Lassiter Sonder-Edition 34 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 34 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Sie standen auf dem Gerüst unter dem Galgenbaum. Die Schlinge um den Hals. Links und rechts die beiden Wegelagerer. In der Mitte Lassiter.
"Und jetzt", sagte der King, "beginnt das große Todesspiel. Das Galgenroulett. Nur einer wird gewinnen."
Sie kannten die Bedingungen dieses grausamen Spiels, das dem sadistischen Hirn eines Größenwahnsinnigen entsprungen war. Und Lassiter wusste, dass seine Chancen gleich null waren...


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Seitenzahl: 172

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

GALGENROULETTE MIT LASSITER

Vorschau

Impressum

GALGENROULETTEMIT LASSITER

von Jack Slade

Eigentlich war Lassiter nur aus Neugierde mit den beiden schönen Frauen nach oben gegangen. Er hielt einiges von dem, was sie ihm unten im Saloon angedeutet hatten, für reichlich übertrieben, aber jetzt wollte er sehen, was er alles erleben würde. Für ihn war das Ganze ein herrlicher Spaß. Auch dass dieser Spaß zweihundert Dollar kosten sollte, störte ihn nicht. Er hätte ohne mit der Wimper zu zucken das Zehnfache der Summe hinblättern können, ohne seine Barschaft damit allzu sehr anzugreifen.

Hinter ihm lag ein langer und harter Ritt, und jetzt genoss er die Stunden der Entspannung. Im Hotel hatte er vorhin gebadet und sich frische Sachen angezogen. Anschließend war er in den Rio Grande Star gegangen. Der Portier im Hotel hatte ihm flüsternd und augenzwinkernd diesen Saloon als etwas besonders Prickelndes empfohlen.

Bis jetzt war Lassiter in keiner Weise enttäuscht worden. Es gab eine Menge schöner Mädchen im Saloon, und zwei der Schönsten davon waren jetzt mit ihm allein in diesem behaglichen Zimmer mit seinem dicken roten Teppich, den gemütlichen Sesseln und der breiten Doppelliege.

Lassiter zog sich den Cordrock und die Stiefel aus und machte es sich auf der Ruhestätte bequem. Er verschränkte die Arme unter dem Nacken und beobachtete die beiden Frauen, als sie langsam anfingen, sich auszuziehen.

Er spürte, wie sich Erregung in ihm ausbreitete. Die beiden verstanden es wirklich, einen Mann verrückt zu machen. Die Langsamkeit, mit der sie aus ihren Kleidern schlüpften, war allein schon aufreizend genug, um einen Mann alles andere vergessen zu lassen.

Schließlich trugen beide nur noch ein winziges ledernes Dreieck, das ihre Scham bedeckte und von einem silbernen, um die Hüften gespannten Band gehalten wurde.

Lassiter erhob sich. Er hatte nun entschieden genug optische Reize auf sich einwirken lassen. Jetzt wollte er endlich zum praktischen Teil übergehen.

Als er aufstand, verspürte er ein seltsames Gefühl des Schwindels. Er hatte etwas Ähnliches erlebt, als er vor einem halben Jahr mit ein paar alten Bekannten in Kansas City Wiedersehen gefeiert hatte. In jener Nacht hatte er aber auch wirklich mehr getrunken, als er vertragen konnte.

Das war jetzt nicht der Fall. Sicher, eine halbe Flasche Bourbon hatte seine Kehle passiert, aber davon wurde er normalerweise nicht betrunken.

Er grinste und ging langsam auf die beiden Schönen zu. Jetzt fühlte er sich schon wieder etwas besser. Wahrscheinlich war dieses kurze Schwindelgefühl vorhin auf die Tatsache zurückzuführen, dass er in seinem abgespannten Zustand etwas zu schnell getrunken hatte.

Die beiden Frauen wichen leichtfüßig nach links und rechts. Dabei kicherten sie belustigt.

»Gehört das mit zu unserem Spiel?«, fragte er.

Sein Blick wechselte zwischen der blondhaarigen Britta und ihrer Freundin, der schwarzhaarigen Mexikanerin Carmen.

Beide lächelten jetzt nicht mehr ganz so freundlich wie vorhin im Saloon. Ihm entging nicht die Härte, die ihre Augen plötzlich ausstrahlten. Lassiter war ein viel zu erfahrener Mann, um solche Kleinigkeiten zu übersehen.

