag weiterhin ruhig in seiner Hand.

»Whisky!«, knurrte Lassiter, zum Keeper gewandt. »Der beste, den du im Hause hast!«

Der Mann verschwand und kam gleich darauf mit einer Flasche Bourbon zurück. Zuerst nahm Lassiter einen großen Schluck. Dann goss er sich einen Teil der scharfen Flüssigkeit über die Wunde. Ein höllisches Brennen erfasste den ganzen Oberkörper. Aber die Prozedur war notwendig. Es war im Augenblick die einzige Möglichkeit, die Wunde richtig zu desinfizieren.

Doc Holliman lauerte noch immer. Lassiter grinste ihm ins Gesicht.

»Zwecklos, Mister«, sagte er kalt. »Du hast dich zu früh gefreut.«

Holliman schüttelte den Kopf.

»Du bist erledigt, Lassiter«, sagte er mit Bestimmtheit. »Auch wenn du im Augenblick noch alle Trümpfe in der Hand hast. Vergiss nicht, dass du verwundet bist. Auf die Dauer kannst du dich nicht in diesem Zimmer verteidigen. Irgendwann wirst du vor Schwäche und Müdigkeit einschlafen. Und dann haben wir dich. Zehntausend Dollar sind auf deinen Kopf ausgesetzt. Jeder weiß das. Ich freue mich jetzt schon auf den Augenblick, wenn dir jemand ein Stück Blei in deinen verdammten Schädel jagt.«

Lassiter blieb unbeeindruckt.

»Verschwindet!«, sagte er lässig, nachdem Holliman ihm einen Verband angelegt hatte. »Jetzt möchte ich meine Ruhe haben. Dein Geschwätz geht mir an die Nerven, Holliman.«

Der Doc packte seine Sachen zusammen und verließ mit den anderen das Zimmer. Lassiter stand auf und verriegelte die Tür. Dann trat er ans Fenster und blickte auf die Straße hinab. Kein Mensch war zwischen den schäbigen Häusern dieses trostlosen Nestes zu sehen. Die beiden Toten hatte man weggeschafft. Ein Zeichen dafür, dass außer den fünf Männern, die Lassiter bisher kennengelernt hatte, noch andere Leute die Stadt bewohnten. Eine seltsame Stadt.

Was wurde hier gespielt?

Warum hatte sich niemand für die Schießerei interessiert?

Lassiter schob seinen Revolver ins Holster, nahm die Parker in die linke Hand und ging nach unten. Der weiße Schulterverband leuchtete auf seinem gebräunten Oberkörper. Das blutgetränkte und zerrissene Hemd konnte er nicht mehr anziehen.

Die drei Männer standen am Tresen und sprachen leise mit dem Keeper. Doc Holliman saß an einem Tisch und stierte in sein Whiskyglas. Niemand bemerkte Lassiter, der lautlos auf der Treppe erschienen war.

»... soll Belden entscheiden«, hörte er gerade den Keeper sagen. »Wir brauchen nur aufzupassen, dass er hier nicht rauskommt.«

»Oder wir greifen ihn an, wenn er schläft«, meinte einer der drei.

Lassiter räusperte sich. Die Köpfe der Männer fuhren herum. Auch der Doc blickte überrascht hoch. So früh hatte niemand von ihnen mit seinem Erscheinen gerechnet.

Ruhig stieg er die Treppe hinab und stellte sich ans Kopfende des Tresens. Von hier aus konnte er alle Männer im Auge behalten.

»Whisky.«

Der Keeper schob ihm ein volles Glas hin. Schweiß perlte auf der Stirn des dicken Mannes. Lassiter legte die Schrotflinte vor sich auf die Theke und nahm das Glas in die Hand.

»Wer waren die beiden Männer?«, fragte er langsam.

»Tony Cassidy und Pedro Martinez«, erwiderte der Keeper. »Sie kamen gestern Nachmittag hier an. Aus Oro Diablo. Sie nahmen ein Zimmer in diesem Haus.«

»Oro Diablo?«, murmelte Lassiter.

Der Wirt nickte eifrig.