»Wir haben uns noch nicht über das Finanzielle unterhalten«, sagte die blonde Britta. »In unserem Beruf wird das immer vorher erledigt, mein Schatz.«

Lassiter grinste und holte zwei Hundertdollarscheine aus der Tasche. Ihm passte die Art der beiden Frauen nicht, aber nun wollte er auch keinen Rückzieher mehr machen.

»Hier«, sagte er. »Für jede hundert Dollar. Wie vereinbart.«

Die beiden sahen sich an und spielten Überraschung.

»Aber Schatz«, sagte die Blonde und nahm rasch die Dollars an sich, »du siehst nicht aus wie ein armer Mann und hast sicherlich noch etwas mehr. Wir bieten ja auch schließlich was.«

Lassiter wurde langsam wütend. Er ärgerte sich nicht nur über das Verhalten der beiden Schönen, sondern auch über sich selbst.

Warum, zum Teufel, war er nur mit den beiden gegangen! Er hatte bis heute noch jede Frau haben können. Und er hatte schon mit mancher Hure geschlafen, ohne vorher auch nur ein Wort über Geld zu verlieren.

Und keins dieser Mädchen war jemals schlecht dabei gefahren.

Die Methode der beiden hier fachte seinen Zorn an.

»Hundert Dollar waren vereinbart«, sagte er. »Das ist eine Summe, für die ein Cowboy mehr als sechs Wochen schuften muss.«

Die Blonde lächelte gekünstelt. »Wir machen es ja auch besonders schön«, sagte sie lockend. »Bei uns wirst du Sachen erleben, von denen du bis heute nicht einmal geträumt hast. Komm schon, Darling! Du siehst doch nicht aus wie ein Geizkragen. Du bist ein toller Mann, der immer Erfolg hat. Das haben wir dir von Anfang an angesehen.«

Lassiter kannte diese Tour. Jetzt versuchten sie es also mit Schmeicheleien. Aber auf diesem Ohr war er taub.

Grinsend ging er auf die Blonde zu. Sie hielt die beiden Geldscheine in der linken Faust.

»Und jetzt«, sagte er lässig, »werden wir mal die Verhandlung auf meine Art fortsetzen.«

Die Lust an den beiden war ihm inzwischen endgültig vergangen. Sie hatten durch ihr Verhalten die anfängliche Harmonie völlig zerstört.

Der große Mann griff blitzschnell zu. Die blonde Katze schien mit seiner Reaktion gerechnet zu haben. Wahrscheinlich war Lassiter nicht der erste Kunde, der keine Lust hatte, sich ausplündern zu lassen.

Sie wich zurück bis zur Wand.

»Was willst du?«, fauchte sie. »Bilde dir nur ja nichts ein! Allein dass wir mit dir hier herauf gegangen sind, kostet schon hundert. Wenn du jetzt keine Lust mehr hast, dann kannst du verschwinden. Auf solche Typen wie dich haben wir gerade noch gewartet.«

Lassiter näherte sich ihr erneut. Es ging ihm nicht um die hundert Dollar. Diesen Verlust konnte er leicht verschmerzen. Aber lieber gab er das Geld einem armen Teufel, der es wirklich nötig hatte.

Die Blonde schrie zornig auf, als er ihr Handgelenk packte. Er drückte ziemlich hart zu, aber die Frau öffnete ihre Faust nicht, in der sie das Geld hatte.

»Du Scheusal!«, schrie sie. »Du dreckiger Bastard! Verschwinde, oder du kannst was erleben!«

Lassiter presste ihr Gelenk noch etwas fester zusammen. Jetzt öffnete sie die Hand. Die beiden Geldscheine flatterten auf den Teppich. Zufrieden grinsend bückte sich Lassiter und hob sie auf.

Britta stürzte sich von hinten auf ihn. Sie hatte plötzlich eine Flasche in der Hand, die sie Lassiter auf dem Schädel zerschmettern wollte.

Er blockte den Schlag mit dem linken Unterarm ab. In diesen Sekunden war er so sehr mit der blonden Hure beschäftigt, dass er nicht merkte, wie ihre Partnerin den Raum verließ.

Gleich darauf brach dann das Verhängnis über ihn herein. Vier Männer stürmten ins Zimmer. Das wütende Gekreische der blonden Britta übertönte ihre Schritte.

Schweigend stürzten sie sich auf den großen Mann. Einer schwang einen keulenartigen Gegenstand und ließ ihn auf Lassiters Kopf herabsausen. Da sich Lassiter in derselben Sekunde gerade bewegte, streifte ihn der Hieb nur. Die Keule schrammte über sein rechtes Ohr und landete auf der Rückenmuskulatur dicht neben dem Halsansatz.

Der Schmerz schoss durch das Schultergelenk bis in den Arm hinein. Schlaff sank er nach unten.

Lassiter konnte sich nur noch mit dem linken Arm wehren. Er warf sich herum. Die Faust krachte dem grobschlächtigen Keulenmann ans Kinn. Der Bursche wurde zurückgeschleudert und fand erst an der gegenüberliegenden Wand wieder Halt.

Den einen hatte Lassiter sich vom Hals geschafft. Aber da waren noch die anderen drei.

Sie stürzten sich auf ihn wie eine Meute hungriger Wölfe. Es waren durchweg starke, muskulöse Kerle, die mit ihren Fäusten umzugehen verstanden. Ihren vernarbten Gesichtern mit den eingeschlagenen Nasenbeinen sah man an, dass sie schon manche Saloon- oder Ringschlacht hinter sich gebracht hatten.

Lassiter wehrte sich, so gut es ihm mit dem einen Arm möglich war. Der rechte Arm war noch immer durch die Schlagwirkung der Keule wie gelähmt. Er erkannte, dass es für ihn nur noch eine Rettung gab, wenn es ihm gelang, sich den Weg zur Tür freizukämpfen. Der Versuch scheiterte.

Angefeuert von den beiden Huren, droschen die drei Kerle gnadenlos auf ihn ein. Sie ließen erst von ihm ab, als er bewusstlos auf dem Teppich lag. Mit dem Gesicht nach unten.

Einer stieß ihm hart die Stiefelspitze in die Seite.

»Ziemlich rauer Bursche«, meinte er anerkennend. »Ob wir ihm den Rest geben?«

Die beiden Frauen knieten bereits bei ihm nieder. Sie durchsuchten seine Taschen und nahmen alles an sich, was irgendwie brauchbar war. Sie plünderten ihn aus, bis er nur noch die Sachen besaß, die er am Leib trug.

Natürlich fanden sie auch sein Geld. Alles, was er besaß. Selbst die tausend Dollar, die er als Notreserve im Innern seiner Stiefel versteckt hatte, entgingen ihren gierigen Händen nicht.

»Jetzt könnt ihr ihn erledigen«, sagte die blonde Britta kühl. »Aber bringt das draußen vor der Stadt in Ordnung. Dann sieht es so aus, als ob Wegelagerer ihn überfallen hätten.«

Die vier Kerle nickten grinsend. Für sie schien es nichts Außergewöhnliches zu sein, einen Menschen aus dem Weg zu räumen.

»Du kannst dich auf uns verlassen, Britta«, brummte der Keulenschwinger und starrte dabei die blonde Frau begehrend an.

Sie verstand seinen Blick und lächelte.

»Bis nachher, Ken«, sagte sie. »Die Nacht ist für dich reserviert.«

Er stieß Lassiter erneut mit dem Fuß an.

»Weiß einer, wie er heißt?«

Die Blonde nickte.

»Lassiter«, sagte sie.

Die vier Schläger sahen sich bedeutungsvoll an. Sie alle hatten schon von Lassiter gehört. Und sie wussten auch, dass Wells Fargo noch immer bereit war, einen saftigen Brocken für Lassiters Kopf auszuspucken. Tot oder lebendig, das spielte keine Rolle. Die vier waren entschlossen, Wells Fargo den toten Lassiter vor die Füße zu legen. Das ersparte eine Menge Komplikationen.

»Sagt euch der Name was?«, fragte Britta.

Ken nickte. »Der gefährlichste Feind von Wells Fargo«, berichtete er. »Lassiter soll der Company schon mehr geschadet haben als hundert Banden. In der letzten Zeit ist zwar nicht mehr viel passiert. Trotzdem ist die Belohnung noch immer ausgesetzt. Die großen Bosse in San Francisco wollen ganz sichergehen, dass er nicht eines Tages doch wieder zuschlägt.«

»Im Grunde ein armes Schwein«, brummte Brock Wingham, der neben Ken stand. »So erbittert ist vor ihm noch nie ein Mann gejagt worden. Dabei hat er sich nur seiner Haut gewehrt, als sie damals seine eigene Wagenlinie drüben in Colorado einsacken wollten. Sie haben es schließlich auch geschafft, aber er hat sich alles zurückgeholt. Ein paar Mal haben sie ihn sogar schon geschnappt, aber er ist immer wieder entkommen.«

»Du bist gut informiert, Brock«, sagte die Blonde.

»Sicher«, murmelte er, »ich war ja selbst zwei Jahre bei Wells Fargo beschäftigt. Ich weiß eine Menge über Lassiter. Wir müssen verdammt vorsichtig sein. Der hat noch Tricks in seiner Kiste, wenn andere längst nichts Schlimmes mehr denken.«

Seine drei Kumpane lachten abfällig.

»Du übertreibst wieder mal gewaltig, Brock«, sagte Ken. »Diesmal hat er keine Chance mehr. Was will er denn noch machen? Wir bringen ihn jetzt so weit von der Stadt weg, dass niemand den Schuss hört.«

»Das wollte ich gerade gesagt haben«, meldete sich die Blonde. »Außer uns darf niemand etwas davon erfahren. Wenn einer von den Mortimers oder den Peraltas dahinterkommt, dürfen wir nur noch abliefern, was wir soeben verdient haben. Ihr wisst ja, wie geldgierig sie sind.«

»Und unser Anteil?«, fragte Ken, der Wortführer der vier Halunken. »Du hast ihm nach meiner Schätzung an die zehntausend Bucks aus den Taschen geholt.«

»Das Geld bleibt vorläufig hier«, entschied Britta. »Außerdem bekommt ihr ja noch eine stolze Belohnung von Wells Fargo. Oder habt ihr keine Lust, ihn abzuliefern?«

»Ich denke, Mortimer und Peralta sollen nichts davon erfahren?«

»Sollen sie auch nicht«, erwiderte Britta. »Bringt ihn nach San Antonio, wenn ihr ihn erledigt habt. Dort könnt ihr die Belohnung auch sofort kassieren. Der Stationsleiter in dieser Stadt wird sich wohl kaum für befugt halten, euch das Geld zu geben. Der würde erst nachfragen müssen. Und dann käme ein Rattenschwanz von Formalitäten auf euch zu. Tut also, was ich euch geraten habe.«

Lassiter lag noch immer reglos auf dem Teppich. Mit dem Gesicht nach unten. Er hatte die letzten Worte gehört, aber niemand merkte, dass er wieder bei Bewusstsein war.

»Fesseln wir ihn?«, fragte einer der Kerle.

»Sicher«, brummte ein anderer. »Ich habe euch doch gesagt, dass er gefährlicher als ein Sack voll Klapperschlangen ist.«

Lassiter spannte die Muskeln, als ihm jemand die Arme auf den Rücken drehte und einen kurzen Strick um seine Gelenke schlang. Er spürte sofort, dass der Bursche noch nicht viele Männer kunstgerecht gefesselt hatte. So band man einem Maverick die Läufe zusammen, aber nicht einem Mann, der einen gut funktionierenden Verstand besaß.

Derselbe Kerl fesselte auch noch Lassiters Füße. Dann hoben ihn zwei Mann hoch und trugen ihn aus dem Zimmer. Sie hielten ihn noch immer für bewusstlos.

Auf dem matt erleuchteten Flur öffnete Lassiter die Augen. Die beiden, die ihn getragen hatten, ließen ihn fallen. Er lag jetzt auf dem Rücken. Seine aufgeplatzte Gesichtshaut zog sich unter dem eingetrockneten Blut zusammen. Er hatte Schmerzen am ganzen Körper. Bei jedem Atemzug fuhr ein heftiges Reißen durch seinen Brustkorb.

Er hatte die Augen nur einen Spalt breit geöffnet. In dem matten Licht der am Ende des Flurs hängenden Lampe konnten die Männer so nicht sehen, dass er bereits aufgewacht war.

»Verdammt«, knurrte einer der beiden Träger, »so geht das nicht weiter. Auf diese Art haben wir ja Mühe, ihn aus dem Haus zu bringen.«

»Warten wir doch, bis er von allein gehen kann«, meinte sein Kumpan.

Der dritte stieß Lassiter unsanft mit der Fußspitze an.

»Haben wir denn so fest zugeschlagen?«, murmelte er. »Der Kerl wird ja überhaupt nicht mehr wach.«

»Vielleicht hat er eine Gehirnerschütterung«, meinte sein Nebenmann. »Bei so etwas dauert's manchmal ziemlich lange. – Brock, du bist der Stärkste von uns. Lad ihn dir auf die Schulter. Du trägst ihn bis hinter das Haus. Wir holen inzwischen die Pferde.«

Brock Wingham brummte etwas vor sich hin, was sich nicht wie eine Freundlichkeit anhörte. Dann packte er Lassiter und wuchtete ihn hoch. Er lud sich den scheinbar bewusstlosen Mann bäuchlings auf die rechte Schulter und stampfte mit ihm davon.

Lassiter grinste vor sich hin. Sollte sich der Halunke ruhig einmal richtig abarbeiten! Das konnte nur gut sein.

Er atmete tief die frische Nachtluft ein, als sie endlich draußen auf dem Hinterhof des Saloons waren. Unter einigen Bäumen warf ihn der bullige Brock dann ab. Er tat es sehr unsanft. Lassiter unterdrückte mühsam einen Schmerzenslaut.

Brock beugte sich über ihn und rüttelte ihn durch.

»Ich versteh' das nicht«, murmelte er schließlich irritiert vor sich hin. »Einmal muss er doch wieder zu sich kommen.«

Lassiter hatte inzwischen eifrig an seinen Handfesseln gearbeitet. Das eine Ende der Schnur war durch sein ständiges Hin- und Herreiben so tief gerutscht, dass er es mit den Fingerspitzen packen konnte. Sehr sorgfältig hatte der Kerl, der ihn gefesselt hatte, wirklich nicht gearbeitet.

Gerade wandte ihm Brock den Rücken zu. Er kramte in seinen Rocktaschen und brachte sein Rauchzeug hervor, um sich eine Zigarette zu drehen. Von der Straße her näherte sich Hufschlag.

Das mussten die drei anderen Kerle sein.

Es wurde Zeit für Lassiter. Jetzt blieb ihm höchstens noch eine halbe Minute, bis die anderen hier eintrafen.

Er arbeitete fieberhaft. Dann waren seine Hände frei. Als er sich aufsetzte, um den Strick um die Füße zu lösen, drehte sich Brock Wingham zufällig um.

»Heh!«, knurrte er und griff nach seinem Revolver.

Lassiter schnellte hoch. Obwohl seine Füße noch gefesselt waren. Der bullige Halunke stand knapp zwei Schritte von ihm entfernt. Mit vorgestreckten Händen flog Lassiter auf ihn zu.

Er bekam das Handgelenk Brocks zu fassen, als der seinen Revolver halb aus dem Holster hatte.

Lassiters Hände waren wie die Backen eines Schraubstocks. Im Fallen drehte er sich und hörte ein knirschendes Geräusch.

Der Bandit ließ den Revolver fallen und stieß einen unmenschlichen Schrei aus. Lassiter hatte ihm das Handgelenk gebrochen. Eigentlich ein Glück für Brock, denn sonst hätte ihn Lassiter jetzt erschießen müssen.

Er kam hart auf der Erde auf und griff nach Brocks Revolver. Gerade kamen die anderen Halunken auf dem Hof an.

Sie rissen sofort ihre Waffen hoch, als sie Brocks Gebrüll hörten. Sie erfassten die Situation blitzschnell. Mündungslichter zuckten auf. Kugeln schlugen dicht vor Lassiter in die Erde.

Er blieb ruhig und zielte sorgfältiger als seine Gegner. Er feuerte, bis die Trommel der Waffe leer war. Und er hatte getroffen. Jeder der drei Halunken hatte etwas abbekommen. Zwei fielen aus dem Sattel. Der dritte hielt sich nur mühsam auf dem scheuenden Pferd.

In Lassiters Nähe war Brock Wingham in die Knie gegangen und heulte wie ein Coyote in einer Vollmondnacht. Lassiter kroch mit noch immer aneinandergefesselten Füßen zu ihm hin und riss ihm das Messer aus der Scheide am Gurt. Mit einem schnellen Schnitt durchtrennte er den Strick und sprang auf.

Höchste Zeit für Lassiter.

Im Saloon war es lebendig geworden. Männer quollen durch den Hinterausgang. Andere kamen von der Straße her durch den schmalen Gang, der auf den Hof führte.

Der Teufel war los auf dem Hinterhof des Rio Grande Star. Männer schrien, brüllten und fluchten durcheinander, während Lassiter in der Dunkelheit untertauchte.

Zunächst einmal musste er weg von hier. Er befand sich in einer fremden Stadt. Alle, mit denen er es zu tun gehabt hatte, würden gegen ihn aussagen und die anderen aufhetzen. Wenn sie ihn jetzt in die Finger bekamen, konnte es leicht passieren, dass er wenig später an einem Ast baumelte.

So waren die meisten Menschen nun einmal. Wenn die Leidenschaften sie übermannten, konnten sie sich kein klares Urteil mehr bilden. Als Masse bildeten sie dann ein Pulverfass, in das nur noch jemand mit einigen geschickten Worten die Lunte stecken musste, um es zur Explosion zu bringen. Und eine solche Explosion bedeutete dann Mord. Lynchjustiz unter dem starken Ast eines Baumes oder an einem vorstehenden Dachbalken. In solchen Situationen waren selbst Sheriffs, Richter und andere besonnene und einflussreiche Männer zur ohnmächtigen Untätigkeit verurteilt. Dann blieb nur noch das bittere Erwachen, die Ernüchterung.

So war es auch jetzt.

Für Lassiter ging es ums nackte Leben.

Er hörte laute Rufe durch die Nacht schallen. Sein Name wurde genannt. Finstere Drohungen wurden ausgestoßen.

An verschiedenen Stellen sah er Fackeln aufleuchten. Reiter brachen zwischen den Häusern hervor und galoppierten in die Richtung, die Lassiter genommen hatte.

Er sah ein, dass das, was er machte, zwecklos war. Hier draußen würden sie ihn über kurz oder lang entdecken. Es gab nur einen Platz, an dem er sicher war. Er musste zurück in die Stadt. Dort würde man ihn am wenigsten vermuten.

Grimmig grinste Lassiter vor sich hin. Es gehörte zu seinen Stärken, dass er immer das Unerwartete tat. Das, womit seine Gegner am allerwenigsten rechneten.

Er schlug einen Bogen und näherte sich wieder den Häusern. Ein Stück weiter südlich war der Fluss. Die Grenze nach Mexiko. Er spielte mit dem Gedanken, die Flucht durch den Fluss zu riskieren. Im nächsten Augenblick hörte er, dass es zwecklos war.

»Ein Teil reitet zum Fluss!«, rief jemand. »Stellt überall Posten aus! Auch beim Mietstall! Bewacht sämtliche Pferde! Zu Fuß kommt er nicht weit.«

Es war eine harte, befehlsgewohnte Stimme. Der Mann musste eine der ganz großen Nummern von Del Rio sein, wenn so viele auf sein Kommando hörten.

Lassiter drückte sich eng an die Wand eines Schuppens. In seiner Nähe rannten einige Männer vorbei. Sie hatten Fackeln in den Händen, und Lichtschein streifte Lassiter.

Er stand reglos wie eine Statue. Ein zufälliger Blick von einem der Männer, und er war erledigt. Der Revolver, den er erbeutet hatte, war wertlos. Keine einzige Patrone besaß Lassiter mehr.

Die Männer sprachen miteinander.

»Er hat versucht, Britta Nielsen und Carmen Prieta zu überfallen«, sagte einer. »Ich hörte, wie Britta es erzählte. Der Kerl wollte das Geld der Mädchen. Zum Glück kamen Ken Strong und die anderen hinzu. Beinahe hätten sie ihn erwischt. Er hat gekämpft wie ein wildes Tier. Brock Wingham hat er das Handgelenk gebrochen, der Hundesohn.«

»Zack Mortimer ist vor Wut bald geplatzt«, erklärte ein anderer. »Ausgerechnet Britta, mit der er befreundet ist, wurde überfallen. Mortimer wird den Kerl auf der Stelle hängen lassen, wenn er ihn in die Finger bekommt.«

Die Stimmen der Männer verloren sich. Lassiter glitt weiter. Hinter den Häusern entlang. Immer wieder musste er in Deckung gehen. An allen möglichen Stellen wurde nach ihm gesucht.

Er erreichte den Nordrand der Stadt. In der Dunkelheit sah er die Umrisse von weißen Adobehütten. Aus einigen Fenstern fiel Licht. Auf einem Platz zwischen den Hütten sammelte sich eine Handvoll dunkelhäutiger Burschen. Mexikaner mit großen Sombreros und bunten Ponchos. Sie wollten sich ebenfalls an der Jagd auf Lassiter beteiligen, wie es schien.

In Lassiters Nähe wurde gerade eine Tür geöffnet. In dem Licht, das aus dem Inneren des Adobehäuschens fiel, sah er einen Mexikaner und eine kleine schwarzhaarige Frau.

Der Mann küsste sie kurz und schulterte dann sein langes Gewehr, dessen Lauf hoch über seinen Sombrero ragte.

»Sei vorsichtig, Miguel«, sagte die kleine Frau. »Komm gesund wieder zurück! Die Kinder und ich, wir brauchen dich.«